VG Aachen – Az.: 3 L 1364/19 – Beschluss vom 14.04.2020
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das beabsichtigte Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Gründe
Der Antrag mit dem Inhalt, dem Antragsteller unter Beiordnung von Rechtsanwalt N. N. aus B. Prozesskostenhilfe für die – im Fall der Bewilligung – beabsichtigte Rechtsverfolgung mit dem Inhalt, die aufschiebende Wirkung der – im Fall der Bewilligung – beabsichtigten Klage gleichen Rubrums – 3 K 3409/19 – gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 22. Oktober 2019 über die Fahrerlaubnisentziehung mit Zwangsgeldandrohung anzuordnen, zu gewähren, hat keinen Erfolg.
Die vom Antragsteller – für den Fall der Bewilligung – beabsichtigte Rechtsverfolgung besitzt aus den nachstehenden Gründen nicht die erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht, vgl. § 166 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in Verbindung mit § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO).
Der beabsichtigte Aussetzungsantrag ist zwar als zulässig anzusehen.
Seine Statthaftigkeit ist gegeben. Der in der Hauptsache beabsichtigten Anfechtungsklage fehlt die aufschiebende Wirkung, vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO. Soweit sie sich gegen die Fahrerlaubnisentziehung richten soll, folgt das aus § 4 Abs. 9 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) und im Übrigen aus § 112 Satz 1 des Justizgesetzes NRW.
Der beabsichtigte Aussetzungsantrag ist aber als unbegründet anzusehen.
Die gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung und dem privaten Interesse des Antragstellers, von deren Vollziehung bis zur abschließenden Klärung ihrer Rechtmäßigkeit im Hauptsacheverfahren verschont zu bleiben, würde bei einer Entscheidung zu Lasten des Antragstellers ausfallen.
Die mit Ordnungsverfügung vom 22. Oktober 2019 erfolgte Entziehung der Fahrerlaubnis ist als offensichtlich rechtmäßig anzusehen.
Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG. Danach ist die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn der Fahrerlaubnisinhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen gilt. Das ist bei einem Fahrerlaubnisinhaber, der – wie hier der Antragsteller – wiederholt gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften verstoßen hat, dann der Fall, wenn die mit Punkten bewerteten Taten einen Punktestand von 8 oder mehr Punkten ergeben.
Ob dieser Punktstand vorliegt, hat die Fahrerlaubnisbehörde auf der Grundlage des Punktestands im Fahreignungsregister zu beurteilen. Der dortige Punktestand wird der Fahrerlaubnisbehörde vom Kraftfahrt-Bundesamt nach § 4 Abs. 8 StVG informatorisch mitgeteilt. Vorliegend hat das Kraftfahrt-Bundesamtes der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 9. August 2019 mitgeteilt, dass für den Antragsteller im Fahreignungsregister insgesamt 8 Punkte eingetragen sind:
Tattag/Datum Sachverhalt Rechtskraft Tilgungsdatum Punkte
- 19.01.2018 Überschr. der zulässigen Höchstgeschw. außerhalb geschl. Ortschaft um 31 km/h. 23.05.2018 23.11.2020 1
- 18.04.2018 Überschr. der zulässigen Höchstgeschw. außerhalb geschl. Ortschaft um 38 km/h. 11.07.2018 11.01.2021 1
- 15.05.2018 Überschr. der zulässigen Höchstgeschw. außerhalb geschl. Ortschaft um 25 km/h. 18.07.2018 18.01.2021 1
- 12.10.2018 Überschr. der zulässigen Höchstgeschw. außerhalb geschl. Ortschaft um 35 km/h. 28.12.2018 28.06.2021 1
- 01.11.2018 Überschr. der zulässigen Höchstgeschw. außerhalb geschl. Ortschaft um 25 km/h. 11.12.2018 11.06.2021 1
- Ermahnung mit 5 Punkten vom 17. Januar 2019, zugestellt am 19. Januar 2019. 09.12.2018
- Als Kfz-Führer vorschriftswidrig ein elektronisches Gerät benutzt. 09.02.2019 09.08.2021 1
- Verwarnung mit 6 Punkten vom 3. April 2019, zugestellt am 8. Juni 2019.
- 23.12.2018 Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort 26.06.2019 26.06.2024 2
- Insgesamt: 8 Punkte
Die sieben für den Antragsteller eingetragenen Verkehrsverstöße ergeben auch nach rechtlicher Bewertung einen Punktestand von insgesamt 8 Punkte, vgl. § 4 Abs. 2 StVG und § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe s) StVG i.V.m. Anlage 13 zu § 40 FeV.
Nach Nr. 3.2.2 der Anlage 13 zu § 40 FeV sind die vom Kraftfahrt-Bundesamt vor der Ermahnung des Antragstellers mitgeteilten Geschwindigkeitsverstöße mit jeweils einem Punkt, insgesamt also mit 5 Punkten bewerten.
Nach Nr. 3.2.15 der Anlage 13 zu § 40 FeV ist der vom Kraftfahrt-Bundesamt vor der Verwarnung des Antragstellers mitgeteilte „Handyverstoß“ (Nr. 246.1 des Bußgeldkatalogs) als Verstoß gegen sonstige Pflichten beim Fahrzeugführen mit einem Punkt zu bewerten.
Nach Nr. 2.1.7 der Anlage 13 zu § 40 FeV ist die vom Kraftfahrt-Bundesamt vor der Entziehung mitgeteilte Straftat des Unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142 StGB), bei der das Amtsgericht Eschweiler im Urteil vom 26. Juni 2019 keine Führerscheinmaßnahmen verhängt hat, mit 2 Punkten zu bewerten.
Dies ergibt 8 Punkte; eine weitere rechtliche Bewertung führt nicht zu einer Verringerung.
Punkte ergeben sich nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem in § 4 StVG mit der vom Fahrerlaubnisinhaber begangenen Tat. Es gilt das „Tattagsprinzip“, bei dem sich die Punkte am Tag der Begehung der Straftat oder Ordnungswidrigkeit aufaddieren, sofern – wie naturgemäß nur rückblickend beurteilt werden kann – die Straftat oder Ordnungswidrigkeit in der Folge rechtskräftig geahndet wird, vgl. § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG. Dementsprechend liegt der für die Entziehung der Fahrerlaubnis erforderliche Stand von 8 Punkten vor, wenn sich dieser Punktestand nach § 4 Abs. 5 Satz 5 StVG zum Zeitpunkt der Begehung der letzten zur Ergreifung der Maßnahme führenden Straftat oder Ordnungswidrigkeit ergeben hat, mithin am „Tag der letzten Tat“.
Vgl. Verwaltungsgericht (VG) Aachen, Beschluss vom 5. November 2018 – 3 L 1588/18 -, juris Rn. 13 und – zur früheren Rechtslage – Beschluss vom 16. August 2011 – 3 L 7/11 -, juris Rn. 11.
Vorliegend ist damit der 23. Dezember 2018 maßgeblich. An diesem Tag beging der Antragsteller die Straftat des Unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142 StGB), die rechtskräftig geahndet wurde, und zwar durch die am 26. Juni 2019 eingetretene Rechtskraft eines Strafurteils vom selben Tag. In der Rückschau erreichte der Antragsteller damit am 23. Dezember 2018 den für die Entziehung maßgeblichen Stand von 8 Punkten.
Am 23. Dezember 2018 waren die aus den Vortaten folgenden Punkte vollumfänglich zu berücksichtigen. Bei der Berechnung des Punktestandes werden Vortaten nur dann berücksichtigt, wenn deren Tilgungsfrist noch nicht abgelaufen war, vgl. § 4 Abs. 5 Satz 6 Nr. 2 StVG. Maßgeblich ist auch insoweit der „Tag der letzten Tat“. Unerheblich ist, ob nach diesem Tag Tilgungsfristen ablaufen. Solche späteren Verringerungen des Punktestandes aufgrund von Tilgungen bleiben nach § 4 Abs. 5 Satz 7 StVG unberücksichtigt.
Die Tilgung von eingetragenen Vortaten richtet sich nach § 29 StVG. Danach werden die im Register gespeicherten Eintragungen nach Ablauf der in Satz 2 bestimmten Frist getilgt. Die jeweilige Tilgungsfrist beträgt (je nach Schwere des Verstoßes) 2 1/2 Jahre, 5 Jahre und 10 Jahre. Der Lauf der Tilgungsfrist beginnt nach § 29 Abs. 4 Satz 1 StVG grundsätzlich mit dem Tag der Rechtskraft der jeweiligen Entscheidung.
Die vom Antragsteller zuerst begangene Vortat, nämlich die Geschwindigkeitsüberschreitung vom 19. Januar 2018, ist auch zuerst rechtskräftig geahndet worden (Rechtskraft am 23. Mai 2018). Diese Tat wurde zutreffend mit einem Punkt bewertet und unterliegt der Tilgung nach Ablauf von 2 1/2 Jahren nach Rechtskraft. Das maßgebliche Tilgungsdatum ist damit der 23. November 2020. Am Tag der letzten Tat, dem 23. Dezember 2018, war die Tilgungsfrist damit erkennbar nicht abgelaufen.
Nur der Vollständigkeit halber sei die einjährige „Überliegefrist“ erwähnt, die sich im Fahreignungs-Bewertungssystem nach Ablauf der Tilgungsfrist anschließt, wenn – wie hier – eine Geldbuße von mindestens 60 Euro für eine punktbewertete Tat verhängt worden ist, vgl. § 29 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 StVG i.V.m. § 28 Abs. 3 Nr. 3 Buchstabe a) Doppelbuchstabe bb) StVG.
Die Tilgungsfristen der Vortaten jüngeren Rechtskraftdatums konnten damit am 23. Dezember 2018 erst recht nicht abgelaufen sein.
Die Entziehung der Fahrerlaubnis vom 22. Oktober 2019 aufgrund des Erreichens von 8 Punkten musste – anders als der Antragsteller mit seinem Vorbringen meint – nicht etwa deswegen unterbleiben, weil sie allein auf dem Verhalten des Antragstellers als Fahrzeugführer im Jahr 2018 beruht und damit die im Jahr 2019 als Reaktion auf die behördliche Ermahnung bzw. Verwarnung gezeigte positive Verhaltensänderung unberücksichtigt lässt.
Der Antragsteller trägt dazu sinngemäß vor: Die von der Antragsgegnerin vorgenommene Anwendung des Fahreignungs-Bewertungsystems könne, wie der vorliegende Fall zeige, nicht richtig sein. Bei ihm habe die Ermahnung bzw. Verwarnung gefruchtet und er habe sein bisheriges Verhalten zum Positiven geändert. Gleichwohl entziehe ihm die Antragsgegnerin die Fahrerlaubnis. Mit ihrer Vorgehensweise nehme sie den in § 4 Abs. 5 StVG vorgesehenen Maßnahmestufen erkennbar jeden Sinn und Zweck. Ermahnung und Verwarnung könnten ihre Warn- und Erziehungsfunktion nicht mehr entfalten. Wohlverhalten des Fahrerlaubnisinhabers sei auf einmal völlig unerheblich. Auch mit Blick auf die gemäß Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) gebotene Gleichbehandlung könne es nicht richtig sein, dass er, der Antragsteller, schlechter gestellt werde, als es bei einer umfassenden Berücksichtigung aller Vortaten in der Verwarnung der Fall gewesen wäre. Eine vollumfängliche Berücksichtigung aller Taten hätte nämlich den Punktestand nach § 4 Abs. 6 Nr. 2 StVG von 8 auf 7 Punkte verringert. Der Gesetzgeber wolle damit dem betroffenen Fahrerlaubnisinhaber noch eine letzte Chance einzuräumen, durch Wohlverhalten die Entziehung der Fahrerlaubnis abzuwenden. Diese Chance zur Erhaltung seiner Arbeitsstelle als Fahrer und damit auch seines Einkommens und seiner Integration in Deutschland habe ihm die Antragsgegnerin durch ihre rechtswidrige Handhabung der Vorschriften über den Punktestand genommen.
Diese Einwände des Antragstellers greifen offensichtlich nicht durch. Auch werfen sie keine ungeklärten Rechtsfragen auf, welche dem beabsichtigten Aussetzungsverfahren eine Erfolgsaussicht vermitteln bzw. die hier beantragte Gewährung von Prozesskostenhilfe rechtfertigen könnten.
Spätestens durch die Neuregelung zum 5. Dezember 2014 hat der Bundesgesetzgeber durch das Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Gesetzes vom 28. November 2014 (BGBl. I S. 1802) die vom Antragsteller aufgeworfenen Fragen zur rechtmäßigen Punkteberechnung bei der Anwendung des Fahreignungs-Bewertungssytems in der Weise beantwortet, wie die Antragsgegnerin sie mit der angegriffenen Entziehung umgesetzt hat.
So ist der Änderungsgesetzgeber ausdrücklich davon abgerückt, den in § 4 Abs. 5 Satz 1 StVG vorgesehenen Maßnahmen der Ermahnung (Nr. 1) und Verwarnung (Nr. 2) die – vom Antragsteller geltend gemachte – „Warn- und Erziehungsfunktion“ zuzumessen.
Vgl. zur ausdrücklichen Abkehr des Gesetzgebers von der früheren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 25. September 2008 – 3 C 3.07 -, juris) Bundestagsdrucksache 18/2775, S. 9 f., juris.
An dessen Stelle ist eine bloße „Hinweisfunktion“ von Ermahnung und Verwarnung getreten mit einer „Verschärfung“ des Tattagsprinzips. Das ergibt sich aus der Neufassung des § 4 Abs. 6 StVG, dessen Satz 4 wie folgt lautet:
„Punkte für Zuwiderhandlungen, die vor der [durch Ermahnung bzw. Verwarnung bewirkten] Verringerung … begangen worden sind und von denen die … zuständige Behörde erst nach der Verringerung Kenntnis erhält, erhöhen den sich … ergebenden Punktestand.“
Gemessen an der darin klar zum Ausdruck kommenden Systematik der Punkteberechnung, die schon in § 4 Abs. 5 Satz 6 StVG angelegt ist, war die Antragsgegnerin rechtlich verpflichtet, den sich ergebenden Punktestand beim Antragsteller nach dessen Verwarnung von 6 auf 8 Punkte zu erhöhen und ihm die Fahrerlaubnis zu entziehen. Die Antragsgegnerin erhielt nämlich erst nach der Verwarnung die Kenntnis von der schon Ende 2018 begangenen und mit 2 Punkten zu bewertenden Straftat nach § 142 StGB. Die „Verschärfung“ des Tattagsprinzips in § 4 Abs. 6 Satz 4 StVG zeigt sich darin, dass die Ermahnung bzw. Verwarnung als jeweilige Maßnahmestufe – sogar bei der hier nicht einmal gegebenen Punkteverringerung – nicht alle bei ihrem Erlass bereits begangenen Taten erfasst, sondern nur diejenigen, die schon rechtskräftig geahndet, im Fahreignungsregister vermerkt und vom Kraftfahrt-Bundesamt der zuständigen Fahrerlaubnisbehörde nach § 45 Abs. 8 StVG zur Vorbereitung der Ermahnung, Verwarnung bzw. Entziehung auch mitgeteilt worden sind, was bei der hier begangenen Straftat erst am 9. August 2019 und damit nach der am 8. Juni 2019 zugestellten Verwarnung der Fall war.
Die Antragsgegnerin hat das Stufensystem der fahrerlaubnisrechtlichen Maßnahmen auch im Übrigen beachtet. Nach dem Vorgesagten kommt eine Rückstufung nach Maßgabe des § 4 Abs. 6 Satz 3 StVG erkennbar nicht in Betracht.
Diese an sich mögliche Verringerung des Punktestandes ist vor dem Hintergrund des § 4 Abs. 5 StVG zu sehen. Nach dieser Vorschrift stehen die dort genannten Maßnahmen (Ermahnung, Verwarnung, Entziehung der Fahrerlaubnis) in einem Stufenverhältnis zueinander. Nach § 4 Abs. 6 Satz 1 StVG darf die zuständige Straßenverkehrsbehörde eine Verwarnung oder eine Entziehung der Fahrerlaubnis erst ergreifen, wenn die Maßnahme der jeweils davor liegenden Stufe (Ermahnung bzw. Verwarnung) bereits ergriffen worden ist. Sofern die Maßnahme der davor liegenden Stufe noch nicht ergriffen worden ist, ist diese zu ergreifen, vgl. § 4 Abs. 6 Satz 2 StVG. In einem solchen Fall verringert sich der Punktestand mit Wirkung vom Tag des Ausstellens der ergriffenen Ermahnung auf 5 Punkte, bzw. der ergriffenen Verwarnung auf 7 Punkte, § 4 Abs. 6 Satz 3 StVG.
Hier ist die Ermahnung mit 5 Punkten und die Verwarnung mit 6 Punkten erfolgt; für das Eingreifen einer Rückstufung ist damit kein Raum.
Die Antragsgegnerin hat den Maßnahmenkatalog des § 4 Abs. 5 StVG auch ansonsten ordnungsgemäß durchgeführt. Insbesondere hat sie den Antragsteller mit Schreiben vom 17. Januar 2019, zugestellt am 19. Januar 2019, schriftlich ermahnt und, wie erforderlich, auf die Möglichkeit der freiwilligen Teilnahme an einem Aufbauseminar zur Punktereduzierung hingewiesen, nachdem sich ein Punktestand von 5 Punkten für den Antragsteller ergeben hatte.
Mit weiterem Schreiben vom 3. April 2019, erst im zweiten Versuch am 8. Juni 2019 zugestellt, hat sie den Antragsteller zudem gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVG schriftlich verwarnt, nachdem sich (nach der für sie maßgeblichen Mitteilung durch das Kraftfahrt-Bundesamt vom 12. März 2019) ein Punktestand von 6 Punkten für den Antragsteller ergeben hatte. Zugleich hat sie auf die Entziehung der Fahrerlaubnis beim Erreichen von 8 Punkten hingewiesen.
Nach alledem gilt: Durch die Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamt am 9. August 2019 erhielt die Antragsgegnerin die für die Entziehung maßgebliche Kenntnis einer Ende 2018 vom Antragsteller begangenen, aber – nicht zuletzt durch seinen Einspruch gegen den ergangenen Strafbefehl – erst am 26. Juni 2019 rechtskräftig geahndeten Straftat § 142 StGB. Damit hatte der Antragsteller die letzte Sanktionsstufe des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 StVG erreicht.
Die Antragsgegnerin war rechtlich zur Entziehung der Fahrerlaubnis verpflichtet. Die vom Antragsteller reklamierte Ermessensausübung zu seinen Gunsten stand der Antragsgegnerin nach der eindeutigen Gesetzeslage nicht zu.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese einfachgesetzliche Rechtslage sind für das Gericht nicht ersichtlich. Es ist insbesondere nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber ein Fahreignungs-Bewertungssystem begründet, wonach die Fahrerlaubnisbehörde auf der Grundlage der vom Kraftfahrt-Bundesamt übermittelten Eintragungen im Fahreignungsregister zu entscheiden hat und die Verwarnung eine bloße Hinweisfunktion besitzt.
Die vom Antragsteller gerügte Ungleichbehandlung zwischen verkehrsauffälligen Fahrerlaubnisinhabern, bei denen die Verwarnung die letzte Tat mit der Folge der Punkteverringerung erfasst, und solchen, bei denen das – wie bei ihm – nicht der Fall ist, stellt keine nach Art. 3 Abs. 1 GG verbotene Willkür des Gesetzgebers dar. Dahinter steht der auf größere Verkehrssicherheit abzielende und damit legitime gesetzgeberische Zweck, bei einer Anhäufung von Verkehrsverstößen in einem relativ kurzen Zeitraum, wie es im Jahr 2018 beim Antragsteller der Fall gewesen ist, die Entziehung der Fahrerlaubnis in der Phase nach der Verwarnung zu erleichtern.
Vgl. zur Verfassungsgemäßheit des neuen Regelungssystems, das die Eingriffsschwelle absenkt: Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 26. Januar 2017 – 3 C 21.15 – juris und in den Rn. 37 ff. speziell zur (vom Antragsteller bezweifelten) Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG.
Die weitere Interessenabwägung im beabsichtigten Aussetzungsverfahren dürfte ebenfalls zu Ungunsten des Antragstellers ausfallen.
In aller Regel trägt allein die voraussichtliche Rechtmäßigkeit einer auf den Verlust der Kraftfahreignung gestützten Ordnungsverfügung die Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehung. Zwar kann die Fahrerlaubnisentziehung die persönliche Lebensführung und damit die Wahrnehmung grundrechtlicher Freiheiten des Erlaubnisinhabers gravierend beeinflussen. Derartige Folgen, die im Einzelfall bis zur Vernichtung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage reichen können, muss der Betroffene jedoch angesichts des von fahrungeeigneten Verkehrsteilnehmern ausgehenden besonderen Risikos für die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs und des aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ableitbaren Auftrags zum Schutz vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben hinnehmen.
Vgl. etwa Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW, Beschlüsse vom 1. Dezember 2016 – 16 B 654/16 -; vom 22. Oktober 2013 – 16 B 1124/13 -, juris Rn. 9,
Besondere Umstände, aufgrund derer vorliegend ausnahmsweise eine von der gesetzlichen Anordnung in § 4 Abs. 9 StVG abweichende Bewertung veranlasst sein könnte, bestehen nicht. Mangelnde Kenntnisse der deutschen (Behörden-) Sprache sind insoweit unerheblich. Der Antragsteller muss sich mit ihrem Inhalt vertraut machen, indem er, wie hier durch Einschaltung eines Rechtsanwalts geschehen, um rechtliche Beratung und Klärung nachsucht. Ein Vorgehen, das sich angesichts der Feinheiten der Punkteberechnung nach § 4 StVG durchaus auch für Muttersprachler empfehlen kann. Der Umstand, dass der Antragsteller nach Ermahnung und Verwarnung nicht mehr verkehrsauffällig geworden ist, ändert nichts daran, dass er nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem aufgrund der davor gezeigten Verkehrsauffälligkeiten als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen ist. Der Ausschluss der aus der Fahrungeeignetheit resultierenden Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer kann aber nur durch eine sofort wirksame Entziehung der Fahrerlaubnis erreicht werden.
Auch im Übrigen ist der beabsichtigte Aussetzungsantrag nicht erfolgversprechend.
Die Anordnung, den Führerschein binnen sechs Tagen nach Zustellung der Ordnungsverfügung abzuliefern, findet ihre Grundlage in § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, § 47 Abs. 1 Sätze 1 und 2 FeV, die Androhung eines Zwangsgeldes für den Fall der Nicht- oder nicht fristgerechten Ablieferung der Führerscheine in § 55 Abs. 1, § 57, § 60 und § 63 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW). Die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes von 500 Euro steht in einem angemessenen Verhältnis zu seinem Zweck, den Antragsteller zur Abgabe des Führerscheins zu bewegen, vgl. § 58 Abs. 1 Satz 1 VwVG NRW.
Nach alledem war die Gewährung von Prozesskostenhilfe abzulehnen.