Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen – Az.: 8 B 1781/20 – Beschluss vom 04.01.2021
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 26. Oktober 2020 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren wird auf die Wertstufe bis 5.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg. Sein Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, stellt den angegriffenen Beschluss nicht durchgreifend in Frage.
1. Ohne Erfolg bleiben die vom Antragsteller angemeldeten „erhebliche[n] Wirksamkeitsbedenken gegen eine sofortige Vollziehung“ der Fahrtenbuchauflage. Der Antragsgegner hat gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO deren sofortige Vollziehung angeordnet. Der Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO steht dem nicht entgegen, denn er entfaltet seinerseits keinen Suspensiveffekt. Die Beschwerde gegen den hier angefochtenen Beschluss hat ebenfalls keine aufschiebende Wirkung (vgl. § 149 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Woraus der Antragsteller herleitet, dass eine sofortige Vollziehbarkeit nicht schon mit Erlass des betreffenden Verwaltungsakts, sondern erst nach Abschluss eines gerichtlichen Eilverfahrens wirksam werden dürfe, legt die Antragsbegründung nicht dar. Wenn es, wie er geltend macht, andernorts eine derartige Verwaltungspraxis geben sollte, würde dies die gesetzlich vorgesehene frühere Wirksamkeit der sofortigen Vollziehbarkeit nicht in Frage stellen. Die in diesem Zusammenhang vom Antragsteller betonte Dauer der angefochtenen Fahrtenbuchauflage ändert daran nichts.
2. Das Beschwerdevorbringen zieht nicht durchgreifend in Zweifel, dass im Rahmen der nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen Interessenabwägung das öffentliche Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegt, weil sich die Anordnung der Fahrtenbuchauflage voraussichtlich als rechtmäßig erweist.
Nach § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO kann die nach Landesrecht zuständige Behörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war.
a) Entgegen der Auffassung des Antragstellers durfte der Antragsgegner davon ausgehen, dass die beiden in der Fahrtenbuchauflage zugrunde gelegten Verkehrsverstöße mit dem auf den Antragsteller zugelassenen Fahrzeug begangen wurden (dazu aa)). Auch zieht er die Annahme des Verwaltungsgerichts nicht durchgreifend in Zweifel, dass jeweils die Feststellung des verantwortlichen Fahrzeugführers unmöglich im Sinne des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO war (dazu bb)).
aa) Ohne Erfolg macht der Antragsteller geltend, der Antragsgegner sei nicht berechtigt gewesen, die Ergebnisse der Geschwindigkeitsüberwachung, wonach er die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 28 km/h beim ersten Verkehrsverstoß und um 25 km/h beim zweiten überschritten hat, ungeprüft als zutreffend zu unterstellen.
(1.) Die Behörde, die die Auferlegung eines Fahrtenbuchs prüft, muss ebenso wie das Verwaltungsgericht in einem sich anschließenden Rechtsstreit über die Rechtmäßigkeit der Fahrtenbuchauflage alle (objektiven) Tatbestandsmerkmale der Bußgeld- bzw. Strafvorschrift selbstständig prüfen. Dabei genügt es – anders als im Strafprozess -, wenn mit hinreichender Sicherheit feststeht, dass ein Verkehrsverstoß begangen worden ist. Wenn ein Halter, der ein Fahrtenbuch führen soll, den begangenen Verkehrsverstoß als solchen bestreitet, muss er im Verwaltungs- oder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren substantiierte Angaben machen, die seine Schilderung plausibel erscheinen lassen. Auch in Ansehung der vom Antragsteller angeführten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes hält der Senat an der Auffassung fest, dass Geschwindigkeitsmessergebnisse, die mit amtlich zugelassenen Geräten in standardisierten Verfahren gewonnen werden, dabei nach Abzug der Messtoleranz von Behörden und Gerichten im Regelfall ohne Weiteres zu Grunde gelegt werden dürfen; mögliche Fehlerquellen brauchen in einem solchen Fall nur erörtert zu werden, soweit der Einzelfall dazu konkrete Veranlassung gibt.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20. Dezember 2018 – 8 B 1018/18 -, juris Rn. 4 f., m. w. N.
(2.) Bei einem standardisierten Messverfahren handelt es sich um ein durch Normen vereinheitlichtes (technisches) Verfahren, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf derart festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind, wobei dies nicht bedeutet, dass die Messung in einem voll automatisierten, menschliche Handhabungsfehler praktisch ausschließenden Verfahren stattfindet. Regelmäßig werden technische Messsysteme, deren Bauart von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt zur Eichung zugelassen ist, von den Gerichten als standardisierte Messverfahren insbesondere bei Geschwindigkeitsmessungen anerkannt.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. November 2020 – 2 BvR 1616/18 -, juris Rn. 41, m. w. N.
Die in beiden Fällen zur Anwendung gekommene Messmethode mit dem Messgerät der Marke Poliscan M1 HP ist ein sog. standardisiertes Messverfahren.
Vgl. Hamb. OLG, Beschluss vom 12. März 2019 – 9 RB 9/19, 9 RB 9/19 – 3 Ss OWi 16/19 -, juris Rn. 9; OLG Bamberg, Beschluss vom 12. März 2019 – 2 Ss OWi 67/19 -, juris Rn. 5; OLG Braunschweig, Beschluss vom 14. Juni 2017 – 1 Ss (OWi) 115/17 -, juris Rn. 4, 12; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 12. November 2020 – 2 BvR 1616/18 -, juris Rn. 40 (Poliscan Speed M1).
Der Antragsteller, der einräumt, das Fahrzeug in beiden Fällen selbst geführt zu haben, zweifelt dies nicht an. Auch hat er mit seinem Beschwerdevorbringen keine Anhaltspunkte dafür aufgezeigt, dass die mit diesen Geschwindigkeitsmessungen gewonnenen Messergebnisse zu seinem Nachteil fehlerhaft sein könnten.
(3.) Die Messergebnisse sind entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht deshalb unverwertbar, weil die Rohmessdaten der maßgeblichen Feststellung im anschließenden gerichtlichen Verfahren nicht mehr zur Verfügung stünden.
Der Antragsteller weist darauf hin, dass sich nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes aus dem Grundrecht auf wirksame Verteidigung auch in einem Bußgeldverfahren über eine Geschwindigkeitsüberschreitung das Erfordernis ergebe, die Rohmessdaten der Geschwindigkeitsmessung zur nachträglichen Plausibilitätskontrolle heranziehen zu können. Sei dies nicht gewährleistet, seien die Ergebnisse des Messverfahrens wegen einer verfassungswidrigen Beschränkung des Rechts auf eine wirksame Verteidigung in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren unverwertbar.
Vgl. VerfGH Saarl., Urteil vom 5. Juli 2019 – Lv 7/17 -, juris; vgl. demgegenüber VerfGH Rh.-Pf., Urteil vom 15. Januar 2020 – VGH B 19/19 -, juris Rn. 48.
Jedenfalls mit seiner Annahme, diese Erwägungen müssten auch in einem die Anordnung zur Führung eines Fahrtenbuchs betreffenden Verwaltungsverfahren gelten mit der Folge, dass ihm dort die Verkehrsverstöße mangels Vorhandenseins von Rohmessdaten nicht entgegen gehalten werden könnten, dringt der Antragsteller aber nicht durch.
(a) Wie der Senat im Zusammenhang mit der Rüge des Fehlens von Rohmessdaten bereits entschieden hat, gilt in Verwaltungsverfahren das Gebot der einfachen, zweckmäßigen und zügigen Durchführung des Verwaltungsverfahrens (§ 10 Satz 2 VwVfG NRW) und richtet sich die Pflicht der Behörde zur Aufklärung des Sachverhalts nach dem Maßstab des Untersuchungsgrundsatzes gemäß § 24 VwVfG NRW. Deshalb muss die Behörde zwar das Vorliegen sämtlicher Voraussetzungen für den Erlass der Fahrtenbuchauflage prüfen. Die Intensität der Prüfung darf sie aber auf das im jeweiligen Fall gebotene Maß an sachlichem und zeitlichem Aufwand beschränken. Wie in anderen Massenverfahren auch kann dabei eine Plausibilitätsprüfung genügen und ist eine weitere Erforschung des Sachverhalts erst auf einen konkreten Anhalt hin geboten. In Verfahren betreffend den Erlass einer Fahrtenbuchauflage verpflichtet deshalb der Amtsermittlungsgrundsatz die Behörde nicht, ohne konkreten Anlass gewissermaßen „ins Blaue hinein“ das Ergebnis der Geschwindigkeitsmessung zu hinterfragen. Dies ist erst dann geboten, wenn der Fahrzeughalter auf Unstimmigkeiten der Messung oder deren Dokumentation hinweist oder auf andere Weise die Möglichkeit eines Messfehlers aufzeigt oder wenn sich der Behörde ohnedies die fehlende Plausibilität der Messung aufdrängen muss.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20. Dezember 2018 – 8 B 1018/18 -, juris Rn. 13 ff.; vgl. auch Nds. OVG, Beschluss vom 23. September 2020 – 12 ME 130/20 -, juris Rn. 8 ff.
(b) Für den Bereich des der verwaltungsrechtlichen Pflichtenmahnung dienenden Rechts der Ordnungswidrigkeiten hat inzwischen das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, wenn die Fachgerichte von einer reduzierten Sachverhaltsaufklärungs- und Darlegungspflicht der Gerichte im Falle eines standardisierten Messverfahrens ausgehen. Das Tatgericht ist nur dann gehalten, das Messergebnis zu überprüfen und sich von der Zuverlässigkeit der Messung zu überzeugen, wenn konkrete Anhaltspunkte für Messfehler gegeben sind. Bei standardisierten Messverfahren sind daher im Regelfall, ohne konkrete Anhaltspunkte für eventuelle Messfehler, die Feststellungs- und Darlegungspflichten des Tatgerichts reduziert. Davon unberührt bleibt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aber das Recht des Betroffenen, das Tatgericht im Rahmen seiner Einlassung auf Zweifel aufmerksam zu machen und einen entsprechenden Beweisantrag zu stellen. Dabei begegnet es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass der Betroffene für einen erfolgreichen Beweisantrag konkrete Anhaltspunkte für technische Fehlfunktionen des Messgeräts vortragen muss, wohingegen die bloß allgemeine Behauptung, die Messung sei fehlerhaft gewesen, das Gericht nicht zur Aufklärung anhält. Gleiches gilt für pauschale Behauptungen des Betroffenen ins Blaue hinein, etwa dergestalt, dass das Messgerät nicht richtig funktioniert habe, die Gebrauchsanweisung nicht eingehalten oder nachträglich Eingriffe an dem Gerät vorgenommen worden seien.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. November 2020 – 2 BvR 1616/18 -, juris Rn. 39 ff.
Weiter hat das Bundesverfassungsgericht hervorgehoben, dass der Betroffene in einem Strafverfahren ebenso wie im Ordnungswidrigkeitenrecht neben der Möglichkeit, prozessual im Wege von Beweisanträgen oder Beweisermittlungsanträgen auf den Gang der Verhandlung Einfluss zu nehmen, grundsätzlich auch das Recht hat, Kenntnis von solchen Inhalten zu erlangen, die zum Zweck der Ermittlung entstanden sind, aber nicht zur Akte genommen wurden. Dieses Recht gilt aber nicht unbegrenzt. Gerade im Bereich massenhaft vorkommender Ordnungswidrigkeiten ist eine sachgerechte Eingrenzung des Informationszugangs geboten. Anderenfalls bestünde die Gefahr der uferlosen Ausforschung, erheblicher Verfahrensverzögerungen und des Rechtsmissbrauchs. Deshalb müssen die begehrten, hinreichend konkret benannten Informationen zum einen in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem jeweiligen Ordnungswidrigkeitenvorwurf stehen und zum anderen erkennbar eine Relevanz für die Verteidigung aufweisen. Insofern ist maßgeblich auf die Perspektive des Betroffenen bzw. seines Verteidigers abzustellen. Entscheidend ist, ob dieser eine Information verständiger Weise für die Beurteilung des Ordnungswidrigkeitenvorwurfs für bedeutsam halten darf. Dabei kann er grundsätzlich jeder auch bloß theoretischen Aufklärungschance nachgehen.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. November 2020 – 2 BvR 1616/18 -, juris Rn. 49 ff.
Vor diesem Hintergrund kann es zwar den verfassungsrechtlichen Anspruch des Betroffenen auf ein faires Verfahren aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG verletzen, wenn ihm der Zugang zu außerhalb der Bußgeldakten befindlichen Rohmessdaten versagt wird.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. November 2020 – 2 BvR 1616/18 -, juris Rn. 3, 49 ff.
Dies ist nach den vorstehend zusammengefassten Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts allerdings nicht schon allein deshalb der Fall, weil dem Betroffenen die Rohmessdaten nicht zur Verfügung stehen. Bei standardisierten Messverfahren haben die Rohmessdaten nicht schlechthin Bedeutung für die Feststellung des Verkehrsverstoßes, sondern erst dann und nur insoweit, als entweder die Behörde oder das Gericht Zweifel an der Geschwindigkeitsmessung haben, zu deren Klärung sie auf Rohmessdaten zurückgreifen müssen, oder soweit der Betroffene die Rohmessdaten für die Beurteilung des Tatvorwurfs für bedeutsam halten darf und er die Verfahrensrelevanz dieser Daten durch einen entsprechenden Verteidigungsansatz herstellt.
(c) Vor diesem Hintergrund wirkt sich das vom Antragsteller beanstandete Fehlen von Rohmessdaten hier nicht schon für sich genommen auf die Verwertbarkeit des Messergebnisses im Rahmen der Entscheidung über den Erlass einer Fahrtenbuchauflage aus,
vgl. aber OVG Saarl., Beschlüsse vom 30. März 2020 – 1 B 15/20 -, juris Rn. 10 ff., und vom 7. Oktober 2020 – 1 B 272/20 -, juris Rn. 10 ff.,
sondern – allenfalls – dann, wenn diese Informationen erkennbar eine Relevanz für die Verteidigung aufweisen bzw. sie verständiger Weise für die Beurteilung des Ordnungswidrigkeitenvorwurfs für bedeutsam gehalten werden durften.
Dies ist hier nicht der Fall. Mit seiner Beschwerde bringt der Antragsteller, der nach Eintritt der Verfolgungsverjährung mit E-Mail vom 10. August 2020 seine Fahrereigenschaft bei beiden Verstößen eingeräumt hat, keine Umstände vor, die auf eine Fehlerhaftigkeit der Messergebnisse hindeuten könnten. Weder bestreitet er die Verstöße, noch zieht er die Richtigkeit der Messergebnisse sonst in Zweifel. Er zeigt auch nicht auf, dass er die Messergebnisse einer näheren Überprüfung unterziehen möchte und dass und inwieweit er dafür auf die Rohmessdaten angewiesen sein könnte. Stattdessen beruft er sich abstrakt darauf, dass die Rohmessdaten nicht vorliegen, und versucht ungeachtet der von ihm nicht ansatzweise in Frage gestellten Richtigkeit der Messergebnisse allein daraus deren Unverwertbarkeit abzuleiten. Eine – nach dem Vorstehenden erforderliche – Relevanz der Rohmessdaten für die Überprüfung der hier zugrunde gelegten Verkehrsverstöße ist damit weder konkret aufgezeigt noch ist sie hier sonst ersichtlich.
Soweit der Antragsteller in diesem Zusammenhang ergänzend auf sein erstinstanzliches Vorbringen Bezug nimmt, genügt dies nicht den Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO. Unabhängig davon ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, weshalb es zur näheren Klärung des erstinstanzlich gegen die Annahme zweier Verkehrsverstöße allein vorgetragenen Einwands, der Abstand zwischen der Beschilderung „80 km/h Höchstgeschwindigkeit“ und dem Messgerät sei zu gering gewesen, der Einsicht in die Rohmessdaten des Geschwindigkeitsmessgeräts und deren Auswertung bedurft haben könnte.
bb) Der Antragsteller zieht ferner nicht die Annahme des Verwaltungsgerichts durchgreifend in Zweifel, dass bei beiden Verkehrsverstößen die Feststellung des verantwortlichen Fahrzeugführers unmöglich im Sinne des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO war. Dieses hat ausgehend vom zutreffend referierten Maßstab der Unmöglichkeit der Fahrerfeststellung im Wesentlichen darauf abgehoben, dass der Antragsteller zu den beiden Verkehrsverstößen jeweils angehört worden sei, ihm beide Anhörungsbögen entgegen seinem Bestreiten zugegangen seien, er darauf aber nicht reagiert und deshalb nicht hinreichend an der Fahrerermittlung mitgewirkt habe. Seine dagegen vorgebrachten Einwände greifen nicht durch.
(1.) Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass die beiden wegen der Verkehrsverstöße vom 23. und 25. März 2020 an den Antragsteller gerichteten Anhörungsschreiben vom 21. und 22. April 2020 diesem zugegangen seien, obwohl er behauptet habe, beide Schreiben nicht erhalten zu haben. Dieses Bestreiten des Zugangs sei nicht glaubhaft. Die hiergegen vorgebrachten Einwände des Antragstellers verhelfen seiner Beschwerde nicht zum Erfolg.
Sein Einwand, nicht er habe den unterbliebenen Zugang zu beweisen und es gebe entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keine Beweiserleichterung zu Gunsten des Antragsgegners, trifft im Kern zu, trägt aber den Erwägungen des angegriffenen Beschlusses nicht hinreichend Rechnung. Das Verwaltungsgericht ist im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass ein einfaches Bestreiten des Zugangs genügt und es keines substantiierten Vortrags zu dieser Negativtatsache bedarf. Ebenso zutreffend hat es ausgeführt, dass davon die im Rahmen der Beweiswürdigung zu beantwortende Frage zu unterscheiden ist, ob das Bestreiten des Zugangs glaubhaft ist,
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4. April 2013 – 8 B 172/13 -, juris Rn. 6 ff. m. zahlr. w. N.,
und dies verneint. Mit der diesbezüglichen Sachverhaltswürdigung setzt sich der Antragsteller nur selektiv und jeweils ohne Erfolg auseinander.
Das Verwaltungsgericht ist zunächst mit eingehender Begründung zu der Überzeugung gelangt, dass beide Anhörungsschreiben tatsächlich abgesandt worden sind. Dabei hat es unter anderem auf aktenkundige Vermerke abgestellt, wonach Zeugen- und Anhörungsbögen nach dem Datentransport durch den „Sachbearbeiter IAB“ zentral über die Deutsche Post ausgedruckt und versandt würden und deshalb sog. Ab-Vermerke nicht mehr möglich seien. Hiergegen bringt der Antragsteller vor, diese Vermerke seien vorbereitet und nicht namentlich unterschrieben, die in Rede stehenden Anhörungsbögen seien nicht individualisiert. Es hätte seiner Ansicht nach einer solchen Individualisierung bedurft, wie sie auf anderen aktenkundigen Schriftstücken mit dem Vermerk „Dokument unterschrieben von […] am […]. Dieser Scan entspricht dem Original inhaltlich und bildlich“ erfolgt sei. Mit diesem Vorbringen geht der Antragsteller jedoch an der zutreffenden Erwägung des Verwaltungsgerichts vorbei, dass die genannten Vermerke mit den jeweiligen Aktenzeichen der beiden Bußgeldverfahren versehen seien und insoweit einen konkreten Bezug zu den Verfahren hätten. Weshalb der vom Antragsteller genannte, auf anderen aktenkundigen Dokumenten enthaltene Vermerk über die Person des Ausstellers, das Datum der Ausstellung und der inhaltlichen Übereinstimmung auch auf den Anhörungsbögen enthalten sein muss, obwohl ausweislich der vom Verwaltungsgericht herangezogenen Vermerke nur für diese Schreiben der darin beschriebene besondere Versendemodus gilt, erläutert die Beschwerde nicht. Es bleibt auch offen, welche Aussagekraft der vom Antragsteller vermisste Vermerk über die Individualisierung des Ausstellers und inhaltliche Übereinstimmung in Anbetracht des gesonderten Versendemodus von Zeugen- und Anhörungsschreiben für den Nachweis ihres tatsächlichen Versands haben soll.
Das Verwaltungsgericht hat unter anderem weiter ausgeführt, dass es keinen rechtlichen Bedenken begegne, dass der „Sachbearbeiter IAB“ nicht namentlich benannt sei, da es sich angesichts der Bearbeitungszeiten (20:01 Uhr und 20:03 Uhr) bei dem Datenversand wohl um einen rein technisch durchgeführten Vorgang „handeln dürfte“. Zu Recht weist der Antragsteller darauf hin, dass das Verwaltungsgericht sich hier nicht mit letzter Sicherheit festgelegt, sondern im Konjunktiv formuliert hat. Es hat damit aber nicht, anders als die Beschwerde annimmt, eine „bloße Mutmaßung“ im Sinne einer haltlosen Spekulation angestellt. Stattdessen hat es eine begründete Vermutung mitgeteilt und in die Gesamtwürdigung der Umstände einfließen lassen. Inwieweit der den beschränkten Aufklärungsmöglichkeiten des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens geschuldete Vorbehalt die Gesamtwürdigung durchgreifend in Zweifel ziehen könnte, legt die Beschwerde nicht dar. Sie zeigt auch nicht auf, weshalb diese Annahme des Verwaltungsgerichts fehlerhaft sein sollte.
Das Verwaltungsgericht hat ferner das – den Antragsbegründungen vom 13. und 21. Oktober 2020 allenfalls sinngemäß zu entnehmende – Bestreiten des Zugangs der beiden Anhörungsschreiben als unglaubhaft gewürdigt und darauf verwiesen, dass nach allgemeiner Lebenserfahrung wenig dafür spreche, dass zwei verschiedene korrekt adressierte und abgesandte Schreiben den Empfänger nicht erreichen. Dem setzt die Beschwerdebegründung mit dem wiederum lediglich vagen Vortrag, es sei „zu Grunde zu legen, dass den Antragsteller die beiden Anhörungsschreiben nicht erreicht haben“, weil es keine Beweiserleichterung zugunsten des Antragsgegners gebe, nichts Durchgreifendes entgegen.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers belegt der Umstand, dass er nach Einritt der Verfolgungsverjährung auf die Anhörung zum beabsichtigten Erlass einer Fahrtenbuchauflage mit E-Mail vom 10. August 2020 seine Täterschaft eingeräumt hat, offensichtlich nicht, dass er die beiden Anhörungsbögen tatsächlich nicht erhalten hat. Im Gegenteil lässt gerade der Umstand, dass der Antragsteller nicht schon in dieser E-Mail erwähnt hat, dass er erst in Zusammenhang mit der angekündigten Fahrtenbuchauflage erstmals über die Verkehrsverstöße in Kenntnis gesetzt worden sei, das spätere Bestreiten als unglaubhaft erscheinen. Eine derartige Reaktion hätte sich aber aufgedrängt, wenn ihm die beiden Anhörungsschreiben vom 21. April und 22. April 2020 nicht zugegangen wären. Auch im gerichtlichen Verfahren hat er die Fahrtenbuchauflage mit verschiedenen rechtlichen und tatsächlichen Argumenten angegriffen, insbesondere die örtlichen Ermittlungen als unzureichend kritisiert, den mehr als naheliegenden Einwand, dass der Verkehrsverstoß aufklärbar gewesen wäre, wenn man ihn, den Halter angeschrieben hätte, hat er aber gerade nicht erhoben.
Vor diesem Hintergrund ist auch nicht der Vorwurf des Antragstellers gerechtfertigt, mit der Annahme des Zugangs der beiden Anhörungsschreiben schneide ihm das Verwaltungsgericht ungerechtfertigt den Einwand ab, er habe im Rahmen des ihm Abzuverlangenden an der Feststellung des verantwortlichen Fahrzeugführers mitgewirkt.
(2.) Ob die weiteren Ermittlungsbemühungen der Bußgeldbehörde in jeder Hinsicht fehlerfrei durchgeführt und einwandfrei dokumentiert wurden, kann dahinstehen. Ausgehend davon, dass dem Antragsteller die Anhörungsbögen zugegangen sind, er hierauf aber nicht reagiert hat, waren die weiteren Ermittlungsbemühungen der Bußgeldbehörde überobligatorisch und etwaige damit verbundene Unzulänglichkeiten nicht im Sinne des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO ursächlich für den Misserfolg der Bemühungen um die Fahrerfeststellung.
b) Soweit der Antragsteller die angefochtene Fahrtenbuchauflage wegen Unverhältnismäßigkeit für ermessensfehlerhaft hält (vgl. § 40 VwVfG NRW, § 114 Satz 1 VwGO), setzt er sich entgegen § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO schon nicht mit der Begründung im angegriffenen Beschluss dazu auseinander, weshalb die Fahrtenbuchauflage auch in Ansehung ihrer Befristung auf 24 Monate verhältnismäßig ist. Die ergänzende Bezugnahme des Antragstellers auf sein erstinstanzliches Vorbringen genügt auch in diesem Zusammenhang nicht den Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Dabei legt der Senat für jeden Monat der auf 24 Monate befristeten Geltungsdauer der Fahrtenbuchauflage einen Betrag in Höhe von 400,- Euro zugrunde (Nr. 46.11 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit) und setzt im Hinblick auf die Vorläufigkeit dieses Verfahrens den Streitwert auf die Hälfte des sich daraus ergebenden Betrages fest (vgl. Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs). Offen bleiben kann dabei, ob Gegenstand der Beschwerde auch die mit der Beschwerdebegründung nicht angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichts zur Unzulässigkeit eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der im Bescheid vom 19. August 2020 enthaltenen Gebührenfestsetzung ist. Die Wertstufe bis 5.000,- EUR würde auch in diesem Fall nicht überschritten.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).