VG Augsburg – Az.: Au 7 S 12.259 – Beschluss vom 09.03.2012
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 6.875,– EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der am … 1978 geborene Antragsteller wendet sich gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit des Entzugs seiner Fahrerlaubnis.
Dem Antragsteller wurde vom Landratsamt … am 11. April 1996 die Fahrerlaubnis der Klasse 3 erteilt. Am 5. August 2010 erhielt er einen EU-Kartenführerschein der Klassen B, BE, C1, C1E, CE79, L, M und S.
Die Polizeiinspektion … teilte der Fahrerlaubnisbehörde des Antragsgegners mit Schreiben vom 9. Juni 2011 mit, dass der Antragsteller am 19. Mai 2011 ein Kraftfahrzeug unter Drogeneinfluss geführt habe.
Die toxikologische Untersuchung der Blutprobe des Antragstellers ergab eine Konzentration für Amphetamin von 42,80 ng/ml.
Die Zentrale Bußgeldstelle erließ gegen den Antragsteller am 24. Juni 2011 einen Bußgeldbescheid wegen eines Verstoßes nach § 24a StVG.
Mit Schreiben des Antragsgegners vom 22. Juni 2011 wurde der Antragsteller zum beabsichtigten Entzug der Fahrerlaubnis angehört. Ihm wurde eine Frist zur Stellungnahme bis zum 6. Juli 2011 eingeräumt.
Der Bevollmächtigte des Antragstellers teilte mit Schreiben vom 6. Juli 2011 mit, dass gegen den Bußgeldbescheid, mit welchem dem Antragsteller zur Last gelegt worden sei, er habe am 19. Mai 2011 unter Einfluss berauschender Mittel ein Kraftfahrzeug geführt, Einspruch eingelegt worden sei; der zugrunde gelegte Sachverhalt sei nicht richtig. Zum einen habe der Antragsteller nicht unter Einfluss einer berauschenden Substanz ein Kfz geführt, zum anderen könne er sich das Ergebnis der Blutuntersuchung nicht erklären.
Entsprechend des Schreibens der Kriminalpolizeistation … sowie des Schlussberichts jeweils vom 28. Juli 2011 wurden bei einer Durchsuchung der Wohnung des Antragstellers am 19. Mai 2011 eine geringe Menge Amphetamin mitsamt einem Spiegel, einem Rasiermesser und einem „Schnupfröhrchen“, sowie eine Glasschale mit Tabak-Cannabis-Gemisch gefunden und sicher gestellt. Der Antragsteller hat danach gestanden, am Vorabend Amphetamin konsumiert zu haben.
Im Rahmen einer polizeilichen Vorladung gab der Antragsteller am 26. Mai 2011 an, 0,5 Gramm Amphetamin für 10 EUR gekauft zu haben (Bl. 57 der Behördenakte – nachfolgend: BA).
Aufgrund des vom Antragsteller eingelegten Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid stellte der Antragsgegner das Verwaltungsverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Bußgeldbescheid zurück (vgl. Schreiben vom 7. Juli 2011, Bl. 20 BA).
Das Amtsgericht … verurteilte den Antragsteller mit rechtskräftigem Urteil vom 24. Oktober 2011 (Az. …) aufgrund der Tat am 19. Mai 2011 wegen vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln und unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe.
Mit Schreiben des Antragsgegners vom 27. Januar 2012 wurde der Antragsteller nochmals zum beabsichtigten Entzug der Fahrerlaubnis angehört; ihm wurde Gelegenheit zur Äußerung bis 10. Februar 2012 gegeben.
Der Bevollmächtigte des Antragstellers trug mit Schreiben vom 7. Februar 2012 vor, dass vorliegend eine erhebliche Abweichung vom Durchschnittsfall zugunsten des Antragstellers festzustellen sei. Der Antragsteller habe am 18. Mai 2011 als Koch sehr lange gearbeitet und sei sehr müde gewesen. Nach der Arbeit sei er noch mit Bekannten in einem Lokal gewesen. Dabei sei ihm eine Tablette angeboten worden, die ihm gegen die Müdigkeit helfen sollte. Es sei ihm nicht bewusst gewesen, dass es sich dabei um ein Amphetaminpräparat gehandelt habe. Er nehme weder regelmäßig noch bewusst Drogen zu sich.
Er sei im Straßenverkehr bisher stets unauffällig gewesen. Bei dem Vorfall vom 18. Mai 2011 habe es sich um einen einmaligen Vorfall gehandelt.
Der Antragsteller nehme nunmehr an einem Abstinenz-Kontroll-Programm teil. In diesem Rahmen sei am 7. Dezember 2011 eine Haarprobe entnommen worden, die belege, dass der Antragsteller in einem zurückliegenden Zeitraum von 6 Monaten keine Drogen zu sich genommen habe. Weiter würden vier Urin-Kontrollen verteilt über einen Zeitraum von sechs Monaten durchgeführt. Die erste von den insgesamt vier Proben habe keinen Nachweis von Drogen ergeben.
Der Antragsteller sei beruflich auf seinen Führerschein angewiesen. Ein Vorfall – wie der vom 18. Mai 2011 – werde sich keinesfalls wiederholen.
Mit Bescheid vom 14. Februar 2012 entzog der Antragsgegner dem Antragsteller die Fahrerlaubnis aller Klassen (Nummer 1. des Bescheidstenors) und verpflichtete ihn, seinen Führerschein spätestens fünf Tage nach Zustellung dieses Bescheides bei der Führerscheinstelle abzuliefern (Nummer 2. des Bescheidstenors). Für den Fall, dass der Antragsteller seinen Führerschein nicht rechtzeitig beim Antragsgegner abliefere, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 500,– EUR angedroht (Nummer 3. des Bescheidstenors). In Nummer 4. des Bescheidstenors wurde die sofortige Vollziehung der Nummern 1. und 2. des Bescheides angeordnet.
Der Bescheid wurde dem Bevollmächtigten des Antragstellers laut Empfangsbestätigung am 20. Februar 2012 zugestellt.
Der Führerschein wurde am 23. Februar 2012 bei der Führerscheinstelle abgegeben.
Gegen den Bescheid vom 14. Februar 2012 ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten mit Schreiben vom 22. Februar 2012 Widerspruch einlegen und beantragte weiter, die sofortige Vollziehung auszusetzen bzw. wieder herzustellen, was der Antragsgegner mit Schreiben vom 28. Februar 2012 ablehnte.
Mit Schreiben vom 22. Februar 2012 ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO stellten. Danach sollte
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid vom 14. Februar 2012 bezüglich deren Nummern 1 und 2 wiederhergestellt werden.
Zur Begründung wurde vorgetragen, dass die Anordnung nicht hinreichend schriftlich begründet worden sei.
Außer diesem einmaligen Vorfall könne dem Antragsteller kein Vorwurf gemacht werden, unter Drogeneinfluss im Straßenverkehr teilgenommen zu haben.
Der Antragsteller habe nur deshalb am 19. Mai 2011 ein Kraftfahrzeug geführt, weil er ausdrücklich von der Polizei aufgefordert worden sei, unverzüglich von seinem Arbeitsplatz bei sich zu Hause in seiner Wohnung zu erscheinen. Wäre der Antragsteller von der Polizei nicht ausdrücklich dazu aufgefordert worden, so wäre er auch nicht Auto gefahren. Seitens des Antragsgegners wäre zu erwarten gewesen, das angeblich dringende öffentliche Interesse an dem Sofortvollzug unter Eingehung dieser Umstände zu begründen. Wie solle objektiv zu befürchten sein, dass der Antragsteller andere Verkehrsteilnehmer in ihrer körperlichen Unversehrtheit oder in ihrem Vermögen ernstlich gefährdet, wenn er nachweislich seit mehr als 6 Monaten vollkommen drogenfrei sei. Des Weiteren sei zu berücksichtigen, dass er bereits mehr als 9 Monate am Straßenverkehr teilgenommen habe, ohne dass irgendeine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer eingetreten sei. Außer dem Vorfall vom 19. Mai 2011 sei bei dem Antragsteller kein Drogenkonsum feststellbar gewesen. Was die am 19. Mai 2011 erfolgte Durchsuchung der Wohnung des Antragstellers betreffe, so sei diese nicht Teil eines Ermittlungsverfahrens gegen den Antragsteller gewesen, sondern habe ein Ermittlungsverfahren gegen die damalige Lebensgefährtin des Antragstellers betroffen.
Im Rahmen der Interessenabwägung sei von Bedeutung, dass Anlass des Bescheids vom 14. Februar 2012 ein einmaliger Vorfall am 19. Mai 2011 gewesen sei. Spätestens zum 19. Mai 2012 sei davon auszugehen, dass der Antragsteller eine einjährige Abstinenz von der Einnahme von Betäubungsmitteln vorweisen könne.
Unter Berücksichtigung der Vorbemerkung zur Anlage 4 zu den §§ 11, 13, und 14 FeV sei insbesondere einzubeziehen, dass der Antragsteller bereits an einem Drogen-Kontroll-Programm teilnehme und sich dabei ergeben habe, dass der Antragsteller bereits mehr als 6 Monate drogenabstinent sei.
Der Antragsgegner beantragte mit Schreiben vom 6. März 2012, den Antrag abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist nach § 88 VwGO zunächst dahingehend auszulegen, dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 22. Februar 2012 gegen die Nummer 1 des Bescheids vom 14. Februar 2012 wiederhergestellt und hinsichtlich der kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Nummer 2 (§ 47 Abs. 1 Satz 2 FeV, vgl. BayVGH vom 14.12.2005, DAR 2006, 169) angeordnet werden soll.
Der in dem dargelegten Sinne ausgelegte Antrag nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.
1. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Fahrerlaubnisentzugs genügt den formellen Anforderungen von § 80 Abs. 3 VwGO. Der Antragsgegner hat insbesondere unter Beachtung der Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich in ausreichender Form begründet. Er ist auf die Besonderheiten des zu beurteilenden Einzelfalls eingegangen und hat sich nicht lediglich standardisierter und formelhafter Wendungen bedient. Er hat zutreffend ausgeführt, dass es die im Straßenverkehr zu bewahrende Sicherheit und Ordnung gebieten, dass fahrungeeignete Verkehrsteilnehmer unverzüglich von der Teilnahme am Verkehr ausgeschlossen werden. Im Bereich des Sicherheitsrechts, zu dem auch das Fahrerlaubnisrecht gehört, kann sich die Behörde zur Rechtfertigung der sofortigen Vollziehung darauf beschränken, die für diese Fallgruppen typische Interessenlage aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass diese Interessenlage auch im konkreten Fall vorliegt; der Umstand, dass die im streitgegenständlichen Bescheid angesprochenen Gesichtspunkte auch in einer Vielzahl anderer Verfahren zur Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit verwendet werden können, führt deshalb nicht dazu, dass ein Verstoß gegen § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO vorliegt (BayVGH vom 10.3.2008 – 11 CS 07.3453 m.w.N.).
In Bezug auf die bereits kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Anordnungen ist eine Begründung nach § 80 Abs. 3 VwGO nicht erforderlich.
2. Das Gericht hat bei der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO eine über die Prüfung der formellen Rechtmäßigkeit des Sofortvollzugs hinausgehende, eigenständige Interessenabwägung vorzunehmen. Abzuwägen ist das Interesse des Antragstellers, zumindest vorläufig weiter von seiner Fahrerlaubnis Gebrauch machen zu können, gegen das Interesse der Allgemeinheit daran, dass dies unverzüglich unterbleibt. Hierbei sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs ausschlaggebend, da am sofortigen Vollzug eines offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes ebenso wenig ein öffentliches Interesse bestehen kann, wie an der aufschiebenden Wirkung eines offensichtlich unbegründeten Rechtsbehelfs. Insoweit ist eine summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage geboten, aber auch ausreichend (vgl. zum Ganzen: Kopp/Schenke, 16. Auflage, § 80 RdNrn. 152 ff.).
Die summarische Prüfung fällt hier zu Ungunsten des Antragstellers aus. Es spricht nichts für einen Erfolg seines Widerspruchs vom 22. Februar 2012. Der Bescheid, mit welchem ihm die Fahrerlaubnis aller Klassen entzogen wurde, ist sowohl in formeller als auch und insbesondere in materieller Hinsicht rechtmäßig und kann den Antragsteller demnach nicht in seinen Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
a) Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) in Verbindung mit § 46 Abs. 1 FeV sowie Anlage 4 Nr. 9.1 zur Fahrerlaubnis-Verordnung. Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde demjenigen, der sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist, die Fahrerlaubnis zu entziehen. Dies gilt nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere dann, wenn Erkrankungen oder Mängel nach Anlage 4, 5 oder 6 vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist.
Nr. 9.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung führt aus, dass die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bei der Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (BtmG) (ausgenommen Cannabis) nicht besteht und zwar unabhängig von der Häufigkeit der Betäubungsmitteleinnahme, der Höhe der nachgewiesenen Betäubungsmittelkonzentration oder einer Straßenverkehrsteilnahme im berauschten Zustand. Rechtlich nicht entscheidend ist weiter, ob konkrete Ausfallerscheinungen im Sinne einer Fahruntüchtigkeit beim Betroffenen festzustellen waren oder ob der Betroffene deshalb strafrechtlich geahndet wurde (BayVGH vom 23.4.2008, 11 CS 07.2671). Nr. 9.1 der Anlage 4 stellt allein auf die Einnahme von Betäubungsmitteln nach dem Betäubungsmittelgesetz (ausgenommen Cannabis) ab.
Es entspricht allgemeiner Überzeugung in der Rechtsprechung (vgl. BayVGH vom 30.10.2007, 11 CS 07.942, 11 ZB 07.1016; BayVGH vom 14.2.2006, 11 ZB 05.1406; BayVGH vom 8.3.2006, 11 CS 05.1572; BayVGH vom 20.9.2006, 11 CS 05.2143; BayVGH vom 26.7.2007, 11 ZB 05.2932; BayVGH vom 4.9.2007, 11 CS 07.308; BayVGH vom 7.9.2007, 11 CS 07.898/11 C 07.1371, m.w.N. zahlreicher anderer Oberverwaltungsgerichte), dass bereits der einmalige Konsum eines Betäubungsmittels (mit Ausnahme von Cannabis) im Regelfall den Verlust der Fahreignung nach sich zieht (vgl. VG Augsburg vom 9.1.2008, Au 3 S 07.1722; vom 11.7.2008, Au 3 S 08.859; vom 12.8.2008, Au 3 S 08.1047). Nicht nur der zweifelsfreie Wortlaut der Nr. 9.1 der Anlage 4, sondern auch Nr. 3.12.1 der Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung (Schubert / Schneider / Eisenmenger / Stephan, Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrereignung, 2. Aufl.) rechtfertigen diese Rechsprechung. Die Fehlhaltung und die Willensschwäche, die zum Drogenkonsum führen und der Kontrollverlust, der mit dem Drogenkonsum einhergeht, sind die Gründe dafür, dass der Gesetzgeber in Nr. 9.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung bei „harten“ Drogen generell und bereits bei einmaliger Einnahme von fehlender Fahreignung ausgeht. Das Gefährdungspotenzial bei Einnahme „harter“ Drogen ist wesentlich höher als das von Alkohol oder Cannabis. Dem Konsumenten „harter“ Drogen ist es nur sehr eingeschränkt möglich, den Verlauf und die Intensität der Wirkung zu steuern und die Konsummengen der eigenen Verträglichkeit anzupassen. Zudem tritt die Wirkung abhängig von der Konsumform in unterschiedlichen zeitlichen Abständen ein. Es ist jederzeit möglich, dass der Betroffene im Zustand drogenbedingt reduzierter Steuerungsfähigkeit am Straßenverkehr teilnimmt. Damit geht eine Straßenverkehrsgefährdung einher, der wirksam nur durch die Entziehung der Fahrerlaubnis begegnet werden kann (BayVGH vom 21.12.2006, 11 CS 06.1264; VG Augsburg vom 12. August 2008, Au 3 S 08.1047).
Der Antragsteller hat zumindest einmal Amphetamin und damit eine „harte“ Droge konsumiert. Zum einen hat die am 19. Mai 2011 entnommene Blutprobe einen Wert von 42,80 ng/ml Amphetamine ergeben. Des Weiteren ergibt sich aus einem Aktenvermerk der Polizeiinspektion … vom 19. Mai 2011 (vgl. Rückseite von Bl. 54 der BA) und dem Schlussvermerk der Kriminalpolizeistation … vom 28. Juli 2011 (vgl. Bl. 53 der BA), dass der Antragsteller im Rahmen der Durchsuchung seiner Wohnung am 19. Mai 2011 gestanden hat, am Vorabend Amphetamin konsumiert zu haben. Diese Aussage machte er auch im Rahmen der Beschuldigtenvernehmung durch die Kriminalpolizeistation … am 26. Mai 2011 (vgl. Bl. 57 der BA), wobei er weiter einräumte, 0,5 Gramm Amphetamin für 10 EUR gekauft zu haben. Ob es sich dabei um ein Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller oder gegen seine damalige Lebensgefährtin gehandelt hat, ist unbeachtlich, da sich jedenfalls im Rahmen der Ermittlungen ergab, dass der Antragsteller am 18. bzw. 19. Mai 2011 eine „harte“ Droge konsumiert hat.
Auch im Rahmen der strafrechtlichen Hauptverhandlung am 24. Oktober 2011 (vgl. Protokoll über die Hauptverhandlung am 24.10.2011, S. 3) hat der Antragsteller den Amphetaminkonsum ausdrücklich selbst eingeräumt. Der Vortrag im Antragsschriftsatz vom 22. Februar 2012, der Antragsteller habe nicht gewusst, dass es sich bei der am Abend in einem Lokal am 18. Mai 2011 von ihm eingenommenen Tablette um Amphetamin gehandelt hat, stimmt mit den ausdrücklichen Angaben des Antragstellers nicht überein und ist als nicht zutreffend anzusehen.
Wie bereits oben ausgeführt, reicht bereits der einmalige Konsum einer „harten“ Droge aus, ohne dass es darauf ankäme, ob der Fahrerlaubnisinhaber unter dem Einfluss des Betäubungsmittels am Straßenverkehr teilgenommen hat und ob er dabei fahruntüchtig war (allgemeine Auffassung, z.B. Hentschel/König/ Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Auflage 2011, § 2 StVG RdNr. 17; BayVGH vom 19.10.2010 – 11 Cs 10. 2330; vom 30.5.2008 -11 CS 08.127).
Daher ist der Einwand, der Antragsteller wäre nicht Auto gefahren, wenn er nicht ausdrücklich von der Polizei dazu aufgefordert worden wäre, rechtlich irrelevant. Auch wenn es rechtlich nicht darauf ankommt, ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass der Antragsteller eigenen Angaben zufolge am 19. Mai 2O11 – trotz Drogenkonsums – von der Arbeitsstelle aus nicht nur auf Veranlassung der Polizei zu seiner Wohnung gefahren ist, sondern bereits morgens mit dem Auto seine Arbeitsstelle aufgesucht hat (vgl. Protokoll über die Hauptverhandlung am 24.10.2011, S. 3).
Da es auf die Häufigkeit des Konsums einer „harten“ Droge und die Höhe der eingenommenen Betäubungsmittelkonzentration nicht ankommt, der Antragsteller jedoch einen einmaligen Amphetamin-Konsum selbst einräumt, war im Zeitpunkt des Bescheidserlasses grundsätzlich zwingend von der fehlenden Fahreignung des Antragstellers auszugehen (§ 11 Abs. 7 FeV).
b) Nach der Vorbemerkung 3 zu Anlage 4 der Fahrerlaubnis-Verordnung gelten die Wertungen der Nr. 9.1 der Anlage 4 nur für den Regelfall. Das Gericht verkennt nicht, dass es sich bei den Regelwertungen der Anlage 4 nicht um für die Verwaltung und die Rechtsprechung verbindliche Rechtssätze handelt. Vielmehr bilden sie, basierend auf medizinisch-toxikologischen Erfahrungswerten, antizipierte Sachverständigengutachten, von welchen bei besonders gelagerten Sachverhalten entsprechend der Nr. 3 der Vorbemerkung zur Anlage 4 abgewichen werden kann (vgl. Schubert / Schneider / Eisenmenger / Stephan, a.a.O., Nr. 2.4). Das Gericht sieht jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass beim Antragsteller ein besonders gelagerter Fall, bei dem die Voraussetzungen der Nr. 3 der Vorbemerkung der Anlage 4 erfüllt wären, vorliegt. Diese liegen in der besonderen menschlichen Veranlagung, der besonderen Einstellung oder besonderen Verhaltenssteuerung und -umstellung des Betroffenen. Dahingehende Tatsachen sind jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich. Dass der Antragsteller bislang nicht unter der Wirkung von „harten“ Drogen ein Kraftfahrzeug geführt hat, rechtfertigt allein noch nicht eine besondere Steuerungsfähigkeit, mit der der Mangel an Willensstärke und der Kontrollverlust beim Konsum „harter“ Drogen als kompensiert gelten könnte (vgl. so ausdrücklich BayVGH vom 21.12.2006 – 11 CS 06.1264). Personen, die – sei es mit, sei es ohne Bezug zum Straßenverkehr – andere Betäubungsmittel als Cannabis einnehmen, bringen nach Auffassung des Verordnungsgebers einen solchen Charaktermangel zum Ausdruck (vgl. BayVGH vom 4.10.2010, Az. 11 ZB 09.2973).
Auf Grund des festgestellten und vom Antragsteller selbst eingeräumten Konsums von Amphetamin ist der Antragsgegner damit zu Recht davon ausgegangen, dass der Antragsteller fahrungeeignet ist. Der Antragsteller hat die verloren gegangene Fahreignung im Zeitpunkt des Bescheidserlasses am 14. Februar 2011 auch noch nicht wieder gewonnen, mag er auch seit mehr als 6 Monaten drogenfrei sein. Eine einmal wegen Betäubungsmittelkonsums verloren gegangene Fahreignung kann gemäß Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV frühestens nach einjähriger nachgewiesener Abstinenz wieder erlangt werden. Sollte diese Vorschrift unmittelbar nur bei Betäubungsmittelabhängigkeit anwendbar sein, so ist sie jedenfalls entsprechend auf alle Fälle eines die Fahreignung ausschließenden Betäubungsmittelkonsums anzuwenden (vgl. BayVGH vom 9.5.2005, BayVBl. 2006, 18). Die einjährige Drogenfreiheit, innerhalb derer die Fahrerlaubnisbehörde unter Anwendung von § 11 Abs. 7 FeV von der Ungeeignetheit des Betroffenen ausgehen darf, beginnt mit einer nachvollziehbar vorgetragenen Abstinenz (vgl. BayVGH vom 9.5.2005, a.a.O.). Im vorliegenden Fall war die „verfahrensrechtliche Ein-Jahres-Frist“, selbst wenn man zu Gunsten des Antragstellers davon ausgehen wollte, dass es sich im Mai 2011 um einen einmaligen Konsum einer „harten“ Droge gehandelt hat, im maßgeblichen Zeitpunkt des Ergehens des Entzugsbescheids vom 14. Februar 2012 noch nicht abgelaufen. Daran ändert auch der Vortrag nichts, dass nach den Schreiben der AVUS vom 19. Dezember 2011 und 10. Januar 2012 die beim Antragsteller durchgeführte Haaranalyse sowie die erste von vier Urinproben keinen Nachweis von Drogen ergaben. Der Antragsgegner war auch nicht gehalten, das Entziehungsverfahren weiter hinauszuzögern, um dem Antragsteller den Nachweis einer einjährigen Abstinenz zu ermöglichen (vgl. BayVGH vom 4.2.2009 – 11 CS 08.2591). Es liegt vielmehr im Interesse der Verkehrssicherheit und ist die gesetzliche Pflicht der Behörde, ungeeigneten Verkehrsteilnehmern die Fahrerlaubnis zu entziehen.
Der Antragsgegner durfte daher von der Ungeeignetheit des Antragstellers ausgehen.
3. Die in Ziffer 2 des Bescheids verfügte Pflicht zur Ablieferung des Führerscheins beim Antragsgegner ist rechtmäßig. Die kraft Gesetzes sofort vollziehbare Verpflichtung zur Ablieferung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 2 FeV und beruht auf dem vorherigen rechtmäßigen Fahrerlaubnisentzug.
4. Im Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung überwiegt das Interesse der Allgemeinheit am sofortigen Vollzug der Fahrerlaubnisentziehung das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs. Zwar ist es nachzuvollziehen, dass der Entzug der Fahrerlaubnis für den Antragsteller erhebliche berufliche oder sonstige Nachteile zur Folge hat. Jedoch ist das Interesse der Allgemeinheit an der Sicherheit des Straßenverkehrs und der aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes ableitbare Auftrag des Staates zum Schutz von Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer höher anzusetzen. Das Interesse des Antragstellers hat daher im Hinblick auf den hohen Rang der durch die Verkehrsteilnahme eines ungeeigneten Fahrerlaubnisinhabers gefährdeten Rechtsgüter anderer Verkehrsteilnehmer zurückzutreten.
Der Antrag war nach alledem abzulehnen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG).
Bei der Streitwertfestsetzung wurde die geänderte Rechtsprechung des BayVGH (Beschluss vom 23.11.2010 – 11 CS 10.2550) berücksichtigt, so dass für die Bemessung des Streitwerts die Fahrerlaubnis der Klassen B und CE79 maßgeblich sind. Für die Fahrerlaubnis der Klasse CE79 ist ein Betrag von 8.750,– EUR anzusetzen (BayVGH vom 24.11.2008 – 11 CS 08.2665). Nach den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 7./8. Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327) – nachfolgend: Streitwertkatalog – Abschnitt II Nr. 46.3 ist für die Fahrerlaubnis der Klasse B ein Betrag von 5.000,– EUR in Ansatz zu bringen; der so ermittelte Wert von 13.750,– EUR ist im Hinblick auf das vorliegende Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren (Streitwertkatalog Abschnitt II Nr. 1.5).