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Fahrerlaubnisentziehung wegen Nichtbeibringung eines geforderten Gutachtens

Fahrerlaubnisentziehung: Zweifel an Fahreignung aufgrund von Unfall und Fahrerflucht

Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat die Beschwerde eines Antragstellers abgewiesen, der gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis durch die Antragsgegnerin Einspruch erhob. Grund für die Entziehung war die Nichtvorlage eines geforderten ärztlichen Gutachtens zur Fahreignung. Trotz des langjährigen Besitzes einer Fahrerlaubnis und bisher unfallfreier Fahrhistorie bestätigte das Gericht die Entscheidung der Antragsgegnerin aufgrund erheblicher Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 6 B 67/23  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Fahrerlaubnisentziehung: Antragsgegnerin entzieht dem Antragsteller die Fahrerlaubnis wegen Nichtvorlage eines ärztlichen Gutachtens.
  2. Grundlage der Entscheidung: Verwaltungsgericht sieht ausreichende Rechtsgrundlage für die Entscheidung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV.
  3. Zweifel an der Fahreignung: Nichtvorlage des Gutachtens und Verhalten des Antragstellers, insbesondere bei einem Verkehrsunfall, begründen Zweifel an seiner Eignung zum Führen von Fahrzeugen.
  4. Unfall und Wahrnehmung: Der Antragsteller bemerkte weder einen Unfall noch das Fahren auf dem Bordstein, was auf eine eingeschränkte Wahrnehmung des Verkehrsgeschehens hinweist.
  5. Gesundheitliche Bedenken: Mögliche Beeinträchtigungen der Fahreignung durch Herz- und Gefäßkrankheiten, Diabetes mellitus und Nierenerkrankungen.
  6. Berücksichtigung des langjährigen Führerscheinbesitzes: Trotz langjähriger unfallfreier Fahrhistorie überwiegen aktuelle Bedenken hinsichtlich der Fahreignung.
  7. Interessenabwägung: Öffentliches Interesse am Schutz der Verkehrsteilnehmer hat Vorrang vor dem persönlichen Mobilitätsinteresse des Antragstellers.
  8. Unanfechtbarkeit des Beschlusses: Der Beschluss des Verwaltungsgerichts ist endgültig und kann nicht angefochten werden.

Rechtliche Herausforderungen bei der Entziehung der Fahrerlaubnis

In der rechtlichen Auseinandersetzung um die Fahrerlaubnisentziehung stehen oft grundlegende Fragen der Fahreignung und die Notwendigkeit eines Gutachtens im Mittelpunkt. Dieses Thema betrifft eine Vielzahl von Fahrzeugführern, die sich mit der komplexen Interaktion zwischen individuellen Rechten, verkehrsrechtlichen Vorschriften und der öffentlichen Sicherheit konfrontiert sehen. Besonders brisant wird es, wenn Entscheidungen von Verwaltungsgerichten eine zentrale Rolle spielen, da diese nicht nur die unmittelbar Betroffenen, sondern auch die allgemeine Rechtspraxis beeinflussen können.

Die Auseinandersetzung zwischen dem Antragsteller und der Behörde, die im konkreten Fall zur Beschwerde führte, wirft Fragen auf, die weit über den Einzelfall hinausgehen: Wie wird die Fahreignung rechtlich definiert und bewertet? Unter welchen Umständen ist ein Gutachten zwingend erforderlich und wie werden dessen Ergebnisse juristisch gewichtet? Diese Themen sind nicht nur für Betroffene und Juristen von Bedeutung, sondern berühren auch grundlegende Aspekte der Verkehrssicherheit und des Rechtsschutzes.

Im nachfolgenden Artikel wird ein konkreter Fall beleuchtet, der diese Fragen in den Vordergrund stellt und wichtige Einblicke in die rechtliche Handhabung solcher Fälle bietet. Lesen Sie weiter, um zu erfahren, wie das Gericht in diesem speziellen Fall entschieden hat und welche Auswirkungen dies für die Praxis hat.

Fahrerlaubnisentziehung: Der Weg zum Oberverwaltungsgericht

Im Zentrum des Falles steht die Fahrerlaubnisentziehung eines Antragstellers, die vom Sächsischen Oberverwaltungsgericht behandelt wurde. Der Fall reicht zurück zum Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden, gegen den der Antragsteller Beschwerde einlegte. Dieser hatte die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, und der Streitwert wurde auf 2.500,00 € festgesetzt. Der Kern des Falles liegt in der Nichtbeibringung eines von der Antragsgegnerin geforderten fachärztlichen Gutachtens zur Überprüfung der Fahreignung des Antragstellers.

Die rechtliche Grundlage der Fahrerlaubnisentziehung

Das Verwaltungsgericht stützte seine Entscheidung auf § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG in Verbindung mit § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV. Diese Paragraphen geben der Fahrerlaubnisbehörde das Recht, die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn der Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen gilt. Die Nichtvorlage des geforderten Gutachtens wurde als Indiz für die fehlende Fahreignung des Antragstellers gewertet. Bemerkenswert ist, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen auch Erkrankungen wie Herz- und Gefäßkrankheiten, Diabetes mellitus und Nierenerkrankungen umfassen, welche die Fahreignung beeinträchtigen könnten.

Der konkrete Vorfall und seine rechtlichen Konsequenzen

Der Antragsteller erregte Aufmerksamkeit durch einen Unfall, bei dem er mit einem zerstörten Vorderreifen fuhr, ohne dies zu bemerken. Das Gericht sah hierin erhebliche Zweifel an der Fahreignung, da der Antragsteller wichtige Vorgänge während des Fahrens nicht wahrgenommen hatte. Diese eingeschränkte Wahrnehmung des Verkehrsgeschehens wurde als Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer eingestuft. Interessant ist, dass der Antragsteller seit 1976 eine Fahrerlaubnis besaß und bis zum Vorfall im Juni 2022 unfallfrei war. Er führte an, dass er regelmäßig kardiologisch behandelt werde und zuletzt als „gut eingestellt“ galt. Diese Argumente konnten jedoch die Entscheidung des Gerichts nicht beeinflussen.

Urteil des Oberverwaltungsgerichts und dessen Begründung

Das Oberverwaltungsgericht bestätigte die Entscheidung der unteren Instanz. Es wurde festgestellt, dass die Antragsgegnerin berechtigt war, aus der Nichtvorlage des Gutachtens auf die Nichteignung des Antragstellers zu schließen. Die Anordnung zur Begutachtung wurde als rechtmäßig und verhältnismäßig beurteilt. Trotz des Vortrags des Antragstellers und einer ärztlichen Bescheinigung über seine kardiologische Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen blieben die Zweifel an seiner Fahreignung bestehen. Besonders hervorgehoben wurde, dass der Antragsteller an weiteren Erkrankungen litt, welche die Fahreignung potenziell beeinträchtigen könnten. Das Gericht stellte klar, dass für die Anordnung einer Untersuchung der Fahreignung bereits Zweifel ausreichen.

Das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts im Fall der Fahrerlaubnisentziehung wegen Nichtbeibringung eines geforderten Gutachtens ist ein bedeutender Präzedenzfall, der die Notwendigkeit der Einhaltung rechtlicher Vorgaben und die Bedeutung der Fahreignung im Verkehrsrecht unterstreicht.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


In welchen Fällen ist die Beibringung eines Gutachtens im Verkehrsrecht erforderlich?

Im Verkehrsrecht in Deutschland gibt es verschiedene Situationen, in denen die Beibringung eines Gutachtens erforderlich sein kann. Einige der häufigsten Fälle sind:

  • Medizinisch-psychologisches Gutachten: Die Fahrerlaubnisbehörde kann die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anordnen, wenn beispielsweise Zweifel an der Eignung des Fahrers aufgrund von Alkohol- oder Drogenmissbrauch, wiederholten Verkehrsverstößen oder gesundheitlichen Problemen bestehen.
  • Kfz-Gutachten nach einem Unfall: Nach einem Verkehrsunfall kann ein Kfz-Gutachten erforderlich sein, um den entstandenen Schaden am Fahrzeug zu dokumentieren und die notwendigen Reparaturkosten zu ermitteln. Dies ist insbesondere dann wichtig, wenn es um Schadensersatzansprüche gegenüber der gegnerischen Versicherung geht.
  • Schadensgutachten bei Verkehrsunfällen: In manchen Fällen kann ein Sachverständigengutachten notwendig sein, um die Schuldfrage bei einem Verkehrsunfall zu klären und die Beweissicherung zu gewährleisten.
  • Ärztliches Gutachten zur Fahreignung: In bestimmten Fällen, wie bei einer Erkrankung oder Suchtproblematik, kann die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens zur Fahreignung anordnen.

Es ist wichtig, sich bei Bedarf an unseren  Fachanwalt für Verkehrsrecht zu wenden, um die individuellen Umstände und Anforderungen im Zusammenhang mit der Beibringung eines Gutachtens im Verkehrsrecht zu klären.

Auf welcher Grundlage wird die Fahreignung einer Person bewertet?

Die Fahreignung einer Person in Deutschland wird auf der Grundlage verschiedener Kriterien bewertet. Dazu gehören:

  • Körperliche und geistige Anforderungen: Gemäß § 11 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) müssen Bewerber um eine Fahrerlaubnis die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllen. Dazu zählen beispielsweise ausreichendes Seh- und Hörvermögen sowie die körperliche Beweglichkeit, um ein Fahrzeug sicher führen zu können.
  • Verkehrsrechtliche Vorschriften und Strafgesetze: Bewerber dürfen nicht erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen haben, sodass ihre Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs in Frage gestellt wird.
  • Fahreignungs-Bewertungssystem: In Deutschland gibt es ein Fahreignungs-Bewertungssystem, das auf Grundlage des § 4 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) entwickelt wurde. Dieses System bewertet Verkehrsteilnehmer anhand von Punkten, die für begangene Verkehrsverstöße vergeben werden. Je nach Anzahl der Punkte können Maßnahmen wie Ermahnungen, Verwarnungen oder sogar die Entziehung der Fahrerlaubnis erfolgen.
  • Medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU): In bestimmten Fällen, wie beispielsweise bei Alkohol- oder Drogenmissbrauch, wiederholten Verkehrsverstößen oder gesundheitlichen Problemen, kann die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anordnen. Die MPU dient dazu, die Fahreignung des Betroffenen zu überprüfen und gegebenenfalls Maßnahmen zur Verbesserung der Fahreignung einzuleiten.
  • Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung: Die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) hat Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung herausgegeben, die als Grundlage für die Beurteilung der Fahreignung dienen. Diese Leitlinien enthalten Kriterien und Anforderungen, die bei der Beurteilung der Fahreignung von Bewerbern und Inhabern einer Fahrerlaubnis berücksichtigt werden müssen.

Die Bewertung der Fahreignung erfolgt also auf der Grundlage von gesetzlichen Vorgaben, medizinischen und psychologischen Kriterien sowie dem individuellen Verhalten im Straßenverkehr.


Das vorliegende Urteil

Sächsisches Oberverwaltungsgericht – Az.: 6 B 67/23 – Beschluss vom 04.08.2023

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 5. April 2023 – 6 L 115/23 – wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg.

Die mit der Beschwerde vorgebrachten Gründe, auf deren Prüfung der Senat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, ergeben nicht, dass es das Verwaltungsgericht zu Unrecht abgelehnt hat, die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 24. Januar 2023 wiederherzustellen. In diesem Bescheid entzieht die Antragsgegnerin dem Antragsteller die Fahrerlaubnis, zieht den Führerschein ein und fordert den Antragsteller auf, den Führerschein innerhalb von fünf Kalendertagen nach Zustellung des Bescheides abzugeben und ordnet die sofortige Vollziehung dieser Verfügungen an.

Zur Begründung seiner Entscheidung führt das Verwaltungsgericht an, die Entziehung der Fahrerlaubnis finde ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i. V. m. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV. Danach habe die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich dessen Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweise. Das sei hier der Fall, weil die Antragsgegnerin aus der Nichtvorlage des geforderten fachärztlichen Gutachtens gemäß § 11 Abs. 8 FeV auf die fehlende Fahreignung des Antragstellers habe schließen dürfen. Die Anordnung zur Begutachtung sei auch formell und materiell rechtmäßig gewesen. Zu den Erkrankungen und Mängeln, die die Fahreignung beeinträchtigen könnten, zählten u. a. auch Herz- und Gefäßkrankheiten, Diabetes mellitus, Nierenerkrankungen und bestimmte psychische Störungen. Aufgrund der Angaben des Antragstellers gegenüber Mitarbeitern der Antragsgegnerin und der ihnen überlassenen ärztlichen Äußerungen der den Antragsteller behandelnden Ärzte liege die Annahme nahe, dass der Antragsteller unter Krankheiten der genannten Art leidet. Diese könnten geeignet sein, seine Fahreignung zu beeinträchtigen oder gar auszuschließen. Es trete maßgeblich hinzu, dass der Antragsteller einen Unfall verursacht und mit einem zerstörten Vorderreifen gefahren sei, ohne seinen Angaben zufolge hiervon und von einem neben ihm hupenden Fahrzeug – dem der Unfallzeugin – etwas bemerkt haben zu wollen. Dass er das Unfallgeschehen – sowohl in Bezug auf die zerstörten Außenspiegel als auch die zum zerstörten Reifen führende Kollision mit dem Bordstein – weder akustisch noch taktil wahrgenommen, zumindest aber darauf überhaupt nicht reagiert habe, lasse ganz erhebliche Zweifel an seiner Eignung aufkommen, ein Fahrzeug zu führen.

Hiergegen wendet der Antragsteller in der Begründung seiner Beschwerde ein, das Verwaltungsgericht habe bei seiner Beurteilung nicht gewürdigt, dass er seit 1976 die Fahrerlaubnis besitze und bis zu dem Vorfall im Juni 2022 keine Unfälle und keine Punkte in Flensburg gehabt habe und insbesondere wegen seiner kardiologischen Krankheiten in regelmäßiger Behandlung sei. Insofern hätte sein behandelnder Kardiologe zuletzt am 16. Dezember 2022 eine Kontrolle in einem Jahr für ausreichend gehalten und festgestellt, dass er „super eingestellt“ sei. Der behandelnde Kardiologe sei schließlich auch derjenige gewesen, der auf die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie zur Fahreignung hingewiesen habe und darauf, dass die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie darauf hinweist, dass der behandelnde Kardiologe seine Patienten über eine fehlende Fahreignung zu informieren habe und dies dokumentieren müsse. Letzteres sei vorliegend nicht erfolgt. Davon abgesehen könne bei einer üblichen Fahrzeit, so die vorgenannte Leitlinie, von fehlender Fahreignung nur ausgegangen werden, wenn für Privatfahrer eine Wahrscheinlichkeit für den plötzlichen Kontrollverlust von mehr als 20 bis 40 % pro Jahr berechnet werde. Vorliegend sei es einmalig im Februar 2022 zu einem Vorfall gekommen. Soweit das Verwaltungsgericht vortrage, dass auch nach Auffassung der Staatsanwaltschaft hinreichende Zweifel an der Fahreignung vorlägen und deshalb eine Weiterleitung an die Antragsgegnerin erfolgt sei, sei das wohl dem Umstand geschuldet, dass der Polizist bei der Vernehmung nach dem Unfall ihm Verwirrtheit unterstellt habe. Im Ergebnis lägen daher besondere Gründe vor, die die Suspendierung der Fahrerlaubnisentziehung rechtfertigten und ein überwiegendes Aussetzungsinteresse begründeten. In einer mit Schriftsatz vom 14. Juli 2023 nachgereichten Befundmitteilung seines behandelnden Kardiologen vom 16. Juni 2023 wird u. a. ausgeführt, dass aus kardiologischer Sich zu keinem Zeitpunkt Einschränkungen seiner Fahrtauglichkeit bestanden.

Diese Einwände führen zu keiner Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Antragsgegnerin aus der Tatsache, dass der Antragsteller das von ihr geforderte Gutachten nicht beigebracht hat, gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf seine Nichteignung schließen durfte. Der Schluss auf die Nichteignung ist zwar nur zulässig, wenn die Anordnung der ärztlichen oder medizinisch-psychologischen Untersuchung rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist (BVerwG, Urt. v. 9. Juni 2005 – 3 C 25.04 –, juris Rn. 19; SächsOVG, Beschl. v. 17. März 2020 – 6 B 314/19 –, juris Rn. 5). Hier lagen aber hinreichend konkrete Tatsachen, die Zweifel an seiner Fahreignung begründeten, vor und die Anordnung ist auch nicht unverhältnismäßig.

Selbst unter Berücksichtigung seines Vortrags und der nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist vorgelegten ärztlichen Bescheinigung, wonach aus kardiologischer Sicht zu keinem Zeitpunkt Einschränkungen seiner Fahrtauglichkeit bestanden, ist die Entscheidung der Antragsgegnerin, von ihm ein ärztliches Gutachten zu seiner Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu fordern, nicht zu beanstanden. Zum einen leidet er an weiteren Erkrankungen, die potentiell seine Fahreignung in Frage stellen können, wie Niereninsuffizienz Grad II und Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus), die nicht der Beurteilung der Fahreignung durch den Kardiologen unterlagen, der sich ausdrücklich auf eine Beurteilung der Fahreignung aus kardiologischer Sicht beschränkt hat. Zum anderen – und das ist hier entscheidend – begründet sein Verhalten am 15. Februar 2022 erhebliche Zweifel an seiner Fahreignung. Die Schilderung der Unfallzeugin ist in dem polizeilichen Protokoll vom selben Tag festgehalten:

„Der Pkw fuhr immer wieder in Schlangenlinien und in Höhe des zeitlich eingegrenzten 30 km/h-Abschnitts fuhr er plötzlich mit seinen zwei rechten Rädern auf den Bordstein und dann wieder auf die Fahrbahn zurück. Der Pkw fuhr weiter und in Höhe der Kantstraße kollidierte er mit einem am rechten Fahrbahnrand abgeparkten Ford (…). Der linke Seitenspiegel des abgeparkten Pkw wurde dabei beschädigt. Sie sah genau wie der Seitenspiegel umklappte und Glassplitter umherflogen.

Der Pkw fuhr nach dem Verkehrsunfall ohne Reaktion weiter in Richtung A…….. und hielt an einer Ampelkreuzung an. Sie hielt neben dem Pkw und versuchte sich bemerkbar zu machen, jedoch reagierte der Fahrer nicht und setzte seine Fahrt fort. (…)“

In dem Protokoll wird zu seiner Vernehmung als Beschuldigtem angegeben:

„Er gab an, dass er keinen Unfall bemerkt habe, auch nicht, dass er von der Fahrbahn auf den Bordstein abgekommen war. (…) Den aufgerissenen Vorderreifen auf der Beifahrerseite und den beschädigten Seitenspiegel konnte er sich nicht erklären.“

Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass insbesondere die Tatsache, dass der Antragsteller weder den Unfall noch, dass er mit dem Auto an und auf den Bordstein gekommen und vermutlich dadurch sein Vorderreifen an der Seite völlig zerstört worden war, bemerkt hat, erhebliche Zweifel an seiner Fahreignung weckt. Wenn derartige Vorgänge, wie das Splittern von Glas bei einem Unfallgeschehen oder das Abkommen von der Fahrbahn und das Fahren auf den Bordstein sowie das anschließende Fahren auf einer Felge vom Fahrzeugführer nicht mehr bemerkt werden, spricht das für eine sehr eingeschränkte Wahrnehmung des Verkehrsgeschehens. Es spricht dann eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass auch andere Gefahrenlagen und die Straßenverhältnisse nicht ausreichend wahrgenommen werden und deshalb nicht oder zu spät auf sie reagiert wird. Ungeachtet dessen ist das Fahren in Schlangenlinien und das Abkommen von der Fahrbahn und das Befahren des Gehwegs selbst gefährlich für entgegenkommende Fahrzeuge und Fußgänger sowie Fahrradfahrer. Dahinstehen kann, ob bei der Bestimmung der fehlenden Fahreignung auf die in den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e. V. genannten Wahrscheinlichkeiten zurückzugreifen ist. Hier sollte das von der Antragsgegnerin angeforderte Gutachten erst der Klärung der Fahreignung dienen. Für die Anordnung der Untersuchung der Fahreignung reichen Zweifel an der Fahreignung aus und diese können sich auch aus einem einmaligen Vorfall ergeben.Zur Beeinträchtigungen der Fahreignung kann es auch aufgrund pathologischer Alterungsprozesse kommen (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 17. März 2020 – 6 B 314/19 –, juris Rn. 3, 7 bis 9).

Die gegenwärtigen Eignungszweifel bestehen ungeachtet dessen, dass der Antragsteller früher längere Zeit unfallfrei und ohne Einträge im Fahreignungsregister gefahren ist. Sie bestehen auch ungeachtet der Einstellung des gegen ihn geführten Strafverfahrens. Den Verwaltungsbehörden und den Gerichten ist nicht verwehrt, die im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren und im strafgerichtlichen Verfahren gewonnenen Erkenntnisse und Beweismittel einer eigenständigen Überprüfung im Hinblick darauf zu unterziehen, ob sie Zweifel an der Fahreignung wecken (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 17. März 2020 – 6 B 314/19 –, juris Rn. 11; BayVGH, Beschl. v. 24. März 2014 – 11 CE 14.11 –, juris Rn. 15). Zudem kann bereits aus dem – zwischen den Beteiligten nicht umstrittenen – objektiven Geschehen, dass er den Unfallort verlassen hat, ohne Feststellungen anderer zu ermöglichen, auf Zweifel an seiner Fahreignung geschlossen werden. Auch dieses Geschehen lässt den Rückschluss darauf zu, dass er in unvorhergesehenen Situationen im Straßenverkehr nicht angemessen reagiert – sei es, weil er sie aufgrund krankheits- oder altersbedingter Einschränkungen gar nicht bemerkt, sei es, weil er aufgrund dieser Einschränkungen inadäquat auf sie reagiert (SächsOVG, Beschl. v. 17. März 2020 a. a. O.). Die Frage, ob in dem Verhalten ein (vorsätzliches) unerlaubtes Entfernen vom Unfallort (vgl. § 142 StGB) liegt, kann deshalb hier offenbleiben.

Auch die nach § 80 Abs. 5 VwGO anzustellende Interessenabwägung führt zu keinem anderen Ergebnis. Solange der Antragsteller nicht den Nachweis seiner hinreichenden Fahreignung geführt hat, hat sein persönliches Mobilitätsinteresse gegenüber dem öffentlichen Interesse am wirksamen Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer sowie seiner selbst regelmäßig zurückzutreten (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 17. März 2020 – 6 B 314/19 –, juris Rn. 14; v. 13. Oktober 2009 – 3 B 314/09 –, juris Rn. 6). Dies gilt auch in Ansehung seiner Vereinstätigkeit.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG und folgt der Festsetzung der Vorinstanz.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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