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Fahrtenbuchanordnung –  Verhältnis von Auskunftsverweigerungs- zu Zeugnisverweigerungsrecht

Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein – Az.: 2 LB 16/11 – Beschluss vom 01.09.2011

Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert beträgt 5.000 Euro.

Gründe

Der Senat entscheidet gemäß § 130 a Satz 1 VwGO durch Beschluss. Die Beteiligten sind hierzu gemäß § 130 a Satz 2 iV.m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO angehört worden.

Die Berufung wird zurückgewiesen; sie ist nicht begründet.

Die angefochtene vom 10.12.2010 Fahrtenbuchauflage ist rechtmäßig. Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Fahrtenbuchauflage ist § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO. Danach kann die Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften die Feststellung des Fahrzeugführers nicht möglich war.

Mit dem auf die Klägerin zugelassenen Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen RD-  wurde ein Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften begangen; mit ihm wurde am 25.08.2010 um 12.32 h in Bilsen, Kieler Straße, die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 29 km/h überschritten und damit gegen §§ 3 Abs. 3 und 49 StVO verstoßen. Dies folgt aus dem in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Fallprotokoll mit Lichtbildern.

Die Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen, ist bei einem solchen Sachverhalt nicht unverhältnismäßig oder ermessenfehlerhaft. Der Beklagte ist zutreffend und in Übereinstimmung mit der obergerichtlichen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass auch ein einmaliger Verkehrsverstoß von erheblichem Gewicht die Anordnung rechtfertigen kann, ein Fahrtenbuch zu führen. Ein derartiger Verstoß liegt in der Regel vor, wenn die zulässige Höchstgeschwindigkeit in einem derartigen Maße überschritten worden ist.

Das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Feststellung des Fahrzeugführers nach der Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Eine solche Unmöglichkeit liegt vor, wenn die für die Ahndung von Verkehrsverstößen zuständige Behörde nach den Umständen des Einzelfalls nicht in der Lage war, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat.

Ob die Aufklärung angemessen war, richtet sich danach, ob die Behörde in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen getroffen hat, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und erfahrungsgemäß Erfolg haben können. Dabei können sich Art und Umfang der Tätigkeit der Behörde, den Fahrzeugführer nach einem Verkehrsverstoß zu ermitteln, an der Erklärung des Fahrzeughalters ausrichten. Lehnt dieser erkennbar die Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab oder erklärt er, dazu nicht imstande zu sein, ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende und kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben.

Dass das Tatfoto zeigt, dass die Klägerin die Verkehrsordnungswidrigkeit nicht begangen hatte, räumt auch die Klägerin ein. Sie hat dann aber den ihr möglichen Beitrag zur Ermittlung des Fahrzeugführers nicht geleistet. Dabei ist festzuhalten, dass sie sich nicht darauf berufen hat, dass sie sich aufgrund des sehr späten Zugangs des Anhörungsbogens nicht mehr daran habe erinnern können, wem sie das Fahrzeug zur Tatzeit überlassen hatte.

Im Gegenteil dazu hat sie im Schreiben vom 27. September 2010 deutlich zu erkennen gegeben, dass sie sehr wohl wusste, wem sie das Fahrzeug zu diesem Zeitpunkt verliehen hatte, und erklärt, dass sie von ihrem „Zeugnisverweigerungsrecht gegenüber Verwandten“ Gebrauch mache. Noch im Berufungszulassungsantrag wird hierzu ausgeführt, dass sie ihr Fahrzeug „in überwiegend aller Fälle allein“ benutze und sie es anlässlich des Besuches ihrer von weit angereisten Verwandten „einmal“ verliehen habe; sie habe sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen, „da es ihr nicht zumutbar sei, ihre Halbschwester zu belasten“.

Schließlich ist auch das Vorbringen der Klägerin zu einem bestehenden Zeugnis- bzw. Auskunftsverweigerungsrecht nicht geeignet, die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Fahrtenbuchauflage in Zweifel zu ziehen. Bereits im Urteil vom 28. Februar 1964 – VII C 91.61 – E 18, 107 = NJW 1964, 1384 hat das Bundesverwaltungsgericht zur Vorgängervorschrift des damaligen § 7 Abs. 2 StVO ausgeführt:

„Weiterhin ist die Anwendbarkeit des § 7 Abs. 2 StVO auch nicht durch die Regelung des Zeugnisverweigerungsrechts in § 52 StPO und § 383 ZPO eingeschränkt.

Diese Vorschriften der Strafprozessordnung und der Zivilprozessordnung enthalten keine allgemeine Sonderregung, soweit es sich um Familienangehörige des Halters eines Kraftwagens handelt. Den Vorschriften über das Zeugnisverweigerungsrecht im Zivil- und Strafprozess liegt der Rechtsgedanke zugrunde, dass dem Zeugen die Konfliktsituation erspart werden soll, in einem gerichtlichen Verfahren auszusagen, in welches ein Familienangehöriger verwickelt ist. Eine derartige Konfliktsituation entsteht hier nicht. Der Halter des Kraftwagens muss es lediglich hinnehmen, dass sich die Eintragungen im Fahrtenbuch nachteilig auf solche Familienangehörigen auswirken, denen er den Kraftwagen überlassen hat. Er befindet sich jedoch nicht, wie der Zeuge in einem gerichtlichen Verfahren, in der Konfliktsituation, denn es unterliegt seiner freien Entscheidung, ob er den Wagen einem Familienangehörigen überlassen will. Ein Aussagezwang wird auf ihn nicht ausgeübt. Vielmehr beruht die Pflicht zur Führung des Fahrtenbuches gerade darauf, dass ihn eine Mitwirkungspflicht bei der Ermittlung des Täters nicht trifft, die Verwaltungsbehörde aber die erforderlichen Maßnahmen ergreifen muss, um einer Gefährdung des Straßenverkehrs in der Zukunft vorzubeugen.“

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs.2 GKG.

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