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Fahrerlaubnisentziehung wegen Führens eines Pedelecs in erheblich alkoholisierten Zustand

Pedelec-Fahrer mit 2,08 Promille: Fahrerlaubnis entzogen

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bestätigte die Entziehung der Fahrerlaubnis eines Mannes, der unter erheblichem Alkoholeinfluss (2,08 ‰) ein Pedelec geführt hatte. Trotz fehlender direkter Zeugenaussagen über das Führen des Pedelecs wurden Indizien wie die erste Aussage der Lebensgefährtin und die Schwere der Kopfverletzungen herangezogen. Die fehlende Vorlage eines angeforderten medizinisch-psychologischen Gutachtens führte zur Annahme der Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen durch die Behörde.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 11 CS 23.1298  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Bestätigung der Fahrerlaubnisentziehung aufgrund Führens eines Pedelecs in stark alkoholisiertem Zustand.
  2. Blutalkoholkonzentration von 2,08 ‰ als Indiz für die Fahruntüchtigkeit.
  3. Fehlende Vorlage des medizinisch-psychologischen Gutachtens stützt die Annahme der Ungeeignetheit zum Führen von Fahrzeugen.
  4. Aussagen der Lebensgefährtin und des Rettungssanitäters als Beweismittel herangezogen.
  5. Schwere der Kopfverletzung deutet auf einen Sturz vom Fahrrad hin.
  6. Rechtliche Grundlage: § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV.
  7. Entscheidung des Amtsgerichts Bad Kissingen zur Trunkenheitsfahrt untermauert den Verdacht.
  8. Zurückweisung der Beschwerde und Bestätigung der Rechtmäßigkeit des Bescheids durch den Verwaltungsgerichtshof.

Die rechtlichen Konsequenzen bei Alkoholfahrten mit einem Pedelec

Pedelec Fahrer unter Alkoholeinfluss
(Symbolfoto: moreimages /Shutterstock.com)

In der heutigen Zeit, in der alternative Fortbewegungsmittel immer beliebter werden, rückt auch die Frage nach der rechtlichen Einordnung von Verkehrsdelikten in den Fokus, die unter Einfluss von Alkohol mit diesen Fortbewegungsmitteln begangen werden. Besonders interessant wird es, wenn es um Fahrzeuge wie das Pedelec geht, das eine Zwischenstellung zwischen Fahrrad und motorisiertem Fahrzeug einnimmt. Die Rechtslage bei Alkoholfahrten mit einem Pedelec wirft zahlreiche Fragen auf, die von grundsätzlicher Bedeutung sind. Insbesondere geht es um die Auswirkungen auf die Fahrerlaubnis und die Anforderungen an die Feststellung der Fahruntüchtigkeit.

Dieser Aspekt wird besonders relevant, wenn Verwaltungsgerichte wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof sich mit solchen Fällen beschäftigen müssen. Im Kern steht die Frage, unter welchen Umständen die Fahrerlaubnisentziehung gerechtfertigt ist und welche Rolle dabei die Durchführung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung spielt. Der folgende Artikel beleuchtet ein konkretes Urteil zu diesem Thema und gibt Aufschluss darüber, wie solche Fälle rechtlich bewertet werden. Lassen Sie uns gemeinsam einen genaueren Blick auf die Details und Hintergründe dieses interessanten und aktuellen Rechtsfalles werfen.

Der Fall der Fahrerlaubnisentziehung bei Alkoholfahrt mit einem Pedelec

Im Mittelpunkt dieses bemerkenswerten Falles steht die Entziehung der Fahrerlaubnis eines Mannes, der unter Alkoholeinfluss ein Pedelec führte. Der Fall, der vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof unter dem Aktenzeichen 11 CS 23.1298 verhandelt wurde, wirft wichtige Fragen bezüglich der Regulierung von Alkoholfahrten mit elektrisch unterstützten Fahrrädern auf.

Im Jahr 2023 wurde der Antragsteller im Luitpoldpark in Bad Kissingen nach einem Sturz mit seinem Pedelec schwer verletzt aufgefunden. Bei ihm wurde eine Blutalkoholkonzentration von 2,08 ‰ festgestellt. Diese Feststellung führte zur Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung durch das Landratsamt, da ernsthafte Zweifel an seiner Eignung zum Führen von fahrerlaubnispflichtigen Fahrzeugen bestanden.

Zeugenaussagen und Indizien – Die Beweisführung

Interessant an diesem Fall ist die Tatsache, dass keine direkten Zeugenaussagen vorliegen, die bestätigen, dass der Antragsteller das Pedelec zum Unfallzeitpunkt gefahren hat. Die Lebensgefährtin des Antragstellers gab zunächst an, er sei beim Fahren abgebogen und habe dabei den Graben übersehen. Später änderte sie ihre Aussage und gab an, sie könne nicht bestätigen, dass er gefahren sei. Diese widersprüchlichen Aussagen sowie die Schwere der Kopfverletzungen des Antragstellers wurden als Indizien gewertet, die für eine Fahrt unter Alkoholeinfluss sprechen.

Rechtliche Würdigung und Entscheidung des Gerichts

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bewertete die vorhandenen Indizien und stellte fest, dass die Annahme des Landratsamtes, der Antragsteller sei gefahren und somit ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, rechtlich nicht zu beanstanden ist. Es wurde hervorgehoben, dass die Nichtvorlage des medizinisch-psychologischen Gutachtens als Grundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis dient. Interessant ist hierbei die rechtliche Interpretation des Begriffs „Führen“ eines Fahrzeugs, der sich im Falle eines Pedelecs nicht nur auf das aktive Treten, sondern auch auf das bloße Sitzen auf einem rollenden Fahrrad erstreckt.

Bedeutung des Falles für die Rechtsprechung

Dieses Urteil setzt einen bedeutenden Präzedenzfall für die Behandlung von Alkoholfahrten mit Pedelecs. Es verdeutlicht, dass die rechtlichen Konsequenzen einer solchen Handlung erheblich sein können, insbesondere wenn sie zur Entziehung der Fahrerlaubnis führen. Der Fall zeigt, dass auch bei unklaren Situationen und fehlenden direkten Beweisen eine sorgfältige Abwägung der Indizien zu einer rechtlichen Entscheidung führen kann, die weitreichende Folgen für den Betroffenen hat.

Im Lichte dieses Urteils wird deutlich, dass die rechtliche Behandlung von Verkehrsdelikten unter Alkoholeinfluss, insbesondere bei der Nutzung moderner Fortbewegungsmittel wie Pedelecs, immer komplexer wird. Die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs liefert hier wichtige Erkenntnisse und Orientierungspunkte für zukünftige Fälle.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Inwiefern wird das Führen eines Pedelecs rechtlich bewertet, insbesondere unter Alkoholeinfluss?

Pedelecs, auch als E-Bikes bekannt, sind Fahrräder, die durch einen Elektromotor unterstützt werden, wenn der Fahrer in die Pedale tritt. Sie erreichen Geschwindigkeiten von bis zu 25 km/h und gelten rechtlich als Fahrräder. Daher gelten für Pedelecs die gleichen Alkoholgrenzen wie für Fahrräder.

Die Promillegrenze für Pedelecs liegt bei 1,6 Promille. Dies bedeutet, dass Fahrer, die diesen Wert überschreiten, mit einer Strafanzeige rechnen müssen. Darüber hinaus kann es zu Geldstrafen kommen, die in der Regel in Höhe eines Nettomonatsgehalts liegen, und es können Punkte im Verkehrszentralregister in Flensburg eingetragen werden. In einigen Fällen kann sogar ein Führerscheinentzug erfolgen.

Zusätzlich zur absoluten Fahruntauglichkeit ab 1,6 Promille gilt für Fahrradfahrer und somit auch für Pedelec-Fahrer die sogenannte relative Fahruntauglichkeit ab 0,3 Promille. Dies bedeutet, dass Fahrer, die auffällig fahren oder einen Unfall verursachen, auch bei einem Alkoholspiegel von weniger als 1,6 Promille rechtliche Konsequenzen zu erwarten haben. Diese können von Geldstrafen über Punkte in Flensburg bis hin zur medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) reichen.

Es ist zu unterscheiden zwischen Pedelecs und sogenannten S-Pedelecs oder schnellen E-Bikes, die Geschwindigkeiten von bis zu 45 km/h erreichen können. Diese gelten rechtlich als Kraftfahrzeuge und unterliegen daher den gleichen Alkoholgrenzen wie Autos. Ab 0,5 Promille wird eine Ordnungswidrigkeit begangen, die mit einem Bußgeld von 500 Euro, zwei Punkten in Flensburg und einem Monat Fahrverbot geahndet wird. Ab 1,1 Promille handelt es sich um eine Straftat, die mit Geld- oder sogar Freiheitsstrafen geahndet werden kann.

Es ist daher ratsam, das Fahren eines Pedelecs oder E-Bikes unter Alkoholeinfluss zu vermeiden, um sowohl rechtliche Konsequenzen als auch potenzielle Gefahren für sich selbst und andere Verkehrsteilnehmer zu vermeiden.


Das vorliegende Urteil

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof – Az.: 11 CS 23.1298 – Beschluss vom 07.09.2023

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert für das Verfahren in beiden Rechtszügen wird unter Aufhebung von Nr. III. des Beschlusses des Verwaltungsgerichts auf jeweils 7.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die Anordnung des Sofortvollzugs hinsichtlich der Entziehung seiner Fahrerlaubnis und der Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins.

Nach einer ersten Entziehung der Fahrerlaubnis wegen einer Trunkenheitsfahrt am 12. April 2015 erteilte das Landratsamt Bad Kissingen dem Antragsteller am 4. Januar 2016 erneut die Fahrerlaubnis der Klassen A, B, BE, C1 und C1E einschließlich Unterklassen. Durch Mitteilung der Polizeiinspektion Bad Kissingen vom 28. August 2022 erhielt das Landratsamt Kenntnis davon, dass der Antragsteller am 26. Mai 2022 in Begleitung seiner Lebensgefährtin im Luitpoldpark in Bad Kissingen mit seinem Pedelec gestürzt und dabei erheblich verletzt worden ist. Es sei eine Blutalkoholkonzentration von 2,08 ‰ festgestellt worden. Die Lebensgefährtin des Antragstellers habe zunächst gegenüber den Polizeibediensteten und gegenüber einem Rettungssanitäter geäußert, der Antragsteller sei falsch abgebogen bzw. habe den Graben übersehen. Später habe sie angegeben, sie habe ihr Fahrrad geschoben und wisse nicht, was der Antragsteller gemacht habe, weil sie vor ihm gewesen sei und sie es nicht habe sehen können. Der Antragsteller habe bei seiner Beschuldigtenvernehmung am 12. August 2022 erklärt, sie hätten beide ihre Räder geschoben und er müsse wahrscheinlich gestolpert sein. Er sei sich zu 100 % sicher, dass er nicht gefahren sei.

Mit Schreiben vom 14. September 2022 ordnete das Landratsamt eine medizinisch-psychologische Untersuchung an. Es bestünden Zweifel hinsichtlich der Eignung des Antragstellers zum Führen von fahrerlaubnispflichtigen Fahrzeugen. Hiergegen ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten einwenden, er und seine Lebensgefährtin hätten die Räder geschoben. Dabei habe er den Graben übersehen und sei gestürzt.

Mit Beschluss vom 18. November 2022 stellte das Amtsgericht Bad Kissingen das Strafverfahren gegen den Antragsteller wegen Trunkenheit im Verkehr gemäß § 153 Abs. 2 StPO mit dessen Zustimmung und der Zustimmung der Staatsanwaltschaft ein. In den Gründen ist ausgeführt, der Antragsteller sei hinreichend verdächtig, ein Vergehen nach § 316 StGB begangen zu haben, die Schuld erscheine jedoch gering.

Mit Schreiben vom 4. Januar 2023 forderte das Landratsamt den Antragsteller erneut zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens auf. Der Antragsteller benannte am 18. Januar 2023 die pima-mpu GmbH in Würzburg und am 23. Februar 2023 die Begutachtungsstelle für Fahreignung des TÜV Thüringen e.V. in Erlangen als Gutachter, legte jedoch innerhalb der (verlängerten) Frist kein Gutachten vor.

Nach Anhörung entzog das Landratsamt dem Antragsteller mit Bescheid vom 13. Juni 2023 unter Anordnung des Sofortvollzugs die Fahrerlaubnis und verpflichtete ihn zur Abgabe des Führerscheins. Aus der Nichtvorlage des Gutachtens sei auf seine Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen zu schließen.

Mit Schreiben vom 22. Juni 2023 ließ der Antragsteller Widerspruch gegen den Bescheid einlegen, über den nach Aktenlage noch nicht entschieden ist. Der Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins kam er am 30. Juni 2023 nach.

Den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs hat das Verwaltungsgericht Würzburg mit Beschluss vom 12. Juli 2023 abgelehnt. Die Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens und der Bescheid seien nicht zu beanstanden. Die Fahrerlaubnisbehörde sei zu Recht davon ausgegangen, dass der Antragsteller am 26. Mai 2022 mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,08 ‰ auf seinem Pedelec auf einem öffentlichen Weg im Park gefahren sei. Die spätere Relativierung durch seine Lebensgefährtin sei lebensfremd. Hieran vermöge auch die Aussage des Rettungssanitäters nichts zu ändern. Auch die Tatsache, dass das Pedelec keine Beschädigungen aufweise, spreche nicht gegen die Annahme, dass der Antragsteller das Fahrzeug geführt habe, da die Unfallstelle überwiegend mit Gras bewachsen sei. Hingegen spreche die Schwere der Kopfverletzung für einen Sturz vom Fahrrad. Die Einlassung des Antragstellers sei als Schutzbehauptung zu werten. Das Amtsgericht Bad Kissingen sei ebenfalls davon ausgegangen, dass er hinreichend verdächtig sei, ein Vergehen nach § 316 StGB begangen zu haben.

Zur Begründung der hiergegen eingereichten Beschwerde, der der Antragsgegner entgegentritt, lässt der Antragsteller ausführen, es liege keine einzige direkte Beobachtung oder Aussage eines Zeugen vor, dass er das Pedelec nicht geschoben, sondern gefahren habe. Der Beweis des Fahrens zum Unfallzeitpunkt sei nicht geführt. Seine Lebensgefährtin sei ebenfalls deutlich unter Alkoholeinfluss gestanden; ihre ersten Angaben gegenüber der Polizei seien ungenau und es sei zweifelhaft, ob sie tatsächlich gemacht worden seien. Später habe sie erklärt, sie sei bereits weiter voraus gewesen und wisse daher nicht, was geschehen sei. Dies sei glaubhaft, da der das Pedelec hinter ihr schiebende Antragsteller sich entschlossen habe, sich „in die Büsche zu schlagen“, ohne ihr dies mitzuteilen. Der Ausdruck „abgebogen“ werde im Übrigen nicht nur für die Fortbewegung durch Fahrzeuge gebraucht, sondern auch im Zusammenhang mit Fußgängern. Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, der unterhalb des Wegs liegende Graben sei überwiegend mit Gras bewachsen. Vielmehr sei dieser an der Unfallstelle mit großen Steinen belegt, was auch zu den schweren Kopfverletzungen des Antragstellers geführt habe. Er habe den Sturz nicht abfangen können.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern oder aufzuheben wäre. Vielmehr ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist und der Widerspruch des Antragstellers keine Aussicht auf Erfolg hat, weshalb auch die Interessenabwägung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu seinen Ungunsten ausfällt.

1. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis ist der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgeblich (vgl. BVerwG, U.v. 11.4.2019 – 3 C 14.17 – BVerwGE 165, 215 Rn. 11; U.v. 4.12.2020 – 3 C 5.20 – BVerwGE 171, 1 Rn. 12 m.w.N.). Da der Antragsteller gegen den Bescheid vom 13. Juni 2023 Widerspruch eingelegt und die Widerspruchsbehörde darüber – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden hat, kommt es hier somit auf die Sach- und Rechtslage im gegenwärtigen Zeitpunkt an.

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310, 919), zuletzt geändert durch Gesetz vom 2. März 2023 (BGBl 2023 I Nr. 56), und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), zuletzt geändert durch Verordnung vom 20. Juli 2023 (BGBl 2023 I Nr. 199), hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 3 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 FeV). Nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV ordnet die Fahrerlaubnisbehörde zur Klärung von Eignungszweifeln bei Alkoholproblematik die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens an, wenn der Fahrerlaubnisinhaber ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 ‰ oder mehr oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr geführt hat. Darunter fällt auch die Fahrt mit einem Fahrrad (BVerwG, B.v. 20.6.2013 – 3 B 102.12 – NJW 2013, 2696 Rn. 5; BayVGH, B.v. 8.3.2022 – 11 CS 22.166 – juris Rn. 12; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl. 2023, § 13 FeV Rn. 23a), wozu auch solche mit elektrischer Trethilfe im Sinne des § 63a Abs. 2 StVZO (sog. Pedelecs) zählen. Die Teilnahme am Straßenverkehr in erheblich alkoholisiertem Zustand stellt mit jedem Fahrzeug und somit auch mit einem Fahrrad eine gravierende Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs dar. Daher ist in diesen Fällen regelmäßig die Untersuchung mittels medizinisch-psychologischer Fachkunde veranlasst, ob sich das mit dem Fahrrad gezeigte Verhalten auch auf das Führen von Kraftfahrzeugen auswirken kann (BayVGH, B.v. 8.3.2022 a.a.O. Rn. 15 m.w.N.). Nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn dieser sich trotz rechtmäßiger Anordnung weigert, sich untersuchen zu lassen, oder wenn er das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Dabei räumt § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV der Behörde kein Ermessen ein. Vielmehr ist die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn der Betroffene ein zu Recht angeordnetes Gutachten nicht beibringt.

2. Gemessen daran begegnen die vom Landratsamt verfügte Entziehung der Fahrerlaubnis und die Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins keinen rechtlichen Bedenken. Insbesondere durfte das Landratsamt davon ausgehen, dass der Antragsteller das Fahrrad (Pedelec) am 26. Mai 2022 mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,08 ‰ nicht nur geschoben hat, sondern dass er damit gefahren ist und es somit geführt hat.

a) Der Begriff des „Führens“ eines Fahrzeugs im Sinne von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV deckt sich mit dem des § 316 StGB und § 24a StVG (Dauer in Hentschel/König/Dauer, § 13 FeV Rn. 23d). Wer auf einem rollenden Fahrrad sitzt, führt es (BayVGH, B.v. 17.11.2014 – 11 ZB 14.1755 – NJW 2015, 1626 Ls. und Rn. 16 ff.). Die Länge der gefahrenen Strecke ist unerheblich (vgl. BayVGH, B.v. 15.3.2021 – 11 CS 20.2867 – DAR 2021, 647 Rn. 15; B.v. 5.2.2021 – 11 ZB 20.2611 – juris Rn. 27). Das Schieben eines Fahrrads erfüllt hingegen nicht den Begriff des „Führens“.

Es muss mit hinreichender Gewissheit feststehen, dass der Betroffene das Fahrzeug geführt hat (vgl. BVerwG, U.v. 7.4.2022 – 3 C 9.21 – BVerwGE 175, 206 Rn. 38 für wiederholte Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss als Voraussetzung für eine Beibringungsanordnung nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV). Allerdings ist hierfür eine Ahndung als Straftat nach § 316 StGB nicht zwingend. Vielmehr ist die Fahrerlaubnisbehörde – soweit sie keinen Beschränkungen nach dem Abweichungsverbot des § 3 Abs. 4 StVG unterliegt – befugt, die Voraussetzungen des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV eigenständig und unabhängig davon zu beurteilen, ob die Tat geahndet wurde oder nicht. Wesentlich für die Auslegung der in § 13 Satz 1 Nr. 2 FeV aufgeführten tatbestandlichen Voraussetzungen ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass es bei § 13 FeV noch nicht unmittelbar um die Entziehung der Fahrerlaubnis geht, sondern um die dieser Entscheidung vorgelagerte Klärung von Eignungszweifeln bei Alkoholproblematik. Die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens dient der Vorbereitung der Entscheidung der Fahrerlaubnisbehörde über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen. Gleiches gilt gemäß § 46 Abs. 3 FeV im Vorfeld der Entscheidung über eine Entziehung oder Beschränkung der Fahrerlaubnis. Damit steht § 13 FeV in einem anderen systematischen Kontext als die Vorschriften in § 4 StVG zum Fahreignungs-Bewertungssystem, die gemäß § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG für Maßnahmen eine rechtskräftige Ahndung der Straftat oder Ordnungswidrigkeit voraussetzen. Eine solche Anknüpfung an die rechtskräftige Ahndung enthält § 13 FeV aber gerade nicht. Das bedeutet allerdings mit Blick auf das Rechtsstaatsprinzip und die mit einer medizinisch-psychologischen Begutachtung für den Betroffenen verbundenen Belastungen nicht, dass bereits ein vager Verdacht die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens rechtfertigt. Vielmehr müssen die von der Fahrerlaubnisbehörde herangezogenen Umstände in den Verfahrensakten hinreichend dokumentiert sein (vgl. BVerwG, U.v. 7.4.2022 a.a.O. Rn. 30-39).

b) Hiervon ausgehend hat das Landratsamt zu Recht angenommen, dass der Antragsteller mit dem Pedelec gefahren und dabei gestürzt ist. Zwar weist der Antragsteller zutreffend darauf hin, dass es keine ihn belastenden Aussagen von Zeugen gibt, die ihn fahrend gesehen hätten. Jedoch sprechen nach Aktenlage die überwiegenden und hinreichend dokumentierten Umstände für eine Trunkenheitsfahrt.

Dem Polizeiprotokoll, mit dem die Polizeiinspektion Bad Kissingen das Landratsamt gemäß § 2 Abs. 12 Satz 1 StVG über das Unfallgeschehen am 26. Mai 2022 informiert hat und auf das sich das Landratsamt ebenso wie das Verwaltungsgericht stützen konnte (vgl. BayVGH, B.v. 15.3.2021 a.a.O. Rn. 18), ist zu entnehmen, dass die Lebensgefährtin des Antragstellers bei ihrer ersten Befragung spontan geäußert hat, der Antragsteller sei „beim Fahren falsch abgebogen bzw. habe den Graben übersehen“. Der befragte Rettungssanitäter bestätigte, dass die Lebensgefährtin des Antragstellers ihm gegenüber zuvor ebenfalls geäußert habe, der Antragsteller sei falsch abgebogen. Diesen spontanen Äußerungen kommt trotz der Alkoholisierung der Lebensgefährtin des Antragstellers erhebliches Gewicht zu. Erst zu einem späteren Zeitpunkt hat sie ihre Aussage dahingehend relativiert, sie habe nicht sehen können und wisse daher nicht, was der Antragsteller gemacht habe. Damit hat sie jedenfalls auch nicht dessen Einlassung bestätigt, das Fahrrad nur geschoben zu haben.

Das Verhalten des Antragstellers im Strafverfahren spricht ebenfalls dafür, dass er mit dem Fahrrad gefahren ist. Nach seinem Einspruch gegen den zunächst erlassenen Strafbefehl vom 13. September 2022 wegen einer Trunkenheitsfahrt hat das Amtsgericht Bad Kissingen das Verfahren mit Beschluss vom 18. November 2022 gemäß § 153 Abs. 2 StPO eingestellt. Voraussetzung hierfür ist zum einen die Zustimmung des Antragstellers als Angeschuldigter und zum anderen muss die Schuld des Täters als gering anzusehen sein, was nur der Fall ist, wenn ein Tatnachweis möglich ist. Dies hat das Amtsgericht dadurch zum Ausdruck gebracht, dass es in den Gründen ausgeführt hat, der Antragsteller sei hinreichend verdächtig, ein Vergehen nach § 316 StGB begangen zu haben. Ansonsten hätte es das Verfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO einstellen bzw. den Antragsteller freisprechen müssen. Ein Schuldspruch setzt den entsprechenden Tatnachweis voraus; verbleiben Zweifel, gilt ‚in dubio pro reo‘. Das Amtsgericht Bad Kissingen hat den Bevollmächtigten des Antragstellers mit Schreiben vom 9. November 2022 darauf hingewiesen, dass eine Einstellung gemäß § 153 Abs. 2 StPO nur mit dem ausdrücklichen Einverständnis des Antragstellers möglich ist und dass dieser dann die notwendigen eigenen Auslagen selbst trägt. Wäre der Antragsteller der Auffassung gewesen, der Tatnachweis könne nicht geführt werden, hätte er seine Zustimmung verweigern können, um im Strafverfahren einen Freispruch zu erreichen. Die Darstellung seines Bevollmächtigten, die Vorgehensweise des Amtsgerichts Bad Kissingen sei das „übliche Vorgehen“ der Gerichte als „Flucht“ zur Vermeidung von Rechtsanwaltsgebühren, überzeugt daher nicht.

Dass das Fahrrad keine Beschädigungen aufweist, spricht ebenfalls nicht für die Behauptung des Antragstellers, nicht gefahren zu sein. Wenn der Antragsteller beim Sturz mit seinem Kopf auf einen Stein im Grasgelände aufschlägt, muss das Fahrrad dabei nicht zwingend beschädigt werden. Dieser Umstand kann daher weder für noch gegen die Einlassung des Antragstellers angeführt werden. Gleiches gilt im Übrigen für die Schwere der Kopfverletzung des Antragstellers, der bei dem Unfall keinen Helm getragen hat.

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs war auch nicht wegen des streitigen Vortrags des Antragstellers und einer etwaigen Notwendigkeit einer Beweisaufnahme im weiteren Verfahren wiederherzustellen. Es ist nicht ersichtlich, dass noch weitere Möglichkeiten bestünden, den Sachverhalt aufzuklären.

3. Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5, Nr. 46.1 (Klasse A einschließlich Unterklassen), Nr. 46.3 (Klassen B und BE einschließlich Unterklassen) und Nr. 46.5 (Klassen C1 und C1E einschließlich Unterklassen) des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Die Befugnis zur Änderung des Streitwerts in der Rechtsmittelinstanz folgt aus § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG.

4. Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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