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Fahrerlaubnisentziehung wegen der Begehung von Straftaten

VG Köln, Az.: 23 L 535/16, Beschluss vom 14.04.2016

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage – 23 K 5875/15 – gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 24.02.2016 wird hinsichtlich der Entziehung der Fahrerlaubnis wiederhergestellt und hinsichtlich der Androhung unmittelbaren Zwangs angeordnet. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

2. Der Streitwert wird auf EUR 2.601,26 festgesetzt.

Gründe

Der sinngemäße Antrag,

die aufschiebende Wirkung der Klage – 23 K 1613/16 – gegen die Ordnungsverfügung vom 24.02.2016 hinsichtlich der Entziehung der Fahrerlaubnis wiederherzustellen und hinsichtlich der Androhung unmittelbaren Zwangs anzuordnen sowie gegen den Gebührenbescheid vom selben Tage ebenfalls anzuordnen,

ist hinsichtlich des Gebührenbescheides unzulässig, hinsichtlich der Entziehung der Fahrerlaubnis sowie der Androhung unmittelbaren Zwangs zulässig und begründet.

Hinsichtlich der Gebührenfestsetzung ist der Antrag jedenfalls deshalb unzulässig, weil der Antragsteller nicht zuvor gemäß § 80 Abs. 6 S. 1 VwGO bei der Antragsgegnerin beantragt hat, die Vollziehung auszusetzen. Ein solcher Antrag war auch erforderlich, da keine Anhaltspunkte für eine drohende Vollstreckung der Gebührenfestsetzung durch die Antragsgegnerin bestanden, § 80 Abs. 6 S. 2 Nr. 2 VwGO.

Somit kann offenbleiben, ob es sich bei der Gebührenfestsetzung vom 24.02.2016 um eine Anforderung von Abgaben und Kosten i.S.v. § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO handelt mit der Folge, dass die gemäß § 80 Abs. 1 VwGO grundsätzlich mit Klageerhebung bestehende aufschiebende Wirkung nicht eintritt.

vgl. zum Streitstand: VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 03.04.2013 – 9 L 151/13 -, juris, Rz. 5 ff m.w.N.

Hinsichtlich der Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 24.02.2016 ist der Antrag zulässig und begründet.

Nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen einen belastenden Verwaltungsakt wiederherstellen bzw. anordnen, wenn bei einer Interessenabwägung das private Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist in der Regel abzulehnen, wenn diese nach dem zum Entscheidungszeitpunkt gegebenen Erkenntnisstand aller Voraussicht nach erfolglos bleiben wird; bei offensichtlichen Erfolgsaussichten überwiegt demgegenüber regelmäßig das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Vorliegend hat die Klage voraussichtlich – auch hinsichtlich des Gebührenbescheides – Erfolg.

Denn nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen und nur möglichen summarischen Prüfung spricht Vieles dafür, dass die Ordnungsverfügung vom 24.02.2016 rechtswidrig ist und im Klageverfahren aufgehoben werden wird. Die Antragsgegnerin hat die Entziehungsverfügung auf § 3 Abs. 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 und vermutlich auf § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 FeV gestützt. Nach § 3 Abs. 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 S. 1 FeV ist eine Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich der Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat. Dies gilt gemäß § 46 Abs. 1 S. 2 FeV insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Nach § 46 Abs. 3 FeV finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung, wenn Tatsachen bekannt werden, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeuges ungeeignet oder bedingt geeignet ist. Insoweit kann die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 FeV zur Vorbereitung einer Entscheidung über die Anordnung einer Beschränkung oder den Entzug der Fahrerlaubnis die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens durch den Fahrerlaubnisinhaber bei Straftaten anordnen, die im Zusammenhang mit der Kraftfahreignung stehen, insbesondere wenn Anhaltspunkte für ein hohes Aggressionspotential bestehen. Weigert sich der Fahrerlaubnisinhaber in einem solchen Fall, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, so darf diese gemäß § 11 Abs. 8 S. 1 FeV auf dessen Nichteignung schließen. Dies setzt allerdings voraus, dass die Anforderung in formeller,

vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 05.07.2001 – 3 C 13.01 -, juris, Rz. 25,

und materieller Hinsicht ordnungsgemäß ist. Letzteres ist hier voraussichtlich nicht der Fall.

Da eine Gutachtensanordnung nicht selbstständig anfechtbar ist, sondern nur im Rahmen eines Rechtsbehelfsverfahrens gegen eine daran anknüpfende Fahrerlaubnisentziehung oder sonstige in Rechte des Betroffenen eingreifende Maßnahme der Fahrerlaubnisbehörde inzident auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden kann, ist es ein Gebot effektiven Rechtsschutzes, strenge Anforderungen zu stellen. Die Begutachtungsanordnung muss im Wesentlichen aus sich heraus verständlich sein. Für den Betroffenen muss ausgehend von der für die jeweilige Fallgestaltung in Betracht kommenden Befugnisnorm in der Fahrerlaubnis- Verordnung erkennbar sein, was der Anlass für die angeordnete Untersuchung ist und ob die in ihr verlautbarten Gründe die behördlichen Bedenken an der Kraftfahreignung zu rechtfertigen vermögen. Denn nur auf der Grundlage dieser Information kann er sachgerecht einschätzen, ob er sich trotz der mit einer Untersuchung verbundenen Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts und der Kostenbelastung der Begutachtung stellen oder die mit der Verweigerung der Begutachtung verbundenen Risiken eingehen möchte.

vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10.09.2014 – 16 B 912/14 -, juris, Rz. 6 m.w.N.

§ 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 – 7 FeV setzt keine rechtskräftige Verurteilung wegen einer von der Fahrerlaubnisbehörde festgestellten Straftat voraus. Es genügt, wenn sie sich aus den Feststellungen der Polizei oder aus anderen Erkenntnissen in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren hinreichend zuverlässig ergibt. Anhaltspunkte für ein hohes Aggressionspotential können vorliegen bei hoher Angriffslust und Streitsüchtigkeit, bei impulsivem Durchsetzen eigener Interessen unter schwerwiegender Verletzung der Interessen anderer oder bei wiederholt verübten Straftaten der vorsätzlichen gefährlichen Körperverletzung. Eine hohe Aggressionsbereitschaft lässt jedoch nur dann Rückschlüsse auf die Fahreignung zu, wenn zu besorgen ist, dass der Betroffene bei konflikthaften Verkehrssituationen emotional impulsiv handelt und dadurch das Risiko einer gefährdenden Verkehrssituation erhöht, sowie eigene Bedürfnisse aggressiv durchsetzt.

vgl. Dauer, in: Hentschel u.a., Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., § 11 FeV, Rz. 35 m.w.N.

Bei der Beurteilung einer Straftat darf keine Gesamtwürdigung aller bekannten Vorfälle ergehen. Ob die Beibringung eines Gutachtens zu Recht angeordnet ist, ist auf der Grundlage des in der Beibringungsanordnung dargelegten Sachverhalts zu würdigen. Dies schließt es im Grundsatz aus, den maßgeblichen Sachverhalt unter Berücksichtigung und Würdigung etwa der Verwaltungsvorgänge zu ergänzen. Denn dann könnte der Betroffene nicht erkennen, was der Anlass für die angeordnete Untersuchung ist.

vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10.09.2014 a.a.O., Rz. 13 zu § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 FeV.

Diesen Anforderungen hat die Gutachtenanordnung vom 04.11.2015 nicht genügt. Zwar hat die Antragsgegnerin in der Anordnung zwei gefährliche Körperverletzungen durch den Antragsteller am 09.06.2006 und am 27.09.2008 sowie zwei weitere Beteiligungen an gewalttätigen Auseinandersetzungen aufgeführt. Allerdings wird nicht deutlich, warum diese Vorfälle Rückschlüsse auf die Kraftfahreignung zulassen, insbesondere, warum zu besorgen sei, dass der Antragsteller bei konflikthaften Verkehrssituationen impulsiv reagieren werde. Die Antragsgegnerin hat sich damit begnügt, die aus ihrer Sicht relevanten Vorfälle aufzuzählen und „aufgrund der Gesamtschau dieser Tatsachen“ an der Kraftfahreignung des Antragstellers zu zweifeln. Die Unklarheit für den Anordnungsadressaten wird dadurch vergrößert, dass die Antragsgegnerin in der Anordnung keine der Tatbestandsvarianten nach § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 – 7 FeV zitiert hat.

Hat damit die Klage des Antragstellers hinsichtlich der streitigen Fahrerlaubnisentziehung voraussichtlich Erfolg, gilt dies auch für die Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheins sowie die daran anknüpfende Androhung unmittelbaren Zwangs.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 S. 3 VwGO. Die Kosten waren der Antragsgegnerin ganz aufzuerlegen, weil der Antragsteller nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 1, 3 GKG und entspricht der Hälfte des in einem Hauptsacheverfahren festzusetzenden Streitwerts.

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