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Fahrlässige Kraftfahrzeugführung unter Betäubungsmitteleinfluss

OLG Braunschweig – Az.: 1 Ss (OWi) 75/14 – Beschluss vom 09.09.2014

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Goslar vom 23. Juni 2014 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde – an das Amtsgerichts Goslar zurückverwiesen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Goslar hat den Betroffenen mit dem durch die Rechtsbeschwerde angegriffenen Urteil wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeuges unter der Wirkung eines berauschenden Mittels im Sinne der Anlage zu § 24a StVG (hier Metamfetamin 49,4 ng/ml) zu einer Geldbuße von 500,- Euro verurteilt und zugleich gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat verhängt.

Gegen das in Anwesenheit des Betroffenen und des Verteidigers verkündete und dem Verteidiger am 02.07.2014 zugestellte Urteil hat der Verteidiger mit Schreiben vom 23.06.2014, eingegangen beim Amtsgericht Goslar am 24.06.2014, Rechtsbeschwerde eingelegt und diese mit Schreiben vom 04.08.2014, eingegangen beim Amtsgericht Goslar am selben Tag, begründet.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt wie erkannt.

II.

Die Rechtsbeschwerde, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird, ist gemäß § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und Nr. 2 OWiG statthaft und auch ansonsten zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 43 Abs. 1, Abs. 2, 341 Abs. 1, 345 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 StPO i. V. m. § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG).

fahrlässige Kraftfahrzeugführung unter Betäubungsmitteleinfluss
Symbolfoto: Von juefraphoto /Shutterstock.com

In der Sache ist der Rechtsbeschwerde auch ein – vorläufiger – Erfolg beschieden, weil die Nachprüfung des Urteils in materiell-rechtlicher Hinsicht Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen aufgedeckt hat. Der Senat folgt insoweit der Einschätzung der Generalstaatsanwaltschaft, die wie folgt Stellung genommen hat (Auszug):

„… Das Amtsgericht hat festgestellt, der Betroffene habe am 07.09.2013 um 13.40 Uhr auf der Schützenallee in Goslar das Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen HZ O 3 unter Wirkung eines berauschenden Mittels (Metamfetamin 49,4 ng/ml) im Straßenverkehr geführt, während sich der Betroffene nach den Feststellungen dahingehend eingelassen hatte, dass er nicht bewusst Drogen zu sich genommen, ihm vielmehr ein Freund ohne sein Wissen Drogen in sein Bier gemischt habe. Das Amtsgericht hat ferner angenommen, der Betroffene habe fahrlässig gehandelt, da er sich bei Fahrtantritt hätte sagen können und müssen, dass er noch unter dem Einfluss von „Amphetaminen“ stehe.

Selbst wenn man davon ausgeht, dass sich das Amtsgericht in ausreichender Weise mit der Einlassung des Betroffenen auseinandergesetzt und diese mangels Glaubhaftigkeit ohne Rechtsfehler als „Schutzbehauptung“ gewertet hat (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.06.1984 – 2 Ss (OWi) 193/84 – 148/84 II, NStZ 1985, 81), weil der Betroffene sich geweigert hatte, nähere Angaben zu diesem entlastenden Gesichtspunkt zu machen, obwohl ihm diese hätten möglich sein müssen, und wenn man darüber hinaus angesichts der Tatsache, dass allein der Konsum von Betäubungsmitteln zu umfangreichen Sorgfaltspflichten des Konsumenten hinsichtlich der Information über Wirkweise und –dauer der eingenommenen Substanz führt (OLG Frankfurt, Beschl. v. 26.10.2012 – 2 Ss-OWi 672/12 – juris, Rn. 10 unter Hinweis auf BGH, Urt. v. 03.06.2008 – 1 StR 59/08 – juris, Rn. 23f u. m. w. N., OLG Hamm, Beschl. v. 05.04.2011 – III-3 RVs 19/11 – juris, Rn. 14ff, vgl. auch OLG Braunschweig, DAR 64, 170), auch die Voraussetzung der fahrlässigen Begehungsweise als in ausreichender Weise im Urteil dargelegt erachtet, lassen sich die Feststellungen zum objektiven Tatbestand aus der vom Amtsgericht im Urteil vorgenommenen Beweiswürdigung nicht nachvollziehen.

Die Beweiswürdigung ist zwar in erster Linie Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht darf die Beweiswürdigung des Tatgerichts deswegen nicht durch eine eigene ersetzen (BGH, Urteil v. 09.02.1957 – 2 StR 508/56 – = BGHSt 10, 208ff, 210, Beschl. v. 07. 06.1979 – 4 StR 441/78 – juris, Rn. 8 = BGHSt 29, 18ff, 20, Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl. 2013, Rn. 26 zu § 337 m. w. N.). Die revisionsrechtliche Kontrolle ist allerdings dahingehend geboten, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist z. B. der Fall, wenn eine Beweiswürdigung – wie hier – lückenhaft, widersprüchlich oder unklar ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 01.07.2008 – 1 StR 654/07 – juris, Rn. 18 m. w. N., Nack, StV 2002, 510 (511) m. w. N.).

Unter Wirkung eines Rauschmittels wird ein Kraftfahrzeug im Sinne des § 24a Abs. 2 StVG dann geführt, wenn die in der Anlage zu § 24 a StVG aufgeführte Substanz (hier wohl Metamfetamin) im Blut des Kraftfahrzeugführers nachgewiesen worden ist, ohne dass die Fahrsicherheit konkret beeinträchtigt gewesen sein muss (OLG Frankfurt, Beschl. v. 25.04.2007 – 3 Ss 35/07 – juris, Rn. 2 m. w. N.). Zu fordern ist lediglich, dass die nachgewiesene Konzentration der betreffenden Substanz eine Beeinträchtigung der Fahrsicherheit zumindest als möglich erscheinen lässt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 21.12.2004 – 1 BvR 2652/03 – juris, Rn. 29 zu THC, OLG Hamm a. a. O. Rn. 12 zu Amfetamin). Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn zumindest der in der Empfehlung der Grenzwertkommission von 20.11.2002 empfohlene Nachweisgrenzwert (= analytischer Grenzwert) erreicht ist. Dieser beträgt bei Metamphetamin 25 ng/ml (vgl. König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl. 2013, Rn. 21a zu § 24a StVG) und wäre folglich bei den hier festgestellten 49,4 ng/ml auch deutlich überschritten.

Indes teilt das Amtsgericht im Urteil zu seiner Erkenntnisgrundlage bzgl. der Intoxikation lediglich mit, ausweislich des Gutachtens des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Göttingen (UMG) seien 5 ng/ml Amphetamine nachgewiesen worden. Woraus das Amtsgericht die (Ergänzung des Senats:) die davon abweichende Erkenntnis gewonnen hat, der Betroffene habe 49,4 ng/ml Metamfetamin im Blut gehabt, teilt es hingegen nicht mit. Dabei handelt es sich um einen entscheidenden Aspekt, denn bei Annahme des mitgeteilten Wertes für Amfetamin wäre der objektive Tatbestand des § 24a Abs. 2 StVG bei der gebotenen verfassungskonformen Auslegung nicht erfüllt. Der Nachweisgrenzwert für Amfetamin liegt nämlich bei 25 ng/ml (König a. a. O.). Zwar teilt das Amtsgericht weiter mit, die festgestellte „Amfetaminbeeinflussung“ sei auch nicht unerheblich, weil 49,4 ng/ml ein recht hoher Wert sei. Daraus wird aber nicht etwa deutlich, dass es sich möglichweise nur um eine Unachtsamkeit bei der Abfassung des Urteils handelte, durch welche versehentlich ein unwesentlicher Wert aus dem Gutachten an Stelle des wesentlichen Wertes mitgeteilt worden wäre und welche aus dem Gesamtzusammenhang der Darlegung zweifelsfrei aufgeklärt werden könnte. Vielmehr wird dadurch – abseits der Frage, woraus das Amtsgericht den festgestellten Wert entnommen hat – erkennbar, dass die Überzeugungsbildung des Amtsgerichts möglicherweise auf einem Fehlverständnis mit Blick auf die einzelnen Substanzen beruht, weil die nicht identischen Substanzen Amfetamin und Metamfetamin unzulässigerweise synonym verwendet werden.

Da es dem Rechtsbeschwerdegericht deswegen eine Überprüfung nicht in ausreichendem Maße möglich ist, wie das Amtsgericht zu den getroffenen Feststellungen gelangt ist, kann das Urteil keinen Bestand haben.

Wollte man hinsichtlich der Feststellung des subjektiven Tatbestandes,  bezüglich der Vorstellung des Betroffenen zur fortdauernden Wirkung der eingenommenen Droge entgegen der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte Frankfurt und Hamm strengere Anforderungen als oben erwähnt stellen (vgl. z. B. OLG Braunschweig Beschl. v. 27.01.2010 – Ss (OWi) 219/09 – juris, Rn. 11ff), wären nähere Feststellungen zum Zeitpunkt der Einnahme, deren Auswirkungen und Spürbarkeit für den Betroffenen im Tatzeitpunkt ggf. über die Abbauwerte durch Einvernahme des Verfassers des Sachverständigengutachtens denkbar und notwendig.

Hinsichtlich der Rechtsfolge dürften die Feststellungen zur Höhe des Bußgeldes auf Grundlage der Regelgeldbuße zwar ausreichend sein. Auch hat das Amtsgericht deutlich gemacht, dass es sich der Möglichkeit bewusst war, von der Verhängung des Fahrverbotes ausnahmsweise abzusehen. Allerdings hat es dem Betroffenen die Vergünstigung des zeitversetzten Wirksamwerdens des ausgeurteilten Fahrverbots aus § 25 Abs. 2a S. 1 StVG nicht zugebilligt, ohne mitzuteilen, warum die Voraussetzungen dieser zwingenden Rechtsfolge nicht vorliegen.

Eine eigene Entscheidung durch das Oberlandesgericht gem. § 79 Abs. 6 OWiG kommt nicht in Betracht, da ausreichende Feststellungen nicht vorliegen, solche aber noch möglich erscheinen.“

Dem schließt sich der Senat an.

III.

Wegen des genannten Rechtsfehlers ist das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufzuheben. Die Sache ist gemäß § 79 Abs. 6 OWiG an das Amtsgericht zurückzuverweisen, das auch die Entscheidung über die Kosten der Rechtsbeschwerde zu treffen hat, weil der endgültige Erfolg des Rechtsmittels noch nicht abzusehen ist.

 

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