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Fahrerlaubnisentziehung – Teilnahme am Straßenverkehr durch alkoholisierten Radfahrer

VG Oldenburg – Az.: 7 B 2863/12 – Beschluss vom 13.03.2012

1. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

2. Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

1. Der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu beurteilende Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der am 28. Februar 2012 erhobenen Klage des Antragstellers (Az.: 7 A 2861/12), über den nach Übertragungsbeschluss der Kammer vom 12. März 2012 der Einzelrichter entscheidet, bleibt ohne Erfolg: Die Klage, die sich gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 17. Januar 2012, zugestellt am 28. Januar 2012, richtet, mit dem er dem Antragsteller die Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen der Klassen A und C1E entzogen hat, ist voraussichtlich unbegründet, weil sich dieser Bescheid voraussichtlich als rechtmäßig erweist und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat eine Klage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt jedoch, wenn die Behörde gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO in einer – wie hier auf Seite drei (unten) des angegriffenen Bescheides – den gesetzlichen Anforderungen gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Art und Weise die sofortige Vollziehung ihrer Verfügung im öffentlichen Interesse angeordnet hat.

Für den Erfolg eines Antrages nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist entscheidend, ob das private Interesse eines Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage höher als das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes zu bewerten ist. Bei dieser Interessenabwägung sind die Aussichten des Begehrens im Hauptsacheverfahren zu berücksichtigen. Bei einer offensichtlich Erfolg versprechenden Klage überwiegt das Suspensivinteresse des Betroffenen regelmäßig das öffentliche Vollzugsinteresse. Der Antrag ist dagegen in aller Regel unbegründet, wenn der Antragsteller im Verfahren zur Hauptsache voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, insbesondere wenn die angegriffene Verfügung offensichtlich rechtmäßig ist.

Voraussichtlich wird der angegriffene Bescheid des Antragsgegners im Hauptsacheverfahren Bestand haben, weil er dem Antragsteller zu Recht die Fahrerlaubnis entzogen hat.

Diese Verfügung begegnet in formeller Hinsicht keinen Bedenken, zumal der Antragsgegner den Antragsteller zuvor hinreichend angehört im Sinne von § 28 VwVfG und insoweit noch Fristverlängerung gewährt hat (Schreiben vom 17. November 2011 mit Folgeschreiben).

Fahrerlaubnisentziehung - Teilnahme am Straßenverkehr durch alkoholisierten Radfahrer
Symbolfoto: Von Herrndorff image/Shutterstock.com

Auch in materieller Hinsicht ist diese Verfügung nicht zu beanstanden: Der angegriffene Bescheid erweist sich als rechtmäßig. Es ist davon auszugehen, dass der Antragsteller gegenwärtig als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen ist. Der Antragsgegner musste ihm deshalb gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) i.V.m. § 46 Abs. 1 Fahrerlaubnisverordnung (FeV) die Fahrerlaubnis entziehen.

Nach § 3 Abs. 1 StVG hat die Fahrerlaubnisbehörde einem Kraftfahrzeugführer die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn er sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt insbesondere dann, wenn Erkrankungen oder Mängel u.a. der Anlage 4 zur FeV vorliegen und dadurch die Kraftfahreignung ausgeschlossen ist.

Die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen entfällt im Regelfall, wenn der Betroffene das Führen eines Kraftfahrzeuges und einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum nicht sicher trennen kann (Nr. 8.1 Anlage 4 zur FeV a.F.). Die Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV ist gegenüber dieser Fassung im Jahr 2008 verschärft worden. Der Normgeber hat sich in Kenntnis des unterschiedlichen Bedeutungsgehaltes der Begriffe (Fahrzeug/Kraftfahrzeug) dazu entschlossen, für die Definition des Missbrauchs nur noch an das Führen von „Fahrzeugen“ und nicht – wie zuvor noch – an das Führen von „Kraftfahrzeugen“ anzuknüpfen. Selbst wenn man zugunsten des Antragstellers Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV in der alten (‚unverschärften‘) Fassung anwenden wollte, ergäben sich aber keine Bedenken gegen die angefochtene Verfügung des Antragsgegners. Dabei kommt es allerdings für die Frage der Rechtmäßigkeit der Entziehung auf den Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage der letzten behördlichen Entscheidung, mithin hier auf die neue Fassung dieser Vorschrift, an (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 6. März 2008 – 12 LA 404/07 – V.n.b.); dies ändert aber nichts am Ergebnis der rechtlichen Überprüfung des Bescheids; auch nach der alten Fassung dieser Vorschrift läge ein Missbrauch im o.a. Sinne vor und wäre der angegriffene Bescheid rechtmäßig.

Gemäß §§ 46 Abs. 3, 13 Nr. 2c FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung ihrer Entscheidung die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen, wenn der Betroffene ein Fahrzeug im Straßenverkehr mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 ‰ oder mehr führte.

Diese Voraussetzungen erfüllte der Antragsteller:

Bei seiner Trunkenheitsfahrt am 5. April 2011 gegen 11:30 Uhr in W. führte er u.a. dort im Parallelweg ein Fahrrad. Zu den Fahrzeugen i.S.d. vorgenannten Vorschrift gehören auch Fahrräder (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 22. November 2007 – 12 PA 327/07 – V.n.b.; vgl. §§ 16, 64a StVZO). Dabei lag ein Mittelwert von 2,96 ‰ Alkohol im Blut vor (Strafbefehl AG Leer vom 5. Mai 2011 – rechtskräftig seit dem 4. Juni 2011 – 6g Cs 410 Js 7290/11 <4/0/11> –).

Entscheidend für die Beurteilung der Kraftfahreignung ist, ob vom Antragsteller ein Verstoß gegen das Trennungsgebot der Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV zu erwarten ist. Ein die Fahreignung ausschließender Eignungsmangel im Sinne der Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV a.F. (Missbrauch von Alkohol) liegt vor, wenn das Führen von Kraftfahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden kann, siehe oben (vgl. auch Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung, Kapitel 3.11.1). Der Wortlaut des Klammerzusatzes in Nr. 8.1 a.F. erhellte, dass das erforderliche Trennungsvermögen bei der Teilnahme am Straßenverkehr mit einem Kraftfahrzeug bestehen musste. Dem ist das Führen eines Fahrrades zunächst nicht gleichzusetzen gewesen (vgl. VG Oldenburg, Beschluss vom 10. April 2008 – 7 B 767/08 – zitiert nach juris; Nds. OVG, Beschluss vom 11. Juli 2008 – V.n.b.; BVerwG, Urteil vom 21. Mai 2008 – 3 C 32/07 – zitiert nach juris). Doch konnte auch danach schon das Führen eines Fahrrades unter Alkoholeinfluss (retrospektiv) Zweifel an der Kraftfahreignung wecken und Bedenken dahingehend erzeugen, dass künftig auch ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss (prospektiv) geführt wird. Dies ergibt sich aber erst Recht aus dem nunmehr gültigen Text des Klammerzusatzes (wie folgt):

„Das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum kann nicht hinreichend sicher getrennt werden.“

Bei dem Gutachten nach § 13 FeV ist das Augenmerk darauf zu legen, ob aufgrund der alkoholisierten Verkehrsteilnahme mit dem Fahrrad Eignungszweifel deshalb bestehen, weil Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ebenso künftig (prognostisch) das Führen von Kraftfahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden können. Dies ergibt sich insbesondere unter Berücksichtigung von Ziffer 1. Buchstabe f zur Anlage 15 der FeV, welche Grundsätze für die Durchführung der Untersuchungen und die Erstellung der Gutachten nach den §§ 13 und 14 FeV zum Gegenstand hat. Nach Buchstabe f Satz 1 ist Gegenstand der Untersuchung auch das voraussichtliche künftige Verhalten des Betroffenen, insbesondere, ob zu erwarten ist, dass er nicht oder nicht mehr ein Kraftfahrzeug unter Einfluss von Alkohol führen wird. Eine negative Prognose setzt nicht voraus, wie der in Satz 1 von Buchstabe f zuerst genannte Fall belegt („dass er nicht ein Kraftfahrzeug unter Einfluss von Alkohol führen wird“), dass es auch in der Vergangenheit bereits zu einer Trunkenheitsfahrt gerade mit einem Kraftfahrzeug gekommen ist. Das in der Vergangenheit liegende Verhalten ist lediglich der Grund dafür, weshalb die Kraftfahreignung kritisch zu überprüfen ist (BVerwG, Urteil vom 21. Mai 2008, a.a.O.).

Diese fehlt, wenn nach der zurückliegenden Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad und einem Blutalkoholgehalt von – wie hier ganz deutlich – mehr als 1,6 ‰ (hier: 2,96 ‰), ihren Begleitumständen sowie dem bisherigen und zu erwartenden Umgang des Betroffenen mit Alkohol (hier z.B.: Frühere Alkoholabhängigkeit mit Entgiftung in Emden im Jahre 2009) die Gefahr besteht, dass er künftig auch ein Kraftfahrzeug unter unzulässigem Alkoholeinfluss führen wird. Bei einer Alkoholproblematik ist demgemäß eine grundlegende Einstellungs- und gefestigte Verhaltensänderung erforderlich, die einen Rückfall unwahrscheinlich erscheinen lässt (und die hier fehlt). Denn für eine Trunkenheitsfahrt ist in der Regel ein falscher und unreflektierter Umgang mit dem Alkohol verantwortlich. Deshalb erfordert eine konsolidierte Einstellungs- und Verhaltensänderung eine nachhaltige, d. h. hinreichend motivierte und sich als ausreichend stabil erweisende Änderung des Alkoholtrinkverhaltens sowie eine Unterstützung dieses veränderten Trinkverhaltens durch eine entsprechende tiefergehende und umfassende selbstkritische Auseinandersetzung mit dem Fehlverhalten und dessen Ursachen sowie die Entwicklung eines entsprechenden Problembewusstseins (VG Mainz, Beschluss vom 12. Februar 2008 – 7 L 34/08.MZ – zitiert nach juris), woran es hier allerdings fehlt.

Das Gutachten nach §§ 46 Abs. 3, 13 Nr. 2c FeV hilft dem Rechtsanwender bei der Beantwortung der Frage, ob der Betroffene gegenwärtig zum Führen von Fahrzeugen bzw. Kraftfahrzeugen geeignet ist. Er muss jedoch den Einzelfall selbst kritisch würdigen und unter die maßgeblichen Vorschriften subsumieren (vgl. VG München, Beschluss vom 19. Februar 2008 – M 6b S 08.278 – zitiert nach juris). Die Beurteilung der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ist eine Prognose, da die auf § 3 Abs. 1 StVG und § 46 Abs. 1 FeV gestützte Entziehung der Fahrerlaubnis nicht repressiv vorangegangene Verkehrsverstöße ahndet, sondern der Abwehr von Gefahren dient, die künftig durch die Teilnahme von nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen geeigneten Fahrern am Straßenverkehr entstehen können. Hierfür ist zunächst maßgeblich, dass mit einer Blutalkoholkonzentration über 1,6 ‰ auffällig gewordene Personen bereits über deutlich normabweichende Trinkgewohnheiten und eine ungewöhnliche Giftfestigkeit verfügen und doppelt so häufig rückfällig werden wie Personen mit geringeren Blutalkoholkonzentrationen (vgl. hierzu VG Ansbach, Beschluss vom 23. März 2007 – AN 10 S 07.00527 – zitiert nach juris).

Ein hoher festgestellter Blutalkoholgehalt allein reicht jedoch grundsätzlich noch nicht aus, um eine Fahrungeeignetheit annehmen zu können.

Ob dies im Einzelfall anders zu betrachten wäre und auf die weitere Abklärung durch Gutachten womöglich im Einzelfall bspw. wegen eines extrem hohen Blutalkoholwertes (wie möglicherweise hier) ganz verzichtet werden könnte, bedarf hier indes keiner Entscheidung, weil der Antragsgegner ein solches Gutachten abgefordert und der Antragsteller dieses auch vorgelegt hat.

Die negative Prognose des Antragsgegners in seinem Bescheid vom 17. Januar 2012 fußt nämlich auf dem Medizinisch-Psychologischen Gutachtens der TÜV Nord Mobilität GmbH & Co. KG, Leer, vom 25. Oktober 2011 und ist nicht zu beanstanden. Dieses Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass

„zu erwarten“ ist, „dass Herr E. in Zukunft ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen wird“.

Das Gutachten trägt den Grundsätzen für die Durchführung der Untersuchungen und die Erstellung der Gutachten gemäß Anlage 15 zur FeV Rechnung und nimmt mit dem zitierten Ergebnis zu der maßgeblichen Frage Stellung, ob zu erwarten ist, dass der Antragsteller in Zukunft ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen wird. Das Gutachten verkennt insbesondere nicht, dass der Antragsteller die o.a. Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad begangen hat. Dieser Umstand wird der verkehrspsychologischen Beurteilung zugrunde gelegt und in Beziehung gesetzt zu der Gefahr eines Führens eines Kraftfahrzeuges unter Alkoholeinfluss. Es ist nicht fehlsam, dass das Gutachten insoweit eine negative Prognose abgibt, da es feststellt, dass der Antragsteller Alkohol in deutlich normabweichender Menge konsumiert, aber uneinsichtig in das überhöhte Ausmaß seiner Trinkgewohnheiten oder die Notwendigkeit einer Veränderung ist.

Aufgrund des gesamten Vorbringens des Antragstellers bei seiner Begutachtung und im Hinblick auf den Sachverstand der Gutachter beanstandet das Gericht das Gesamtergebnis der Begutachtung des Antragstellers nicht, sondern tritt dem Antragsgegner in seiner Bewertung bei.

An dieser Beurteilung vermag letztlich auch der Vortrag des Antragstellers im gerichtlichen Verfahren nichts zu ändern.

Das Gutachten steht in Einklang mit der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Eignung für das Führen von Kraftfahrzeugen wegen Alkoholmissbrauchs zu verneinen, wenn nach der zurückliegenden Trunkenheitsfahrt (dort: mit einem Fahrrad) und ihren Begleitumständen sowie dem bisherigen und zu erwartenden Umgang mit Alkohol die Gefahr besteht, dass er künftig auch ein Kraftfahrzeug unter unzulässigen Alkoholeinfluss führen wird (BVerwG, Urteil vom 21. Mai 2008 – 3 C 32/07 -, zitiert nach juris). Bei einem Fahrerlaubnisinhaber, der sich mit hoher Blutalkoholkonzentration am Straßenverkehr beteiligt, ist in der Regel bei vernünftiger lebensnaher Einschätzung die ernsthafte Besorgnis begründet, er werde in alkoholisiertem Zustand nicht stets die nötige Selbstkontrolle aufbringen, vom Führen eines Kraftfahrzeuges abzusehen. Die Teilnahme am Straßenverkehr in erheblich alkoholisiertem Zustand lässt häufig den Schluss zu, dass der Betreffende auch künftig mit einem Kraftfahrzeug alkoholisiert am Straßenverkehr teilnehmen könnte (BVerwG, Beschlüsse vom 24. Januar 1989 – 7 B 9.89 – und vom 9. September 1996 – 11 B 61.96 – zitiert nach juris). Das große Gewicht, das der Trunkenheitsfahrt des Antragstellers zukommt, geht darauf zurück, dass die Teilnahme im Straßenverkehr unter erheblicher Alkoholisierung mit einem Fahrzeug eine Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs bedeutet. Dies in der Vergangenheit liegende Verhalten ist der Grund dafür, weshalb die Kraftfahreignung kritisch zu überprüfen ist. Nach dem aktuellen Stand der Alkoholforschung deutet eine Blutalkoholkonzentration ab 1,6 ‰ auf deutlich normal abweichende Trinkgewohnheiten und eine ungewöhnliche Giftfestigkeit hin (BVerwG, Urteil vom 21. Mai 2008 – 3 C 32/07 – a.a.O.). Das Bundesverwaltungsgericht begründet das Gefährdungspotential, das mit einer solchen Alkoholgewöhnung einhergeht, mit den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, die als Niederschlag sachverständiger Erfahrungen von Gewicht sind. Nach ihrer Nr. 3.11 ist die Annahme eines chronischen Alkoholkonsums mit besonderer Gewöhnung und Verlust der kritischen Einschätzung des Verkehrsrisikos gerechtfertigt, wenn „Werte um oder über 1,5 Promille“ angetroffen werden (Rdnr. 16). Bei solchen Menschen pflege in der Regel ein Alkoholproblem vorzuliegen, das die Gefahr weiterer Alkoholauffälligkeit im Straßenverkehr in sich berge. Häufiger Alkoholkonsum führe zur Gewöhnung an die Giftwirkung und damit zur Unfähigkeit einer realistischen Einschätzung der eigenen Alkoholisierung und des dadurch ausgelösten Verkehrsrisikos (BVerwG, Urteil vom 21. Mai 2008 – a.a.O.).

Dies muss hier erst Recht für den Antragsteller gelten, der mit 2,96 Promille angetroffen wurde.

Ein an den vorgenannten Erkenntnissen und der vergangenen Alkoholauffälligkeit im Straßenverkehr anknüpfendes Gutachten hat das Trinkverhalten des Betroffenen anhand seiner Vorgeschichte und Entwicklung sowie sein Persönlichkeitsbild unter dem Blickwinkel, ob für die Zukunft auch die Gefahr einer Trunkenheitsfahrt mit einem Kraftfahrzeug besteht, aufzuklären und zu bewerten. Insoweit kommt es darauf an, ob die Trunkenheitsfahrt Ausdruck eines Kontrollverlustes war, der erneut zu einer Verkehrsteilnahme mit einem Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen kann. Ist danach vom Betroffenen eine Änderung seines Trinkverhaltes zu fordern, so muss diese hinreichend stabil sein, damit die künftige Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bejaht werden kann. Dies setzt u. a. ein angemessenes Problembewusstsein und eine hinreichende Integration der Änderung in das Gesamtverhalten voraus. Der Änderungsprozess muss zudem vom Betroffenen nachvollziehbar aufgezeigt werden (s. auch Nr. 3.11.1 b der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung – BVerwG, Urteil vom 21. Mai 2008, a.a.O.).

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht, dem das Gericht insoweit folgt, hat zur auch hier einschlägigen Bewertung ausdrücklich festgehalten (12. Senat, Beschluss vom 29. Dezember 2008, 12 ME 286/98):

„Ein Alkoholmissbrauch im Sinne der Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV liegt dann vor, wenn nach den Begleitumständen sowie dem bisherigen und zu erwartenden Umgang des Betroffenen mit Alkohol zu erwarten ist, dass das Führen von Kraftfahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden kann(vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 21.5.2008 – 3 C 32.07 -, NJW 2008, 2601). Dieser Blickwinkel ist dem medizinisch-psychologischen Gutachten zugrunde zu legen, das nach § 13 FeV beizubringen ist. Die zu dieser Fragestellung getroffene, hier im Einzelnen begründete gutachtliche Feststellung rechtfertigt daher bereits die Annahme einer fehlenden Eignung, ohne dass es auf das Erfordernis einer konkreten Gefährdung anderer bei der Trunkenheitsfahrt oder das Vorliegen einer Alkoholkrankheit ankommt. Die gutachterliche Prognose muss daher auch nicht – entgegen der Auffassung des Antragstellers – durch medizinische Ergebnisse bestätigt werden, die Hinweise auf eine Alkoholkrankheit ergeben. Soweit der Antragsteller darüber hinaus mit seiner Beschwerde vorbringt, dass er grundsätzlich einen bewussten Umgang mit Alkohol pflege, setzt er seine Bewertung an die Stelle der Gutachter. Auch sein nicht weiter substantiiertes Vorbringen, auf Feierlichkeiten keinen Alkohol mehr zu trinken, ist nicht geeignet, den erforderlichen gefestigten Einstellungswandel zu belegen (vgl. zu diesem Erfordernis BVerwG, Urt. v. 21.5.2008, a.a.O.; ferner OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 7.3.2007 – 5 S 9.07 -, NJW 2007, 519).“

Daran ändert nichts die (bereits oben angeführte) Verschärfung im Wortlaut der Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV; insgesamt hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 22. Juni 2010 – 12 ME 52/10 – dazu und ausdrücklich auch die zuvor angeführte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Mai 2008 betonend nämlich wörtlich Folgendes festgehalten,

„Darüber hinaus hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil von 21. Mai 2008 (- 3 C 32.07 -, BVerwGE 131, 163) zur Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nach einer Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad ausgeführt:

a) In Nr. 8 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung werden Alkoholmissbrauch und Alkoholabhängigkeit als die Fahreignung ausschließende Krankheiten und Mängel benannt. Alkoholmissbrauch ist nach Nr. 8.1 dann anzunehmen, wenn das Führen von Kraftfahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden kann. Aus Nr. 8.2 ergibt sich, dass Eignung und bedingte Eignung nach Beendigung des Missbrauchs wieder bejaht werden können, wenn die Änderung des Trinkverhaltens gefestigt ist.

Die der Fahrerlaubnisbehörde in diesem Zusammenhang obliegende Beurteilung der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ist eine Prognose. Die auf § 3 Abs. 1 StVG und § 46 Abs. 1 FeV gestützte Entziehung der Fahrerlaubnis dient nicht – repressiv – der Ahndung vorangegangener Verkehrsverstöße, sondern der Abwehr von Gefahren, die künftig durch die Teilnahme von nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen geeigneten Fahrern am Straßenverkehr entstehen können. Deshalb ist die in Nr. 8.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung enthaltene Definition (vgl. BRDrucks 443/98 S. 260) sinngemäß dahingehend zu ergänzen, dass Alkoholmissbrauch vorliegt, wenn zu erwarten ist, dass das Führen von Kraftfahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden kann. Dieser Blickwinkel ist auch dem medizinisch-psychologischen Gutachten zugrunde zu legen, das nach § 13 FeV beizubringen ist. Das bestätigen die in der Anlage 15 zur Fahrerlaubnisverordnung enthaltenen Grundsätze für die Durchführung der Untersuchungen und die Erstellung der Gutachten. Deren Buchstabe f hat speziell die Fälle der §§ 13 und 14 FeV zum Gegenstand, also die Klärung von Eignungszweifeln bei einer Alkoholproblematik oder bei der Einnahme von Betäubungs- und Arzneimitteln. Nach dessen Satz 1 ist Gegenstand der Untersuchung auch das voraussichtliche künftige Verhalten des Betroffenen, insbesondere ob zu erwarten ist, dass er nicht oder nicht mehr ein Kraftfahrzeug unter Einfluss von Alkohol oder Betäubungsmitteln/Arzneimitteln führen wird. Das in der Vergangenheit liegende Verhalten ist lediglich der Grund dafür, weshalb die Kraftfahreignung kritisch zu überprüfen ist. Eine negative Prognose setzt, wie der in Satz 1 von Buchstabe f als erstes genannte Fall belegt („dass er nicht ein Kraftfahrzeug unter Einfluss von Alkohol führen wird“), keineswegs voraus, dass es auch in der Vergangenheit bereits zu einer Trunkenheitsfahrt gerade mit einem Kraftfahrzeug gekommen ist. Eine solche Annahme rechtfertigt auch Satz 5 nicht, wonach zum Zeitpunkt der Erteilung der Fahrerlaubnis Bedingungen vorliegen müssen, die zukünftig einen „Rückfall“ als unwahrscheinlich erscheinen lassen. Dieser Satz erfasst erkennbar nur einen Ausschnitt möglicher Fallgestaltungen, wie bereits aus der Bezeichnung des maßgeblichen Zeitpunkts deutlich wird. Dies hat das Verwaltungsgericht nicht hinreichend berücksichtigt, wenn es darauf abstellt, dass eine Rückfallgefahr hier nur die künftige Verkehrsteilnahme mit einem Fahrrad betreffen könne.

b) Nach der Wertung des Verordnungsgebers begründet, wie § 13 Satz 1 Buchst. c FeV zweifelsfrei zu entnehmen ist, auch die Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad bei Vorliegen eines Blutalkoholgehalts von mindestens 1,6 Promille Zweifel an der Kraftfahreignung des Betroffenen. Dies beruht darauf, dass nach dem aktuellen Stand der Alkoholforschung eine Blutalkoholkonzentration ab 1,6 Promille auf deutlich normabweichende Trinkgewohnheiten und eine ungewöhnliche Giftfestigkeit hindeutet (vgl. BRDrucks 443/98 <Beschluss> S. 6).

Dass mit einer entsprechenden Alkoholgewöhnung ein erhöhtes Gefährdungspotenzial einhergeht, bestätigen auch die Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahreignung, die als Niederschlag sachverständiger Erfahrung von Gewicht sind (vgl. Urteil vom 27. September 1995 – BVerwG 11 C 34.94 – a.a.O. S. 252). In ihrer Nr. 3.11 befassen sich diese Leitlinien mit Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit als Mängeln, die die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausschließen. Danach ist die Annahme eines chronischen Alkoholkonsums mit besonderer Gewöhnung und Verlust der kritischen Einschätzung des Verkehrsrisikos gerechtfertigt, wenn bei Kraftfahrern im Straßenverkehr Werte um oder über 1,5 Promille angetroffen werden. Bei solchen Menschen pflege in der Regel ein Alkoholproblem vorzuliegen, das die Gefahr weiterer Alkoholauffälligkeit im Straßenverkehr in sich berge. Häufiger Alkoholkonsum führe zur Gewöhnung an die Giftwirkung und damit zur Unfähigkeit einer realistischen Einschätzung der eigenen Alkoholisierung und des dadurch ausgelösten Verkehrsrisikos. Wegen der durch die allgemeine Verfügbarkeit von Alkohol begünstigten hohen Rückfallgefahr seien strenge Maßstäbe anzulegen, bevor eine positive Prognose zum Führen von Kraftfahrzeugen gestellt werden könne. Voraussetzung sei eine ausreichende Veränderung des Trinkverhaltens, die stabil und motivational gefestigt sein müsse. Diesen Erkenntnissen tragen die Nr. 8.1 und 8.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung Rechnung.

Dementsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht anerkannt, dass ein stark alkoholisiert angetroffener Fahrradfahrer zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens verpflichtet werden kann. Bei einem Fahrerlaubnisinhaber, der sich mit hoher Blutalkoholkonzentration am Straßenverkehr beteilige und damit eine Verkehrsstraftat nach § 316 StGB begehe, sei in der Regel bei vernünftiger lebensnaher Einschätzung die ernsthafte Besorgnis begründet, er werde in alkoholisiertem Zustand nicht stets die nötige Selbstkontrolle aufbringen, vom Führen eines Kraftfahrzeuges abzusehen. Die Teilnahme am Straßenverkehr in erheblich alkoholisiertem Zustand lasse häufig den Schluss zu, dass der Betreffende auch künftig, und zwar auch mit einem Kraftfahrzeug, betrunken am Straßenverkehr teilnehmen könnte (Beschluss vom 24. Januar 1989 – BVerwG 7 B 9.89 – Buchholz 442.10 § 4 StVG Nr. 85; Urteil vom 27. September 1995 – BVerwG 11 C 34.94 – a.a.O. S. 253; Beschluss vom 9. September 1996 – BVerwG 11 B 61.96 – juris).

Dabei ist zu beachten, dass die Teilnahme am Straßenverkehr unter erheblicher Alkoholisierung mit jedem Fahrzeug eine Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs bedeutet. Diese Einschätzung liegt auch § 316 StGB zugrunde, der nicht nur die Trunkenheitsfahrt mit einem Kraftfahrzeug unter Strafe stellt. Insbesondere wenn der Betreffende eine solche Gefährdung in der Vergangenheit bereits verursacht hat, muss sichergestellt werden, dass er das Risiko für die Verkehrssicherheit nicht noch dadurch erhöht, dass er in der Zukunft möglicherweise sogar ein Kraftfahrzeug in alkoholisiertem Zustand fährt.

c) Ausgehend hiervon ist die Eignung für das Führen von Kraftfahrzeugen wegen Alkoholmissbrauchs zu verneinen, wenn nach der zurückliegenden Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad und ihren Begleitumständen sowie dem bisherigen und zu erwartenden Umgang des Betroffenen mit Alkohol die Gefahr besteht, dass er künftig auch ein Kraftfahrzeug unter unzulässigem Alkoholeinfluss führen wird. Dies ist nach Nr. 8.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung dann anzunehmen, wenn er zwischen dem Führen von Kraftfahrzeugen und einem die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholgenuss nicht hinreichend sicher trennen kann. Wird beim Betroffenen ein chronisch überhöhter Alkoholkonsum und eine damit einhergehende Alkoholgewöhnung und die Unfähigkeit zu einer realistischen Einschätzung des eigenen Alkoholpegels sowie der daraus bei einer Teilnahme am Straßenverkehr drohenden Gefahren festgestellt, setzt die Bejahung der Kraftfahreignung regelmäßig eine gefestigte Änderung des Trinkverhaltens voraus. Dies ist Nr. 8.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung zu entnehmen, die auf die Beendigung des (Alkohol-)Missbrauchs und damit auf das Entfallen der sich aus dem mangelnden Trennungsvermögen ergebenden Gefahren abstellt. Sie setzt hierfür eine gefestigte Änderung des Trinkverhaltens voraus.

Diesen Fragen ist in dem medizinisch-psychologischen Gutachten nachzugehen, das nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV einzuholen ist. Dabei sind die Umstände der in der Vergangenheit bereits zu verzeichnenden Trunkenheitsfahrt, das Trinkverhalten des Betroffenen anhand seiner Vorgeschichte und Entwicklung sowie sein Persönlichkeitsbild unter dem Blickwinkel näher aufzuklären und zu bewerten, ob für die Zukunft auch die Gefahr einer Trunkenheitsfahrt mit einem Kraftfahrzeug besteht. Insoweit kommt es darauf an, ob die Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad Ausdruck eines Kontrollverlustes war, der genauso gut zu einer Verkehrsteilnahme mit einem Kraftfahrzeug führen kann. Ist danach vom Betroffenen eine Änderung seines Trinkverhaltens zu fordern, muss diese hinreichend stabil sein, damit die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bejaht werden kann. Dies setzt unter anderem ein angemessenes Problembewusstsein und eine hinreichende Integration der Änderung in das Gesamtverhalten voraus. Der Änderungsprozess muss vom Betroffenen nachvollziehbar aufgezeigt werden (vgl. auch Nr. 3.11.1 Buchst. b der Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahreignung).

Diesen Ausführungen schließt sich der erkennende Senat an.

Die Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV ist gegenüber der der damaligen Bundesverwaltungsgerichtsentscheidung zugrunde gelegten – und vom Verwaltungsgericht zu Unrecht offenbar auch jetzt noch angewandten – Fassung im Jahr 2008 verschärft worden. Der Normgeber hat sich in Kenntnis des unterschiedlichen Bedeutungsgehaltes der Begriffe (Fahrzeug/Kraftfahrzeug) dazu entschlossen, für die Definition des Missbrauchs nur noch an das Führen von Fahrzeugen – und nicht wie zuvor Kraftfahrzeugen – anzuknüpfen. Selbst wenn man zugunsten des Antragstellers Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV in seiner alten (unverschärften) Fassung anwendete, ergäben sich aber keine Bedenken gegen die angefochtene Entscheidung.

Das Verwaltungsgericht hat zutreffend begründet, dass die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe c) FeV schon deshalb gerechtfertigt war, weil der Antragsteller ein Fahrrad mit einer BAK von mehr als 1,6 (gemessene BAK: 1,83) Promille geführt hat. Das Gutachten ist dann – Nr. 1 Buchstabe f) Satz 1 der Anlage 15 zur FeV entsprechend – explizit zu der Frage eingeholt worden, ob zu erwarten ist, dass der Untersuchte zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen wird. Das Bundesverwaltungsgericht hat – wie dargelegt – noch zur alten Rechtslage überzeugend auf das Gefährdungspotential auch bei einer Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad hingewiesen und gefordert, es müsse, wenn der Betreffende eine solche Gefährdung in der Vergangenheit verursacht habe, sichergestellt werden, dass sich das Risiko für die Verkehrssicherheit nicht noch dadurch erhöhe, dass der Betroffene in der Zukunft möglicherweise sogar ein Kraftfahrzeug in alkoholisiertem Zustand fahre. Insoweit sei maßgebend, ob sich die Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad als Ausdruck eines Kontrollverlustes darstelle, der genauso gut zu einer Verkehrsteilnahme mit einem Kraftfahrzeug führen könne. Vor diesem Hintergrund begegnet es keinen Bedenken, dass der Gutachter sich nicht explizit dazu verhalten hat, dass der Antragsteller in der Vergangenheit mit dem Fahrrad am Verkehr teilgenommen hat und er prognostisch die Frage zu beantworten hatte, ob der Antragsteller zukünftig (nach eigenem Bekunden: potenziell erstmals) ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen wird. Abgesehen davon, dass dem Gutachter bewusst war, dass eine Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad vorausgegangen war (Bl. 2 der Gutachten), ist seinen Darlegungen auch zweifelsfrei zu entnehmen, dass sich die Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad gerade als Ausdruck eines Kontrollverlustes im oben beschriebenen Sinne darstellt. In dem Gutachten wird darauf hingewiesen, dass die Höhe der beim Antragsteller gemessenen BAK den Schluss auf eine abnorme Trinkfestigkeit zulasse. Der Antragsteller müsse demnach an so große Trinkmengen gewöhnt sein, dass er – zumal wenn er unter Alkoholeinfluss stehe – nicht mehr überschauen könne, wie hoch seine BAK zu einem bestimmten Zeitpunkt sei und wann sich diese BAK abgebaut haben werde. Diese Aspekte ließen darauf schließen, dass mit ähnlichen Verhaltenstendenzen auch in Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit gerechnet werden müsse. Die Annahme des Gutachters, es sei zu erwarten, dass der Antragsteller in Zukunft (auch) ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen werde, erscheint vor diesem Hintergrund plausibel.

Die Kraftfahreignung kann in solchen Fällen – wie dargelegt – nur bejaht werden, wenn der Betroffene ein angemessenes Problembewusstsein erkennen lässt und eine hinreichend stabile Änderung seines Trinkverhaltens nachvollziehbar aufzeigt (vgl. BVerwG, Urt. v.21.5. 2008, a. a. O.). Dies ist dem Antragsteller nicht gelungen. Das Gutachten der DEKRA hat – anders als der Antragsteller meint – seine seit dem Vorfall eingetretene Verhaltsänderung hinreichend berücksichtigt. Dass der Antragsteller sich seiner Alkoholproblematik gestellt und Konsequenzen in Form eines reduzierten Umgangs mit Alkohol gezogen habe, ist explizit angesprochen. Die „noch“ nicht zu stellende günstige Gesamtprognose wurde aber nachvollziehbar damit begründet, dass eine tiefer greifende Auseinandersetzung mit den persönlichkeitsspezifischen Hintergründen des Trinkverhaltens und deren Aufarbeitung bisher noch nicht stattgefunden habe. Ferner hat der Gutachter auf die gegenwärtig noch vorhandene Maßstabsverschiebung hinsichtlich des konsumierten Alkohols in der Vergangenheit sowie nicht hinreichendes Wissen über den Auf- und Abbau von Blutalkohol hingewiesen. Da – wie dargelegt – neben einer hinreichend stabilen Verhaltensänderung auch ein angemessenes Problembewusstsein zu fordern ist, sind auch die diesbezüglichen Ausführungen in dem Gutachten plausibel.“

So liegt der Fall hier, wenn er sich auch zugleich als für den Antragsteller noch ungünstiger darstellt, z.B. weil er mit einem deutlich höheren – und deshalb mit erhöhter Giftfestigkeit, erheblicher Alkoholgewöhnung und Verlust der Steuerungsfähigkeit einhergehendem und zu erklärendem – Blutwert angetroffen wurde (2,96 Promille) oder z.B. weil er bei seiner Begutachtung Angaben gemacht hat, die wohl nicht in Einklang zu bringen – mithin insoweit wahrscheinlich unglaubhaft – waren und sind mit den Werten aus seinem Klinikaufenthalt (Entgiftung in Emden im Jahre 2009).

Mit der Fahrerlaubnisentziehung verbundene besondere persönliche und berufliche Erschwernisse ändern an dieser Rechtslage nichts. Das Interesse des Antragstellers, derartige Nachteile zu vermeiden, tritt regelmäßig und auch hier hinter das öffentliche Interesse, die übrigen Verkehrsteilnehmer wirksam vor gefährdendem Verhalten zu schützen, zurück (Nds. OVG, Beschl. vom 1. April 2009 – 12 LA 130/08 -).

Bei der dargestellten Sach- und Rechtslage kommt es auf das sonstige Beteiligtenvorbringen nicht weiter an, insbesondere auch nicht auf den von Aktivseite vergeblich gemachten und voraussichtlich irrigen Hinweis darauf, bei dem Antragsteller läge eine ‚Vermeidungsstrategie‘ vor, zumal das Voranstehende die gefestigte Rechtsprechung der Kammer wiedergibt (vgl. z.B. Kammerbeschluss vom 19. August 2009 – 7 B 2162/09 – mit dem die dagegen gerichtete Beschwerde zurückweisenden Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 9. November 2009 – 12 ME 220/09 – und insbesondere Kammerbeschluss vom 2. Februar 2010 – 7 B 326/10 – mit die dagegen gerichtete Beschwerde zurückweisendem und auf die geänderte Fassung der Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV aufmerksam machendem Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 22. Juni 2010 – 12 ME 52/10 -, der hier zuvor weitgehend im Wortlaut zitiert ist).

Schließlich wird der Antragsteller die von ihm behaupteten ‚normalen‘ Blut-/Leberwerte, die er (seit der Trunkenheitsfahrt?) dokumentieren könne, in einem etwaigen Verfahren auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach § 20 FeV möglicherweise zu seinen Gunsten einbringen können, wenngleich er auch insoweit zu gewärtigen haben könnte, sich erneut einer sog. ‚MPU‘ unterziehen zu müssen, worüber aber hier nicht zu befinden ist.

Es darf am Ende auch offenbleiben, ob sich der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die im angegriffenen Bescheid getroffene Kostenfestsetzung des Antragsgegners richtet, vgl. die Problemlage aus § 80 Abs. 6 VwGO, weil sich diese Gebühr voraussichtlich aus den dortigen, im wesentlichen zutreffenden Gründen (ebenfalls) als rechtmäßig erweist, § 117 Abs. 5 VwGO entsprechend.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

2. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich grundsätzlich an Ziffer 46 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327 ff.). Für die Hauptsache ergibt sich danach voraussichtlich ein Streitwert von 10.000,00 Euro (Entziehung der Klassen A und C1E), vgl. Nds. OVG, Beschl. vom 22. Juni 2010 – 12 ME 52/10 – am Ende.

Da im vorliegenden Eilverfahren lediglich eine vorläufige Regelung getroffen wird, ist der Wert gemäß Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs auf 5.000,- € zu halbieren.

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