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Fahrerlaubnisentziehung wegen eines cerebralen Anfallsleidens

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof – Az.: 11 ZB 10.1846 – Beschluss vom 28.07.2011

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

III. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

IV. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 7.500 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen C 1, C 1E, C und CE.

Mit Bescheid vom 13. April 2010 entzog ihm die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis im genannten Umfang. Die Fahrerlaubnisklassen A 18, B, BE, M, L, S und T wurden ihm zunächst nicht entzogen. Der streitgegenständliche Entziehungsbescheid basiert auf einem fachärztlichen Gutachten vom 25. März 2010, das zu dem Ergebnis kommt, beim Kläger fänden sich Anzeichen für schädlichen Alkoholkonsum. Eine stabile Abstinenz liege nicht vor, allerdings handle es sich um keine Alkoholabhängigkeit. Es liege ein cerebrales Anfallsleiden entsprechend Nr. 6.6 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung vor, das die Fahreignung in Frage stelle, wobei seit vier Jahren ohne Therapie Anfallsfreiheit angenommen werden könne. Die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 2 könne erst wieder im Juni 2011 angenommen werden, falls bis dahin keine neuerlichen Anfälle aufträten, also fünf Jahre Anfallsfreiheit ohne Therapie bestünde.

Die vom Kläger erhobene Anfechtungsklage wurde mit Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 17. Juni 2010 abgewiesen.

Der Kläger ließ einen Antrag auf Zulassung der Berufung stellen und beantragte für dieses Verfahren Prozesskostenhilfe. Die Zulassungsbegründung legt ohne ausdrückliche Benennung eines Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 VwGO dar, das fachärztliche Gutachten vom 25. März 2010 sei nicht verwertbar, da es nicht schlüssig sei. Der Sachverständige erkenne selbst, dass seit 2006 trotz fehlender Therapie keine Krampfanfälle festgestellt worden seien, keine Alkoholabhängigkeit vorliege und keine Gefahr des Alkoholmissbrauchs bestehe.

Im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg, da der nach dem Vorbringen im Zulassungsverfahren allein in Frage kommende Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht vorliegt.

Es kann offen bleiben, wie sich der Umstand, dass dem Kläger mit mittlerweile bestandskräftigem Bescheid auch die übrigen Fahrerlaubnisklassen entzogen wurden (vgl. BayVGH vom 5.11.2010 Az. 11 ZB 10.2483), auswirkt. Bereits im Hinblick auf § 9 Satz 1 FeV könnte es zweifelhaft sein, ob Fahrerlaubnisse der Klassen C und C1 einem Betroffenen belassen werden können, dem bestandskräftig die Fahrerlaubnis der Klasse B entzogen wurde. Zudem könnte aus der Nichtvorlage des angeforderten Gutachtens in dem anderweitigen Fahrerlaubnisverfahren des Klägers, dessen Fragestellung sich zumindest teilweise auch auf die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen der Klassen C und C1 bezog, auf seine Nichteignung im hier zu entscheidenden Fall geschlossen werden (§ 11 Abs. 8 FeV). Diese Fragen können jedoch unentschieden bleiben.

Die hier streitgegenständliche Entziehung der Fahrerlaubnis des Klägers kann jedenfalls auf § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV gestützt werden, weil dieser an einer Erkrankung nach Nr. 6.6 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung litt (§ 46 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 FeV) und im maßgeblichen Zeitpunkt nicht hinreichend gesichert war, dass kein wesentliches Risiko von Anfallsrezidiven mehr bestand.

Der Senat geht davon aus, dass das nervenfachärztliche Gutachten vom 25. März 2010 in sich widerspruchsfrei und nachvollziehbar davon ausgeht, dass beim Antragsteller in der Vergangenheit eine epileptische Erkrankung i.S. von Nr. 6.6 der Anlage 4 zur FeV vorgelegen hat und dass eine Fahreignung des Klägers erst dann wieder angenommen werden kann, wenn kein wesentliches Risiko von Anfallsrezidiven mehr besteht, wobei der insoweit zu fordernde Zeitraum der Anfallsfreiheit in Übereinstimmung mit Nr. 6.6 der Anlage 4 zur FeV fünf Jahre betragen muss. Dem steht auch nicht entgegen, dass das Gutachten die Annahme eines cerebralen Anfallsleidens auf aktenkundige Vorgänge in der Vergangenheit stützt, nämlich auf den Entlassungsbericht der Neurologischen Klinik im Klinikum Passau vom 4. April 2006. Der Kläger hat ausweislich des Gutachtens vom 25. März 2010 der Einsichtnahme in den Entlassungsbericht zugestimmt. Auch die Zulassungsbegründung stellt die Verwertbarkeit des Entlassungsberichts ebenso wenig wie dessen inhaltliche Richtigkeit in Frage, sondern moniert allein, dass für das Ergebnis des Gutachtens vom 25. März 2010 keine eigenen ärztlichen Untersuchungen durchgeführt worden seien, um das Vorliegen des Anfallsleidens in der Vergangenheit zu verifizieren, was – soweit nach wissenschaftlich fundierten medizinischen Untersuchungsmethoden überhaupt möglich – aber nach dem Vorstehenden auch nicht zu fordern ist.

Weder aus dem Gutachten selbst noch sonst sind im Übrigen Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der zu fordernde Zeitraum der Anfallsfreiheit im hier zu entscheidenden Fall weniger als fünf Jahre (bis zum Juni 2011) betragen kann. Insoweit trägt auch die Zulassungsbegründung nichts Gegenteiliges vor. Nachdem im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses (vgl. Jagow, Fahrerlaubnis- und Zulassungsrecht, Loseblattkommentar, § 46 FeV, S. 113 u) dieser fünf-jährige Zeitraum noch nicht verstrichen war und auch die vom Gutachten geforderte Abschlussuntersuchung naturgemäß noch nicht vorliegen konnte, war zu diesem Zeitpunkt von einer Fahrungeeignetheit des Klägers auszugehen, so dass die Fahrerlaubnis nach § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV zwingend zu entziehen war.

2. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe war abzulehnen, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung damit keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V. mit §§ 114 ff. ZPO).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit der Empfehlung in Abschnitt II.46.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 7./8. Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327). Der Entzug der Fahrerlaubnis der Klasse E wurde bereits im Verfahren Az. 11 ZB 10.2483 berücksichtigt.

4. Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird gemäß § 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO der angefochtene Gerichtsbescheid rechtskräftig.

 

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