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Fahrerlaubnisneuerteilung – Neuerteilungsvoraussetzungen nach langer Zeit ohne Fahrpraxis

Neuerteilung der Fahrerlaubnis ohne Prüfung abgelehnt

In einem aktuellen Fall hat das Gericht die Klage eines Mannes abgelehnt, der die prüfungsfreie Neuerteilung seiner im Jahr 1995 entzogenen Fahrerlaubnis der Klasse B begehrte. Der Kläger hatte nach einer Trunkenheitsfahrt seine Fahrerlaubnis verloren und wollte diese nun ohne erneute Prüfung wiedererlangen.

Direkt zum Urteil: Az.: M 19 K 19.2196  springen.

Grundlage des Falls

Der Kläger wandte sich im Jahr 2000 erstmals an die zuständige Fahrerlaubnisbehörde zwecks Neuerteilung der Fahrerlaubnis. Nachdem ihm mitgeteilt wurde, dass er einen Antrag stellen müsse, kontaktierte er die Behörde 18 Jahre später erneut. Die Behörde verlangte die Ablegung einer erneuten theoretischen und praktischen Führerscheinprüfung, auf die der Kläger jedoch verzichten wollte.

Kein förmlicher Antrag gestellt

Der Kläger hat wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass er eine Entscheidung der Behörde über die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nicht wünsche, solange eine solche Neuerteilung unter Auflagen gestellt werde. Damit lag kein förmlicher Antrag zur Neuerteilung der Fahrerlaubnis vor.

Gerichtliche Entscheidung

Das Gericht entschied, dass die Klage mangels vorliegenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig sei. Hilfsweise wäre sie auch unbegründet gewesen. Die Klage scheiterte bereits daran, dass der Kläger keinen förmlichen Antrag auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis gestellt hatte.

Kein Rechtsschutzbedürfnis für gerichtliche Entscheidung zur Neuerteilung einer Fahrerlaubnis

Im vorliegenden Fall lehnte der Kläger eine gebührenpflichtige Entscheidung der Fahrerlaubnisbehörde allein aus Kostengründen ab. Er versuchte dagegen die Verwaltungsgebühren zu umgehen und unmittelbar eine gerichtliche Entscheidung zu erlangen. Das Zulässigkeitserfordernis eines Rechtsschutzbedürfnisses soll jedoch genau dies ausschließen.

Keine Neuerteilung der Fahrerlaubnis ohne Nachweis von theoretischen und praktischen Kenntnissen

Zudem kann der Kläger die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis zum grundsätzlich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts jedenfalls schon deshalb nicht beanspruchen, weil die Fahrerlaubnisbehörde deren Erteilung zu Recht von Nachweisen über theoretische und praktische Kenntnisse hätte abhängig machen müssen. Seit der Fahrerlaubnisentziehung im Jahr 1995 sind zwischenzeitlich 27 Jahre vergangen, was Zweifel an der Fahrbefähigung aufwirft. Die Dauer fehlender Fahrpraxis ist regelmäßig der einzige Anhaltspunkt für Zweifel an der Fahrbefähigung. Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes dahingehend, dass andere Verkehrsteilnehmer, die ebenfalls jahrelang keine Fahrpraxis hatten, dann aber wieder aktiv am Straßenverkehr teilnehmen wollen, keine praktische Fahrprüfung ablegen müssen, besteht nicht.

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Das vorliegende Urteil

VG München – Az.: M 19 K 19.2196 – Urteil vom 27.04.2022

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt mit seiner Klage die prüfungsfreie Neuerteilung seiner im Jahr 1995 entzogenen Fahrerlaubnis der Klasse B.

Nach einer gerichtlichen Entziehung seiner Fahrerlaubnis nach einer Trunkenheitsfahrt vom 11. Januar 1995, wandte sich der Kläger erstmals im Jahr 2000 zwecks Neuerteilung der Fahrerlaubnis an die Fahrerlaubnisbehörde des Landratsamts Freising (Fahrerlaubnisbehörde). Diese teilte ihm mit Schreiben vom 4. April 2000 unter Verweis auf §§ 20 und 73 Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) mit, dass er hierfür einen Antrag stellen müsse.

18 Jahre später kontaktierte der Kläger mit Schreiben vom 21. März 2018 unter dem Betreff „Antrag auf Wiedererteilung meiner Fahrerlaubnis“ erneut die Fahrerlaubnisbehörde. Diese übersandte dem Kläger mit Schreiben vom 3. April 2018 ein Antragsformular auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis. Gleichzeitig machte es darauf aufmerksam, dass für die Bearbeitung des Antrags eine Gebühr von 117,98 EUR anfallen werde und im Rahmen der Neuerteilung eine erneute theoretische und praktische Führerscheinprüfung, jedoch keine Pflichtausbildung abzulegen sei. Im Schreiben vom 9. April 2018 legte der Kläger dar, weshalb von dem Erlass von Auflagen abzusehen sei. Im weiteren Schreiben vom 3. Mai 2018 trug der Kläger vor, er werde keinen formgerechten Antrag stellen, solange die Fahrerlaubnisbehörde im Rahmen der Neuerteilung nicht auf das Ablegen von Prüfungen verzichte. Seinem handschriftlichen Schreiben vom 3. Mai 2018 legte der Kläger eine ärztliche Blutuntersuchung vom 18. April 2018 der Laborgemeinschaft …, ein Passbild sowie ein Führungszeugnis vom 7. Mai 2018 vor, das keine Eintragungen aufwies.

Im Anschluss wandte sich der Kläger an den Bayerischen Ministerpräsidenten. Das Bayerische Staatsministerium des Innern und für Integration (BayStMI) überprüfte nach einer eingeholten Sachstandsmitteilung der Fahrerlaubnisbehörde vom 19. September 2018 die Fahrerlaubnisangelegenheit und teilte dem Kläger mit Schreiben vom 8. Oktober 2018 mit, dass der Sachbehandlung durch die Fahrerlaubnisbehörde keinen Bedenken begegne.

Mit Schreiben vom 23. April 2019 wandte sich der Kläger erstmals bezüglich seiner begehrten Neuerteilung einer Fahrerlaubnis an das Verwaltungsgericht. Dieses riet ihm mit Schreiben vom 26. April 2019 in seinem eigenen Interesse davon ab, eine Klage zu erheben da diese mangels eines vorher bei der Fahrerlaubnisbehörde gestellten förmlichen Antrag voraussichtlich keine Aussicht auf Erfolg haben werde (M 26 K 19.1950).

Mit weiteren Schreiben vom 7. und 9. Mai 2019 hielt der Kläger an seinem Klagebegehren fest und beantragte sinngemäß eine Neuerteilung seines Führerscheins ohne jeglicher Auflagen.

Er begründete die Klage mit ergänzenden Schreiben vom 8. Juni 2019, 10. Februar 2022, 15. Februar 2022, 19. Februar 2022, 7. März 2022 und 13. März 2022 im Wesentlichen damit, dass ihm ein Anspruch auf die Neuerteilung der Fahrerlaubnis ohne der von der Fahrerlaubnisbehörde in Aussicht gestellten Auflagen zustehe. Der zwischenzeitliche Verzicht der Fahrerlaubnisbehörde auf eine zunächst gefordert medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) zeige, dass die Fahrerlaubnisbehörde rechtswidrige Auflagen gestellt habe und diese nur aufgrund Einschaltens der bayerischen Staatsregierung revidiert habe. Solange ihm keine Neuerteilung ohne das Ablegen neuer Prüfungen zugesagt werde, werde er keinen Antrag auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis stellen. Mit einem solchen Antrag würden 117,18 EUR fällig, zu deren Zahlung er nicht bereit sei. Solange von der Fahrerlaubnisbehörde von weiteren Prüfungen nicht abgesehen werde, müsse auch eine nicht förmliche Antragstellung seine Rechtsgültigkeit haben. Das Verlangen nach neuen Prüfungen sei völlig willkürlich, da keine Tatsachen vorlägen, die Zweifel an den für die Fahrerlaubnis erforderlichen Kenntnissen und Fähigkeiten begründeten. Im Gegenteil habe er jahrelang beanstandungs- und unfallfrei am Straßenverkehr teilgenommen, unter anderem mit seinem Mofa.

Die Beklagte hat die Verwaltungsakten mit Schreiben vom 22. Mai 2019 vorgelegt und beantragte die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass der Kläger ohne (erneute) Ablegung einer Fahrerlaubnisprüfung keinen Anspruch auf die begehrte Neuerteilung einer Fahrerlaubnis der Klasse B habe. Eine Neuerteilung sei dann von dem Bestehen einer erneuten Fahrerlaubnis abhängig, wenn Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigten, dass der Bewerber die nach § 16 Abs. 1 und § 17 Abs. 1 FeV erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht mehr besitze. Hierbei käme in erster Linie die Zeitdauer einer fehlenden Fahrpraxis wesentliche Bedeutung zu. Bei einem Zeitraum von fast 25 Jahren ohne Fahrpraxis mit einem Kraftfahrzeug – die Fahrpraxis mit einem Mofa reiche nicht aus – seien Zweifel an der Befähigung der Fahrpraxis berechtigt. Mit weiterem Schreiben vom 24. Februar 2022 stellte der Beklagte klar, dass der Kläger zu keinem Zeitpunkt einen förmlichen Antrag gestellt habe.

Mit Beschluss vom 22. März 2022 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen, § 76 Abs. 1 AsylG.

Zur mündlichen Verhandlung am 27. April 2022 erschien die Beklagtenseite, nicht aber der Kläger.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegte Behördenakte und die Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Das Gericht konnte über die Klage verhandeln und entscheiden, obwohl nicht alle Beteiligten in der mündlichen Verhandlung anwesend oder vertreten waren. Denn in den ordnungsgemäßen Ladungen ist auf diese Möglichkeit hingewiesen worden (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).

Die Klage bleibt ohne Erfolg. Sie ist bereits unzulässig, hilfsweise wäre sie jedoch auch unbegründet.

1. Die Klage ist mangels vorliegenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.

Denn der Kläger hat vor Einleitung des gerichtlichen Verfahrens bei der zuständigen Fahrerlaubnisbehörde, hier dem Landratsamt Freising, keinen Antrag auf Neuerteilung gestellt. Ein Anspruch auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis setzt jedoch zunächst voraus, dass ein solcher bei der Fahrerlaubnisbehörde gestellt wurde und diese Gelegenheit zu einer Entscheidung hierüber hatte. Der Kläger hat jedoch wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass er eine Entscheidung der Behörde über die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nicht wünsche, solange eine solche Neuerteilung unter Auflagen gestellt werde.

1.1. Zwar hat sich der Kläger mit handschriftlichem Schreiben vom 29. März 2000, vom 21. März 2018, vom 9. April 2018 und vom 3. Mai 2018 zwecks Wiederteilung seiner Fahrerlaubnis an die Fahrerlaubnisbehörde gewandt. Gemäß § 21 Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV), ist der Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis bei der nach Landesrecht zuständigen Behörde oder Stelle oder der Fahrerlaubnisbehörde schriftlich oder in elektronischer Form zu stellen.

Setzt das förmliche Verwaltungsverfahren einen Antrag voraus, so ist er schriftlich oder zur Niederschrift bei der Behörde zu stellen (Art. 64 BayVwVfG). Hierbei kann die Behörde grundsätzlich die Verwendung der für bestimmte Anträge vorgesehenen Formblätter verlangen, auch wenn dies nicht durch Rechtsvorschriften ausdrücklich vorgeschrieben ist, soweit dadurch die Antragstellung nicht unzumutbar erschwert wird (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Auflage 2021, § 64 Rn. 6 m.w.N.). Auch wenn in keiner Rechtsvorschrift für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis die Abgabe des Antrags auf einem besonderen Formular vorgesehen ist, ist eine Behörde im Rahmen ihres Organisationsermessens insbesondere aus Zweckmäßigkeitsgründen zur Aufforderung zur Ausfüllung eines Anzeigevordrucks ermächtigt. Allerdings bleibt zu bezweifeln, ob in derartigen Fällen gesetzlich nicht vorgegebener Formulare die nicht formgerechte Antragstellung allein bereits zur Ablehnung als unzulässig führt (vgl. Kallerhoff/Fellenberg in Stelkens/Bonk/Sachs Verwaltungsverfahrensgesetz 9. Auflage 2018, § 24 Rn. 85).

1.2. Diese Klärung kann vorliegend jedoch offenbleiben. Denn der Kläger hat sowohl durch die fehlende Übermittlung des von der Behörde mit Schreiben vom 3. April 2018 übersandten Formblatts, als auch durch gesonderte Klarstellung zum Ausdruck gebracht, keinen Antrag stellen zu wollen. Er betonte explizit in seinem Schreiben vom 3. Mai 2018 gegenüber der Fahrerlaubnisbehörde, keinen (formgerechten) Antrag stellen zu wollen.

Er brachte damit im Vorfeld zum Ausdruck, eine Entscheidung der Fahrerlaubnisbehörde über seinen Antrag nicht zu wünschen, da eine solche mit einer Bearbeitungsgebühr verbunden gewesen wäre. Nachdem er damit in eindeutiger Weise seinen Willen äußerte, eine Entscheidung über einen etwaig gestellten Antrag nicht zu wünschen, kam für die Fahrerlaubnisbehörde auch keine etwaige Auslegung der Schreiben des Klägers als Anträge in Betracht. Ebenso legte der Kläger auch im Klageverfahren schriftlich dar, einen Antrag nur für den Fall einer positiven Verbescheidung habe stellen zu wollen und bestätigt damit sein Anliegen, auf eine Antragstellung im Sinne des § 21 FeV bewusst verzichtet zu haben.

Das Gericht ist daher nicht berechtigt, über die Neuerteilung der Fahrerlaubnis zu entscheiden. Denn ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage besteht nur dann, wenn sich der Kläger zuvor erfolglos an die Behörde gewandt hat. Wenn ein solcher Antrag nicht gestellt wurde, kann die Klage schon allein aus diesem Grund keinen Erfolg haben. Dies entspricht der obergerichtlichen Rechtsprechung (BayVGH, B.v. 1.4.2020 – 11 CE 20.397 – juris Rn. 9 ff.), der zufolge der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz aus Gründen der Gewaltenteilung nicht vorbeugend konzipiert ist (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 23.6.2016 – 2 C 18.15 – juris Rn. 19; BayVGH, B.v. 28.11.2019 – 10 CE 19.2234 – juris Rn. 5; B.v. 24.1.2017 – 4 CE 15.273 – juris Rn. 16). Die den Gerichten übertragene Kontrollfunktion gegen Maßnahmen der Behörden setzen grundsätzlich erst nachgelagert ein. Es ist dem Rechtsschutzsuchenden in der Regel zuzumuten, die Verwaltungsmaßnahme abzuwarten und anschließend um Rechtsschutz bei den Gerichten zu ersuchen. Die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes erfordert daher regelmäßig den Erlass einer Maßnahme, der nachfolgend Gegenstand gerichtlicher Überprüfung ist.

Vorliegend kommt auch keine ausnahmsweise anderweitige Beurteilung in Betracht. Dem Kläger ging es gerade nicht um eine Beschleunigung seines Verfahrens. Einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hatte er nicht gestellt; im Übrigen besteht im Falle der Neuerteilung einer Fahrerlaubnis regelmäßig keine Gefahr, dass irreversible Fakten geschaffen werden und dadurch nicht wiedergutzumachende Nachteile entstehen (BayVGH, B.v. 4.10.2005 – 11 CE 05.2304 – juris Rn. 17). Der Kläger lehnte eine gebührenpflichtige Entscheidung der Fahrerlaubnisbehörde vielmehr allein aus Kostengründen ab. Die von der Fahrerlaubnisbehörde veranschlagten Kosten in Höhe von 117,98 EUR für die Verbescheidung eines Antrags auf Neuerteilung sind dem Betroffenen jedoch zumutbar und in keiner Weise unverhältnismäßig (vgl. zu Begutachtungskosten BayVGH, B.v. 1.4.2020 – 11 CE 20.397 – juris Rn. 11). Der Kläger versuchte dagegen die Verwaltungsgebühren zu umgehen und unmittelbar eine gerichtliche Entscheidung zu erlangen. Gerade dies soll mit dem Zulässigkeitserfordernis eines Rechtsschutzbedürfnisses ausgeschlossen werden.

2. Lediglich hilfsweise sei dargelegt, dass die Klage auch im Falle ihrer Zulässigkeit unbegründet gewesen wäre.

Ein Anspruch auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis ohne Nachweis über aktuell bestehende theoretische und praktische Kenntnisse ist im Fall des Klägers nicht ersichtlich.

Für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung oder nach vorangegangenem Verzicht gelten die Vorschriften für die Ersterteilung (§ 20 Abs. 1 Satz 1 FeV). § 15 FeV (Nachweis einer theoretischen und einer praktischen Prüfung) findet vorbehaltlich des § 20 Abs. 2 FeV keine Anwendung (§ 20 Abs. 1 Satz 2 FeV). Dies ist gemäß § 20 Abs. 2 FeV jedoch dann nicht der Fall, wenn Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass der Bewerber die nach § 16 Abs. 1 FeV (theoretische Prüfung) und § 17 Abs. 1 FeV (praktische Prüfung) erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht mehr besitzt.

Nach § 20 Abs. 3 FeV bleibt die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 9 FeV unberührt. Vorliegend kann dahinstehen, ob bereits diese Vorschrift aufgrund § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV wegen der vergangenen Fahrerlaubnisentziehung (Trunkenheitsfahrt) der Erteilung des begehrten Führerscheins entgegensteht.

Denn der Kläger kann die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis zum grundsätzlich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts jedenfalls schon deshalb nicht beanspruchen, weil die Fahrerlaubnisbehörde deren Erteilung zu Recht von Nachweisen über theoretische und praktische Kenntnisse hätte abhängig machen müssen.

Seit der Fahrerlaubnisentziehung im Jahr 1995 sind zwischenzeitlich 27 Jahre vergangen. Bei einer sehr langen Zeit ohne Fahrpraxis ist die Annahme des Fehlens der erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten im Sinne des § 20 Abs. 2 FeV berechtigt (vgl. BayVGH, B.v. 22.3.2021 – 11 ZB 20.3146 – juris Rn. 14: VG Trier, U.v. 10.3.2020 – 1 K 2868/19.TR – juris Rn. 34; Sächs OVG, B.v. 15.2.2016 – 3 D 89/15 – juris Rn. 6; BVerwG, U.v. 27.10.2011 – 3 C 31/10 – juris Rn. 11).

Die Dauer fehlender Fahrpraxis ist regelmäßig der einzige Anhaltspunkt für Zweifel an der Fahrbefähigung, da der Betroffene im Straßenverkehr wegen des Fehlens der einschlägigen Fahrerlaubnis weder negativ auffallen noch umgekehrt das Fortbestehen seiner Befähigung unter Beweis stellen kann (BayVGH, U.v. 17.4.2012 – 11 B 11.1873 – juris Rn. 29). Denn typischerweise schwinden mit zunehmender Dauer der fahrerlaubnislosen Zeit die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten und die Bewältigung neu hinzugekommener Anforderungen an Kraftfahrer. Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes dahingehend, dass andere Verkehrsteilnehmer, die ebenfalls jahrelang keine Fahrpraxis hatten, dann aber wieder aktiv am Straßenverkehr teilnehmen wollen, keine praktische Fahrprüfung ablegen müssen, besteht nicht. Insoweit liegen schon keine vergleichbaren Sachverhalte vor, denn das bloße Nichtgebrauchmachen von einer fortbestehenden Fahrerlaubnis ist von der in § 20 FeV näher geregelten Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung zu unterscheiden (vgl. Haus in Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 3. Auflage 2021 § 20, Rn. 30).

Die Fahrpraxis mit einem Mofa reicht nicht aus. Denn es kommt ausschließlich auf die erlaubnispflichtige Teilnahme am Straßenverkehr an. Ein – nicht fahrerlaubnispflichtiges – Mofa ist im Vergleich zu einem erlaubnispflichtigen Kfz deutlich langsamer und damit erheblich weniger gefährlich. Gleiches gilt für die Fahrpraxis mit einem Fahrrad.

Eine aktive Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr wird daher nicht durch eine Teilnahme am Straßenverkehr mit einem fahrerlaubnisfreien Mofa kompensiert (vgl. OVG NRW, B.v. 22.3.2012 – 16 A 55/12 – juris Rn. 12; VG Gelsenkirchen B.v. 13.12.2011 – 9 K 5357/10 – juris Rn. 8).

Aus den dargestellten Gründen war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).

Beschluss:

Der Streitwert wird auf EUR 5000.- festgesetzt (§ 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz -GKG-).

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