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Fahrerlaubnisentziehung wegen Cannabiskonsums

VG Gelsenkirchen – Az.: 7 L 1635/18 – Beschluss vom 09.01.2019

1. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird auf Kosten des Antragstellers abgelehnt.

2. Der Streitwert wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

1. Der sinngemäß gestellte Antrag,

die aufschiebende Wirkung der Klage 7 K 4617/18 gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 8. August 2018 wiederherzustellen bzw. anzuordnen,

ist zulässig, aber unbegründet.

Die im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Die Ordnungsverfügung, mit der dem Antragsteller die Fahrerlaubnis entzogen worden ist, erweist sich bei summarischer Prüfung als rechtmäßig. Zur Begründung verweist die Kammer zur Vermeidung von Wiederholungen auf die rechtlichen und tatsächlichen Ausführungen in der angegriffenen Verfügung, denen sie folgt (vgl. § 117 Abs. 5 VwGO). Ergänzend ist mit Rücksicht auf das Antrags- und Klagevorbringen Folgendes auszuführen:

Der Antragsteller hat sich gemäß § 11 Abs. 1 Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV – i. V. m. Ziffer 9.2 der Anlage 4 zur FeV als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen. Nach Ziffer 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV ist im Fall der gelegentlichen Einnahme von Cannabis die Kraftfahreignung in der Regel zu verneinen, wenn zwischen Konsum und Fahren nicht getrennt wird. Das ist nach summarischer Prüfung hier der Fall.

Maßgeblich ist insofern, dass der Antragsteller am 28. Oktober 2017 gegen 1:15 Uhr unter Cannabiseinfluss ein Fahrzeug geführt hat. Der im Blut des Antragstellers nach dem Ergebnis des Gutachtens des Labors L. aus C. T. vom 14. November 2017 festgestellte THC-Wert von 1,4 µg/l (= ng/ml) übersteigt dem zu § 24a Abs. 2 Straßenverkehrsgesetz – StVG – durch die Grenzwertkommission festgesetzten Wert von 1 ng/ml und rechtfertigt die Annahme eines zeitnahen Konsums mit entsprechender Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit. Das Erreichen dieses Grenzwertes ist nämlich für die Annahme relevanten Cannabiseinflusses erforderlich, aber auch ausreichend.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. Dezember 2004 – 1 BvR 2652/03 – mit zahlreichen Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur. Zu den neuesten Erkenntnissen und der Frage der Beibehaltung dieses Grenzwertes siehe VG Gelsenkirchen, Urteil vom 20. Januar 2016 – 9 K 4303/15 – und Beschluss vom 25. Februar 2016 – 7 L 30/16 -; OVG NRW, Urteil vom 15. März 2017 – 16 A 551/16 und 16 A 432/16 -, juris, Rn. 64 ff, 122, das abweichend von der neueren Empfehlung der Grenzwertkommission weiterhin von einem Grenzwert von 1,0 ng/ml THC im Serum ausgeht (- 16 A 551/16 – nicht rechtskräftig, vgl. : BVerwG – 3 C 14.17 -).

Durch das Führen eines Kraftfahrzeuges unter Cannabiseinfluss hat der Antragsteller bewiesen, dass er zwischen Konsum von Cannabis und Fahren nicht trennen kann. Unerheblich ist es für die Frage der mangelnden Trennung, dass er nur einmal ein Kraftfahrzeug unter Cannabiseinfluss geführt hat.

Ständige Rechtsprechung der Kammer, vgl. etwa Beschluss vom 30. März 2017 – 7 L 217/17 -; OVG NRW, Urteil vom 15. März 2017 – 16 A 432/16 -, juris, Rn. 143; OVG NRW, Beschluss vom 29. Mai 2017 – 16 B 473/17 – juris, jeweils m. w. N., a.A. Bay. VGH, Urteil vom 25. April 2017 – 11 BV 17.33 – (Revision eingelegt, BVerwG 3 C 13.17).

Die Kammer geht nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung auch von einem gelegentlichen, d.h. mehr als einmaligen Konsum aus. Zwar hat der Antragsteller im Klage- und Antragsverfahren einen lediglich einmaligen Konsum von Cannabis am Mittwoch vor dem Vorfall behauptet; dieser Vortrag ist jedoch nicht glaubhaft. Es liegen bereits zwei eingeräumte Konsumakte vor. Der Antragsteller hat im Strafverfahren vor dem Amtsgericht E. Az. 720 OWi – 253 Js 278/18 – 111/18 ausweislich des Vermerks auf Bl. 38 der Verwaltungsvorgänge angegeben, am „Donnerstag, d.h. zwei Tage vor der Tat, Cannabis konsumiert“ zu haben. Im Widerspruch dazu macht er geltend, am Mittwoch vor dem Tattag erst- und einmalig Cannabis mit Freunden bei einem Urlaub in den Niederlanden konsumiert zu haben. Zudem hat er damit einen glaubhaften Erstkonsum nicht dargelegt. Insoweit gilt, dass eine Verkehrsteilnahme unter dem Einfluss eines Betäubungsmittels es grundsätzlich rechtfertigt, auf eine mehr als einmalige Cannabisaufnahme zu schließen, wenn der auffällig gewordene Fahrerlaubnisinhaber einen solchen Konsum zwar geltend macht, dessen Umstände aber nicht konkret und glaubhaft darlegt.

Ständige Rechtsprechung des OVG NRW; vgl. z.B. OVG NRW, Beschluss vom 23. Juni 2014 – 16 B 500/14 -, juris, mit weiteren Nachweisen zur Senatsrechtsprechung; vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 2. März 2011 – 10 B 11400/10 -, NVWZ 2011, 573.

Die lediglich pauschale Behauptung eines Erstkonsums ohne nähere Angaben steht daher der Annahme eines gelegentlichen Konsums nicht entgegen.

Vor diesem Hintergrund kommt es nicht entscheidungserheblich auf die Frage an, ob der am Vorfallstag festgestellte THC-Wert – mit Blick auf die vorgetragene Einnahme der Medikamente zur HIV-Prophylaxe und auf den geltend gemachten verzögerten Abbau von Cannabis – auf einem mindestens zwei Tage zurückliegenden Erstkonsum von Cannabis beruhen kann.

Bei feststehender Ungeeignetheit unterbleibt gemäß § 11 Abs. 7 FeV die Anordnung eines Gutachtens und die Fahrerlaubnis ist zwingend zu entziehen; ein Ermessen steht dem Antragsgegner nicht zu.

Die in Ziffer 2 der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung enthaltene deklaratorische Aufforderung zur Abgabe des Führerscheins (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG) begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

Angesichts der Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügung ist ein Überwiegen des Aussetzungsinteresses des Antragstellers nicht gegeben. Dass das Interesse des Antragstellers, seine Fahrerlaubnis wenigstens bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens nutzen zu können, aus anderen Gründen Vorrang gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug der Entziehungsverfügung genießt, ist nicht festzustellen. Selbst wenn wegen der diesbezüglich noch ausstehenden höchstrichterlichen Klärung von offenen Erfolgsaussichten der Klage ausgegangen würde, hätte der Antrag des Antragstellers keinen Erfolg. Denn die vom Ausgang des Hauptsacheverfahrens unabhängige Interessenabwägung fiele auch mit Blick darauf, dass die Entziehungsverfügung nicht kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist, zu seinen Lasten aus. Zwar kann die Fahrerlaubnisentziehung die persönliche Lebensführung und damit die Wahrnehmung grundrechtlicher Freiheiten des Erlaubnisinhabers gravierend beeinflussen und im Einzelfall bis zur Vernichtung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage reichen. Die mit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis eventuell verbundenen persönlichen und beruflichen Schwierigkeiten für den Antragsteller muss er als Betroffener jedoch angesichts des von fahrungeeigneten Verkehrsteilnehmern ausgehenden besonderen Risikos für die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs und des aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz ableitbaren Auftrags zum Schutz vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben hinnehmen.

So auch: OVG NRW, Beschluss vom 13. Februar 2015 – 16 B 74/15 -, juris m. w. N.

Eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die in Ziffer 3 der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung enthaltene Zwangsgeldandrohung kommt ebenfalls nicht in Betracht. Sie entspricht den Anforderungen von §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 60, 63 Verwaltungsvollstreckungsgesetz NRW und ist rechtmäßig.

Auch der Antrag, den Antragsgegner zu verpflichten, den Führerschein des Antragstellers auszuhändigen, hat keinen Erfolg, da sich die Entziehung der Fahrerlaubnis sowie die Aufforderung zur Abgabe des Führerscheins als voraussichtlich rechtmäßig erweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

2. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1, 2 Gerichtskostengesetz. Der Streitwert eines Klageverfahrens, das die Entziehung einer Fahrerlaubnis betrifft, ist ungeachtet der im Streit stehenden Fahrerlaubnisklassen nach dem Auffangwert zu bemessen. Dieser ist im vorliegenden Eilverfahren zu halbieren.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4. Mai 2009 – 16 E 550/09 – juris.

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