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Fahrerlaubnisentziehung wegen gelegentlichem Cannabiskonsum

VG Schwerin – Az.: 6 A 596/20 SN – Urteil vom 08.06.2021

Der Bescheid des Beklagten zu 1) vom 4. Oktober 2019 und der Widerspruchsbescheid des Beklagten zu 2) vom 26. März 2020 werden aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte zu 1) zu 9/10 und der Beklagte zu 2) zu 1/10.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger ist Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klasse B und Einschlussklassen.

Im Rahmen einer Verkehrskontrolle in der Nacht vom 7. März 2019 gegen 2:25 Uhr reagierte ein Drogenvortest beim Kläger positiv. Nach strafprozessualer Belehrung machte er zum Genuss berauschender Mittel gegenüber den Polizeibeamten die Angabe, „1 Joint, Antidepressiva“ am Tag zuvor gegen 20:00 Uhr konsumiert zu haben. Nach dem ärztlichen Bericht vom 7. März 2019 litt der Kläger an einer Depression und colitis ulcerosa und nahm am 6. März 2019 um 21:00 Uhr „1/2 Joint“ zu sich. Laut Schreiben der Polizeiinspektion Schwerin vom 7. März 2019 erfolgte die Blutprobenentnahme um 3:05 Uhr, wohingegen sie nach dem ärztlichen Befundbericht um 3:50 Uhr erfolgte. Nach dem forensisch-toxikologischen Befundbericht des Instituts für Rechtsmedizin vom 16. April 2019 ergaben sich folgende Konzentrationen toxikologisch relevanter Substanzen im Blutserum des Klägers:

  • Δ9-Tetrahydrocannabinol (THC) 10,0 ng/mL
  • 11-Hydroxy-Δ9-tetrahydrocannabinol (THCOH) 13,4* ng/mL
  • 11-Nor-Δ9-tetrahydrocannabinocarbonsäure (THCCOOH) 89,6* ng/mL.

*Messwerte außerhalb des kalibrierten Arbeitsbereiches

Nach der zusammenfassenden Beurteilung zeigten die Untersuchungen die stattgehabte Aufnahme von Cannabis (Haschisch, Marihuana).

Aus diesem Grund forderte der Beklagte zu 1) den Kläger mit Schreiben vom 23. Mai 2019 zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens über seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bis Ende Juli 2019 mit den folgenden Fragestellungen auf:

„Kann … (der Kläger) trotz des Nachweises von Cannabiskonsum und zusätzlicher Zweifel an seiner Kraftfahreignung (Führen eines Kfz unter der Wirkung von Cannabis) ein Kraftfahrzeug der Klassen AM, B und L sicher führen?

Ist insbesondere nicht zu erwarten, dass er zukünftig ein Kraftfahrzeug unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen oder deren Nachwirkungen führen wird?“

Der Beklagte zu 1) ging dabei wegen des THCCOOH-Werts von gelegentlicher Einnahme von Cannabis aus und wies darauf hin, dass der Kläger unter Einfluss von Cannabis ein Kraftfahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr geführt habe. Auf die Folgen einer Weigerung zur Untersuchung oder bei Nichtvorlage des Gutachtens wurde hingewiesen.

Der Kläger nahm mit anwaltlichem Schreiben vom 7. August 2019 zur bevorstehenden Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß Anhörungsschreiben vom 1. August 2019 Stellung.

Mit Bescheid vom 4. Oktober 2019 entzog der Beklagte zu 1) dem Kläger die Fahrerlaubnis und ordnete die sofortige Vollziehung der Maßnahme an; zugleich erhob er Verwaltungsgebühren. Zur Begründung wies er auf die Anordnung vom 23. Mai 2019 und die nicht erfolgte Vorlage des medizinisch-psychologischen Gutachtens hin. Die Beibringung könne angeordnet werden, wenn gelegentliche Einnahme von Cannabis vorliege und weitere Tatsachen Zweifel an der Eignung begründeten. Diese Voraussetzungen lägen vor. Gelegentlicher Cannabiskonsum werde bei einer THCCOOH-Konzentration zwischen 5 und 75 ng/ml angenommen. Von einem regelmäßigen Konsum sei auszugehen, wenn dieser Wert über 75 ng/ml liege bzw. über 150 ng/ml, wenn der Konsum erst kurz vor der Kontrolle stattgefunden habe. Auch die THC-Konzentration von 10 ng/ml deute nicht darauf hin, dass es sich um einen einmaligen Konsum gehandelt habe. Eine dermaßen hohe THC-Konzentration ohne weitere Auffälligkeiten und ca. sechs Stunden nach Konsumende wäre bei einem drogenunerfahrenen Konsumenten nicht zu erwarten gewesen. Eine vorgeschaltete ärztliche Untersuchung in Bezug auf ein bei dem Kläger vorliegendes Konsummuster sei nicht notwendig gewesen. Des Weiteren habe er den Konsum von Cannabis und das Führen eines Kraftfahrzeugs nicht trennen können oder wollen.

Der Kläger stellte am 15. Oktober 2019 einen Eilantrag bei dem zuständigen Verwaltungsgericht Schwerin (4 B 1713/19). Mit Beschluss vom 14. Januar 2020 stellte das Gericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Klägers vom 9. Oktober 2019 gegen die Ziffer 1 des Bescheids des Beklagten zu 1) zur Entziehung der Fahrerlaubnis vom 4. Oktober 2019 wieder her. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe des Beschlusses Bezug genommen.

Den mit anwaltlichem Schreiben vom 9. Oktober 2019 eingelegten Widerspruch wies der Beklagte zu 2) am 26. März 2020 zurück und erhob Verwaltungsgebühren.

Der Kläger hat am 20. April 2020 Klage erhoben und die Klage im Rahmen der mündlichen Verhandlung begründet. Die Substanziierungspflicht für den gelegentlichen Konsum von Cannabis liege dabei nicht beim Kläger, sondern beim Beklagten. Es sei statistisch nicht im Ansatz erwiesen, dass Verkehrskontrollen nur selten stattfänden. Zudem gäbe es keine aktuellen Studien bezüglich der zu erreichenden THCCOOH-Werte bei Erstkonsumenten von Cannabis nach Konsum von Cannabis mit Wirkstoffgehalt von bis zu 25 % und einer Einzelkonsummenge von 0,5-1,0 g Cannabis. Die alten Studien, bei denen nur 35 mg THC an die Probanden verabreicht wurden, seien mangels stark variierender Hauptvariablen nicht übertragbar. Zudem sei die Fragestellung in der Gutachtenanforderung vom 23. Mai 2019 in Bezug auf die Frage nach dem „sicher führen“ als zu weitgehend zu rügen.

Der Kläger beantragt, der Bescheid des Beklagten zu 1) Fahrerlaubnisentziehung vom 4. Oktober 2019 (AZ 32.12.1.31 –we/re) in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. März 2020 wird aufgehoben,

die Gebührenentscheidung des Widerspruchsbescheids des Beklagten zu 2) AZ wird aufgehoben.

Der Beklagte zu 1) beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte zu 2) beantragt schriftsätzlich, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte zu 1) nimmt auf die Ausführungen des Widerspruchsbescheides Bezug, wonach für die Feststellung der Gelegentlichkeit des Cannabiskonsums auf die Konzentration des sich nur sehr langsam abbauenden wirkungsfreien Metabolits Carboxy-THC (= THC-COOH) abgestellt werden könne. Dabei habe der Kläger zwar den Carboxy-THC-Wert von 100 ng/ml im Blutserum mit den am Tattag festgestellten 89,6 ng/ml THCCOOH nicht überschritten. Im Falle des Klägers sei es jedoch bereits nach Feststellung des Tathergangs, seiner vor den Polizeibeamten gemachten Einlassungen zum Drogenkonsum und nach Bekanntwerden des rechtsmedizinischen Befundergebnisses nicht mehr erforderlich, weitere Ermittlungen hinsichtlich der Gelegentlichkeit des Konsums anzustellen. Es sei dabei unerheblich, ob dazu bekannt geworden sei, wann, wo und wieviel konsumiert worden sei. Der Kläger habe zeitliche Angaben gemacht und damit einen Zeithorizont angegeben. Eine Mengenangabe sei ohnehin nicht erforderlich. In der obergerichtlichen Rechtsprechung sei geklärt, dass die Einlassung eines Fahrerlaubnisinhabers gegenüber Polizeibeamten, er habe Drogen konsumiert, für die Fahrerlaubnisbehörde grundsätzlich ohne weitere Aufklärungsmaßnahmen die Schlussfolgerung rechtfertige, er sei ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen. Es gäbe Studien, wonach der Nachweis eines gelegentlichen Cannabiskonsums unter 100 ng/ml nicht sicher nachweisbar, aber auch nicht ausgeschlossen sei. Die Studien beriefen sich hier lediglich auf Einzelfälle. Warum nun gerade der Kläger ein solcher Einzelfall sein soll, sei weder vom Bevollmächtigten noch vom Verwaltungsgericht dargelegt worden. Erschwerend käme beim Kläger hinzu, dass der ermittelte THC-Wert mit 10 ng/ml einen höheren Wert ergebe, als dieses bei einem einmaligen Konsum in der angegebenen Zeiteinheit zu erwarten wäre.

So werde durchschnittlich sechs Stunden nach dem Konsum einer Konsumeinheit von 35 mg THC bei einem Körpergewicht von 70 kg bei einem Großteil der gelegentlich konsumierenden Personen der THC-Wert von 1,0 ng/ml unterschritten. Der Kläger habe zum Tatzeitpunkt ein Körpergewicht von 67 kg und 6 Stunden nach dem von ihm angegebenen Konsumakt immer noch einen THC-Wert von 10 ng/ml aufgewiesen. Der Kläger habe angegeben, dass er am 6. März 2019 im Zeitraum von 21:00 Uhr bis 21:10 Uhr einen halben Joint geraucht habe. Es gebe keinen Anlass, an diesen Angaben zu zweifeln. Allerdings seien weder zur Menge des konsumierten Cannabis noch zur Qualität desselben Angaben gemacht worden. Auch eine Aussage dazu, warum es sich bei dem vorgeblichen Erstkonsum nun ausgerechnet um hochpotentes Cannabis gehandelt haben soll, sei der Kläger schuldig geblieben. Insofern seien seine Angaben zu dieser Thematik zwar interessant, aber für dieses Verfahren nicht relevant. Vor allem sei nicht nachvollziehbar, warum der Kläger als vorgeblicher Erstkonsument, der weder die Qualität noch die Wirkungen des konsumieren Cannabis kennen konnte, sogleich beschließe, mit einem Kraftfahrzeug am öffentlichen Straßenverkehr teilzunehmen. Ein deutliches Indiz für verantwortungsvolles Verhalten sei das nicht. Es bestehe hingegen ein hinreichender Anlass zu der Annahme, dass der Kläger in der Vergangenheit wiederholt Cannabis konsumiert habe und dadurch der Abbau des THC bei ihm verzögert erfolgt sei. Anders lasse sich der hohe THC-Wert nicht erklären. Der Sichtweise des Bevollmächtigten im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens (verzögerter Konsumakt, Glaubhaftigkeit der Angaben des Klägers) sei entgegenzutreten. Es widerspreche jeglicher Lebenserfahrung, dass ein Cannabis-unerfahrener Kraftfahrzeugführer bereits nach dem ersten und einmaligen Konsum ein Kraftfahrzeug führe und trotz der allgemein bekannten geringen Dichte von Verkehrskontrollen sogleich in eine solche gerate.

Zudem sei auf die vom Kläger gemachte Angabe hinzuweisen, dass er neben dem Cannabis auch Antidepressiva konsumiert habe. Eine Erklärung des Klägers, warum er neben Cannabis auch Antidepressiva konsumiert habe, liege nicht vor. Es sei die Annahme zulässig, dass der Kläger diese zur Wirkungssteigerung eingenommen habe. Dies spräche dann entschieden gegen die Annahme eines einmaligen Konsumaktes. Ebenso würde der Effekt durch die Einnahme von z.B. Amitryptillin für ebendiese Annahme sprechen, denn dann wäre sich der Kläger der Wirkungen seines Konsums sehr wohl bewusst und hätte diesen entgegenwirken wollen. Der Kläger sei von Verfahrensbeginn an als gelegentlicher Cannabiskonsument einzustufen. Dieser habe ein rechtmäßig angeordnetes Kraftfahreignungsgutachten nicht fristgerecht beigebracht.

Mit Beschluss vom 9. Februar 2021 wurde der Rechtsstreit der Berichterstatterin zur Entscheidung als Einzelrichterin übertragen.

Die mündliche Verhandlung fand am 8. Juni 2021 statt. Auf das Protokoll wird Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den Verwaltungsvorgang Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Das Gericht konnte in der Sache verhandeln und entscheiden, obwohl der Beklagte zu 2) nicht im Termin zur mündlichen Verhandlung vertreten gewesen ist. Darauf ist in der ordnungsgemäßen Ladung vom 18. Mai 2021, insoweit zugestellt am 19. Mai 2021, hingewiesen worden, § 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Anfechtungsklagen gegen die Beklagten zu 1) und 2) haben Erfolg. Sie sind zulässig und begründet.

Der Bescheid des Beklagten zu 1) vom 4. Oktober 2019 und der Widerspruchsbescheid des Beklagten zu 2) vom 26. März 2020 sind mit ihren jeweiligen Regelungen bzw. Festsetzungen rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

I.

Die Anfechtungsklage gegen den Beklagten zu 1) richtet sich gegen seinen Bescheid vom 4. Oktober 2019 und den Widerspruchsbescheid des Beklagten zu 2) vom 26. März 2020, soweit darin der Widerspruch gegen den Ausgangsbescheid zurückgewiesen wird (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

1. Die Voraussetzungen für die Entziehung der Fahrerlaubnis liegen nicht vor. Rechtsgrundlage der Entziehung der Fahrerlaubnis ist § 3 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) in Verbindung mit § 46 Abs. 1 Fahrerlaubnisverordnung (FeV), § 11 Abs. 8 FeV. Danach ist die Fahrerlaubnis demjenigen zu entziehen, der sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Ungeeignet ist unter anderem derjenige, der die notwendigen körperlichen oder geistigen Voraussetzungen nicht erfüllt (vgl. § 2 Abs. 4 Satz 1 StVG). Gemäß § 46 Abs. 3 FeV finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechende Anwendung, wenn Tatsachen bekannt werden, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist. In Bezug genommen ist damit auch § 11 Abs. 8 FeV. Weigert sich danach der Betroffene, sich entgegen einer Begutachtungsanordnung untersuchen zu lassen, oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf sie bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen.

Die Voraussetzungen, die § 11 Abs. 8 FeV für einen Schluss auf die Nichteignung vorgibt, sind vorliegend jedoch nicht gegeben. Der Kläger hat sich zwar entgegen der Anordnung vom 23. Mai 2019 keiner Begutachtung innerhalb der ihm gesetzten Frist bis zum 31. Juli 2019 unterzogen. Der Schluss aus der Nichtvorlage eines angeforderten Fahreignungsgutachtens auf die fehlende Fahreignung ist vorliegend jedoch nicht gerechtfertigt, da die Anordnung sowohl in formeller (a.) als auch in materieller Hinsicht (b.) rechtswidrig war (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2016 – 3 C 20.15 -, zitiert nach juris Rn. 19 m.w.N.; OVG Greifswald, Beschluss vom 1. September 2014 – 1 M 89/14 -, zitiert nach juris Rn. 7).

a. In formeller Hinsicht ist die für das beizubringende Gutachten formulierte Fragestellung zu weitgehend. Für das Gericht ergeben sich in Bezug auf den inneren Zusammenhang zwischen Ausgangssachverhalt und Prüfprogramm sowohl für die erste als auch die zweite Frage Widersprüche. Der Beklagte zu 1) hat unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls und unter Beachtung der Anlage zur 4 FeV bereits in der Gutachtenanordnung im Einzelnen festzulegen, welche Fragen (aus seiner Sicht) klärungsbedürftig sind. Die Fragestellung hat konkret, anlassbezogen und differenziert sowie in verhältnismäßiger Weise zu benennen, was genau in der vorliegenden Sachverhaltsgestaltung Gegenstand der Überprüfung der Kraftfahreignung sein soll. Sie hat dabei auf einem hinreichenden inneren Zusammenhang zwischen dem für die Eignungszweifel Anlass gebenden Ausgangssachverhalt und dem in der Gutachtenanordnung festgelegten Prüfprogramm zu beruhen. Hinsichtlich der Formulierung der Gutachtensanordnung ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Aufforderung im Wesentlichen aus sich heraus verständlich sein muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2016, a.a.O., Rn. 21 m.w.N).

Dabei kann dahinstehen, ob schon die Fragestellung in Satz 1 „Kann Herr … trotz des Nachweises von Cannabiskonsum und zusätzlicher Zweifel an seiner Kraftfahreignung (Führen eines Kfz unter der Wirkung von Cannabis) ein Kraftfahrzeug der Klassen AM, Bund L sicher führen“ in Bezug auf das „sichere führen“ zu weitgehend ist (vgl. VG Oldenburg, Beschluss vom 26. Februar 2020 – 7 B 392/20 -, zitiert nach juris Rn. 5).

Jedenfalls die Frage in Satz 2, „Ist insbesondere nicht zu erwarten, dass er zukünftig ein Kraftfahrzeug unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen oder deren Nachwirkungen führen wird“, wird dem Untersuchungsziel nicht gerecht. Mit dieser Fragestellung ist nicht nur ein Führen eines Kraftfahrzeugs unter Einfluss von Cannabis, sondern auch ein Führen eines Kraftfahrzeugs unter Einfluss eines anderen Betäubungsmittels oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen erfasst. Damit ist diese Fragestellung nicht anlassbezogen und damit unverhältnismäßig. Sie lässt sich weder auf einen hinreichenden tatsächlichen und in der Anordnung genannten Anlass zurückführen noch ist sie zur Beurteilung der Fahreignung erforderlich. Der Begründung der Fragestellung ist nicht hinreichend deutlich zu entnehmen, dass sich die zweite Frage nur auf ein (fehlendes) künftiges Führen eines Kraftfahrzeuges unter dem Einfluss von Cannabis (und dessen Nachwirkungen) bezieht, nicht aber auf sonstige Betäubungsmittel und psychoaktive Stoffe.

Zwar thematisiert die Gutachtenanordnung allein einen gelegentlichen Cannabiskonsum des Klägers und geht auf die festgestellten Laborwerte mit den damit zusammenhängenden wissenschaftlichen Erkenntnissen ein. Auch wird dort die Ermächtigungsgrundlage des § 46 Abs. 3 i. V. m. § 14 Abs. 1 Satz 4 FeV (gemeint ist wohl Satz 3) genannt, welche die Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens ins behördliche Ermessen stellt, wenn gelegentliche Cannabiseinnahme vorliegt und (eine) weitere Tatsache(n) Zweifel an der Fahreignung begründet bzw. begründen. Dies ändert aber nichts an dem eindeutigen Wortlaut der zweiten Frage, die durch die pauschale, nicht näher eingegrenzte Nennung von „Betäubungsmitteln“ und „anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen“ aus den erwähnten Gründen eine teilweise nicht erforderliche Fragestellung aufwirft. Dabei ist auch in den Blick zu nehmen, dass der Beklagte zu 1) in der Gutachtenanordnung zunächst den Sachverhalt beschreibt und nachfolgend die Fragestellung formuliert. Durch diese Abfolge wird der Eindruck erweckt bzw. verstärkt, dass aus Sicht des Beklagten zu 1) aus den von ihm genannten Tatsachen die anschließende Fragestellung folgt (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 4. Juni 2020 – 16 B 672/20 -, zitiert nach juris Rn. 16).

Folglich ist der Beibringungsanordnung wegen der zu weitgefassten zweiten Frage nicht zweifelsfrei zu entnehmen, welche Problematik geklärt werden soll. Entgegen § 11 Abs. 6 Satz 1 FeV ist die Festlegung der zu klärenden Fragen hier nicht unter hinreichender Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls erfolgt. Die zu weite Fragestellung der zweiten Frage führt zur Rechtswidrigkeit der Gutachtenanordnung insgesamt. In einer solchen Konstellation kann dem Kläger nicht zugemutet werden, selbst entsprechende rechtliche Differenzierungen vorzunehmen und letztlich klüger und präziser sein zu müssen als der Beklagte zu 1). Ihm kann insbesondere nicht zugemutet werden, dem Gutachter verständlich zu machen, dass entgegen dem behördlichen Gutachtenauftrag nur bestimmte Teile der Fragestellungen zulässigerweise zum Gegenstand der Untersuchung gemacht werden dürften. Es gilt auch in diesem Zusammenhang der Grundsatz, dass Unklarheiten zu Lasten der Verwaltung gehen (vgl. VGH Mannheim, Beschlüsse vom 8. März 2013 – 10 S 54/13 -, zitiert nach juris Rn. 14 und vom 27. Juli 2016 – 10 S 77/15 -, zitiert nach juris Rn. 46 f.; VG Aachen, Gerichtsbescheid vom 27. Juli 2020 – 3 K 411/20 -, zitiert nach juris Rn. 40; Dauer, in: Hentschel et al., Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 11 FeV Rn. 42).

b. Ferner war der Beklagte zu 1) auch in der Sache nicht berechtigt, dem Kläger die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens aufzugeben. Die Begutachtungsaufforderung ist daher auch materiell rechtswidrig ergangen.

Der Beklagte zu 1) durfte zu diesem Zeitpunkt, dem 23. Mai 20219, nicht ein medizinisch-psychologisches Gutachten zur Überprüfung der gestellten Frage anordnen. Maßgeblich für die Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit ist der Zeitpunkt des Erlasses der Gutachtenanordnung (BVerwG, Urteil vom 17. November 2016, a.a.O., Rn. 14; OVG Münster, Urteil vom 6. September 2011 – 16 A 1394/09 -, zitiert nach juris Rn. 34). Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV kann die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet werden, wenn die gelegentliche Einnahme von Cannabis vorliegt und weitere Tatsachen Zweifel an der Eignung begründen.

Gelegentlicher Konsum von Cannabis im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 liegt vor, wenn der Betroffene in zumindest zwei selbständigen Konsumvorgängen Cannabis zu sich genommen hat und diese Konsumvorgänge einen gewissen, auch zeitlichen Zusammenhang aufweisen (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. April 2019 – 3 C 13.17 -, zitiert nach juris Rn. 14 m. w. N.; OVG Greifswald, Beschluss vom 19. Dezember 2006 – 1 M 142/06 -, zitiert nach juris Rn. 20; VG Schwerin, Beschluss vom 4. Februar 2019 – 4 B 2430/18 SN -, S. 7 des amtlichen Umdrucks), gleich ob dies jeweils oral (z. B. durch Essen von „Hasch“-Keksen) oder inhalativ (durch Rauchen eines sog. Joints) geschieht.

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Annahme des Beklagten zu 1), der Kläger habe gelegentlich Cannabis konsumiert, ist für das Gericht nicht bewiesen. Eine solche Feststellung kann weder auf den Inhalt des Polizeiberichts vom 7. März 2019 (aa.), das Erklärungsverhalten des Klägers (bb.), noch auf sonstige Umstände, insbesondere nicht auf die Ergebnisse des rechtsmedizinischen Gutachtens der Universitätsmedizin Rostock vom 16. April 2019, gestützt werden (cc).

aa. Aus dem Inhalt des Polizeiberichts vom 7. März 2019 kann nicht geschlossen werden, der Kläger, der einen einmaligen Cannabiskonsum wenige Stunden vor der Verkehrskontrolle am 7. März 2019 eingeräumt hat, habe auch bei mindestens einer weiteren Gelegenheit Cannabis konsumiert. In dem Bericht ist nur von einem einzigen Konsumakt des Klägers die Rede.

bb. Die Annahme, der Kläger habe entgegen seinen Angaben mehr als nur einmal Cannabis konsumiert, ist auch nicht aufgrund seines Erklärungsverhaltens gerechtfertigt. Es kann dahinstehen, ob sich der Kläger zumindest im gerichtlichen Verfahren hinreichend glaubhaft zu den Einzelheiten seines Cannabiskonsums geäußert hat. Das Gericht teilt nicht die Auffassung, wonach die in einem Fall festgestellte Verkehrsteilnahme unter dem Einfluss von Cannabis es grundsätzlich rechtfertigt, auf eine mehr als einmalige Cannabisaufnahme zu schließen, wenn der auffällig gewordene Fahrerlaubnisinhaber einen solchen Vorgang zwar geltend macht, die Umstände des behaupteten Erstkonsums aber nicht konkret und glaubhaft darlegt. Diese Auffassung beruht auf der Erwägung, es sei unwahrscheinlich, dass ein mit den Wirkungen der Droge noch unerfahrener Erstkonsument zum einen bereits wenige Stunden nach dem Konsum wieder ein Kraftfahrzeug führe und er zum anderen dann auch noch trotz der geringen Dichte der polizeilichen Verkehrsüberwachung in eine Verkehrskontrolle gerate. Dies wiederum berechtige zu der Erwartung, dass er sich ausdrücklich auf einen – für ihn günstigen – Erstkonsum berufe und sich zu den Einzelheiten der fraglichen Drogeneinnahme glaubhaft erkläre. Unterlasse er dies, sei es zulässig, hieraus für ihn nachteilige Schlüsse zu ziehen (vgl. VGH München, Beschluss vom 23. März 2021 – 11 CS 20.2643 -, zitiert nach juris Rn. 23; OVG Münster, Urteil vom 15. März 2017 – 16 A 432/16 -, zitiert nach juris Rn. 48; OVG Schleswig, Beschluss vom 23. Januar 2017 – 4 MB 2/17 -, zitiert nach juris Rn. 10; VGH Mannheim, Urteil vom 21. Februar 2007 – 10 S 2302/06 -, zitiert nach juris Rn. 15; OVG Koblenz, Beschluss vom 1. März 2018 – 10 B 10008/18 -, zitiert nach juris Rn. 2 ff. sowie OVG Bautzen, Beschluss vom 26. Juni 2020 – 6 B 131/20 -, zitiert nach juris Rn 5).

Diese Auffassung führte der Sache nach jedoch zu einer Umkehr der Beweislast und beruht auf Spekulationen. Aus Sicht des Gerichts spricht nichts dagegen, das Erklärungsverhalten des Fahrerlaubnisinhabers bei der Klärung der Frage, ob ein gelegentlicher – also mehr als nur einmaliger (s.o.) – Cannabiskonsum i.S.v. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV vorliegt, zu berücksichtigen. Es gibt aber keine Anhaltspunkte für einen Erfahrungssatz nach Art einer gesetzlichen Tatsachenvermutung (vgl. § 292 ZPO), wonach derjenige, der einmal mit Cannabis verkehrsauffällig wird, nicht zum ersten Mal Cannabis konsumiert hat. Unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit des Straßenverkehrs lässt sich dieser Ansatz schon deshalb nicht rechtfertigen, da die Möglichkeit besteht, nähere Erkenntnisse über das Konsumverhalten eines einmal auffällig gewordenen Fahrerlaubnisinhabers durch die Anforderung eines ärztlichen Gutachtens gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV zu erlangen.

Vor diesem Hintergrund kommt dem Erklärungsverhalten des Fahrerlaubnisinhabers nur insofern Bedeutung zu, als von einem gelegentlichen Cannabiskonsum ausgegangen werden kann, wenn ein solches Verhalten eingeräumt wird. Ist das nicht der Fall, darf eine Fahrerlaubnis ohne weitere Sachverhaltsaufklärung nur entzogen werden, wenn die Behörde die „Gelegentlichkeit“ des Konsums zweifelsfrei nachweisen kann (vgl. OVG Greifswald, Beschluss vom 19. Dezember 2006 – 1 M 142/06 -, zitiert nach juris Rn. 21; VGH Kassel, Beschluss vom 24. September 2008 – 2 B 1365/08 -, zitiert nach juris Rn. 20; VG Düsseldorf, Urteil vom 24. März 2011 – 6 K 1156/11 -, zitiert nach juris Rn. 38 ff; OVG Lüneburg, Beschluss vom 7. Juni 2012 – 12 ME 31/12 -, zitiert nach juris Rn. 8; OVG Hamburg, Beschluss vom 16. Mai 2014 – 4 Bs 26/14 -, zitiert nach juris Rn. 16 f.; VG Schwerin, Beschluss vom 14. Januar 2020 – 4 B 1713/18 -, zitiert nach juris Rn. 58.)

An einem derartigen Nachweis fehlt es bislang. Der Kläger hat sich im Rahmen seiner informatischen Anhörung dahingehend eingelassen, dass es sich bei dem Konsum des (halben) Joints um den ersten und einmaligen Cannabiskonsum seines Lebens gehandelt hat. Selbst wenn die Angaben zum Zeitpunkt des Konsums gegenüber den Einlassungen des Klägers bei der Polizei abweichen, kann nach den Erklärungen des Klägers nicht von einem zweimaligen Konsum ausgegangen werden. Der Kläger hat in seinen Erklärungen eine gelegentliche Einnahme im Rechtssinne bzw. ein entsprechendes Konsummuster gerade nicht eingeräumt. Er beruft sich ausdrücklich und wiederholt darauf, dass der im Rahmen einer Verkehrskontrolle ermittelte Cannabiskonsum erstmalig und einmalig war. Unabhängig vom Wahrheitsgehalt dieser Einlassung ist damit jedenfalls ein gelegentlicher Konsum nicht unbestritten oder als eingeräumt zu betrachten.

cc. Schließlich rechtfertigen auch die Ergebnisse des forensisch-toxikologischen Befundberichts vom 16. April 2019 nicht die Annahme, der Kläger habe bei mindestens einer weiteren Gelegenheit Cannabis konsumiert.

Angesichts des forensisch-toxikologischen Befundberichts des Instituts für Rechtsmedizin an der Universität Rostock vom 16. April 2019 steht für das Gericht lediglich hinreichend fest, dass der Kläger unter aktivem Einfluss von Cannabis im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug geführt hat, bei der eine Beeinträchtigung der Fahrsicherheit nicht ausgeschlossen werden kann. Den von der ganz überwiegenden Rechtsprechung insoweit als maßgeblich erachteten THC-Wert von mindestens 1 ng/ml (BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 3 C 3.13, zitiert nach juris Rn. 41 mit umfangreichem Rechtsprechungsnachweis; OVG Hamburg, Urteil vom 15. November 2017 – 4 Bs 180/17 -, zitiert nach juris Rn. 25; OVG Magdeburg, Beschluss vom 5. Juli 2018 – 3 M 257/18 -, zitiert nach juris Rn. 5) hat der Kläger mit den festgestellten 10 ng/ml THC im Blutserum deutlich überschritten, selbst den hier allerdings nicht maßgeblichen Empfehlungswert der sog. Grenzwertkommission von 3 ng/ml THC (vgl. Dauer, in: Hentschel et al., Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 2 StVG Rn. 59b m. w. N).

Jedoch ergibt sich aus dem THCCOOH-Wert im Blutserum des Klägers in Höhe von 89,6 ng/ml kein ausreichender Nachweis für einen gelegentlichen und damit mehr als einmaligen Cannabiskonsum. In der Rechtsprechung wird zwar der Metabolit von THC, der THCCOOH-Wert (THC-Carbonsäure), im Blutserum als sicherer Indikator für gelegentlichen (oder sogar regelmäßigen) Konsum von Cannabis angesehen, wenn die Blutentnahme konsumnah erfolgt. Den dafür nach der Rechtsprechung der Kammer und des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern notwendigen THC-Carbonsäure-Wert in Höhe von 100 ng/ml hat der Kläger aber nicht erreicht, sodass daraus nicht auf gelegentlichen Konsum von Cannabis geschlossen werden kann, da eine Abgrenzung zwischen einmaligem und gelegentlichem Konsum im Bereich eines THCCOOH-Wertes bis zu 100 ng/ml aus wissenschaftlicher Sicht bei zeitnah zur Verkehrsteilnahme unter Cannabiseinfluss genommenen Blutproben grundsätzlich nicht möglich erscheint (vgl. OVG Greifswald, Beschluss vom 19. Dezember 2006, a.a.O., Rn. 23 und die weiteren Rechtsprechungsnachweise bei Dauer, a. a. O., Rn. 58).

Auch aus der ermittelten THC-Konzentration von 10,0 ng/ml im Blutserum des Klägers ergeben sich keine Anhaltspunkte für wiederholten Konsum von Cannabis (vgl. Dauer, a.a.O, Rn. 58 a). Die Schlussfolgerungen der Beklagten zum Nachweis gelegentlichen Cannabiskonsums aufgrund der THC-Konzentration im Blutserum des Klägers im Zusammenhang mit dem angegebenen Konsumzeitpunkt sind angreifbar und für das Gericht nicht hinreichend überzeugend. Das Gericht kann der Einschätzung des Beklagten zu 2) im Widerspruchsbescheid, wonach „ein hinreichender Anlass zu der Annahme besteht, dass der Widerspruchsführer in der Vergangenheit wiederholt Cannabis konsumiert hat und dadurch der Abbau des THC bei ihm verzögert erfolgt, anders lässt sich der hohe THC-Wert nicht erklären.“ nicht folgen.

Da sich der Cannabis-Wirkstoff THC im Körper rasch abbaut und i. d. R. nach vier bis sechs Stunden im Blut nicht mehr nachweisbar ist, kann aus dem Nachweis von THC im Blut bei unmittelbar nach Verkehrsteilnahme genommener Blutprobe und zusätzlichen Informationen über vor längerer Zeit als sechs Stunden erfolgtem Konsum zwar geschlossen werden, dass zumindest zwei Cannabiseinnahmen erfolgt sind und damit gelegentlicher Konsum gegeben ist (Dauer, a.a.O, Rn. 58 a). So ist nach Studien aus den Jahren 2007 und 2009 bei erstmaligem oder nur gelegentlichem Cannabiskonsum bei 95 % aller Probanden nach 6 bis 8 Stunden THC nur noch in Konzentrationen < 1 ng/ml nachweisbar, nach 11 Stunden liegt der Wert unter der Nachweisgrenze (aktuell 0,3 ng/ml) (vgl. VG München, Beschluss vom 4. Mai 2017 – M 6 S 17.141 -, juris, Rn. 33 mit weiteren Nachweisen, Dauer, a.a.O, Rn. 58 a).

Einen solchen Nachweis können die Beklagten aber vorliegend nicht führen, denn es kommen mehrere Alternativvarianten im Hinblick auf den Konsumzeitpunkt in Betracht.

Erachtet die Behörde die Einlassung des Fahrzeugführers zum Cannabiskonsumverhalten und zum Zeitpunkt desselben aber als unglaubhaft und kommen dazu mehrere Alternativvarianten in Betracht, so sind für die Annahme des gelegentlichen Cannabiskonsums die dies nicht rechtfertigenden Varianten mit nachvollziehbaren und tragfähigen Gründen auszuschließen (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 2019 – 1 BvQ 45/19 -, zitiert nach juris Rn. 12 m. w. N.). Dies gilt auch, soweit die Fahrerlaubnisbehörde den Betroffenen nur an Teilen seiner Aussage festhalten will. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

Es ist schon darauf hinzuweisen, dass weder die Polizei noch der Beklagte zu 1) den Kläger zu seinem Konsumverhalten von Cannabis befragt haben. Er selbst hat dazu zunächst auch nichts ausgesagt, außer, dass er gegen 20:00 Uhr (Polizeibericht) bzw. 21 Uhr (ärztlicher Bericht) seinen (halben) Joint konsumiert haben will. Erst bei seiner informatorischen Anhörung im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat er sich umfassend zu Anlass, Umständen und dem Zeitpunkt des Cannabiskonsums eingelassen und sich dahingehend geäußert, im Rahmen der polizeilichen Befragung die Unwahrheit gesagt zu haben. Der Kläger ist nach seiner eigenen Einlassung davon ausgegangen, dass für ihn ein länger zurückliegender Konsumzeitpunkt vorteilhafter ist, der eigentliche Konsumzeitpunkt des (halben) Joints aber nach 1:00 Uhr am 7. März 2019 erfolgt ist.

Dieser Alternativverlauf, wonach der Kläger die Unwahrheit gesagt hat, als er behauptet hat, einen (halben) Joint am 6. März 2021 gegen 20:00 bzw. 21:00 Uhr geraucht zu haben, ist eine plausible Erklärung dafür, dass die cannabisrelevanten Werte im Blut des Klägers noch recht hoch gewesen sind. Denn ein zeitlich deutlich näher zur Verkehrskontrolle vollzogener Cannabiskonsum könnte ebenso gut zu den im forensisch-toxikologischen Befundbericht ermittelten Werten passen. Dieser aus Sicht des Gerichts durchaus mögliche Alternativverlauf der Ereignisse wurde durch die Beklagten nicht mit nachvollziehbaren und tragfähigen Gründen ausgeschlossen. Auch die Ausführungen des Beklagten zu 2) zur möglichen Einnahme von bestimmten Antidepressiva durch den Kläger bewegen sich im Bereich des Spekulativen und zeichnen keinen anders gearteten Alternativverlauf nach, der alle anderen möglichen Varianten ausschließt.

2. Soweit es die Festsetzungen von Verwaltungsgebühren und Auslagen im Fahrerlaubnisentziehungsbescheid des Beklagten zu 1) vom 4. Oktober 2019 betrifft, ist zwar nicht ersichtlich, dass trotz des (umfassenden) Widerspruchs des Klägers darüber im Widerspruchsbescheid des Beklagten zu 2) eine Überprüfung stattgefunden hat. Mit Blick auf § 75 VwGO dürfte die gerichtliche Anfechtung aber zulässig sein.

Ist die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtswidrig, gilt dies auch für die Nebenentscheidungen zur Androhung von unmittelbarem Zwang bei Nichtabgabe des Führerscheins und die Festsetzung von Verwaltungsgebühren und Auslagen für diese Entscheidung.

II.

Die Anfechtungsklage gegen den Beklagten zu 2) richtet sich gegen seinen Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 2020, soweit darin für den Erlass dieses Widerspruchsbescheids Verwaltungsgebühren und Auslagen festgesetzt worden sind (§ 79 Abs. 1 Nr. 2 bzw. Abs. 2 Satz 1 VwGO).

Auch diese Klage ist zulässig und begründet, da der Widerspruchsbescheid insoweit rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Wegen § 79 Absatz 1 Nummer 2 VwGO bedarf es eines Antrages, der über den Antrag auf Aufhebung des Ausgangsbescheides in Gestalt des Widerspruchsbescheides hinausgeht, da kein automatischer „Anfechtungsverbund“ zwischen der ursprünglichen Sachentscheidung und einer später erhobenen Widerspruchsgebühr besteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. August 1982 – 8 C 50.80 -, zitiert nach juris Rn. 12; VGH Mannheim, Beschluss vom 25. Juli 1996 – 8 S 1127/96 -, zitiert nach juris Rn. 2; VG Freiburg, Beschluss vom 5. Februar 2020 – 4 K 3733/19 -, zitiert nach juris Rn. 2). Einen solchen hat der Kläger gestellt. Darüber hinaus kann auf die hier entsprechend geltenden obigen Ausführungen zu den Verwaltungsgebühren und Auslagen des Beklagten zu 1) verwiesen werden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 S. 1 VwGO und ist vom Rechtsgedanken des § 155 Abs. 1 VwGO aufgrund des Kostensprungs ab einem Streitwert über 5.000,00 Euro getragen. § 155 Abs. 1 S. 3 VwGO konnte mit Blick auf die unterschiedlichen Klagegegenstände aus Sicht des Gerichts nicht zur Anwendung kommen.

IV.

Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf § 167 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

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