Drogenkonsum führt zu Entzug der Fahrerlaubnis: OVG Sachsen-Anhalt bestätigt Entscheidung
Ein Autofahrer verliert seine Fahrerlaubnis, weil er unter Drogeneinfluss am Steuer erwischt wurde. Das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt hat die Beschwerde des Fahrers gegen ein entsprechendes Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg zurückgewiesen und damit das Entziehen der Fahrerlaubnis aufgrund von fehlender Fahreignung bestätigt. Dabei stellte das Gericht heraus, dass der Nachweis von harten Drogen im Blut des Fahrers bereits ausreicht, um die Regelvermutung der fehlenden Fahreignung zu begründen. Damit bleibt der Entzug der Fahrerlaubnis rechtens.
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Übersicht
- Drogenkonsum führt zu Entzug der Fahrerlaubnis: OVG Sachsen-Anhalt bestätigt Entscheidung
- Das vorliegende Urteil
- Häufig gestellte Fragen
- Kann meine Fahrerlaubnis entzogen werden, wenn ich unter Drogeneinfluss Auto fahre?
- Was sind die Voraussetzungen für eine rechtmäßige Blutprobeentnahme?
- Wie kann ich beweisen, dass ich trotz Drogennachweis im Blut fahrtüchtig bin?
- Gibt es Unterschiede zwischen harten und weichen Drogen in Bezug auf die Fahrerlaubnis?
- Können bei einem Entzug der Fahrerlaubnis auch Fahrten mit dem Fahrrad, E-Scooter oder anderen Fortbewegungsmitteln untersagt werden?
Regelvermutung der fehlenden Fahreignung bei Drogennachweis
Das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt führte in seiner Entscheidung aus, dass gemäß Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) bereits der einmalige Nachweis von harten Drogen im Blut des Fahrerlaubnisinhabers ausreicht, um die Regelvermutung der fehlenden Fahreignung zu begründen. Dabei ist es unerheblich, wie häufig die Drogen konsumiert wurden, wie hoch die Konzentration der Betäubungsmittel im Blut war oder ob der Fahrer unter Drogeneinfluss am Straßenverkehr teilgenommen hat. Es liegt beim Betroffenen, besondere Umstände darzulegen und nachzuweisen, die ein Abweichen von dieser Regelvermutung rechtfertigen würden.
Drogennachweis in der Blutprobe verwertbar
Der Fahrer hatte in seiner Beschwerde argumentiert, dass das Verwaltungsgericht die Voraussetzungen für die Entnahme einer Blutprobe ohne richterliche Anordnung gemäß § 81a Abs. 2 Satz 2 StPO nicht berücksichtigt hätte. Daraus folgte seiner Ansicht nach, dass das Untersuchungsergebnis der Blutprobe, in der Amphetamine (harte Drogen) nachgewiesen wurden, nicht verwertbar sei.
Das Oberverwaltungsgericht wies jedoch darauf hin, dass die Entnahme einer Blutprobe auch ohne richterliche Anordnung zulässig ist, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht einer Straftat gemäß § 315a oder § 316 StGB begründen. Das Gericht stellte klar, dass die Anwendung dieser Regelung nicht ausgeschlossen ist, auch wenn die verdachtsbegründenden Tatsachen erst im Rahmen einer allgemeinen Verkehrskontrolle aufgetreten sind.
Entziehung der Fahrerlaubnis bleibt bestehen
Die Einwände des Fahrers gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Magdeburg wurden somit zurückgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt entschied, dass der Antragsgegner zu Recht dem Antragsteller auf Grundlage des § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 FeV die Fahrerlaubnis entzogen hatte. Der Fahrer gilt demnach weiterhin als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen und muss damit den Entzug seiner Fahrerlaubnis hinnehmen.
Das vorliegende Urteil
Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt – Az.: 3 M 176/21 – Beschluss vom 07.12.2021
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Magdeburg – 1. Kammer – vom 13. August 2021 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 6.288,24 € festgesetzt.
Gründe
1. Die zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Magdeburg – 1. Kammer – vom 13. August 2021, deren Prüfung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO auf die dargelegten Gründe beschränkt ist, hat in der Sache keinen Erfolg.
Die vom Antragsteller innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO vorgebrachten Einwände gegen die tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts, nach denen der Antragsgegner berechtigt gewesen sei, dem Antragsteller auf der Grundlage des § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 FeV die Fahrerlaubnis zu entziehen, weil dieser sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen habe, rechtfertigen keine Abänderung des angefochtenen Beschlusses.
Nach Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur FeV ist die Regelvermutung der fehlenden Fahreignung bereits dann gerechtfertigt, wenn einmalig harte Drogen im Blut des Fahrerlaubnisinhabers und damit die Einnahme eines Betäubungsmittels nachgewiesen wurden (vgl. Beschluss des Senats vom 10. April 2018 – 3 M 143/18 – juris Rn. 4). Bei der Einnahme von Betäubungsmitteln (außer Cannabis) entfällt die Fahreignung unabhängig von der Häufigkeit des Konsums, von der Höhe der Betäubungsmittelkonzentration, von einer Teilnehme am Straßenverkehr im berauschten Zustand und vom Vorliegen konkreter Ausfallerscheinungen. Es obliegt dem Betroffenen, durch schlüssigen Vortrag die besonderen Umstände darzulegen und nachzuweisen, die ein Abweichen von der Regelvermutung rechtfertigen sollen (vgl. BayVGH, Beschluss vom 30. April 2019 – 11 CS 19.415 – juris Rn. 15 f. m.w.N.).
Hiergegen wendet der Antragsteller mit seiner Beschwerde der Sache nach grundsätzlich nichts ein. Er macht vielmehr ausschließlich geltend, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass in seinem Fall die Voraussetzungen des § 81a Abs. 2 Satz 2 StPO für die Entnahme einer Blutprobe ohne richterliche Anordnung nicht vorgelegen hätten; deshalb sei das Untersuchungsergebnis – niedergelegt im Bericht des Universitätsklinikums H-Stadt vom 2. März 2021, wonach in der dem Antragsteller entnommenen Blutprobe Amphetamine, bei denen es sich um harte Drogen handelt, nachgewiesen worden sind – nicht verwertbar. Dieser Einwand greift nicht durch.
Nach § 81a Abs. 2 Satz 2 StPO bedarf die Entnahme einer Blutprobe abweichend von Satz 1 keiner richterlichen Anordnung, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass eine Straftat nach § 315a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 und 3, § 315c Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 2 und 3 oder § 316 StGB begangen worden ist. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist die Anwendung dieser Norm nicht ausgeschlossen, wenn sich die verdachtsbegründenden Tatsachen erst im Rahmen einer (allgemeinen) Verkehrskontrolle ergeben, die nicht darauf ausgerichtet gewesen ist, einem bereits bestehenden Verdacht der Begehung einer der in § 81a Abs. 2 Satz 2 StPO genannten Straftaten nachzugehen, sondern aus anderem Anlass durchgeführt worden ist, im vorliegenden Fall, weil bei dem vom Antragsteller am 5. Februar 2021 geführten Fahrzeug das rechte Bremslicht defekt war. Für eine derartig restriktive Auslegung des § 81a Abs. 2 Satz 2 StPO geben weder der Wortlaut der Norm noch deren Sinn und Zweck etwas her. § 81a Abs. 2 Satz 2 StPO dient der Beschleunigung der Beweissicherung im Straf- und Bußgeldverfahren, insbesondere bei dem Verdacht auf ein Trunkenheitsdelikt, und damit der Verbesserung des Schutzes der Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs vor ungeeigneten Fahrzeugführern, indem die Anordnung der Entnahme einer Blutprobe bei Verdacht einer der genannten Straftaten durch die Staatsanwaltschaft oder die Polizei angeordnet werden kann (vgl. BT-Drs. 18/11272, S. 21). Es ist nicht ersichtlich, weshalb sich für die Anwendung dieser Rechtsgrundlage die Verdachtstatsachen für die Begehung der genannten Straftaten zwingend bereits aus dem Fahrverhalten des Betreffenden ergeben müssen sollten. Dem genannten Normzweck dient die Anordnung einer Blutentnahme ohne richterliche Entscheidung vielmehr auch dann, wenn sich die Verdachtstatsachen erst bei einer aus anderem Anlass durchgeführten Verkehrskontrolle ergeben. So verhält es sich auch im vorliegenden Fall.
Entgegen dem Beschwerdevorbringen wies der Antragsteller während der am 5. Februar 2021 kurz nach Mitternacht durchgeführten Verkehrskontrolle nicht lediglich gewöhnliche Müdigkeitserscheinungen auf. Ausweislich des polizeilichen Aktenvermerks vom 5. Februar 2021 über die während der Verkehrskontrolle getroffenen Sachverhaltsfeststellungen habe der Antragsteller bei der Durchführung eines Reaktionstests einen stark horizontalen Nystagmus, d. h. ein sog. Augenzittern, eine träge Lichtreaktion der Pupillen, gerötete Bindehäute und glasige Augen gezeigt. Bei einem Romberg-Test, einem Test zur Feststellung von Störungen des Gleichgewichtssinnes, bei dem die Augen zumindest zeitweise geschlossen sind (vgl. https://www.bionity.com/de/lexikon/Romberg-Test.html, aufgerufen am 7. Dezember 2021), habe der Antragsteller bis 18 gezählt und ein leichtes Lidflattern aufgewiesen.
Es ist nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Betrachtung nachvollziehbar, dass die Polizeibeamten angesichts dieser Tatsachenfeststellungen, die der Antragsteller nicht substantiiert in Zweifel zieht, hinreichende Anhaltspunkte dafür gesehen haben, dass der Antragsteller unter dem Einfluss von Drogen ein Fahrzeug geführt und somit eine Straftat nach § 316 StGB begangen haben könnte. Hiervon ausgehend ist es rechtlich nicht zu erinnern, dass die Polizeibeamten weitere Ermittlungen zum Sachverhalt und zur Beweissicherung vorgenommen haben. Hierzu zählen der beim Antragsteller zunächst durchgeführte Drogenvortest, der – was der Antragsteller nicht bestreitet – nach dem polizeilichen Vermerk vom 5. Februar 2021 ein deutlich positives Ergebnis hinsichtlich Amphetamin und Methamphetamin gezeigt habe, und die daran anknüpfend angeordnete Blutentnahme.
Soweit der Antragsteller mit seiner Beschwerde geltend macht, die Polizeibeamten hätten ihn gezwungen, den Drogentest durchzuführen, ist festzustellen, dass sich der Antragsteller nach den Ausführungen im polizeilichen Vermerk vom 5. Februar 2021, an deren Richtigkeit zu zweifeln kein Anlass besteht, zwar zunächst unkooperativ gezeigt und den Polizeibeamten Schikane unterstellt habe, den Drogenvortest dann jedoch nach einigen Diskussionen durchgeführt habe. Dass der Antragsteller nunmehr vorträgt, er sei gezwungen worden, den Drogenvortest durchzuführen, weil die Polizeibeamten ihn andernfalls an der Weiterfahrt gehindert hätten, ist rechtlich unbeachtlich. Wie bereits dargestellt, durften die Polizeibeamten bei summarischer Betrachtung gerade den Verdacht schöpfen, dass der Antragsteller eine Straftat nach § 316 StGB begangen hat. Dementsprechend waren sie auch berechtigt, weitere Sachverhaltsfeststellungen und Maßnahmen zur Beweissicherung zu treffen. Hierzu gehört es auch, den Antragsteller vor dem Abschluss dieser Maßnahmen an der Weiterfahrt zu hindern.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
3. Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf den §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 3 Satz 1 GKG in Verbindung mit Nr. 1.5, 46.1 und 46.4 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ-Beil. 2013, 58 ff.) und entspricht der verwaltungsgerichtlichen Festsetzung.
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Häufig gestellte Fragen
Kann meine Fahrerlaubnis entzogen werden, wenn ich unter Drogeneinfluss Auto fahre?
Ja, laut der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) kann die Fahrerlaubnis entzogen werden, wenn der Fahrer unter Drogeneinfluss steht. In diesem Fall geht man von einer fehlenden Fahreignung aus. Die Regelvermutung der fehlenden Fahreignung gilt bereits bei einem einmaligen Nachweis von harten Drogen im Blut des Fahrers, unabhängig von der Häufigkeit des Konsums, der Konzentration der Drogen im Blut oder ob der Fahrer unter Drogeneinfluss am Straßenverkehr teilgenommen hat.
Was sind die Voraussetzungen für eine rechtmäßige Blutprobeentnahme?
Die Entnahme einer Blutprobe ist gemäß § 81a Abs. 2 StPO zulässig, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht einer Straftat begründen. Eine richterliche Anordnung ist nicht zwingend erforderlich, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass der Fahrer unter Drogeneinfluss eine Straftat gemäß § 315a oder § 316 StGB begangen hat. Verdachtsbegründende Tatsachen können auch im Rahmen einer allgemeinen Verkehrskontrolle festgestellt werden.
Wie kann ich beweisen, dass ich trotz Drogennachweis im Blut fahrtüchtig bin?
Der Betroffene muss in solchen Fällen besondere Umstände darlegen und nachweisen, die ein Abweichen von der Regelvermutung der fehlenden Fahreignung rechtfertigen würden. Das kann zum Beispiel ein ärztliches Gutachten sein, das besagt, dass trotz Drogenkonsum keine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit vorliegt. Allerdings ist es in der Praxis meist schwierig und mit hohen Anforderungen verbunden, solche Beweise erfolgreich zu erbringen.
Gibt es Unterschiede zwischen harten und weichen Drogen in Bezug auf die Fahrerlaubnis?
Ja, es gibt Unterschiede. Bei harten Drogen wie Amphetaminen, Kokain oder Heroin genügt bereits ein einmaliger Nachweis im Blut des Fahrers, um die Regelvermutung der fehlenden Fahreignung zu begründen. Bei weichen Drogen wie Cannabis ist die Rechtslage weniger streng. Hier ist die Fahrerlaubnis nur dann bedroht, wenn der Fahrer ein Kraftfahrzeug unter dem Einfluss von Cannabis führt und nicht mehr in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen.
Können bei einem Entzug der Fahrerlaubnis auch Fahrten mit dem Fahrrad, E-Scooter oder anderen Fortbewegungsmitteln untersagt werden?
Eine Entziehung der Fahrerlaubnis bezieht sich in erster Linie auf das Führen von Kraftfahrzeugen. Allerdings kann es auch sein, dass bei Drogendelikten zusätzlich zum Entzug der Fahrerlaubnis eine Sperre für das Führen von Fahrzeugen aller Art angeordnet wird, was dann auch das Fahrradfahren, das Benutzen von E-Scootern oder anderen Fortbewegungsmitteln betrifft. Das hängt jedoch von den konkreten Umständen des Einzelfalls und der Entscheidung der zuständigen Behörde ab.