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Fahrerlaubnisentziehung wegen Altersdemenz und Nichtbeibringung eines Gutachtens

VG Gelsenkirchen – Az.: 9 K 978/17 – Urteil vom 14.11.2017

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert wird auf 5.129,45 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die am 14. November 1931 geborene Klägerin wendet sich gegen die Entziehung ihrer Fahrerlaubnis.

Im März 2014 regte das Polizeipräsidium F. bei der Beklagten an, die Eignung und Befähigung der Klägerin zum Führen von Kraftfahrzeugen zu überprüfen, weil sie nach Zeugenaussagen am 26. März 2014 in der E.-straße in F. -T. einen Unfall verursacht, diesen selbst aber nicht bemerkt habe. Bei der Unfallaufnahme durch die Polizei habe ihr Auto diverse Unfallspuren aufgewiesen, die sie sich nicht habe erklären können.

Der daraufhin ergangenen Aufforderung, bei der Fahrerlaubnisbehörde vorzusprechen, kam die Klägerin fristgemäß nach. Der zuständige Mitarbeiter vermerkte: Sie habe sehr aufmerksam und konzentriert gewirkt. Körperliche oder geistige Beeinträchtigungen seien nicht erkennbar gewesen. Ihr sei mitgeteilt worden, dass weitere Maßnahmen nicht erfolgen würden.

Fahrerlaubnisentziehung wegen Altersdemenz und Nichtbeibringung eines Gutachtens
(Symbolfoto: SpeedKingz/Shutterstock.com)

Im Januar 2016 regte das Polizeipräsidium F. erneut die Überprüfung der Kraftfahreignung der Klägerin an. Sie habe nach Zeugenaussagen am 23. Januar 2016 am J. Tor in F. einen Unfall verursacht und sich danach vom Unfallort entfernt. Das dabei geführte Fahrzeug, ein Opel Agila mit dem Kennzeichen -209, habe rundherum diverse Unfallbeschädigungen aufgewiesen, teilweise mehrere übereinander. Die Klägerin habe erklärt, diese seien durch andere verursacht worden. Die Spurenlage, insbesondere der Zustand der Stoßstangen, habe aber den Schluss zugelassen, dass die Klägerin nicht in der Lage sei, das Fahrzeug sicher zu führen.

Die Fahrerlaubnisbehörde forderte die Klägerin daraufhin zwei Mal auf, bei ihr vorzusprechen. Der zweiten Aufforderung kam die Klägerin am 22. Februar 2016 nach. Der zuständige Mitarbeiter vermerkte: Körperliche Beeinträchtigungen der Klägerin seien nicht erkennbar gewesen. Sie habe aber psychisch auffällig gewirkt und angegeben, dass eine Betreuung beantragt worden sei. Nähere Angaben habe sie nicht gemacht. Ihr sei ein Fragebogen für ihren Hausarzt ausgehändigt worden mit der Aufforderung, diesen bis zum 14. März 2016 zurückzusenden.

Am 14. März 2016 brachte die Klägerin den Fragebogen unvollständig ausgefüllt – insbesondere ohne Angaben zu psychischen Auffälligkeiten und zu Beeinträchtigungen der Kraftfahreignung – zurück. Der zuständige Mitarbeiter vermerkte, bei dieser Vorsprache habe sich sein Eindruck einer psychischen Auffälligkeit bestätigt, zumal die Klägerin sich nicht daran habe erinnern können, dass sie vor ca. drei Wochen schon einmal vorgesprochen habe.

Mit Schreiben vom 30. März 2016 wurde die Klägerin aufgefordert, den – nochmals beigefügten – Fragebogen von ihrem Hausarzt bis zum 13. April 2016 vollständig ausfüllen und unterschreiben zu lassen.

Nach ergebnislosem Fristablauf vermerkte der zuständige Mitarbeiter am 10. Juni 2016: Bei nochmaliger Prüfung des Sachverhalts reiche dieser nicht aus, um ein Facharztgutachten anzuordnen. Objektive Nachweise über eine psychische oder neurologische Erkrankung lägen nicht vor. Es sei zurzeit nichts weiter zu veranlassen.

Im August 2016 bat das Polizeipräsidium F. erneut um Überprüfung der Eignung und Befähigung der Klägerin zum Führen von Kraftfahrzeugen. Dabei teilte es folgenden Sachverhalt mit: Am 18. August 2016 habe sich ein Zeuge auf der Polizeiwache F. -T. gemeldet, nachdem er die Klägerin verwirrt im Parkhaus L. -P. -Q. 5 angetroffen habe, wo sie ihren PKW gesucht habe. Der Zeuge habe sie nach dem Kennzeichen gefragt und festgestellt, dass ihr Pkw unmittelbar neben seinem abgestellt gewesen sei. Er habe außerdem den Parkschein der Klägerin bezahlt und beide seien zur gleichen Zeit aus dem Parkhaus herausgefahren. Dabei habe der Zeuge festgestellt, dass die Klägerin offensichtlich nicht in der Lage gewesen sei, ihren PKW mit dem Kennzeichen -209 sicher zu führen. Die Kreuzung H.-straße /J. Tor habe sie ungebremst bei Rotlicht überfahren. Da zu dieser Zeit kein Querverkehr geherrscht habe, sei es zu keinem Unfall gekommen. Auf der Polizeiwache F. -T. sei die Klägerin bekannt. Sie erscheine dort seit mehreren Jahren, um „vollkommen wirre Sachverhalte“ zur Anzeige zu bringen. Die Dienststelle habe deswegen allerdings bisher keine Veranlassung gesehen, die Kraftfahreignung der Klägerin überprüfen zu lassen, weil diese stets zu Fuß erschienen sei.

Mit Schreiben vom 31. August 2016, der Klägerin zugestellt am 6. September 2016, forderte die Beklagte die Klägerin auf, innerhalb von zwei Monaten ab Zustellung ein Gutachten eines Arztes in einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung ihrer Wahl vorzulegen. Dazu sei erforderlich, dass sie schriftlich ihr Einverständnis gebe und die beigefügte Erklärung umgehend zurücksende. Die an die Gutachterstelle zu übersendenden Unterlagen könnten zuvor eingesehen werden. Der Gutachter solle zu folgender Frage Stellung nehmen: „Kann die Untersuchte trotz der festgestellten psychischen Auffälligkeiten (Demenz) ein Kraftfahrzeug der Klassen A1, B, C1E sicher führen?“. Wenn das Gutachten nicht fristgerecht vorgelegt werde, sei gemäß § 11 Abs. 8 FeV auf einen Eignungsmangel zu schließen und die Fahrerlaubnis umgehend zu entziehen.

Am 8. September 2016 sprach die Klägerin bei der Beklagten vor. Ausweislich eines Vermerks des zuständigen Mitarbeiters machte sie dabei „verwirrte Angaben“, nämlich unter anderem: Deutschland sei eine „stille Diktatur“. Sie sei noch nach preußischem Recht erzogen worden. Zwei Wochen sei sie in der Psychiatrie gewesen, aber nur wegen der leeren Betten dort. Sie sei fahrtauglich. Man wolle sie „bloß wegbringen“.

Im Oktober 2016 teilte das Polizeipräsidium F. der Beklagten folgenden Sachverhalt mit: Am 26. Oktober 2016 sei die Klägerin als Verursacherin eines Verkehrsunfalls mit Sachschaden auf der C. M.-straße in F. angetroffen worden. Im Rahmen der Unfallaufnahme habe sie sehr fahrig und „unangebracht uneinsichtig“ gewirkt. Obwohl ein Schaden sichtbar vorhanden gewesen sei, habe sie diesen offenbar nicht wahrgenommen oder nicht wahrnehmen wollen. Zudem sei sie den einfachsten Fragen hinsichtlich des Unfallhergangs mehrfach ausgewichen und/oder habe erheblich zeitverzögert geantwortet. Des Weiteren sei festgestellt worden, dass das Fahrzeug der Klägerin, dass nach deren Angaben ausschließlich durch sie geführt werde, rundherum unfallbeschädigt gewesen sei in einer Weise, die auf Ein- und Ausparkunfälle jüngeren Datums schließen lasse. Auf Nachfrage habe die Klägerin angegeben, dass es sich durchweg um alte Schäden handele, die noch zu Lebzeiten ihres vor vier Jahren verstorbenen Mannes passiert seien. Ferner habe sie während der Unfallaufnahme unabhängig von den gestellten Fragen wiederholt den Umstand erwähnt, dass sie früher bei der Polizei gearbeitet habe und Einblicke in das Leben mit ihrem Ehemann gegeben. Dabei habe sie mehrfach den Eindruck gemacht, sich an das zuvor gesagte nicht mehr zu erinnern. Der aufnehmende Beamte habe den Eindruck gewonnen, dass die Klägerin zeitlich desorientiert sei und teilweise erhebliche Erinnerungslücken habe. Ihre Kraftfahreignung sei ihm fraglich erschienen.

Mit Schreiben vom 8. November 2016 hörte die Beklagte die Klägerin zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis an. Innerhalb der eingeräumten Frist zur Stellungnahme teilte die Klägerin durch persönliche Vorsprache mit: Sie fühle sich schikaniert. Im Frühjahr habe sie ihren Kopf röntgen lassen und das Ergebnis dem Amtsgericht F. zukommen lassen. Sie fühle sich kraftfahrgeeignet.

Mit Ordnungsverfügung vom 23. November 2016 entzog die Beklagte der Klägerin die Fahrerlaubnis und forderte sie auf, den Führerschein nach Rechtskraft bei ihr abzugeben.

Zur Begründung wird insbesondere ausgeführt: Aufgrund der vom Polizeipräsidium F. mitgeteilten Sachverhalte und der Einlassungen der Klägerin gegenüber der Fahrerlaubnisbehörde seien erhebliche Zweifel an ihrer Kraftfahreignung entstanden. Sie sei deshalb zur Vorlage eines medizinischen Gutachtens aufgefordert worden, dass sie nicht beigebracht habe. Damit sei davon auszugehen, dass sie nicht bereit sei, an der Prüfung ihrer Kraftfahreignung mitzuwirken. Daraus sei zu schließen, dass sie eignungsrelevante bzw. eignungsausschließende Mängel verbergen wolle und schon deshalb kraftfahrungeeignet sei.

Der Bescheid ist mit einer – auf die Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOStV) gestützten – Gebührenfestsetzung i.H.v. 129,45 EUR verbunden (125 EUR für die Entziehung der Fahrerlaubnis nach Gebühren-Nr. 206, 1,00 EUR für die Meldung an das Zentrale Fahrerlaubnisregister nach Gebühren-Nr. 126.2 und Auslagen für die Zustellung in Höhe von 3,45 EUR).

Ausweislich der im Verwaltungsvorgang enthaltenen Postzustellungsurkunde wurde der Bescheid der Klägerin am 29. November 2016 zugestellt.

Am 1. Dezember 2016 erschien die Klägerin daraufhin – wie sich aus einem Vermerk des zuständigen Mitarbeiters ergibt – bei der Fahrerlaubnisbehörde und überreichte einen Briefumschlag, der einen kleinen Zettel mit der Aufschrift „Alles Gute!“ sowie zwei Geldscheine (50 EUR und 20 EUR) enthielt.

Mit Schreiben vom 13. Januar 2017 teilte die Beklagte der Klägerin mit, die Entziehungsverfügung sei nunmehr bestandskräftig, und forderte sie auf, ihren Führerschein bis zum 27. Januar 2017 abzuliefern.

Daraufhin sprach die Klägerin am 20. Januar 2017 bei der Fahrerlaubnisbehörde vor. Ausweislich der im Verwaltungsvorgang enthaltenen Niederschrift wurde dabei ihr Führerschein zur Akte genommen und der am 1. Dezember 2016 überreichte Briefumschlag an sie zurückgegeben.

Am 30. Januar 2017 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie trägt vor: Sie habe seit 45 Jahren einen Führerschein und sei stets unfallfrei gefahren. Am 20. Januar 2017 habe sie ihren Führerschein beim Bürgeramt F. -T. vorgezeigt. Dabei sei er zu ihrer Verwunderung auf unbestimmte Zeit – bzw. wie ihr gesagt worden sei „für immer“ – beschlagnahmt worden. Eine Ordnungswidrigkeit liege nicht vor, auch kein Bußgeldbescheid oder ein Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung. Die Beschlagnahme sei auch weder im Rahmen einer Polizeikontrolle erfolgt noch liege ein Gerichtsbeschluss vor. Die Fahrerlaubnisbehörde habe ihr den Führerschein ohne Angabe von Gründen entzogen und ihr nicht die Gelegenheit gegeben, ihre Fahreignung durch einen Eignungstest unter Beweis zu stellen. Gegen das Verhalten der Fahrerlaubnisbehörde lege sie „Widerspruch“ ein. Sie habe die Fahrerlaubnisbehörde bereits ergebnislos gebeten, ihr den Führerschein zurückzugeben. Nun bitte sie das Verwaltungsgericht um Unterstützung.

Die Klägerin beantragt sinngemäß: die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 23. November 2016 aufzuheben und ihr ihren Führerschein wieder auszuhändigen.

Die Beklagte beantragt: die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor: Die Klage sei bereits unzulässig, nämlich verfristet. Der angegriffene Bescheid sei seit dem 30. Dezember 2016 bestandskräftig. Die Klage sei außerdem unbegründet. Die Fahrerlaubnis sei der Klägerin nach § 3 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c StVG und § 46 Abs. 1 FeV zwingend zu entziehen gewesen. Da die Klägerin das nach § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 FeV angeordnete Gutachten nicht fristgerecht beigebracht habe, sei nach § 11 Abs. 8 FeV von ihrer Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen auszugehen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Einzelrichterin ist zuständig, nachdem ihr der Rechtsstreit mit Beschluss der Kammer vom 11. Oktober 2017 zur Entscheidung übertragen worden ist, § 6 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Klage ist bereits unzulässig, weil die Klägerin die Klagefrist versäumt hat.

Nach § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts zu erheben. Die mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehene Ordnungsverfügung vom 23. November 2016 ist der Klägerin am 29. November 2016 durch Einlegen in den zu ihrer Wohnung gehörenden Briefkasten zugestellt und damit bekannt gemacht worden. Damit begann die Monatsfrist gemäß § 57 Abs. 1 und 2 VwGO, § 222 Zivilprozessordnung (ZPO), § 187 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) am Mittwoch, den 30. November 2016, und endete gemäß § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 ZPO, § 188 Abs. 2 BGB am Donnerstag, den 29. Dezember 2016. Bei Eingang der Klage am 30. Januar 2017 war sie abgelaufen.

Gründe, die dafür sprechen könnten, dass die Klägerin nach § 60 VwGO Anspruch auf eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand haben könnte, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Im Übrigen verhülfe dies der Klage auch nicht zum Erfolg, denn sie ist außerdem unbegründet.

Die Klage ist unbegründet, weil die angegriffene Ordnungsverfügung rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in deren Rechten verletzt (§ 113 Absatz 1 S. 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist § 3 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c) Straßenverkehrsgesetz (StVG) und § 46 Abs. 1 Fahrerlaubnisverordnung (FeV). Danach ist die Fahrerlaubnisbehörde verpflichtet, eine Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn der Inhaber sich als zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet erweist.

Die Klägerin hat sich im Sinne dieser Vorschrift als ungeeignet erwiesen, weil die Beklagte gemäß §§ 3 Abs. 2, 46 Abs. 3 i.V.m. § 11 Abs. 8 FeV zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung auf die Ungeeignetheit der Klägerin schließen durfte.

Nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV darf die Straßenverkehrsbehörde auf die Ungeeignetheit des Betroffenen schließen, wenn er ein – rechtmäßig – gefordertes Gutachten nicht oder nicht fristgerecht beibringt. Auf diese Rechtsfolge ist der Betroffene gemäß § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV bei Anordnung des Gutachtens hinzuweisen.

Die Beklagte hat die Klägerin mit Schreiben vom 31. August 2016 aufgefordert worden, innerhalb von zwei Monaten nach Zugang ein Gutachten eines Arztes in einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung zu der Frage vorzulegen, ob sie trotz der festgestellten psychischen Auffälligkeiten (Demenz) ein Kraftfahrzeug der Klassen A1, B, C1E sicher führen könne. Dieser Aufforderung ist die Klägerin nicht nachgekommen. Auf die Rechtsfolge des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV ist sie im Aufforderungsschreiben hingewiesen worden.

Die Aufforderung, ein ärztliches Gutachten vorzulegen, war auch rechtmäßig. Insbesondere genügte sie den Anforderungen des § 11 Abs. 2 FeV.

Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 FeV setzt die Anordnung eines ärztlichen Gutachtens voraus, dass Tatsachen bekannt werden, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung des Fahrerlaubnisinhabers begründen. Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung des Fahrerlaubnisinhabers bestehen gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 FeV insbesondere dann, wenn Tatsachen bekannt werden, die auf eine Erkrankung oder einen Mangel nach der Anlage 4 zur FeV hinweisen. Nach Ziffer 7.3 der Anlage 4 zur FeV zählt zu derartigen Krankheiten auch die als psychische Störung eingeordnete schwere Altersdemenz.

Im Fall der Klägerin lagen bei Anordnung der Begutachtung aufgrund der vom Polizeipräsidium F1. im März 2014, Januar 2016 und März 2016 mitgeteilten Sachverhalte sowie aufgrund ihrer Einlassungen gegenüber der Fahrerlaubnisbehörde konkrete Hinweise vor, die auf einen solchen Mangel hindeuteten. Nach den Mitteilungen des Polizeipräsidiums ist die Klägern der Polizeiwache F1. -T1. bereits seit mehreren Jahren bekannt, weil sie dort „wirre Sachverhalte“ zur Anzeige bringt. Ferner hatte sie im März 2014 und im Januar 2016 Unfälle verursacht, ohne dies selbst zu bemerken (der Vorfall vom 26. Oktober 2016 war im Zeitpunkt der Gutachtenanordnung noch nicht bekannt), und – einer schlüssigen und nachvollziehbaren Zeugenaussage zufolge – im August 2016 zunächst in einem verwirrten Zustand ihren Pkw gesucht und anschließend die Verkehrssituation nicht richtig eingeschätzt, indem sie ein Rotlicht überfahren hat, das sie – nach ihrer Einlassung in der mündlichen Verhandlung für defekt hielt. Auch auf den zuständigen Mitarbeiter der Fahrerlaubnisbehörde machte sie einen verwirrten Eindruck unter anderem, weil sie sich an eine vorangegangene Vorsprache nicht mehr erinnern konnte. Diese Umstände sprachen jedenfalls in der Gesamtschau dafür, dass die Klägerin in ihrer Wahrnehmung und ihren kognitiven Fähigkeiten in einer Weise beeinträchtigt war, die eine Demenzerkrankung nahelegten und Bedenken an ihrer Kraftfahreignung begründeten.

Da für die Anordnung eines ärztlichen Gutachtens nach § 11 Abs. 2 FeV bloße Bedenken ausreichen, war die Beklagte nicht gehalten, den Sachverhalt vor Anordnung des Gutachtens noch weiter aufzuklären. Das geforderte Gutachten diente dazu, eine Demenzerkrankung und gegebenenfalls ihr Ausmaß sowie ihren Einfluss auf die Kraftfahreignung der Klägerin festzustellen.

Die Gutachtenanordnung war auch verhältnismäßig, insbesondere angemessen. In Anbetracht der Gefahren, die durch nicht geeignete Kraftfahrer im Straßenverkehr entstehen können, steht die Beeinträchtigung der Klägerin durch die Begutachtung auch unter Berücksichtigung des zeitlichen Aufwands und der Kostenlast ersichtlich nicht außer Verhältnis.

Ermessensfehler bei der Anordnung des Gutachtens sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist angesichts der tatsächlichen Anhaltspunkte für die Bedenken gegen die Kraftfahreignung der Klägerin nicht, wie sie meint, davon auszugehen, dass sie durch die Maßnahme habe schikaniert werden sollen.

Die in der Ordnungsverfügung enthaltene deklaratorische Aufforderung zur Abgabe des Führerscheins (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG) begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

Auch die Gebührenfestsetzung ist nicht zu beanstanden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, § 711 Zivilprozessordnung.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1, 2 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG). Dabei setzt die Kammer in Anlehnung an die Streitwertpraxis des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 4. Mai 2009 – 16 E 550/09 -,juris Rn. 2, in Hauptsacheverfahren, die die Entziehung der Fahrerlaubnis betreffen, den Auffangwert an (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG). Die festgesetzte Verwaltungsgebühr ist mit ihrer Höhe zu berücksichtigen (§ 52 Abs. 3 GKG).

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