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Fahrerlaubnisentziehung – Verlängerung Beibringungsfrist zur Vorlage Fahreignungsgutachten

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof 11 – Az.: 11 CS 20.3056 – Beschluss vom 02.03.2021

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 8.750,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen A, A2, A1, AM, B, BE, C1, C1E, L und T.

Durch polizeiliche Mitteilung wurde dem Landratsamt Schweinfurt bekannt, dass die Polizei den Antragsteller am 21. Februar 2020 um 21:55 Uhr anlässlich eines Familienstreits alkoholisiert und aggressiv in Sicherheitsgewahrsam genommen hatte. Seine Ehefrau gab an, er sei seit längerer Zeit alkoholabhängig und konsumiere nahezu täglich Alkohol. Ein am 22. Februar 2020 um 0:10 Uhr durchgeführter Atemalkoholtest ergab eine Atemalkoholkonzentration von 1,01 mg/l. Bei einer Zellenvisite um 2:30 Uhr habe der Antragsteller auf den Polizeibeamten den Umständen nach klar gewirkt. Es seien keine Ausfallerscheinungen festzustellen gewesen. Er habe fehlerfrei sprechen sowie gehen und stehen können. Er sei definitiv alkoholgewöhnt.

Mit Schreiben vom 28. Februar 2020 forderte das Landratsamt den Antragsteller auf, wegen des bestehenden Verdachts einer Alkoholabhängigkeit bis 13. März 2020 ein Attest seines behandelnden Arztes vorzulegen, aus dem sich bestehende Erkrankungen und weitere Informationen zur Behandlung ergäben.

Weiter ermittelte das Landratsamt, dass das Amtsgericht Schweinfurt den Antragsteller mit Strafbefehl vom 8. April 2019 u.a. wegen vorsätzlicher Körperverletzung im Rahmen eines Familienstreits am 26. Mai 2018 wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt hatte, da er seine damals 14-jährige Tochter geschlagen hatte. In der mündlichen Verhandlung am 13. März 2019 hatte die als Zeugin vernommene Ehefrau des Antragstellers angegeben, dieser sei bei der Tat „alkoholisiert, aber nicht besoffen“ gewesen, was auch seine Tochter im Rahmen der strafgerichtlichen Ermittlungen gegenüber der Polizei geäußert hatte.

Aus der hausärztlichen Bescheinigung vom 4. März 2020 geht hervor, dass seit 2005 folgende Diagnosen gestellt worden sind: alkoholische Leberkrankheit (K70.9G), alkoholinduzierte akute Pankreatitis ohne Angabe einer Organkomplikation (K8.20 G), Ein- und Durchschlafstörungen (G47.0G), Probleme mit Bezug auf den Konsum von Alkohol, Tabak, Arzneimittel oder Drogen (Z72.0G), Z.n. alkoholinduzierter akuter Pankreatitis (K85.20Z), Refluxösophagitis (K21.0G), Diabetes mellitus Typ 2a (E11.90 G), Hyperurikämie (E79.0G), degeneratives LWS-Syndrom (M47.26G), sonstige Schlafstörungen (G47.8G), Knochennekrose: Beckenregion und Oberschenkel (Hüfte, Hüftgelenk, li [M87.95 GL]), Zustandsbefund nach Operation links (Z98.8 GL), Vorhandensein eines Hüftgelenksimplantats li (Z96.64 GL). Als aktuelle Medikation wurden u.a. verschiedene Schmerz- und Entzündungsmittel, Benzodiazepine, Blutverdünnungs- und Schlafmittel aufgeführt.

Am 5. März 2020 beantragte der Antragsteller die Verlängerung der Fahrerlaubnis für die ihm am 30. März 2010 erteilten Klassen C und CE.

Mit Schreiben vom 18. Juni 2020 forderte das Landratsamt den Antragsteller unter Bezugnahme auf den Strafbefehl vom 26. April 2019, den Sicherheitsgewahrsam vom 21. Februar 2020 und die Angaben in dem ärztlichen Attest vom 4. März 2020 gemäß § 13 Satz 1 Nr. 1 FeV i.V.m. Nr. 8 der Anlage 4 zur FeV auf, wegen des Verdachts auf eine Alkoholabhängigkeit bis zum 18. August 2020 ein ärztliches Gutachten vorzulegen. Zu klären seien die Fragen, ob sich die aus aktenkundigen Tatsachen begründete Annahme einer Alkoholabhängigkeit beim Antragsteller bestätigen lasse, wenn ja, welche Kriterien nach ICD-10 im vorliegenden Fall erfüllt seien, die die Annahme einer Alkoholabhängigkeit bestätigten, und ob ggf. eine erfolgreiche Entwöhnungsbehandlung stattgefunden habe, wenn ja, ob ein nachgewiesener Abstinenzzeitraum für die zurückliegenden zwölf Monate vorliege.

Mit Schreiben vom 17. August 2020 bat der Bevollmächtigte des Antragstellers um eine Verlängerung der Beibringungsfrist um einen Monat. Die Begutachtung habe stattgefunden, aber das Gutachten liege erst in einigen Wochen vor. Mit Schreiben vom 17. September 2020 wurde vorgetragen, der Antragsteller sehe sich außerstande, das ärztliche Gutachten vorzulegen, da es in Widerspruch zu seinen Angaben gegenüber der Gutachterin stehe. Aufgrund einer erheblichen Diskrepanz zwischen ihm und der Gutachterin habe er jegliches Vertrauen in diese verloren. Es werde um eine Fristverlängerung bis 30. September 2020 gebeten, damit er ein Gutachten bei einer anderen Begutachtungsstelle einholen könne.

Das Landratsamt lehnte eine weitere Fristverlängerung ab, entzog dem Antragsteller nach Anhörung mit Bescheid vom 2. Oktober 2020 gestützt auf § 11 Abs. 8 FeV die Fahrerlaubnis aller Klassen und gab ihm unter Androhung eines Zwangsgelds auf, den Führerschein spätestens sieben Tage nach Zustellung des Bescheids beim Landratsamt abzuliefern. Ferner ordnete es die sofortige Vollziehung dieser Verfügungen an und lehnte den Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis der Klassen C und CE gestützt auf § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StVG ab.

Am 9. Oktober 2020 gab der Antragsteller seinen Führerschein beim Landratsamt ab. Am 5. November 2020 ließ er Klage zum Verwaltungsgericht Würzburg erheben und vorläufigen Rechtsschutz gegen die sofortige Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung und die Ablieferungspflicht beantragen. Dabei legte er eine Seite aus dem gefertigten ärztlichen Gutachten vor, die die Laborbefunde enthielt.

Mit Beschluss vom 18. November 2020 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO mit der Begründung ab, die angefochtene Entziehung der Fahrerlaubnis sei voraussichtlich rechtmäßig, weil der Antragsteller das geforderte ärztliche Gutachten nicht fristgerecht vorgelegt habe. Die Gutachtensanordnung sei materiell und formell rechtmäßig und eine erneute Begutachtung nicht veranlasst gewesen. Es hätten hinreichende Tatsachen für die Annahme einer Alkoholabhängigkeit vorgelegen, die die Behörde in der Begutachtungsanordnung auch hinreichend dargelegt habe. Darauf, dass die angeführten Vorfälle keinen Zusammenhang mit dem Straßenverkehr aufgewiesen hätten, komme es im Falle der Alkoholabhängigkeit wegen des damit verbundenen Kontrollverlusts nicht an. Der Antragsteller sei bei den bekannt gewordenen Vorfällen jeweils stark alkoholisiert gewesen. Am 21. Februar 2020 sei eine Atemalkoholkonzentration von 1,01 mg/l festgestellt worden, was einen Wert jenseits gesellschaftsbezogenen Trinkens darstelle. Nach § 13 Satz 1 Nr. 2c FeV sei bereits beim Führen eines Fahrzeugs im Straßenverkehr mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 ‰ oder mehr eine medizinisch-psychologische Begutachtung erforderlich. Unschädlich sei, dass die Alkoholisierung im Rahmen des Strafverfahrens wegen Körperverletzung (§§ 223, 230 StGB), das zur Verurteilung mit Strafbefehl vom 8. Juli 2019 geführt habe, nicht konkret festgestellt worden sei. Eine Bindungswirkung des Strafbefehls nach § 3 Abs. 4 StVG bestehe nicht. Weiter seien Anhaltspunkte für eine Alkoholabhängigkeit im Attest der hausärztlichen Praxis vom 4. März 2020, das verschiedene alkoholinduzierte Diagnosen enthalten habe, zu sehen. Durch diese aktenkundigen Tatsachen hätten bereits die ICD-10-Kriterien für Abhängigkeit erfüllt sein können. Jedenfalls hätten hinreichende Tatsachen für die Annahme einer Alkoholabhängigkeit vorgelegen, sodass nach § 13 Satz 1 Nr. 1 FeV die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens anzuordnen gewesen sei, ohne dass der Behörde insoweit Ermessen zugestanden hätte. Die Fragestellungen seien nicht zu beanstanden. Dass das Landratsamt nur die Nr. 8 und nicht die Nr. 8.3 (Abhängigkeit) der Anlage 4 zur FeV zitiert habe, sei unschädlich. Auch eine Fristverlängerung zur Durchführung einer weiteren Begutachtung sei nicht erforderlich gewesen. Das Landratsamt sei zutreffend davon ausgegangen, dass die Fristverlängerung nur dann veranlasst gewesen wäre, wenn der Antragsteller das Gutachten vorgelegt und substantiierte, durch Stellungnahme des ärztlichen Gutachters nicht ausräumbare Einwendungen erhoben hätte. Der Angabe des Antragstellers, er sei noch nie im Straßenverkehr mit Alkohol auffällig geworden, könne im Hinblick auf die hohe Dunkelziffer unentdeckter Alkoholfahrten kein durchgreifendes Gewicht zugemessen werden. Es können nicht verantwortet werden, ihn bis zur abschließenden Klärung des Rechtsstreits in der Hauptsache am Straßenverkehr teilnehmen zu lassen. Persönliche Härten könnten hierbei nicht berücksichtigt werden.

Mit seiner Beschwerde, der der Antragsgegner entgegentritt, macht der Antragsteller unter Bezugnahme auf seine bisherigen Ausführungen geltend, ein Begutachtungstermin habe pandemiebedingt trotz zeitnaher Anfrage erst am 14. August 2020 stattfinden können. Die pandemiebedingten Einschränkungen dürften nicht zu seinen Lasten gehen, ebenso wenig, wenn das Gutachten erst während des Jahresurlaubs des Bevollmächtigten vorgelegt werde. Der Antragsteller habe sofort nach der Besprechung mit dem Bevollmächtigten einen Begutachtungstermin bei einer anderen Begutachtungsstelle ausmachen wollen. Ihm sei eine Begutachtung und ggf. ein Gutachten noch im Oktober 2020 zugesichert worden. Demzufolge wäre es allenfalls zu einer Verzögerung von ein paar Wochen gekommen, was im Hinblick darauf, dass der Antragsteller als Berufskraftfahrer auf seinen Führerschein angewiesen sei, angemessen gewesen wäre. Es sei nicht nachvollziehbar, dass das Verwaltungsgericht eine Fristverlängerung zur Vorlage eines weiteren Gutachtens erst nach Vorlage des ersten Gutachtens, der Erhebung von substantiierten Einwendungen und einer ergänzenden Stellungnahme des ärztlichen Gutachters für erforderlich gehalten habe. Wenn der Antragsteller das Gutachten dem Landratsamt vorgelegt und – wie geschehen – mitgeteilt hätte, dass die Gutachterin seine Äußerungen bei der Begutachtung unzutreffend festgehalten habe, hätte das Landratsamt dies mit hoher Sicherheit als unsubstantiiert abgelehnt. Ebenso sei zu erwarten, dass die Gutachterin mit Sicherheit ihre Ausführungen bestätigt hätte sowie weiter, dass sie nur das aufgenommen habe, was der Antragsteller angeblich mitgeteilt habe. Es stelle sich die Frage, inwieweit substantiiert weitere Einwendungen hätten vorgebracht werden können, da im Rahmen eines Vier-Augen-Gesprächs „Aussage gegen Aussage“ stehe. Aus diesem Grund habe nur die Seite 8 des Gutachtens vorgelegt werden können. Dort seien die Laborbefunde festgehalten, bei denen sich nur im Bereich des Gamma-GT bei einer 0,7 Übersteigung des Normwerts bis 60 U/L eine minimale Auffälligkeit zeige, während der festgestellte CDT-Wert von 1,1 % bei einem Normbereich von 0,00 bis 1,7 % für eine geringe Wahrscheinlichkeit eines regelmäßigen Alkoholkonsums spreche. Nach Angaben der Gutachterin solle der minimal erhöhte GGT-Wert auf eine akute toxische Belastung der Leber hinweisen. Völlig unbeachtet sei dabei, dass der Kläger, wie im Gutachten ebenfalls festgehalten, zum Zeitpunkt der Begutachtung Medikamente eingenommen habe. Hierüber verliere das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung kein Wort.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass der angefochtene Bescheid rechtswidrig wäre.

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses zuletzt geändert durch Gesetz vom 29. Juni 2020 (BGBl I S. 1528), zum Teil in Kraft getreten zum 1. Oktober 2020, und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. Dezember 2019 (BGBl I S. 2008), zum Teil in Kraft getreten zum 1. Juni 2020, hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV gilt dies insbesondere dann, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 der FeV vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde.

Alkoholabhängigkeit führt nach Nr. 8.3 der Anlage 4 zur FeV zum Ausschluss der Eignung oder bedingten Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen. Wer alkoholabhängig ist, hat grundsätzlich nicht die erforderliche Fähigkeit, den Konsum von Alkohol und das Führen eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr zu trennen. Hierfür kommt es nicht darauf an, ob der Betreffende bereits mit Alkohol im Straßenverkehr auffällig geworden ist (vgl. BVerwG, B.v. 21.10.2015 – 3 B 31.15 – DAR 2016, 216 = juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 11.9.2018 – 11 CS 18.1708 – juris Rn. 11 m.w.N.). Bei alkoholabhängigen Personen besteht krankheitsbedingt jederzeit die Gefahr eines Kontrollverlusts und der Teilnahme am Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss. Eine hinreichend feststehende und nicht überwundene Alkoholabhängigkeit hat damit zwangsläufig die Entziehung der Fahrerlaubnis zur Folge, ohne dass es hierfür weiterer Abklärung bedarf. Nach Nr. 8.4 der Anlage 4 zur FeV besteht nach einer Entwöhnungsbehandlung Kraftfahreignung dann wieder, wenn die Abhängigkeit nicht mehr besteht und in der Regel ein Jahr Abstinenz nachgewiesen ist (BayVGH, B.v. 19.7.2019 – 11 ZB 19.977 – juris Rn. 11).

Nach § 13 Satz 1 Nr. 1 FeV ist (zwingend) ein ärztliches Gutachten gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 FeV beizubringen, wenn Tatsachen die Annahme von Alkoholabhängigkeit begründen, ohne dass der Fahrerlaubnisbehörde insoweit ein Ermessen zustünde. Der Antragsteller hat nicht dargelegt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift, auf die die streitgegenständliche Gutachtensanordnung gestützt ist, nicht erfüllt gewesen wären. Insoweit reicht es nicht aus, wenn sich der Beschwerdeführer darauf beschränkt, sein Vorbringen aus der ersten Instanz zu wiederholen oder darauf pauschal Bezug zu nehmen (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 146 Rn. 22a f.; Guckelberger in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 146 Rn. 77, 79).

Nach dem Schreiben seines Bevollmächtigten vom 5. Februar 2021 geht es dem Antragsteller allein um die – zu verneinende – Frage, ob ihm eine Fristverlängerung für eine zweite Begutachtung einzuräumen ist, wenn er vorbringt, das eingeholte Fahreignungsgutachten sei fehlerhaft und beruhe auf einer erheblichen Diskrepanz zwischen seinen Angaben und deren Interpretation durch die Gutachterin (vgl. BayVGH, B.v. 14.11.2011 – 11 CS 11.2349 – juris Rn. 51).

Die Fahrerlaubnisbehörde darf nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn er sich weigert, sich untersuchen zu lassen, oder wenn er an der Erstellung des Gutachtens nicht hinreichend mitwirkt. Der Schluss aus der Nichtvorlage eines angeforderten Fahreignungsgutachtens auf die fehlende Fahreignung ist gerechtfertigt, wenn die Anordnung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – NJW 2017, 1765 Rn. 19 m.w.N.) und für die Nichtbeibringung des angeforderten Gutachtens kein ausreichender Grund besteht (vgl. BVerwG, U.v. 12.3.1985 – 7 C 26.83 – BVerwGE 71, 93 = juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 10.9.2008 – 11 CS 08.2010 – juris Rn. 20 m.w.N.).

Einen derartigen Grund für die Nichtvorlage des Gutachtens hat der Antragsteller nicht nachvollziehbar dargetan. Das Landratsamt war nicht verpflichtet, die bereits einmal bis 18. September 2020 verlängerte Beibringungsfrist nochmals zur Einholung eines weiteren Fahreignungsgutachtens zu verlängern.

Bei einer Verlängerung behördlicher Fristen handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die an Stelle der nur bei gesetzlichen Fristen möglichen Wiedereinsetzung tritt (vgl. Kallerhof/Stamm in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 31 Rn. 51; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Aufl. 2020, § 31 Rn. 39a; BayVGH, B.v. 29.11.2019 – 11 CS 19.2069 – juris Rn. 23). Die Voraussetzungen, unter denen eine Fristverlängerung erfolgt, dürfen daher nicht strenger sein als bei der Wiedereinsetzung nach Art. 32 BayVwVfG (Kopp/Ramsauer a.a.O.). Bei der Ausübung des Ermessens ist insbesondere zu berücksichtigen, ob es unbillig wäre, die durch den Fristablauf eingetretene Rechtsfolge bestehen zu lassen (BayVGH, B.v. 29.11.2019 a.a.O.).

Dies ist hier nicht der Fall. Dient die Vorlage des Gutachtens nicht dem Nachweis der Wiedererlangung der Fahreignung, sondern wie hier der Klärung der Frage, ob der Fahrerlaubnisinhaber seine Fahreignung verloren hat, ist die Beibringungsfrist nach der Zeitspanne zu bemessen, die von einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung zur Erstattung des Gutachtens voraussichtlich benötigt wird (vgl. BayVGH, B.v. 11.2.2019 – 11 CS 18.1808 – juris Rn. 26 m.w.N.). In diesem Fall ist den Eignungszweifeln so zeitnah wie möglich durch die gesetzlich vorgegebenen Aufklärungsmaßnahmen nachzugehen, da insofern die Abwendung möglicher erheblicher Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer in Frage steht (BayVGH, a.a.O.). Vorliegend hat die eingeräumte Beibringungsfrist ungeachtet etwaiger pandemiebedingter Verzögerungen ausgereicht, um das geforderte Fahreignungsgutachten bei einer vom Antragsteller ausgewählten Begutachtungsstelle einzuholen.

Die Prüfung, ob dieses Gutachten gemäß Anlage 4a zu § 11 Abs. 5 FeV i.V.m. den Begutachtungsleitlinien für Kraftfahreignung vom 27. Januar 2014 (VkBl. S. 110) in der Fassung vom 28. Oktober 2019 (VkBl. S. 775) erstellt worden und ob es schlüssig und nachvollziehbar ist, obliegt der Fahrerlaubnisbehörde (vgl. BayVGH, B.v. 21.10.2015 – 11 C 15.2036 – juris Rn. 19), die das Gutachten einer eigenen kritischen Würdigung zu unterziehen hat (Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 11 FeV Rn. 41; Geiger, NZV 2007, 489/491). Entspricht ein Gutachten nicht den dort aufgestellten Grundsätzen, sind Nachbesserungen zu veranlassen oder die Beibringungsfrist für die Einholung eines weiteren Gutachtens zu verlängern. Dies gilt auch, wenn der Begutachtete – wie hier – die ordnungsgemäße Aufnahme seiner Angaben durch den Gutachter bestreitet. Wird das eingeholte Gutachten nicht vorgelegt, kann die Fahrerlaubnisbehörde nicht prüfen, ob und inwieweit die Einwände des Betroffenen gegen das Gutachten berechtigt sind oder ob es sich um Schutzbehauptungen handelt, weil das Gutachten nicht in seinem Sinne ausgefallen ist (BayVGH, B.v. 21.10.2015 a.a.O.). Daran hat sich auch nichts dadurch geändert, dass der Antragsteller im gerichtlichen Verfahren auszugsweise die Laborbefunde aus dem Gutachten vorlegen ließ.

Ohne eine Prüfung, auf welche Weise die Gutachterin die Aussagen des Antragstellers wiedergegeben hat, ob sie sie dem Sinne nach zusammengefasst oder (zum Teil) wörtlich wiedergegeben hat, was sie den Antragsteller gefragt und welche Vorhalte sie ihm gemacht hat, und ohne ihre Stellungnahme zu den Einwänden des Antragstellers lässt sich auch nicht ansatzweise einschätzen, ob seine Kritik plausibel und berechtigt ist. Die Schwierigkeiten, die die Überprüfung der Untersuchungssituation, für die es keine neutralen Zeugen gibt, mit sich bringt, und die Spekulation, der Antragsteller habe bei Vorlage des Gutachtens keine Chance, sich gegen die Befunderhebung zu wehren, kann nicht dazu führen, dass die Fahrerlaubnisbehörde seine Einwände gegen das Gutachten als wahr zu unterstellen hätte.

Da das Gutachten der Fahrerlaubnisbehörde nicht in vollem Umfang zur Prüfung vorgelegt worden ist, geht auch der Einwand, das Verwaltungsgericht habe sich nicht mit dem Aussagegehalt der Laborbefunde auseinandergesetzt, ins Leere. Ein nur auszugsweise vorgelegtes Gutachten räumt Zweifel an der Fahreignung nicht aus, sondern verstärkt sie eher, weil offenbar nachteilige Ausführungen und Ergebnisse des Gutachtens zurückgehalten werden sollen (vgl. BayVGH, B.v. 11.12.2015 – 11 C 15.2519 – juris Rn. 11). Nachdem gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf das Fehlen der Fahreignung geschlossen werden durfte, musste sich das Verwaltungsgericht nicht inhaltlich mit dem vorgelegten Auszug aus dem Gutachten auseinandersetzen.

Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1, 46.1, 46.3 und 46.4 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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