Gericht bestätigt Führerscheinentzug wegen Kokainkonsums
Das Führen eines Kraftfahrzeugs stellt eine große Verantwortung dar, daher müssen Fahrzeugführer bestimmte rechtliche Vorgaben erfüllen. Insbesondere der Konsum illegaler Drogen kann zum Verlust der Fahrerlaubnis führen, da die psychischen und physischen Voraussetzungen zum sicheren Führen eines Autos nicht mehr gegeben sind. Ob und unter welchen Umständen eine Entziehung der Fahrerlaubnis rechtmäßig ist, hängt von den Einzelfallumständen ab. Nachfolgend wird ein konkreter Fall dazu beleuchtet, in dem es um den Konsum von Kokain und die Verwertung einer Verteidigererklärung ging.
Übersicht
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✔ Das Wichtigste in Kürze
- Die Entziehung der Fahrerlaubnis des Klägers wegen Kokainkonsums war rechtmäßig.
- Die Erklärung des Verteidigers über den Drogenkonsum des Mandanten kann als Beweismittel verwertet werden.
- Ein einmaliger Konsum harter Drogen wie Kokain führt in der Regel zur Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen.
- Die Annahme der Nichteignung setzt nicht zwingend ein Eigen-Geständnis des Betroffenen voraus. Beweismittel reichen aus.
- Im Fall des Klägers lagen keine Umstände vor, von der Regelvermutung der Nichteignung abzuweichen.
- Zur Überzeugung der Behörde von der Nichteignung bedarf es keiner aufwändigen Begutachtung, wenn ausreichende Beweismittel vorliegen.
- Ein ausreichender Nachweis der Abstinenz durch den Kläger wurde nicht erbracht.
➜ Der Fall im Detail
Fahrerlaubnisentziehung wegen Kokainkonsums
In dem vorliegenden Fall verhandelt das Verwaltungsgericht Karlsruhe die Rechtmäßigkeit der Fahrerlaubnisentziehung eines Mannes, der im Verdacht stand, Kokain konsumiert zu haben. Der Fall geht auf polizeiliche Ermittlungen zurück, bei denen Chatverläufe auf dem Mobiltelefon des Klägers gefunden wurden, die auf den Erwerb und Konsum von Kokain hindeuteten. Die Fahrerlaubnisbehörde entzog dem Kläger daraufhin die Fahrerlaubnis, da der Konsum harter Drogen in der Regel zu einer Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen führt.
Verwertung der Verteidigererklärung im Fahrerlaubnisentziehungsverfahren
Im Kern des Rechtsstreits steht die Frage, ob die Aussage des Verteidigers im Strafverfahren, in der dieser den Kokainkonsum seines Mandanten einräumte, im Fahrerlaubnisentziehungsverfahren verwertet werden darf. Der Kläger argumentierte, dass die Erklärung des Verteidigers nicht seinen eigenen Angaben gleichzusetzen sei und er an diese nicht gebunden sei.
Entscheidung des Gerichts: Entziehung der Fahrerlaubnis rechtmäßig
Das Verwaltungsgericht Karlsruhe wies die Klage des Klägers ab und bestätigte die Rechtmäßigkeit der Fahrerlaubnisentziehung. Das Gericht argumentierte, dass die Verteidigererklärung als Beweismittel verwertet werden könne, da sie im Zusammenhang mit den Chatverläufen ein klares Bild des Kokainkonsums zeichne.
Begründung des Gerichts: Schutz der Allgemeinheit vor Gefahren im Straßenverkehr
Das Gericht betonte den präventiven Charakter des Fahrerlaubnisrechts, welches dem Schutz der Allgemeinheit vor Gefahren im Straßenverkehr dient. Da der Kläger den Kokainkonsum nicht glaubhaft widerlegen konnte und auch keinen Nachweis der Abstinenz erbrachte, sah das Gericht die Fahrerlaubnisentziehung als verhältnismäßig an. Weder die Gefährdung der beruflichen Existenz noch die fehlende Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens rechtfertigten eine andere Entscheidung.
✔ Häufige Fragen – FAQ
Welche Rolle spielt der Drogenkonsum bei der Fahrerlaubnisentziehung?
Der Drogenkonsum spielt eine zentrale Rolle bei der Fahrerlaubnisentziehung nach deutschem Recht. Die gesetzlichen Grundlagen finden sich im Strafgesetzbuch (§ 316 StGB), der Fahrerlaubnis-Verordnung und den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung.
Deutschland verfolgt eine Null-Toleranz-Politik gegenüber Drogen im Straßenverkehr. Bereits der Nachweis geringster Mengen illegaler Substanzen im Blut kann zu rechtlichen Konsequenzen wie Geldstrafen, Fahrverboten und der Entziehung der Fahrerlaubnis führen.
Bei harten Drogen wie Kokain, Heroin oder Amphetaminen gehen die Behörden generell davon aus, dass die Fahreignung entfällt. Ein einmaliger Konsum führt in der Regel zur Fahrerlaubnisentziehung. Für eine Neuerteilung ist dann eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) erforderlich, bei der die Abstinenz nachgewiesen werden muss.
Bei Cannabis erfolgt eine etwas differenziertere Betrachtung des Konsummusters und der individuellen Fahrtüchtigkeit. Gelegentlicher Konsum ohne Bezug zur Verkehrsteilnahme führt nicht zwangsläufig zur Entziehung. Entscheidend sind konkrete Auffälligkeiten oder Fehlleistungen im Straßenverkehr, die auf eine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit hinweisen.
Insgesamt zeigt sich, dass der Drogenkonsum im deutschen Recht sehr restriktiv gehandhabt wird, wenn es um die Fahrerlaubnis geht. Die Behörden gehen von einer erheblichen Gefährdung für andere Verkehrsteilnehmer aus und ziehen harte Konsequenzen.
In welchen Fällen kann eine Verteidigererklärung im Verwaltungsverfahren genutzt werden?
Eine Verteidigererklärung aus einem Strafverfahren kann unter bestimmten Voraussitzungen von der Fahrerlaubnisbehörde im Verwaltungsverfahren zur Fahrerlaubnisentziehung verwertet und herangezogen werden.
Obwohl es sich bei einer Verteidigererklärung grundsätzlich um eine Prozesserklärung des Verteidigers handelt und nicht um eine Einlassung des Beschuldigten selbst, kann sie dennoch relevante Informationen über das Verhalten und die Fahreignung der Person enthalten.
Die Behörden müssen dabei jedoch sorgfältig abwägen und das Recht des Betroffenen auf rechtliches Gehör wahren. Eine Verteidigererklärung darf nur dann verwertet werden, wenn der Betroffene ausreichend Gelegenheit hatte, selbst dazu Stellung zu nehmen oder die Erklärung ausdrücklich zu bestätigen.
Insgesamt zeigt sich, dass Verteidigererklärungen aus Strafverfahren zwar keine unmittelbaren Einlassungen des Betroffenen sind, die Fahrerlaubnisbehörden sie aber im Rahmen ihres Ermessens berücksichtigen können. Dabei müssen sie jedoch die Rechte des Betroffenen auf rechtliches Gehör und Mitwirkung wahren.
Die Verwertung solcher Erklärungen ist möglich, um die Allgemeinheit vor Gefahren durch potentiell ungeeignete Kraftfahrer zu schützen, was im öffentlichen Interesse einer sicheren Straßenverkehrsordnung liegt.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- § 3 Abs. 1 StVG i.V.m. § 46 FeV: Das Landratsamt hat die Fahrerlaubnis entzogen, weil der Fahrerlaubnisinhaber sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat. Diese gesetzliche Regelung erlaubt die Entziehung der Fahrerlaubnis, wenn Tatsachen die Ungeeignetheit des Inhabers belegen, wie hier der nachgewiesene Drogenkonsum.
- Anlage 4 zur FeV, Ziffer 9.1: Legt fest, dass die Einnahme von Betäubungsmitteln wie Kokain die Fahreignung regelmäßig ausschließt. Dies ist relevant, da der Kläger Kokain konsumiert hat, und dient als Grundlage für die Entscheidung der Fahrerlaubnisbehörde.
- § 3 Abs. 2 StVG i.V.m. § 47 Abs. 1 FeV: Regelt die Abgabe des Führerscheins nach Entzug der Fahrerlaubnis. Das Landratsamt forderte den Kläger auf, seinen Führerschein abzugeben, was auf dieser Grundlage erfolgte.
- § 1 Abs. 1 BtMG i.V.m. Anlage III zum BtMG, § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG, § 53 StGB: Diese Regelungen betreffen den strafrechtlichen Aspekt des Besitzes und Erwerbs von Betäubungsmitteln. Der Kläger wurde strafrechtlich wegen des Erwerbs von Kokain in mehreren Fällen schuldig gesprochen, was die Entscheidung zur Fahrerlaubnisentziehung beeinflusst hat.
- Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Übernahme von Einlassungen im Strafverfahren in verwaltungsrechtliche Verfahren: Relevant für den Widerspruch des Klägers gegen die Fahrerlaubnisentziehung. Der Kläger argumentiert, dass seine Verteidigererklärung nicht als eigene Erklärung gelten sollte und daher nicht für die Entziehung verwendet werden dürfe.
Diese gesetzlichen und richterlichen Bestimmungen sind zentral für das Verständnis der rechtlichen Grundlagen, die zur Abweisung der Klage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis führten.
Das vorliegende Urteil
VG Karlsruhe – Az.: 4 K 4372/22 – Urteil vom 18.01.2024
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis.
Dem im Jahr 1995 geborenen Kläger wurde im April 2013 die Fahrerlaubnis der Klasse B erteilt.
Mit Schreiben vom 20. Juli 2022 informierte das Polizeipräsidium Karlsruhe das Landratsamt Karlsruhe darüber, dass bei einer Mobilfunkauswertung auf dem Mobiltelefon des Klägers diverse Chatverläufe festgestellt worden seien, aus welchen hervorgehe, dass der Kläger im Zeitraum vom 27. März 2021 bis 1. Dezember 2021 insgesamt ca. 10,5 Gramm Kokain zum Preis von ca. 840 Euro erworben und offensichtlich auch selbst konsumiert habe. Aufgrund der Menge sei davon auszugehen, dass der Kläger einen unerlaubten Handel mit Betäubungsmitteln betreibe. Im Rahmen der am 7. Juli 2022 durchgeführten Durchsuchung in der Wohnung des Klägers seien jedoch keine neuen Ermittlungsansätze gewonnen und der Tatverdacht des Handeltreibens sei nicht untermauert worden. Das Verfahren werde an die Staatsanwaltschaft Karlsruhe abgegeben.
Mit Schreiben vom 11. August 2022 gab der Prozessbevollmächtigte des Klägers gegenüber der Staatsanwaltschaft Karlsruhe folgende Verteidigererklärung ab:
„Wie aus der Chatkorrespondenz erkennbar ist, handelt es sich vorliegend um die Versorgung und den Konsum jeweils zum Eigenbedarf. Aufgrund der im Chat genannten Preise und der Umstände des Erwerbs ist davon auszugehen, dass es sich hier um gestreckte Betäubungsmittel von eher minderer Qualität bzw. geringem Wirkstoffgehalt handelte. Mein Mandant gibt hierzu an, dass er seinerzeit bei XXX gearbeitet hatte. Das Arbeitsverhältnis verlief völlig unbefriedigend. Der vom Arbeitgeber ausgeübte Druck war für meinen Mandanten deutlich zu hoch. Das Arbeitsverhältnis wurde deshalb zum 31.12.2021 mit Aufhebungsvertrag beendet. Auch wenn mein Mandant dann bis zum 30.06.2022, mit Ausnahme einer 1½-monatigen Übergangsstelle, arbeitssuchend war, hat sich die Lebenssituation deutlich verbessert. Noch vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei XXX hat er den Konsum vollständig eingestellt. Bei der Durchsuchung wurden keine auf einen Konsum hindeutenden Gegenstände gefunden. Herr XXX befindet sich in einer gefestigten Lebenslage. Er ist verheiratet und seit 01.07.2022 in einem festen Arbeitsverhältnis im kaufmännischen Versand. Er erzielt ein Nettoeinkommen von durchschnittlich € 2.100. Schulden gibt es keine. Wegen der weiteren Vorgehensweise hält die Verteidigung ein Rechtsgespräch für sinnvoll. Eine fernmündliche Kontaktaufnahme durch den Unterzeichner wird angekündigt.“
Mit Schreiben vom 26. August 2022 hörte das Landratsamt Karlsruhe den Kläger zu der beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis wegen des Konsums von Kokain an. Der Kläger führte hierzu mit E-Mail vom 8. September 2022 aus, „die Anschuldigungen“ lägen mittlerweile über neun Monate zurück. Er habe seit dem 1. Juli 2022 wieder einen neuen Job, dessen Ausübung ohne Führerschein nicht möglich sei. Im Falle der Entziehung der Fahrerlaubnis müsse er wieder auf Jobsuche und damit einen großen Schritt zurück gehen. Er sei jederzeit bereit, einen Nachweis über seine Abstinenz vorzulegen.
Mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 8. September 2022 (Az.: XXX) verurteilte das Amtsgericht Ettlingen den Kläger wegen vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in sechs Fällen (am 27. März 2021 Erwerb von zwei Gramm Kokain, am 22. Oktober 2021 Erwerb von zwei Gramm Kokain, am 27. Oktober 2021 Erwerb von einem Gramm Kokain, am 19. November 2021 Erwerb von 1,5 Gramm Kokain, am 22. November 2021 Erwerb von zwei Gramm Kokain und am 1. Dezember 2021 Erwerb von zwei Gramm Kokain) gemäß § 1 Abs. 1 BtMG i.V.m. Anlage III zum BtMG, § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG, § 53 StGB zu einer Gesamtgeldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen zu je 50 Euro.
Mit Bescheid vom 13. September 2022 entzog das Landratsamt Karlsruhe dem Kläger die Fahrerlaubnis für alle ihm erteilten Klassen (Nr. 1), forderte ihn auf, seinen Führerschein innerhalb einer Woche nach Zustellung der Entscheidung beim Landratsamt Karlsruhe abzugeben (Nr. 2), ordnete die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 des Bescheids an (Nr. 3) und drohte die Wegnahme des Führerscheins an, sollte dieser nicht binnen einer Woche abgegeben werden (Nr. 4). Zur Begründung der Entscheidung in Nr. 1 führte es im Wesentlichen aus, dass die Fahrerlaubnis gemäß § 3 Abs. 1 StVG i.V.m. § 46 FeV zu entziehen sei, wenn der Inhaber sich als ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeuges erweise. Vorliegend habe der Kläger nach den Feststellungen der Polizei und der Erklärung seines Verteidigers zwischen dem 27. März 2021 und dem 1. Dezember 2021 insgesamt 10,5 Gramm Kokain zum Eigenbedarf erworben. Noch vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Aldi zum 31. Dezember 2021 habe der Kläger den Konsum von Kokain vollständig eingestellt. Nach Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur FeV sei ein Fahrerlaubnisinhaber, der Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (hier Kokain) konsumiere, regelmäßig ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, weshalb die Fahrerlaubnisbehörde bei Vorliegen dieses Tatbestandes die Fahrerlaubnis entsprechend § 3 StVG i.V.m. § 46 FeV zu entziehen habe. Im Fall des Klägers seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, von dieser Regelfallbewertung abzusehen. Die Nr. 2 der Entscheidung (Abgabe des Führerscheins) beruhe auf § 3 Abs. 2 StVG i.V.m. § 47 Abs. 1 FeV.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 19. September 2022 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er mit Schreiben vom 27. Oktober 2022 aus, dass sich das Landratsamt offenkundig auf die Verteidigererklärung vom 11. August 2022 stütze. Eine eigene Erklärung des Klägers liege hingegen nicht vor. Die Tatsache, dass er selbst konsumiert haben solle, sei auch nicht objektivierbar. Gegen diese Annahme spreche im Übrigen auch, dass anlässlich der Hausdurchsuchung nichts Verdächtiges gefunden worden sei. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Übernahme der Einlassung eines Beschuldigten im Strafverfahren in das Verfahren der Verwaltungsbehörde beziehe sich auf eigene Angaben des Betroffenen. Dieser habe vorliegend überhaupt keine eigenen Angaben getätigt.
Der Kläger gab ebenfalls am 19. September 2022 seinen Führerschein bei dem Landratsamt Karlsruhe ab.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16. November 2022 stellte das Regierungspräsidium Karlsruhe das Widerspruchsverfahren hinsichtlich der Nr. 4 des Ausgangsbescheids vom 13. September 2022 wegen Erledigung ein und wies den Widerspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Die Fahrerlaubnis sei nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 FeV zu entziehen, wenn sich der Betroffene als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweise. Nach Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur FeV liege bei Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (außer Cannabis) in der Regel keine Kraftfahreignung vor. Bereits der einmalige Konsum sogenannter harter Drogen – hier Kokain – schließe im Regelfall die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen aus, ohne dass es darauf ankomme, ob eine regelmäßige Einnahme von Betäubungsmitteln vorliege oder ein Kraftfahrzeug unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln geführt worden sei. Im Rahmen einer Mobilfunkauswertung des Polizeipräsidiums Karlsruhe sei festgestellt worden, dass der Kläger im Zeitraum vom 27. März 2021 bis 1. Dezember 2021 insgesamt ca. 10,5 Gramm Kokain zum Preis von ca. 840 Euro erworben habe. In der Verteidigererklärung vom 11. August 2022 sei dies im Grundsatz bestätigt und weiterhin erklärt worden, dass es sich um die Versorgung und den Konsum jeweils zum Eigenbedarf gehandelt habe. Demnach liege aufgrund des eingestandenen Kokainkonsums ein Eignungsmangel vor, der die Entziehung der Fahrerlaubnis bedinge. Es werde in diesem Zusammenhang auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 7. April 2014 – 10 S 404/14 – verwiesen. Nach Würdigung der Gesamtumstände sei kein Grund ersichtlich, von der Regelfallvermutung der Nr. 9.1. der Anlage 4 zur FeV abzuweichen. Die Anordnung zur Beibringung entsprechender Eignungsgutachten sei im vorliegenden Fall entbehrlich, da die Nichteignung des Klägers gemäß § 11 Abs. 7 FeV zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde bereits feststehe. Ein ausreichender Abstinenznachweis sei bislang nicht erbracht worden.
Der Kläger hat am 16. Dezember 2022 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er ergänzend und vertiefend vor, von einem bloßen Besitz eines Betäubungsmittels könne grundsätzlich noch nicht auf dessen Konsum geschlossen werden. Unter Verweis auf die Vorschrift des § 11 Abs. 2 Satz 3 FeV könne die Fahrerlaubnisbehörde aufgrund des widerrechtlichen Besitzes die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens anordnen. Auch beim Vorliegen von Tatsachen, die die Annahme begründeten, dass eine Einnahme von Betäubungsmitteln vorliegen könnte, sehe § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV zunächst lediglich eine Anordnungsmöglichkeit der Fahrerlaubnisbehörde vor, dass ein ärztliches Attest beizubringen sei. Umgekehrt setze die Annahme, dass eine Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen gegeben sei, nach der ständigen Rechtsprechung voraus, dass ein Konsum einer sogenannten harten Droge feststehen müsse. Dies sei hier nicht der Fall. Entgegen der rechtlichen Würdigung des Beklagten handele es sich bei einer „Verteidigererklärung“ nicht um eine „Einlassung“ des Beschuldigten. Es handele sich vielmehr um eine Erklärung des Verteidigers. Die „Verteidigererklärung“ könne damit nicht eigenen Angaben des Beschuldigten in Strafverfahren, wie beispielsweise im Rahmen einer Beschuldigtenvernehmung, gleichgesetzt werden. Äußere sich nämlich ein Verteidiger in Form eines Schriftsatzes zur Sache, handele es sich grundsätzlich um eine Prozesserklärung des Verteidigers, die dieser aus eigenem Recht und in eigenem Namen abgebe, und gerade nicht um eine Sacheinlassung des Angeklagten. Dies habe der Bundesgerichtshof beispielsweise mit Urteil vom 11. März 2020 – 2 StR 69/19 – im Leitsatz explizit dargelegt. An die durch einen Dritten, nämlich seinen Verteidiger, abgegebene Erklärung sei der Kläger nicht gebunden.
Der Kläger beantragt, die Nrn. 1 und 2 des Bescheids des Landratsamts Karlsruhe vom 13. September 2022 und insoweit den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 16. November 2022 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
In der polizeilichen Ermittlungsakte seien Chatverläufe des Klägers enthalten, die bei realitätsnaher Betrachtung schon für sich genommen den Schluss auf den Konsum von Kokain zuließen. Des Weiteren habe der rechtliche Vertreter des Klägers am 11. August 2022 angegeben, dass der Kläger seinen Konsum noch vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Aldi eingestellt und der Erwerb von Betäubungsmitteln zur Versorgung des Eigenbedarfs gedient habe. Der Kläger selbst habe am 8. September 2022 angegeben, dass „die Anschuldigungen“ über neun Monate zurücklägen, insofern habe der Konsum zumindest bis November/Dezember 2021 angehalten. Derselbe rechtliche Vertreter, der damals den Konsum seines Mandanten zugegeben habe, stelle nun in Frage, ob seine vertretene Aussage verwertet werden dürfe. Es komme hier aber einerseits auf die Aussage nicht an, da anhand der Chatverläufe kein anderer Schluss als die Einnahme von Kokain gezogen werden könne. Andererseits dürften im präventiven Recht auch die Aussagen des rechtlichen Vertreters verwertet werden. Es gebe keinen Hinweis darauf, dass die Aussagen nicht der Wahrheit entsprächen, andernfalls bedeutete dies, dass der rechtliche Vertreter eine Unwahrheit gegenüber der Staatsanwaltschaft geäußert hätte.
Der Kammer liegen die einschlägige Verwaltungsakte des Landratsamts Karlsruhe, die Widerspruchsakte des Regierungspräsidiums Karlsruhe sowie die Akte der Staatsanwaltschaft Karlsruhe zu dem Verfahren XXX vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf deren Inhalt, den der gewechselten Schriftsätze sowie das Sitzungsprotokoll verwiesen.
Entscheidungsgründe
I. Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Regelungen in Nr. 1 (dazu unter 1.) und Nr. 2 (dazu unter 2.) des angegriffenen Bescheids des Landratsamts Karlsruhe vom 13. September 2022 und insoweit auch der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 16. November 2022 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Die in Nr. 1 des Bescheids vom 13. September 2022 ausgesprochene Entziehung der Fahrerlaubnis ist rechtmäßig. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteile vom 23. Oktober 2014 – 3 C 3.13 – juris, Rn. 13, und vom 28. April 2010 – 3 C 2.10 – juris, Rn. 11, m.w.N.); somit ist hier auf die Zustellung des Widerspruchsbescheids am 17. November 2022 abzustellen.
a) Die formelle Rechtmäßigkeit begegnet keinen Zweifeln. Insbesondere wurde dem Anhörungserfordernis aus § 28 Abs. 1 LVwVfG genügt. Der Kläger wurde mit Schreiben des Beklagten vom 26. August 2022 förmlich angehört und nahm hierzu mit E-Mail vom 8. September 2022 Stellung.
b) Auch materiell bestehen gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis keine rechtlichen Bedenken.
aa) Sie beruht auf § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV. Nach diesen Vorschriften hat die Fahrerlaubnisbehörde dem Inhaber einer Fahrerlaubnis diese zu entziehen, wenn er sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Der Fahrerlaubnisbehörde ist in diesem Fall kein Ermessen eingeräumt. Vielmehr ist bei festgestellter Ungeeignetheit die Entziehung zwingende Folge.
bb) Bei dem Kläger besteht ein Eignungsmangel nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV.
(1) Danach ist die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bei der Einnahme von Betäubungsmitteln (ausgenommen Cannabis) ausgeschlossen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg schließt bereits der einmalige Konsum sogenannter „harter Drogen“ – wie von Kokain (Benzoylecgoninmethylester, vgl. Anlage III zu § 1 Abs. 1 BtMG) – im Regelfall die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen aus, ohne dass es darauf ankommt, ob eine regelmäßige Einnahme von Betäubungsmitteln vorliegt oder ein Kraftfahrzeug unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln geführt worden ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27. Juli 2016 – 10 S 1880/15 – juris, Rn. 20 m.w.N.). In der Rechtsprechung der anderen Oberverwaltungsgerichte wird diese Auffassung geteilt (vgl. m.w.N. etwa Bayerischer VGH, Beschluss vom 17. Mai 2019 – 11 CS 19.308 – juris, Rn. 14; OVG Saarland, Beschluss vom 24. April 2018 – 1 B 105/18 – juris, Rn. 10; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 7. März 2018 – 10 B 10142/18 – juris, Rn. 3; Thüringer OVG, Beschluss vom 9. Juli 2014 – 2 EO 589/13 – juris, Rn. 14). Dabei wird dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dadurch Genüge getan, dass die Bewertung der fehlenden Fahreignung bei Einnahme von Betäubungsmitteln nach dem Betäubungsmittelgesetz (ausgenommen Cannabis) nach der Vorbemerkung 3 der Anlage 4 zur FeV nur für den Regelfall gilt.
Um ohne weitere Ermittlungen in Form der Anforderung eines Zeugnisses über das Ergebnis einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (vgl. hierzu § 3 Abs. 1 Satz 3 StVG i.V.m. § 2 Abs. 8 StVG und §§ 11 bis 14 FeV) die Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen annehmen zu können, muss im Sinne der eingangs genannten Rechtsprechung zur Überzeugung des Gerichts feststehen, dass der Betroffene eine sogenannte „harte Droge“ konsumiert hat. Die Ungeeignetheit des Fahrerlaubnisinhabers muss insofern aufgrund erwiesener Tatsachen positiv festgestellt werden, etwa indem „harte Drogen“ im Körper des Fahrerlaubnisinhabers und damit deren Einnahme nachgewiesen worden sind oder der Fahrerlaubnisinhaber die Einnahme solcher Substanzen eingeräumt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juni 2005 – 3 C 25.04 – juris, Rn. 17; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27. Juli 2016 – 10 S 1880/15 – juris, Rn. 21; Bayerischer VGH, Beschluss vom 26. März 2019 – 11 CS 18.2333 – juris, Rn. 11; VG Karlsruhe, Urteil vom 5. Oktober 2022 – 5 K 1473/20 – BeckRS 2022, 30905, Rn. 22).
(2) Gemessen an diesen Maßstäben hat der Beklagte die Nichteignung des Klägers zum Führen eines Kraftfahrzeugs zu Recht angenommen. Der Konsum einer „harten Droge“ durch den Kläger steht angesichts der im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gesammelten Chatprotokolle, der dort abgegebenen Verteidigererklärung des Prozessbevollmächtigten des Klägers und des daraufhin ergangenen Strafbefehls sowie unter Berücksichtigung seiner eigenen Angaben im Rahmen der behördlichen Anhörung zur Überzeugung des Gerichts fest (§ 108 Abs. 1 VwGO).
So ergibt sich aus den im Rahmen des polizeilichen Ermittlungsverfahrens gesammelten Chatprotokollen und deren Auswertung durch die Polizei sowie dem rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts Ettlingen vom 8. September 2022 (XXX), dass der Kläger im Zeitraum vom 27. März 2021 bis 1. Dezember 2021 insgesamt ca. 10,5 Gramm Kokain zum Preis von ca. 840 Euro erworben hat. Dies hat der Kläger bis heute nicht substantiiert in Abrede gestellt oder gar eine andere Interpretation dieser Chatverläufe dargelegt. Angesichts des Inhalts der Chatverläufe deutet, entsprechend der Auswertung durch die Polizei, alles darauf hin, dass der Kläger das Kokain – jedenfalls teilweise – auch selbst konsumiert hat. So schrieb er dort unter anderem: „Brauche dringend Zucker“, „ich würde mir gleich ein kleines Dessert holen gehen“, „ich brauch auch gar nicht viel – ist wieder Überbrückung“, „sollen wir eins teilen?“, „zwei kleine Nachtische“, „glaub ich muss mir übel geben – Ja hab nur Schiss das du einpennst – Und ich am Ende nix hab“, „brauch erstmal ein Brett“.
Darüber hinaus hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers in seiner Verteidigererklärung vom 11. August 2022 gegenüber der Staatsanwaltschaft auf eben jene Chatverläufe Bezug genommen und angegeben, dass aus der Chatkorrespondenz erkennbar sei, dass es sich vorliegend um die Versorgung und den Konsum jeweils zum Eigenbedarf gehandelt habe. Aufgrund der im Chat genannten Preise und der Umstände des Erwerbs sei davon auszugeben, dass es sich hier um gestreckte Betäubungsmittel von eher minderer Qualität bzw. geringem Wirkstoffgehalt gehandelt habe. Noch vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei XXX zum 31. Dezember 2021 habe der Kläger den Konsum vollständig eingestellt. Die Verteidigererklärung bezieht sich eindeutig auf sämtliche erworbenen Betäubungsmittel und damit auch auf das Kokain, dessen Erwerb durch den Kläger rechtskräftig feststeht. Es kommt daher für den Aussagege-halt der Erklärung vom 11. August 2022 entgegen dem Vorbringen des Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung nicht darauf an, dass der Begriff „Kokain“ dort nicht enthalten ist. Vielmehr hat er in seiner Verteidigererklärung auf die genannten Chatverläufe Bezug genommen und den dort dokumentierten Erwerb von Kokain mit Eigenkonsum gerechtfertigt. Damit wurde der Konsum der „harten Droge“ Kokain eingeräumt.
Angesichts des stimmigen Gesamtbildes aus der Verteidigererklärung und der dort in Bezug genommenen Chatverläufe genügt es im vorliegenden Verfahren nicht, einfach später einen eigenen Konsum pauschal zu bestreiten. Insbesondere spricht nichts dafür, dass die Angaben in der Verteidigererklärung unzutreffend sind. Soweit der Kläger darauf hinweist, dass bei der Wohnungsdurchsuchung im Juli 2022 keine Hinweise auf Betäubungsmittel gefunden worden seien, so kann hieraus nichts für den Zeitraum bis Dezember 2021, auf den der Beklagte bezüglich des Konsums alleine abstellt, abgeleitet werden. Auch die Verteidigererklärung räumt lediglich einen Konsum bis Dezember 2021 ein, steht mithin nicht im Widerspruch zu dem Ergebnis der Wohnungsdurchsuchung. Selbst wenn unterstellt würde, dass die in der Verteidigererklärung gemachten Angaben falsch oder zumindest missverständlich gewesen wären, wäre von einem um seine Glaubwürdigkeit im anschließenden Fahrerlaubnisentziehungsverfahren bemühten Betroffenen zu erwarten gewesen, so bald wie möglich die gemachten Angaben zu korrigieren und richtig zu stellen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27. Juli 2016 – 10 S 1880/15 – juris, Rn. 27).
Hier war dem Kläger bereits aufgrund des Anhörungsschreibens vom 26. August 2022 bekannt, dass ihm eine auf die Annahme des Beklagten, dass er Kokain konsumiert habe, gestützte Fahrerlaubnisentziehung drohen könnte. In Kenntnis dieses Umstands hat der Kläger in seiner Stellungnahme vom 8. September 2022 aber lediglich angegeben, dass „die Anschuldigungen“ bereits über neun Monate zurücklägen und er für seinen neuen Job auf die Fahrerlaubnis angewiesen sei. Er sei bereit, einen Nachweis über seine Abstinenz zu liefern. Auch diese Einlassungen sprechen deutlich für einen Konsum des Klägers, zumal die zeitlichen Angaben zu den „Anschuldigungen“ mit denen der Verteidigererklärung zu dem Konsum übereinstimmen und das Angebot eines „Abstinenznachweises“ ebenfalls auf einen früheren, zwischenzeitlich beendeten Konsum hindeutet. Jedenfalls aber hat es der Kläger nicht für nötig erachtet, irgend-etwas Substanzielles vorzutragen, was geeignet gewesen wäre, den von der Fahrerlaubnisbehörde angenommenen und konkret beschriebenen Konsum auch nur ansatzweise in Zweifel zu ziehen, geschweige denn die Angaben in der Verteidigererklärung richtig zu stellen. Dieses Zögern lässt nur den Schluss zu, dass es nichts gab, was hier richtiggestellt hätte werden können. Es reicht, um den gegenüber den Strafverfolgungsbehörden – nach den Gesamtumständen – eindeutig eingeräumten eigenen Konsum von Kokain als nicht zutreffend hinzustellen, nicht aus, wenn ein solcher Konsum – wie hier erstmals in der Widerspruchsbegründung vom 27. Oktober 2022 – ohne erkennbaren Grund erst Monate später und dann auch nur weitgehend unsubstantiiert als nicht erwiesen dargestellt wird. Die von dem Kläger in seiner Klagebegründung gemachten Ausführungen sind insgesamt nicht geeignet, den vorherigen Nachweis des Eigenkonsums zu erschüttern. Er hat sich maßgeblich auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gestützt, ohne im konkreten Fall darzulegen, was die Motivation für eine Falschangabe in der Verteidigererklärung gegenüber der Staatsanwaltschaft gewesen sein sollte, wie die Chatverläufe sonst zu interpretieren sein könnten und was er mit dem erworbenen Kokain gemacht haben will, außer dieses selbst zu konsumieren. In der vorliegenden Konstellation hätte es dem Kläger aber oblegen, die in seine eigene Sphäre fallenden Umstände hinreichend detailliert, in sich schlüssig und auch im Übrigen glaubhaft vorzutragen, so dass ein abweichender Geschehensablauf als ernstlich möglich hätte in Betracht gezogen werden können. Denn gerade dann, wenn sich ein Beteiligter – wie hier – nicht klar und eindeutig zu Geschehnissen äußert, die seine eigene Lebenssphäre betreffen und über die er besser als der Verfahrensgegner Bescheid wissen muss, darf ein Gericht im Rahmen der sich aus § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO ergebenden Befugnis zur freien Beweiswürdigung das prozessuale Erklärungsverhalten des Beteiligten berücksichtigen (vgl. zu den Anforderungen an die Darlegung von Lebenssachverhalten aus der eigenen Sphäre: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27. Juli 2016 – 10 S 1880/15 – juris, Rn. 28; VG Würzburg, Beschluss vom 28. Februar 2014 – W 6 S 14.103 – juris, Rn. 27 f. m.w.N.). Die Klagebegründung behauptet aber nicht einmal ausdrücklich, dass der Kläger kein Konsument von Kokain war, sondern bezweifelt nur den Nachweis des Konsums.
Die von dem Kläger angeführte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu der Bedeutung von Verteidigererklärungen führt hier zu keiner abweichenden Beurteilung. Demnach handele es sich bei einer schriftlichen Verteidigererklärung grundsätzlich um eine Prozesserklärung des Verteidigers, die dieser aus eigenem Recht und in eigenem Namen abgebe, und nicht um eine Sacheinlassung des Angeklagten. Ihrer Bedeutung nach sei sie einem Parteivorbringen im Zivilprozess vergleichbar. Bei einer Einlassung mittels Verteidigererklärung habe das Gericht daher zu berücksichtigen, dass dieser von vornherein nur ein erheblich verminderter Beweiswert zukomme, da es sich um schriftliches, situativ häufig nicht hinterfragbares Verteidigungsvorbringen handele (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2020 – 2 StR 69/19 – juris).
Diese zum Strafprozessrecht ergangene Rechtsprechung kann jedoch nicht ohne Weiteres auf das Verwaltungsverfahren und den Verwaltungsgerichtsprozess übertragen werden.Da die Fahrerlaubnisbehörde präventiv zum Schutz hochrangiger Rechtsgüter wie Gesundheit, Leben und Eigentum einer Vielzahl anderer Verkehrsteilnehmer handelt, darf sie nach § 24 LVwVfG im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens alles, was ihr zur Kenntnis gelangt, heranziehen, um die Allgemeinheit vor Gefahren durch ungeeignete Kraftfahrer zu schützen. Mit dem Anspruch der Allgemeinheit auf vorbeugende Maßnahmen zur Abwehr von Risiken für die Verkehrssicherheit wäre es nicht zu vereinbaren, wenn die Fahrerlaubnisbehörden an der Berücksichtigung strafprozessual gewonnener Erkenntnisse gehindert wären. § 2 Abs. 12 Satz 1 StVG begründet dementsprechend die umfassende Pflicht der Polizei, der Fahrerlaubnisbehörde Informationen über Tatsachen zu übermitteln, die auf nicht nur vorübergehende Mängel hinsichtlich der Eignung oder auf Mängel hinsichtlich der Befähigung einer Person zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen lassen, soweit dies für die Überprüfung der Eignung oder Befähigung aus der Sicht der übermittelnden Stelle erforderlich ist. Es ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Gefahrenprognose aufgrund von Feststellungen aus Ermittlungsergebnissen der Polizei und der Staatsanwaltschaft getroffen wird, sofern diese Fakten einer eigenständigen, nachvollziehbaren Bewertung unterworfen werden. Dabei können die gegenüber einer staatlichen Stelle erfolgten eigenen Bekundungen des Betroffenen zu seinem Betäubungsmittelkonsum selbst bei einem etwaigen Verstoß gegen strafprozessuale Bestimmungen grundsätzlich im Rahmen des Fahrerlaubnisentziehungsverfahrens berücksichtigt werden und unterliegen keinem Verwertungsverbot (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27. Juli 2016 – 10 S 1880/15 – juris, Rn. 25 f., m.w.N.).
Diese zu eigenen Einlassungen des Beschuldigten entwickelte Rechtsprechung lässt sich nach Auffassung der Kammer angesichts ihrer tragenden Begründung, die Fahrerlaubnisbehörde handele präventiv zum Schutz hochrangiger Rechtsgüter wie Gesundheit, Leben und Eigentum einer Vielzahl anderer Verkehrsteilnehmer und habe daher alle verfügbaren Erkenntnisquellen – auch aus dem Strafverfahren – heranzuziehen, auf eine entsprechende Verteidigererklärung, die – wie hier – im Rahmen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens für den Kläger abgegeben wird, übertragen, weshalb sich dieser grundsätzlich an deren Inhalt festhalten lassen muss und diesen allenfalls durch substantiiertes Vorbringen erschüttern kann. Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn die Verteidigererklärung – wie hier – im strafrechtlichen Verfahren durch den dort Beschuldigten unwidersprochen geblieben und auf dieser Grundlage eine rechtskräftige Verurteilung – hier durch den Strafbefehl – erfolgt ist. Denn mit rechtskräftigem Abschluss des Straf(befehls)verfahrens hat der Beschuldigte die durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eröffnete Möglichkeit, der Verteidigererklärung zu widersprechen, ungenutzt gelassen. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass ein strafprozessual beachtliches Verwertungsverbot für die Verteidigererklärung nicht festzustellen ist und im Übrigen auch der Bundesgerichtshof nicht von einem Verwertungsverbot oder einer „Wertlosigkeit“ der Verteidigererklärung, sondern „lediglich“ von deren vermindertem Beweiswert ausgeht.
cc)Des Weiteren muss auch davon ausgegangen werden, dass der Fahreignungsmangel bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Zustellung des Widerspruchsbescheids am 17. November 2022 fortbestand. Der für eine Wiedererlangung der Fahreignung grundsätzlich erforderliche lückenlose Nachweis der Betäubungsmittelabstinenz mindestens für die Dauer eines Jahres (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27. Juli 2016 – 10 S 1880/15 – juris, Rn. 29) scheidet hier bereits in zeitlicher Hinsicht aus; im Übrigen hat der Kläger zwar erklärt, dass er Abstinenznachweise erbringen könne, jedoch ist er diese bis heute schuldig geblieben. Damit kommt eine im Rahmen des vorliegenden Entziehungsverfahrens relevante Wiedererlangung der Fahreignung nicht in Betracht.
dd) Die Regelung des § 3 Abs. 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 FeV sieht die Entziehung der Fahrerlaubnis bei Vorliegen der Voraussetzungen zwingend – also ohne Ermessen – vor und erlaubt grundsätzlich nicht die vom Kläger als eingriffsgeringer favorisierte Anordnung der Beibringung eines Fahrtauglichkeitsgutachtens.Der Beklagte durfte vielmehr aufgrund des festgestellten Kokainkonsums und mangels tatsächlicher Anhaltspunkte für beim Kläger bestehende Kompensationsfaktoren im Sinne der Vorbemerkung 3 der Anlage 4 zur FeV mit der Regelfallbewertung davon ausgehen, dass der Kläger zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet ist. Auch eine Gefährdung der beruflichen Existenz ist im Rahmen einer Fahrerlaubnisentziehung grundsätzlich ohne rechtliche Bedeutung, da die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs den wirtschaftlichen und beruflichen Interessen des Einzelnen vorgeht. Im Interesse der Gefahrenabwehr hat der Betroffene auch die absehbaren Nachteile in Kauf zu nehmen, die insoweit in beruflicher Hinsicht entstehen (vgl. nur OVG Saarland, Beschluss vom 6. April 2017 – 1 B 169/17 – juris, Rn. 12; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22. Mai 2012 – 16 B 536/12 – juris, Rn. 33; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 21. Februar 2006 – 1 M 22/06 – juris, Rn. 25). Abgesehen davon ist das pauschale Vorbringen zu den Folgen der Fahrerlaubnisentziehung für den Kläger zu unsubstantiiert, um hieraus zu seinen Gunsten etwas ableiten zu können.
2. Da sich die Entziehung der Fahrerlaubnis damit als rechtmäßig erweist, ist auch die auf § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG und § 47 Abs. 1 FeV gestützte Anordnung, den Führerschein innerhalb einer Woche beim Landratsamt abzugeben (Nr. 2 des angegriffenen Bescheids), rechtlich nicht zu beanstanden. Hiergegen hat der Kläger nichts substantiiert erinnert.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG in Anlehnung an die Nr. 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der zuletzt am 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen auf 5.000 Euro festgesetzt.