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Fahrtenbuchauferlegung bei fehlender Mitwirkung des Fahrzeughalters

VG Braunschweig, Az.: 6 A 181/16, Urteil vom 15.02.2017

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Anordnung der Beklagten, für ein Fahrzeug ein Fahrtenbuch zu führen.

Er ist Halter eines Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen D.. Mit diesem Pkw wurde am E. 2015 auf der Bundesautobahn 391, Fahrtrichtung Gifhorn (km 9,4) die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h nach Abzug eines Toleranzwertes um 36 km/h überschritten. Die Ordnungswidrigkeit wurde durch ein Geschwindigkeitsmessgerät festgestellt und mittels Messfoto dokumentiert.

Unter dem 6. Januar 2016 versendete die Beklagte im Bußgeldverfahren einen Anhörungsbogen an den Kläger. Eine Antwort darauf erfolgte nicht. Gegen den daraufhin ergangenen Bußgeldbescheid der Beklagten vom 10. Februar 2016 legte der Kläger unter dem 24. Februar 2016 Einspruch ein mit der Begründung, er habe das Tatfahrzeug zur Tatzeit nicht genutzt. Mit Schreiben vom 1. März 2016 bat die Beklagte den Kläger darum, den Fahrzeugführer bis zum 11. März 2016 zu benennen. Das Schreiben beantwortete der Kläger nicht. Unter dem 16. März 2016 stellte der Ermittlungsdienst der Beklagten („ZOD“) fest, bei mehreren Hausbesuchen seien der Kläger und seine Lebensgefährtin nicht angetroffen worden, eine Hausumfrage sei erfolglos gewesen. Ein vereinbarter Termin, der am 16. März 2016 habe stattfinden sollen, sei von der Lebensgefährtin wegen einer Urlaubsreise in die USA abgesagt worden. Die Beklagte nahm daraufhin den Bußgeldbescheid zurück und stellte das Ordnungswidrigkeitenverfahren ein.

Im Rahmen der Anhörung zu einer möglichen Fahrtenbuchauflage gab der Kläger in einem undatierten Schreiben, das am 21. April 2016 bei der Beklagten einging, unter anderem an, das Fahrzeug werde gelegentlich von seinem Bruder genutzt. Er habe die von der Beklagten übersandten Fotos von dem Verkehrsverstoß am 7. März 2016 erhalten. Darauf sei zu erkennen gewesen, dass sein Bruder das Auto gefahren habe. Er habe seinen Bruder gebeten, den Sachverhalt zu prüfen. Am frühen 16. März 2016 habe er vor Antritt der Reise und vor dem vereinbarten Termin mit dem Mitarbeiter des Ordnungsamtes noch einmal ins Büro gemusst. Er habe vergeblich versucht, den Mitarbeiter anzurufen; danach habe er seine Lebensgefährtin gebeten, eine Verlegung des Termins auf die Zeit nach seinem Urlaub zu erreichen, was allerdings nicht mehr möglich gewesen sei, weil der Mitarbeiter dann selbst in Urlaub habe gehen wollen.

Mit Bescheid vom 27. April 2016 gab die Beklagte dem Kläger auf, für das Fahrzeug mit dem Kennzeichen D. oder ein Ersatzfahrzeug ein Fahrtenbuch für die Dauer von 12 Monaten zu führen. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, der Kläger habe keine Angaben gemacht, die die Ermittlung des Fahrzeugführers ermöglicht hätten. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Bescheid verwiesen. Mit Bescheid vom selben Tage setzte die Beklagte die Kosten für die Fahrtenbuchanordnung auf 104,70 Euro fest.

Gegen diese beiden Bescheide hat der Kläger am 11. Mai 2016 Klage erhoben. Zur Begründung macht er im Wesentlichen Folgendes geltend: Der Beklagten wäre es zumutbar gewesen, den Fahrer des Tatfahrzeugs zu ermitteln. Einen Anhörungsbogen habe er nicht erhalten. Wenn es zu der von ihm angebotenen Gegenüberstellung am Nachmittag des 15. März 2016 oder dem zunächst vereinbarten, dann aber aufgrund zwingender beruflicher Gründe kurzfristig abgesagten Termin am Folgetag gekommen wäre, hätte er den zuständigen Sachbearbeiter der Beklagten darüber informiert, dass sein Bruder der Fahrer gewesen ist. Vorher habe er dies nicht tun können, weil er seinen Bruder erst kurz zuvor erreicht und von diesem die Bestätigung erhalten habe, gefahren zu sein. Zwischenzeitlich werde das Fahrzeug nahezu ausschließlich von seinem Bruder genutzt, Halter sei er aber geblieben. Die Anordnung des Fahrtenbuchs für 12 Monate verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da der zugrunde liegende Verkehrsverstoß lediglich mit einem Punkt geahndet werde. Insoweit habe die Beklagte die Fahrtenbuchanordnung auch nicht ausreichend begründet. Außerdem sei der Bestimmtheitsgrundsatz verletzt, weil aus der Anordnung der Fahrtenbuchauflage für ein Ersatzfahrzeug nicht klar hervorgehe, welche seiner drei Fahrzeuge unter die Auflage fielen.

Der Kläger beantragt, die Bescheide der Beklagten vom 27. April 2015 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie tritt den Ausführungen des Klägers entgegen und trägt dazu im Wesentlichen vor, der Kläger habe im Bußgeldverfahren mehrfach die Möglichkeit gehabt, die im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht erforderlichen Angaben zum Personenkreis der Fahrzeugnutzer zu machen, die Fahrtenbuchauflage erstrecke sich zunächst nur auf das Tatfahrzeug.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger damit nicht in seinen Rechten.

Rechtsgrundlage für die gegenüber dem Kläger als Halter des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen D. verfügte Fahrtenbuchauflage ist die Regelung in § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO. Nach dieser Vorschrift kann die Verwaltungsbehörde einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere Fahrzeuge auferlegen, ein Fahrtenbuch zu führen, wenn die Feststellung des Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

Mit dem Fahrzeug des Klägers ist am 23. Dezember 2015 eine Geschwindigkeitsüberschreitung und damit eine Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften begangen worden. Der Kläger hat zudem eingeräumt, weiterhin Halter des Tatfahrzeugs zu sein.

Die Feststellung der Person, die bei dem Verkehrsverstoß das Fahrzeug gefahren hat, ist der Beklagten als zuständiger Ordnungsbehörde nicht möglich gewesen. Nicht möglich im Sinne des § 31a StVZO ist die Fahrerfeststellung dann gewesen, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage gewesen ist, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat. Angemessen sind die Maßnahmen, die die Behörde in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen hat, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und erfahrungsgemäß Erfolg haben können. Dabei können sich Art und Umfang der Ermittlungstätigkeit an der Erklärung des Fahrzeughalters ausrichten. Lehnt dieser erkennbar die Mitwirkung an einer Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab, so ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende und kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben (BVerwG, U. v. 17.12.1982 – 7 C 3/80 -, juris Rn. 7 = Buchholz 442.16 § 31a StVZO Nr. 12; B. v. 23.12.1996 – 11 B 84/96 -, juris Rn. 3; Nds. OVG, B. v. 04.12.2003 – 12 LA 442/03 -, juris Rn. 4 = DAR 2004, 607; B. v. 01.02.2013 – 12 LA 122/12 -, juris Rn. 7 = NZV 2013, 257). Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Beklagte als Bußgeldbehörde hier die angemessenen und zumutbaren Maßnahmen zur Ermittlung des Fahrzeugführers getroffen.

Der Kläger hat an der Feststellung, wer den Verkehrsverstoß mit seinem Fahrzeug als Fahrzeugführer begangen hat, nicht hinreichend mitgewirkt. An einer hinreichenden Mitwirkung des Fahrzeughalters fehlt es bereits dann, wenn er den Anhörungsbogen der Ordnungswidrigkeitenbehörde nicht zurücksendet oder keine weiteren Angaben zu dem Personenkreis macht, der das Tatfahrzeug benutzt (Nds. OVG, B. v. 04.12.2003, a. a. O.; B. v. 01.02.2013, a. a. O.; VG Braunschweig, B. v. 12.03.2012 – 6 B 40/12 -, juris Rn. 22; ständige Rechtsprechung). Damit sind die Fälle einer Mitwirkungsverweigerung des Halters aber nicht abschließend bezeichnet. Dem Vorwurf einer unzureichenden Mitwirkung, die regelmäßig weitere behördliche Ermittlungen überflüssig macht, kann der Halter nur mit qualifizierten Angaben zum Nutzerkreis entgehen. Der Halter muss die Personen, die das Tatfahrzeug in dem fraglichen, die Tatzeit umfassenden Zeitraum genutzt haben, konkret benennen. Er muss dabei von sich aus alle möglicherweise weiterführenden Hinweise zur Person des Fahrzeugführers geben. Dazu gehören der Name und die Anschrift der Personen, die das Fahrzeug im fraglichen Zeitraum genutzt haben, jedenfalls dann, wenn dem Halter diese Angaben ohne erheblichen Ermittlungsaufwand möglich sind (vgl. zu allem VG Braunschweig, B. v. 12.03.2012, a. a. O.). Aber auch wenn es dem Halter subjektiv unmöglich ist, im Ordnungswidrigkeitenverfahren Name und Anschrift des Fahrers anzugeben, steht dies der Annahme einer Mitwirkungsverweigerung jedenfalls nicht zwingend entgegen. In diesen Fällen ist der Vorwurf einer unzureichenden Mitwirkung gerechtfertigt, wenn der Halter nicht alle ihm zumutbaren Maßnahmen getroffen hat, um diese Angaben machen zu können und damit die Feststellung des verantwortlichen Fahrers zu ermöglichen (vgl. VG Braunschweig, B. v. 12.03.2012, a. a. O., Rn. 24).

Nach diesen Grundsätzen ist hier von einem Fall nicht hinreichender Mitwirkung des Fahrzeughalters auszugehen. Der Kläger hat im Bußgeldverfahren keine weiteren Angaben zu dem Personenkreis gemacht, der das Tatfahrzeug benutzt. Dass ein zunächst vereinbarter Termin mit einem Mitarbeiter des Ermittlungsdienstes nicht zustande gekommen ist, weil der Kläger ihn – wie er vorgetragen hat – aus beruflichen Gründen nicht einhalten konnte, ist rechtlich unerheblich. Der Kläger hätte nur dann seiner Mitwirkungspflicht genügt, wenn er von sich aus den Personenkreis der Fahrzeugnutzer benannt und damit die möglicherweise weiterführenden Hinweise zur Person des Fahrzeugführers gegeben hätte; eine ausdrückliche Frage der Ordnungsbehörde nach dem in Betracht kommenden Personenkreis ist nicht erforderlich (vgl. Nds. OVG, B. v. 04.12.2003, a. a. O., Rn. 5; VG Braunschweig, B. v. 12.03.2012, a. a. O.; Dauer in: Hentschel / König / Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl., § 31 a StVZO Rn. 35 m. w. N.). Für die Entscheidung kommt es daher nicht darauf an, ob der Kläger den Anhörungsbogen tatsächlich erhalten hat und ob als Nachweis für den Zugang ausreicht, dass die rechtzeitige Absendung des korrekt adressierten und nicht als unzustellbar zurückgelangten Schreibens hinreichend belegt ist (vgl. dazu Dauer, a. a. O., Rn. 28). Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass der Kläger im Bußgeldverfahren mehrfach die Möglichkeit gehabt hat, die Personen zu benennen, die das Tatfahrzeug nutzen, insbesondere auch im Telefonat mit dem Mitarbeiter des Zentralen Ordnungsdienstes am 15. März 2016. Eine ausdrückliche Nachfrage war nicht erforderlich. Dass der Kläger – wie er vorgetragen hat – erst spät die Bestätigung seines Bruders erhalten hat, gefahren zu sein, ist ebenfalls unerheblich. Die Mitwirkungspflicht des Fahrzeughalters beschränkt sich darauf, die Personen zu bezeichnen, die das Fahrzeug nutzen. Die Ermittlung der Person, die die Verkehrszuwiderhandlung begangen hat, und der Umstände der Tat ist Sache der Bußgeldbehörde und der zuständigen Gerichte. Der Fahrtenbuchauflage steht auch nicht entgegen, dass der Kläger – wiederum nach eigenen Angaben – den Bruder als Fahrer benannt hätte, wenn der Termin mit dem Mitarbeiter des Zentralen Ordnungsdienstes zustandegekommen wäre. Für die Frage, ob der Halter seine Mitwirkungspflichten erfüllt hat, kommt es nur darauf an, was er tatsächlich im Rahmen des ihm Möglichen getan hat. Angaben zum Kreis der Fahrzeugnutzer hat der Kläger aber im Bußgeldverfahren tatsächlich nicht gemacht; zumindest die Benennung des Bruders als regelmäßiger Nutzer des Tatfahrzeugs wäre dem Kläger auch möglich gewesen.

Wirkt der Fahrzeughalter nicht hinreichend an der Fahrerfeststellung mit, weil er keine oder nur unzureichende Angaben zum Personenkreis der Fahrzeugnutzer macht, so darf die Bußgeldbehörde in aller Regel davon ausgehen, dass weitere Ermittlungen zeitaufwendig wären und kaum Aussicht auf Erfolg bieten würden, und mit dieser Begründung auf weitere Ermittlungsversuche verzichten. Weitere Ermittlungen sind in diesen Fällen nur ausnahmsweise erforderlich, nämlich dann, wenn sich im Einzelfall besondere Anzeichen ergeben haben, die auf die Person des Fahrers hindeuten (Nds. OVG, B. v. 31.10.2006 – 12 LA 463/05 -, juris Rn. 4; zu Beispielen s. VG Oldenburg, B. v. 01.10.2008 – 7 B 2577/08 -, juris Rn. 23 f. u. VGH Baden-Württemberg, B. v. 29.01.2008 – 10 S 129/08 -, juris Rn. 4 = DAR 2008, 278). Im Übrigen ist die Behörde auch in diesen Fällen nicht dazu verpflichtet, unangemessene oder unzumutbare Maßnahmen zur Ermittlung des verantwortlichen Fahrers zu treffen. Danach reichen die Ermittlungen der Ordnungsbehörde hier für die Anordnung des Fahrtenbuchs aus. Im Ordnungswidrigkeitenverfahren haben sich keine ausreichenden Hinweise ergeben, die auf die Person des Fahrzeugführers hindeuteten.

Die Fahrtenbuchanordnung lässt auch keine Ermessensfehler erkennen (vgl. § 114 Satz 1 VwGO). Sie verstößt insbesondere nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass bereits eine einmalige Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 20 km/h regelmäßig eine so erhebliche Verkehrsübertretung darstellt, dass eine Androhung nicht ausreicht, sondern die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage geboten ist. Dies gilt selbst dann, wenn durch die Geschwindigkeitsübertretung, die eine der hauptsächlichen Unfallursachen ist, eine konkrete Gefährdung nicht eingetreten ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerwG, U. v. 17.12.1982 – 7 C 3/80 -, juris Rn. 9 sowie B. v. 28.05.2015 – 3 C 13/14 -, juris Rn. 23 = BVerwGE 152, 180; VGH Baden-Württemberg, B. v. 10.08.2015 – 10 S 278/15 -, juris Rn. 14).

Auch im Hinblick auf die angeordnete Dauer der Fahrtenbuchauflage sind keine Ermessensfehler ersichtlich. Um die Fahrzeugbenutzung wirksam überwachen und den Fahrzeughalter künftig im Falle eines Verkehrsverstoßes zur Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers anhalten zu können, ist es erforderlich, das Führen des Fahrtenbuchs für eine gewisse, nicht zu geringe Dauer anzuordnen. Bei der Bemessung der Frist ist insbesondere das Gewicht des festgestellten Verkehrsverstoßes zu berücksichtigen, daneben können weitere Gesichtspunkte – wie das Verhalten des Fahrzeughalters im Zusammenhang mit den Bemühungen der Bußgeldstelle zur Tataufklärung – in die zu treffende Ermessensentscheidung einfließen (vgl. Nds. OVG, U. v. 10.02.2011 – 12 LB 318/08 -, juris Rn. 21; VGH Baden-Württemberg, B. v. 28.05.2002 – 10 S 1408/01 -, DAR 2003, 90; VG Braunschweig, U. v. 16.08.2004 – 6 A 477/03 -, juris Rn. 27). Stellt die Behörde – wie die Beklagte – auf das Gewicht des Verkehrsverstoßes ab, so darf sie die Dauer der Fahrtenbuchauflage anhand dieses Kriteriums staffeln (BVerwG, U. v. 28.05.2015 – 3 C 13/14 -, juris Rn. 20 = BVerwGE 152, 180; Nds. OVG, a. a. O.). Vor diesem Hintergrund ist nicht zu beanstanden, wenn sich die Beklagte in ständiger Verwaltungspraxis bei der Beurteilung der Schwere des Verkehrsverstoßes an den in der Anlage 13 zur Fahrerlaubnis-Verordnung geregelten Punktzahlen und den damit zum Ausdruck gekommenen Wertungen orientiert. Darüber hinaus darf sie bei den mit gleicher Punktzahl belegten Geschwindigkeitsüberschreitungen nach der Höhe der drohenden Geldbuße sowie des gegebenenfalls drohenden Fahrverbots differenzieren, da nach der zum 1. Mai 2014 in Kraft getretenen Neuordnung des Punktsystems ein Punkt aktuell einem bis drei Punkten nach dem früheren System entspricht (so zum Sanktionssystem der Beklagten bereits VG Braunschweig, U. v. 16.02.2016 – 6 A 490/15 -, bestätigt durch Nds. OVG, B. v. 19.01.2017 – 12 LA 69/16 -; vgl. auch Dauer, a. a. O., Rn. 53, 55 m. w. N.). Demgemäß hat die Beklagte ermessensfehlerfrei für die mit einem Punkt zu ahndende Geschwindigkeitsübertretung von 36 km/h außerorts eine Fahrtenbuchauflage von 12 Monaten verfügt. Bereits unter der Geltung des „alten“ Punktsystems war es im Übrigen verhältnismäßig, bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 30 km/h ein Fahrtenbuch für die Dauer von 12 Monaten anzuordnen (vgl. VG Braunschweig, U. v. 22.03.2011 – 6 A 108/10 -). An den dafür maßgeblichen rechtlichen Wertungen hat sich durch die Neuordnung des Punktsystems nichts Entscheidendes geändert (vgl. BVerwG, U. v. 28.05.2015, a. a. O., Rn. 22 f. – im konkreten Fall für eine Geschwindigkeitsüberschreitung um 27 km/h -). Aus der vom Prozessbevollmächtigten des Klägers in diesem Zusammenhang zitierten Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (B. v. 18.05.2010 – 11 CS 10.357 -, NJW 2011, 326) lässt sich nichts Gegenteiliges herleiten. Diese Entscheidung weist ausdrücklich auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hin, nach der eine Fahrtenbuchauflage von einem Jahr selbst bei Geschwindigkeitsüberschreitungen von weniger als 30 km/h nicht gegen das Übermaßverbot verstößt (vgl. BayVGH, a. a. O., S. 327).

Die Beklagte hat die Fahrtenbuchauflage auch formell rechtmäßig verfügt. Sie hat in der Verfügung noch ausreichend begründet (vgl. § 39 Abs. 1 VwVfG), warum sie im vorliegenden Fall im Rahmen der ihr bezüglich der Dauer der Auflage eingeräumten Ermessensentscheidung ein Fahrtenbuch für 12 Monate angeordnet hat. Die für ihre Entscheidung wesentlichen Gründe hat die Beklagte angegeben, nämlich die in den einschlägigen verkehrsrechtlichen Bestimmungen vorgesehenen Sanktionen für den mit dem Tatfahrzeug begangenen Verkehrsverstoß. Selbst wenn diese Ausführungen als unzureichend anzusehen wären, wäre ein Mangel jedenfalls durch die ergänzenden Ausführungen der Beklagten im gerichtlichen Verfahren geheilt (vgl. § 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VwVfG).

Frei von Ermessensfehlern ist die Fahrtenbuchanordnung auch, soweit sie sich auf ein Ersatzfahrzeug für das Tatfahrzeug erstreckt. Die Anordnung eines Fahrtenbuchs für ein Ersatzfahrzeug, die ihre Rechtsgrundlage in § 31a Abs. 1 Satz 2 StVZO findet, ist mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in aller Regel vereinbar. Nur so kann angesichts der mitunter beträchtlichen Verfahrensdauer bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens sichergestellt werden, dass die Regelungen in § 31a StVZO nicht leer laufen und der Halter sich nicht durch den Verkauf des von der Fahrtenbuchanordnung unmittelbar erfassten Fahrzeugs der bestehenden Verpflichtung entzieht. Anhaltspunkte, die für den vorliegenden Fall eine Ausnahme rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich. Die Anordnung der Beklagten verstößt insoweit auch nicht gegen den Bestimmtheitsgrundsatz nach § 37 Abs. 1 VwVfG. Der Begriff des „Ersatzfahrzeugs“ in § 31a Abs. 1 Satz 2 StVZO ist weit auszulegen. Er erfasst nicht nur das vor oder während der Geltung der Fahrtenbuchauflage anstelle des veräußerten neu angeschaffte Fahrzeug, sondern auch alle anderen Fahrzeuge des Halters, die im Zeitpunkt der Veräußerung des Tatfahrzeugs von ihm betrieben werden und demselben Nutzungszweck zu dienen bestimmt sind. Der regelmäßig so aufzufassende Inhalt der auf ein Ersatzfahrzeug erstreckten Fahrtenbuchauflage ist grundsätzlich hinreichend bestimmt, weil es sich bei der Anschaffung oder Verwendung eines anderen anstelle des mit einer Fahrtenbuchauflage versehenen Fahrzeugs um einen alltäglichen Vorgang handelt, bei dem es in aller Regel keine Schwierigkeiten bereitet festzustellen, welches Fahrzeug nach seiner typischen Benutzung an die Stelle des früher verwendeten Fahrzeugs getreten ist (vgl. zu allem: BVerwG, B. v. 03.02.1989 – 7 B 18/89 -, juris Rn. 5 f. und Nds. OVG, B. v. 30.04.2015 – 12 LA 156/14 -, juris Rn. 9; s. a. Dauer, a. a. O., Rn. 59 m. w. N.). Dass es im vorliegenden Fall im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Fahrtenbuchauflage ausnahmsweise Probleme gegeben haben könnte, das Ersatzfahrzeug nach den dargestellten Grundsätzen zu bestimmen, ist nicht ersichtlich. Sofern sich solche Schwierigkeiten nachträglich ergeben sollten, ist eine ergänzende Verfügung der Beklagten möglich (vgl. BVerwG, a. a. O., Rn. 6).

Auch der Kostenfestsetzungsbescheid der Beklagten ist rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. dazu VG Braunschweig, U. v. 17.12.2011 – 6 A 275/11 -). Gesonderte Einwände gegen diesen Bescheid hat auch der Kläger nicht erhoben.

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