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Fahrerlaubnisentziehung wegen Konsum harter Drogen – Abstinenznachweis

VG München – Az.: M 26 K 19.4018 – Urteil vom 20.01.2020

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der 19… geborene Kläger wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klasse 3.

Ausweislich einer polizeilichen Mitteilung wurde der Kläger am … März 2018 gegen 23.55 Uhr als Führer eines Kraftfahrzeugs einer allgemeinen Verkehrskontrolle unterzogen. Die toxikologische Untersuchung einer dem Kläger am … März 2018 um 0:42 entnommenen Blutprobe durch das Institut für Rechtsmedizin der A… erbrachte den Nachweis von THC, Morphin und Codein. Der Kläger gab gegenüber der Polizei an, er habe am … März gegen Mittag das Medikament Tilidin wegen Rückenschmerzen eingenommen. Laut Gutachten des rechtsmedizinischen Instituts vom … Mai 2018 belegten die erhobenen Befunde die vorangegangene Aufnahme von Morphinderivaten, wie z.B. Heroin. Das Verhältnis von Morphin zu Codein deute im vorliegenden Fall auf eine Aufnahme von Heroin sowie eine zusätzliche Aufnahme von Codein hin oder wäre auch durch eine Aufnahme von Opium erklärbar.

Die Tat wurde mit seit … Januar 2019 rechtskräftigem Bußgeldbescheid als Ordnungswidrigkeit nach § 24a Straßenverkehrsgesetz (StVG) geahndet.

Nach vorheriger Anhörung entzog das Landratsamt mit für sofort vollziehbar erklärtem Bescheid vom 29. Mai 2019 die Fahrerlaubnis und forderte ihn unter Androhung eines Zwangsgeldes auf, seinen Führerschein innerhalb von sieben Tagen nach Zustellung abzugeben. Dem kam der Kläger nach Fälligstellung des Zwangsgeldes und Androhung eines weiteren Zwangsgeldes nach.

Den gegen den Bescheid erhobenen Widerspruch wies die Regierung von Oberbayern mit Widerspruchsbescheid vom 8. Juli 2019, zugestellt am 10. Juli 2019, zurück.

Hiergegen ließ der Kläger am 8. August 2019 Klage erheben; er beantragt, den Bescheid des Landratsamts Dachau vom 29. Mai 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Juli 2019 aufzuheben.

Zur Begründung wurde ausgeführt, bei dem Vorfall am … März 2018 habe es sich um die erstmalige Teilnahme des Klägers mit einem Kraftfahrzeug im Straßenverkehr unter dem Einfluss von Cannabis gehandelt, so dass das Landratsamt verpflichtet gewesen wäre, weitere Aufklärungsmaßnahmen zu treffen. Die Entziehung der Fahrerlaubnis könne auch nicht auf die bei der Blutuntersuchung festgestellten Wirkstoffe Morphin und Codein gestützt werden, denn diese Wirkstoffe „könnten“, „müssten“ aber nicht darauf hindeuten, dass der Kläger Heroin bzw. Opium eingenommen habe. Beide Wirkstoffe seien auch in Schmerzmitteln aus der Gruppe der Opiate bzw. in Medikamenten zur Dämpfung des Hustenreizes enthalten. Bereits anlässlich des Vorfalls habe der Kläger die Einnahme von „Tilidin“ wegen Rückenschmerzen angegeben. Das Medikament „Tilidin“ sei ein Medikament aus der Gruppe der Opiate. Im Anhörungsverfahren habe sich der Kläger mit Schreiben vom … Mai 2019 auch dazu bereit erklärt, sich einem Drogenkontrollprogramm zum Nachweis seiner Drogenabstinenz zu unterziehen. Das Landratsamt habe ihn im Verwaltungsverfahren auch nicht dazu aufgefordert, eine ärztliche Verordnung vorzulegen.

Den gleichzeitig mit der Klage gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nahm der Kläger zurück. Das Gericht hatte ihn im Rahmen des Eilverfahrens aufgefordert, die ärztliche(n) Verordnung(en), die nach Meinung des Klägers zum Nachweis von Betäubungsmitteln in der ihm am … März 2018 entnommenen Blutprobe geführt haben, bzw. eine entsprechende Bestätigung oder einen Auszug aus der Patientenakte vorzulegen. Außerdem wurde Gelegenheit gegeben, das Ergebnis der im Schreiben der Klägerbevollmächtigten an das Landratsamt vom … Mai 2019 angesprochenen Haaranalyse vorzulegen.

Des Weiteren übersandte das Gericht den Parteien einen Aktenvermerk über ein Telefongespräch mit Frau Dr. A…, Abteilungsleiterin Toxikologie beim Institut für Rechtsmedizin A…, am … November 2019. Auf Frage des Gerichts, ob die in der Blutprobe des Klägers festgestellte Konzentration an Morphin von einem Konsum von Tilidin herrühren könne, gab die Sachverständige an, dass dies aus toxikologischer Sicht keinesfalls möglich sei. Tilidin werde nicht zu Morphin metabolisiert und habe eine ganz andere Struktur. Bei der festgestellten Konzentration an Morphin handele es sich um keine homöopathische, sondern um eine durchaus wirksame Konzentration, wenn auch eher im niedrigen Bereich. Eine Konzentration in dieser Höhe sei bei Heroinkonsumenten im Straßenverkehr, die sich zumeist nicht unmittelbar nach dem Konsum von Heroin ans Steuer setzten, durchaus üblich. Angesichts des ebenfalls festgestellten Codeins könne es sich auch um den Konsum von Opium gehandelt haben.

Das Landratsamt beantragte unter Vorlage der Behördenakten, die Klage abzuweisen.

Durch Beschluss der Kammer wurde die Verwaltungsstreitsache zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

In der mündlichen Verhandlung am 20. Januar 2020 übergab die Bevollmächtigte des Klägers eine Bestätigung des Herrn Dr. B… vom … Januar 2020, der zufolge dem Kläger bis zum … Februar 2017 Oxycodon und bis zum … März 2019 Tilidin ärztlich verordnet worden war.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen – auch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (Az. M 26 S 19.4020) -, die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 20. Januar 2020 und die beigezogenen Akten des Landratsamts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Anfechtungsklage bleibt ohne Erfolg.

Fahrerlaubnisentziehung wegen Konsum harter Drogen - Abstinenznachweis
(Symbolfoto: Manuel Esteban/Shutterstock.com)

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist vorliegend derjenige des Erlasses des Widerspruchsbescheids (vgl. BVerwG, U.v. 23.10.2014 – 3 C 3.13. – NJW 2015, 256 – juris Rn. 13). Der streitgegenständliche Entziehungsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids ist demnach rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Das Gericht verweist zur Begründung auf die zutreffenden Ausführungen des streitgegenständlichen Bescheids und des Widerspruchsbescheids (§ 117 Abs. 5 VwGO) und führt lediglich ergänzend aus:

1. Der Kläger hat die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen gem. § 3 Abs. 1 StVG, § 46 Abs. 1 FeV i.V.m. Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV in Folge des Konsums von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes – BtMG- verloren und bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Zustellung des Widerspruchsbescheids auch nicht wiedererlangt.

a) Der Verlust der Fahreignung steht aufgrund des rechtskräftigen Bußgeldbescheids und des Gutachtens des Instituts für Rechtsmedizin A… fest, wonach im Blut des Klägers Morphin und Codein nachgewiesen worden waren. Dabei kann offenbleiben, ob der Kläger unmittelbar Morphin als in der Anlage III zum BtMG genanntes Betäubungsmittel oder, wie es das Gutachten des rechtsmedizinischen Instituts vom … Mai 2018 vermutet, Heroin (Anlage I zum BtMG) oder Opium (Anlage III zum BtMG) zu sich genommen hat. Auch der Konsum eines verschreibungspflichtigen Betäubungsmittels ohne ärztliche Verordnung erfüllt den Tatbestand der Nr. 9.1 der Anlage 4 FeV (vgl. BayVGH, B.v. 24.2.2015 – 11 CS 15.120 – juris Rn. 11 m.w.N.) mit der Folge der Nichteignung. Der Kläger hat auch auf ausdrückliche Aufforderung des Gerichts hin weder dargelegt noch nachgewiesen, dass ihm zum fraglichen Zeitpunkt Morphin oder Opium verordnet worden waren.

Nach den ergänzenden telefonischen Ausführungen der Mitarbeiterin des Instituts für Rechtsmedizin A… und den allgemein zugänglichen Materialien hierzu ist es zudem auszuschließen, dass der Nachweis von Morphin im Blut des Klägers aus der Einnahme des ärztlich verordneten Medikaments Tilidin herrührt (vgl. hierzu auch BayVGH, B.v. 12.3.2007 – 11 CS 06.2028 – juris Rn. 26). Die Toxikologin hat dem Gericht gegenüber ausgeführt, dass Tilidin nicht zu Morphin metabolisiert oder sonst abgebaut werde und eine ganz andere Struktur habe, so dass die in der Blutprobe des Klägers festgestellte Konzentration an Morphin nicht von einem Konsum von Tilidin herrühren könne. Das Gericht hat keinerlei Anlass, an diesen eindeutigen sachkundigen Ausführungen einer Toxikologin zu zweifeln. Die im Rahmen des Eilverfahrens im Wege des Freibeweises gewonnenen Erkenntnisse, die sich mit den in der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. März 2007 (a.a.O.) verwerteten Erkenntnissen decken, wurden sowohl schriftlich als auch durch Verlesen in der mündlichen Verhandlung in das Klageverfahren eingeführt. Einwendungen gegen eine Verwertung haben die Parteien nicht erhoben. Die Aussage der Sachverständigen deckt sich im Übrigen auch mit den im Internet verfügbaren Informationen zur Nachweisbarkeit (vgl. https://www.labor-lademannbogen.de/analysen/analysen-spektrum/analysenverzeichnis/analysis/show/opiate-(drogenanalytik)/: „Die synthetischen Opiate (Opioide) wie z.B. Oxycodon, Oxymorphon, Tramadol, Tilidin, Methadon sowie Buprenorphin werden mit dem Opiate-Screening nicht erfasst und müssen daher separat bestimmt werden“). Da die Richtigkeit der sachverständigen Äußerungen auch nicht substantiiert in Zweifel gezogen wurden, eindeutig sind und der Konsum von Morphin, Opium oder Heroin aufgrund des schriftlichen chemisch-toxikologischen Gutachtens vom … Mai 2018 in Verbindung mit der ergänzenden Auskunft der Gutachterin gegenüber dem Gericht feststeht, waren weitere Ermittlungen nicht veranlasst. Bei dieser Sachlage wäre es Sache des Klägers gewesen, entsprechende Belege für einen abweichenden Kausalverlauf vorzulegen, was die Möglichkeit der Verstoffwechslung von Tilidin zu Morphin betrifft. Eine Ladung der Sachverständigen war angesichts der Eindeutigkeit des Gutachtens und der ergänzenden Äußerung der Sachverständigen gegenüber dem Gericht ebenfalls nicht erforderlich, weil nach Lage der Dinge ausgeschlossen war, dass eine Befragung in der mündlichen Verhandlung Anlass zu weiteren Ermittlungen gegeben oder zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre (vgl. BVerwG, B.v. 10.12.1984 – Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 25). Die Ladung der Sachverständigen war von der Klagepartei auch nicht beantragt worden.

Bei Zugrundelegung der möglichen Sachverhaltsvariante, dass ein Konsum von Opium ursächlich für die in der Blutprobe des Klägers festgestellte Morphin-Konzentration ist, muss bei der vorliegenden Sachlage auch davon ausgegangen werden, dass der Kläger Opium als Betäubungsmittel konsumiert hat. Dafür, dass ein Konsum in einer vom Anwendungsbereich des BtMG ausgenommenen Zubereitung stattgefunden hat, die nach einer im homöopathischen Teil des Arzneibuches beschriebenen Verfahrenstechnik hergestellt wurde und bei der die Endkonzentration die sechste Dezimalpotenz nicht überstieg (vgl. Anlage III zum BtMG), ist nichts ersichtlich. Die Sachverständige hat dem Gericht gegenüber ausgeführt, dass es sich bei der festgestellten Konzentration an Morphin zwar um eine vergleichsweise niedrige, aber um keine homöopathische, sondern um eine durchaus wirksame Konzentration handele. Bei dieser Sachlage hätte es wiederum dem Kläger oblegen, einen abweichenden Geschehensablauf substantiiert darzulegen und substantiierte Angaben zu seinem Konsum zu machen.

Der Verlust der Fahreignung tritt unabhängig von der Häufigkeit des Konsums, von der Höhe der Betäubungsmittelkonzentration, von einer Teilnahme am Straßenverkehr in berauschtem Zustand und vom Vorliegen konkreter Ausfallerscheinungen beim Betroffenen ein (stRspr des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, vgl. BayVGH, B.v. 5.2.2018 – 11 ZB 17.2069 – juris Rn. 10 m.w.N.). Dementsprechend ist die Entziehung der Fahrerlaubnis bereits dann gerechtfertigt, wenn – wie hier – einmalig harte Drogen im Körper des Fahrerlaubnisinhabers und damit deren Einnahme nachgewiesen worden ist (BayVGH, B.v. 22.9.2015 – 11 CS 15.1447 – ZfSch 2015, 717 = juris Rn. 16 m.w.N.). (Sonstige) Anhaltspunkte für einen Ausnahmefall vom Regelfall im Sinne der Vorbemerkung Nr. 3 zu Anlage 4 der FeV, mit der dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung getragen werden soll, sind weder vorgetragen noch drängen sie sich anderweitig auf. Bei den in Anlage 4 zur FeV aufgeführten Regelfällen handelt es sich um verbindliche Wertungen (vgl. Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 11 FeV Rn 19), von denen nur in Ausnahmefällen abgewichen werden kann, nämlich wenn in der Person des Betäubungsmittelkonsumenten Besonderheiten bestehen, die darauf schließen lassen, dass seine Fähigkeit, ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr sicher, umsichtig und verkehrsgerecht zu führen, sowie sein Vermögen, zwischen dem Konsum von Betäubungsmitteln und der Teilnahme am Straßenverkehr zuverlässig zu trennen, nicht erheblich herabgesetzt sind (vgl. Vorbem. 3 S. 2 Anlage 4 FeV: besondere menschliche Veranlagung, Gewöhnung, besondere Einstellung oder besondere Verhaltenssteuerungen und -umstellungen, durch die z.B. die Kompensation drogenbedingter Einschränkungen erfolgen kann. Nicht: rein äußere Umstände). Die bloße Beteuerung, es habe sich um einen „einmaligen Ausrutscher“ bzw. eine einmalige Einnahme gehandelt und der Betroffene konsumiere keinerlei Betäubungsmittel mehr, genügt insoweit nicht. Auch der Einwand, der Betroffene sei bisher niemals im Straßenverkehr auffällig geworden, insbesondere auch nicht nach der Einnahme des Betäubungsmittels, stellt keinen Nachweis für eine Fähigkeit zur besonderen Verhaltenssteuerung dar (vgl. BayVGH, B.v. 30.4.2019 – 11 CS 19.415 – juris). Die Folgen der Fahrerlaubnisentziehung, die den Fahrerlaubnisinhaber nach seiner Darstellung unverhältnismäßig treffen, begründen keinen Ausnahmefall im Sinne der Vorbemerkung Nr 3 der Anlage 4 zur FeV, es sei denn sie stehen in einem sachlichen Zusammenhang mit der Fähigkeit, ein Kraftfahrzeug sicher, umsichtig und verkehrsgerecht zu führen, und dem Vermögen, zwischen dem Konsum von Betäubungsmitteln und der Teilnahme am Straßenverkehr zuverlässig zu trennen.

Demnach vermögen die Ausführungen des Klägers im Verwaltungsverfahren und im gerichtlichen Verfahren keinen solchen Ausnahmefall zu begründen.

b) Der Kläger hatte die Fahreignung im für die Beurteilung der Sach-und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der Zustellung des Widerspruchsbescheids auch nicht wiedererlangt und das Landratsamt war nicht verpflichtet, Aufklärungsmaßnahmen hinsichtlich der Wiedererlangung der Fahreignung zu ergreifen.

Nach Nr. 3.14.1 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung vom 27. Januar 2014 (VkBl. S. 110; Stand: 24.5.2018), die nach § 11 Abs. 5 FeV i.V.m. Anlage 4a Grundlage für die Beurteilung der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen sind, können beim Konsum von Drogen die Voraussetzungen zum Führen von Kraftfahrzeugen nur dann wieder als gegeben angesehen werden, wenn der Nachweis geführt wird, dass kein Konsum mehr besteht. Dies ist bei einem Drogenkonsumenten nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV entsprechend Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV regelmäßig dann der Fall, wenn eine Abstinenz von einem Jahr und ein motivational gefestigter Verhaltens- und Einstellungswandel nachgewiesen werden (stRspr vgl. BayVGH, B.v. 14.11.2018 – 11 CS 18.963 – juris Rn. 14 m.w.N.; B.v. 9.1.2017 – 11 CS 16.2561 – DAR 2017, 341 = juris Rn 11 f. m.w.N.). Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs darf ein Jahr nach dem Tag, den der Fahrerlaubnisinhaber als Abstinenzbeginn behauptet, nicht mehr automatisch vom Fortbestehen der fehlenden Fahreignung ausgegangen werden; vielmehr ist die Fahreignung dann im Entziehungsverfahren aufzuklären. Die sog. „verfahrensrechtliche Einjahresfrist“ beginnt grundsätzlich mit dem Tag, den der Betroffene als den Beginn der Betäubungsmittelabstinenz angegeben hat, oder von dem an, unabhängig von einem solchen Vorbringen, Anhaltspunkte für eine derartige Entwicklung vorliegen (vgl. BayVGH, B.v. 29.11.2018 – 11 CS 18.2228 – juris Rn. 15 m.w.N.). Die Abstinenz ist allerdings substantiiert zu behaupten, d.h. es müssen Umstände hinzutreten, die diese Behauptung glaubhaft und nachvollziehbar erscheinen lassen (vgl. BayVGH, B.v. 5.12.2018 – 11 CS 18.2351 – juris Rn. 12).

Diesen Anforderungen hat der Kläger vorliegend nicht genügt; eine substantiierte Abstinenzbehauptung, die es rechtfertigen bzw. erfordern würde, eine mögliche Wiedererlangung der Fahreignung des Klägers im Entziehungsverfahren zu klären, liegt nicht vor. Zwar hat es das Landratsamt versäumt, den Kläger im Rahmen der Anhörung zum Entzug der Fahrerlaubnis über die verfahrensrechtliche Jahresfrist und insbesondere über das Erfordernis des Nachweises einer einjährigen Abstinenz aufzuklären. Ausgewirkt hat sich dieser Aufklärungsmangel im vorliegenden Einzelfall indes nicht. Zum einen wurde vorliegend ein Widerspruchsverfahren durchgeführt und der Kläger im Entziehungsbescheid vom 29. Mai 2019 auf die verfahrensrechtliche Einjahresfrist und den erforderlichen Abstinenznachweis hingewiesen. Zum anderen hatte der bereits im Verwaltungsverfahren anwaltlich vertretene Kläger schon im Schreiben seiner Bevollmächtigten vom … Mai 2019 angekündigt, sich einem Drogenkontrollprogramm unterziehen zu wollen, umgehend eine erste Haaranalyse in Auftrag zu geben und der Fahrerlaubnisbehörde das Ergebnis vorzulegen. Das Erfordernis einer Abstinenzbehauptung und eines –nachweises war ihm dementsprechend bewusst. Weder im Widerspruchsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren wurde das Ergebnis der in Auftrag gegebenen Haarprobe allerdings vorgelegt, so dass die Abstinenzbehauptung jedenfalls unsubstantiiert blieb, zumal nicht einmal der Beginn der angeblichen Abstinenz angegeben wird.

2. Angesichts der Rechtmäßigkeit der in Nummer 1 des streitgegenständlichen Bescheids verfügten Entziehung der Fahrerlaubnis verbleibt es auch bei der Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins in Nr. 2 des Bescheids (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, § 47 Abs. 1 Satz 2 FeV). Gegen die Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohung und der Kostenentscheidung bestehen ebenfalls keine Bedenken.

3. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.

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