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Fahrerlaubnisentziehung wegen Amphetaminkonsums

VG Gelsenkirchen – Az.: 7 L 3363/17 – Beschluss vom 25.01.2018

1. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird auf Kosten des Antragstellers abgelehnt.

2. Der Streitwert wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

1. Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage 7 K 11522/17 gegen die Verfügung des Antragsgegners vom 23. Oktober 2017 wiederherzustellen, ist gemäß § 80 Abs. 5 VwGO zulässig, aber unbegründet.

Die im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus, weil die Ordnungsverfügung, mit der ihm die Fahrerlaubnis entzogen worden ist, bei summarischer Prüfung mit großer Wahrscheinlichkeit rechtmäßig ist. Zur Begründung verweist die Kammer zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf die rechtlichen und tatsächlichen Ausführungen in der angegriffenen Verfügung (vgl. § 117 Abs. 5 VwGO).

Ergänzend ist mit Rücksicht auf das Klage- und Antragsvorbringen Folgendes auszuführen: Die Entziehungsverfügung findet ihre Grundlage in § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV. Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde demjenigen, der sich als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist, die Fahrerlaubnis zu entziehen. Ungeeignet ist nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere, wer Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV aufweist. Gemäß Ziffer 9.1 der Anlage 4 ist die Eignung oder bedingte Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu verneinen, wenn der Fahrerlaubnisinhaber Betäubungsmittel im Sinne des BtMG einnimmt.

Der Antragsteller ist zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet, weil er Amphetamin bzw. Ecstasy (eine zur Gruppe der Amphetamine gehörende „Partydroge“) konsumiert hat. Die Einnahme von Amphetamin bzw. Ecstasy schließt die Kraftfahreignung unabhängig davon aus, ob unter der Wirkung dieser sog. harten Drogen ein Kraftfahrzeug geführt worden ist oder nicht (Nr. 9.1 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV; vgl. auch: Nr. 3.14.1 der Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahreignung des gemeinsamen Beirats für Verkehrsmedizin beim Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen und beim Bundesministerium für Gesundheit, Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Bergisch-Gladbach, Stand: 14. August 2017).

Der Konsum von Betäubungsmitteln im Sinne des BtMG (Ausnahme: Cannabis) ist nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV ein die Kraftfahreignung ausschließender Mangel. Dabei stellt Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV für den Regelfall weder auf die Häufigkeit der Einnahme noch auf ihren Bezug zum Führen eines Kraftfahrzeuges ab. Es wird weder der missbräuchliche Konsum, noch eine Abhängigkeit, noch eine gelegentliche oder häufige Einnahme vorausgesetzt, sondern lediglich die „Einnahme“ selbst. Dabei ist im Regelfall von einer Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen auch dann auszugehen, wenn es sich lediglich um einen einmaligen Vorfall gehandelt hat.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. März 2007 – 16 B 332/07 -, juris, m. w. N.; anders verhält es sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss v. 20. Juni 2002, NJW 2002, 2378 ff. und vom 8. Juli 2002, NJW 2002, 2381) nur hinsichtlich der Frage des Zusammenhangs von gelegentlichem Cannabis-Konsum und Kraftfahreignung.

Vorliegend war der Antragsteller am Neujahrstag 2017 im Besitz zweier Plastikverpackungen („Bobbel“) mit 0,58 g bzw. 0,05 g Amphetamin – netto – sowie von 5 Ecstasy-Tabletten („Superman“) mit je ca. 0,48 g, die während einer Personenkontrolle am F. Hauptbahnhof in der Hosentasche und im Portemonnaie des Antragstellers gefunden wurden. Der Antragsteller hat gegenüber den eingesetzten Beamten der Bundespolizei zum Erwerb der Drogen detaillierte Angaben gemacht und eingeräumt, diese Drogen von einer unbekannten Person in der Diskothek „T. “ käuflich erworben zu haben. Im Einzelnen habe er für die Ecstasy-Pillen jeweils 5 Euro und für Amphetamine jeweils 10 Euro bezahlt; insgesamt habe er etwa 50 bis 60 Euro ausgegeben.

Die Kammer geht nach der im vorliegenden Verfahren allein angezeigten summarischen Prüfung auch von einem Amphetamin-Konsum des Antragstellers aus. Der Antragsteller hat gegenüber den Polizeibeamten nämlich im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Drogenfund über seine Angaben zum Drogenerwerb hinaus – nach anfänglichem Bestreiten – angegeben, gelegentlich Betäubungsmittel zu konsumieren. Daran muss er sich festhalten lassen, zumal er auch im gerichtlichen Verfahren eingeräumt hat, jedenfalls in der Vergangenheit Drogen konsumiert zu haben. Soweit der Antragsteller nunmehr behauptet, seine Angaben vor den Polizeibeamten hätten sich auf einen mehr als 10 Jahre zurückliegenden Drogenkonsum bezogen, seit 2005 konsumiere er keine Amphetamine mehr und die am Neujahrstag bei ihm aufgefundenen Drogen habe er nur für einen Bekannten aufbewahrt, ist dies als Schutzbehauptung zu werten. Es ist fernliegend, dass der Antragsteller – auch mit Blick auf seine sonstigen detailreichen Angaben zum Erwerb der Drogen – den Polizeibeamten gegenüber zwar einen gelegentlichen Drogenkonsum zugab, es aber versäumte, sie darauf aufmerksam zu machen, dass der letzte Konsum mehr als 10 Jahre zurück lag. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die am 1. Januar 2017 bei ihm gefunden Amphetamine (auch) für den Eigenkonsum gedacht waren und der Antragsteller zu dieser Zeit entsprechend seinen Angaben vor den Polizeibeamten gelegentlich Drogen konsumierte. Dass der Antragsteller seine Kraftfahreignung zwischenzeitlich wiedererlangt hat, kann nicht festgestellt werden. Nach einer zum Ausschluss der Fahreignung führenden Einnahme von Betäubungsmitteln kommt eine Wiedererlangung der Kraftfahreignung regelmäßig erst nach dem Nachweis einer einjährigen Abstinenz (vgl. Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV sowie Nr. 3.14.1 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung) und der Durchführung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (vgl. § 14 Abs. 2 FeV) in Betracht.

Besondere Umstände, die es im Fall des Antragstellers rechtfertigten, eine Abweichung vom Regelfall im Sinne der Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV anzunehmen, sind auch unter Berücksichtigung der vorgetragenen familiären und beruflichen Einbindung des Antragstellers nicht erkennbar.

Bei feststehender Ungeeignetheit unterbleibt gemäß § 11 Abs. 7 FeV die Anordnung eines Gutachtens und die Fahrerlaubnis ist zwingend zu entziehen; ein Ermessen steht dem Antragsgegner nicht zu. Die vom Antragsteller geforderte weitere Prüfung (Haaranalyse, medizinisches Gutachten) kommt daher aus Rechtsgründen nicht in Betracht. Gleiches gilt mit Blick auf den Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens mit Schriftsatz vom 22. Januar 2018, für das bei der gebotenen summarischen Prüfung im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes kein Raum bleibt. Es bleibt ihm unbenommen, in einem späteren Wiedererteilungsverfahren seine wiedergewonnene Kraftfahreignung durch den erforderlichen Abstinenznachweis sowie eine medizinisch-psychologische Untersuchung zu führen, die zwingend vorgeschrieben ist (vgl. § 14 Abs. 2 FeV).

Die in Ziffer 2 der Ordnungsverfügung vom 23. Oktober 2017 enthaltene deklaratorische Aufforderung zur Abgabe des Führerscheins (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG) begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

Angesichts der Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügung insoweit überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers nicht. Dass sein Interesse, die Fahrerlaubnis wenigstens bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens nutzen zu können, aus anderen Gründen Vorrang gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug der Entziehungsverfügung genießt, ist nicht festzustellen. Zwar kann die Fahrerlaubnisentziehung die persönliche Lebensführung und damit die Wahrnehmung grundrechtlicher Freiheiten des Erlaubnisinhabers gravierend beeinflussen und im Einzelfall bis zur Vernichtung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage reichen. Die mit der Entziehung der Fahrerlaubnis verbundenen persönlichen und beruflichen Schwierigkeiten muss der Antragsteller als Betroffener jedoch angesichts des von fahrungeeigneten Verkehrsteilnehmern ausgehenden besonderen Risikos für die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs und des aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ableitbaren Auftrags zum Schutz vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben hinnehmen.

So auch: OVG NRW, Beschluss vom 13. Februar 2015 – 16 B 74/15 -, juris m. w. N.

Eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage 7 K 11522/17 gegen die in Ziffer 3 der Ordnungsverfügung vom 23. Oktober 2017 enthaltene Zwangsgeldandrohung kommt ebenfalls nicht in Betracht, da sich diese im Rahmen der summarischen Überprüfung voraussichtlich als rechtmäßig erweist. Sie entspricht den Anforderungen von §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 60, 63 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

2. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 und 2 des Gerichtskostengesetzes. Der Streitwert eines Klageverfahrens, das die Entziehung einer Fahrerlaubnis betrifft, ist ungeachtet der im Streit stehenden Fahrerlaubnisklassen, nach dem Auffangwert zu bemessen. Dieser ist im vorliegenden Eilverfahren zu halbieren.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4. Mai 2009 – 16 E 550/09 – juris.

 

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