Übersicht
- Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Gericht bestätigt Führerscheinentzug nach vier Rasern-Vergehen
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- FAQ – Häufige Fragen
- Welche Vergehen können konkret zum Führerscheinentzug führen?
- Wie läuft das Verfahren zur Entziehung der Fahrerlaubnis ab?
- Welche Möglichkeiten habe ich, einen Führerscheinentzug zu verhindern?
- Welche Rolle spielt das Fahreignungs-Bewertungssystem beim Führerscheinentzug?
- Was kann ich tun, wenn mir bereits die Fahrerlaubnis entzogen wurde?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Es geht um die Entziehung der Fahrerlaubnis des Klägers aufgrund mehrfacher Verkehrsverstöße.
- Der Kläger hat im Fahreignungsregister Punkte gesammelt, die zur Überprüfung seiner Fahreignung führten.
- Die Schwierigkeit liegt darin, ob die Anzahl und Schwere der Verstöße den Entzug der Fahrerlaubnis rechtfertigen.
- Das Gericht hat entschieden, die Klage des Klägers abzuweisen.
- Der Kläger muss somit die Kosten des Verfahrens tragen und seine Fahrerlaubnis bleibt entzogen.
- Die Entscheidung basiert auf der Rechtslage, dass bei einer bestimmten Punktzahl im Fahreignungsregister eine Fahrerlaubnis entzogen werden kann.
- Dies hat zur Folge, dass der Kläger seine Mobilität verliert und sich möglicher weiterer rechtlicher Schritte bewusst werden muss.
Gericht bestätigt Führerscheinentzug nach vier Rasern-Vergehen
Die Fahrerlaubnis ist für viele Menschen ein unverzichtbarer Bestandteil ihres Alltags. Die Freiheit, sich mit dem eigenen Auto zu bewegen, ist ein wichtiges Gut. Doch wer gegen die Regeln des Straßenverkehrs verstößt, riskiert den Verlust dieser Freiheit. In Deutschland kann die Fahrerlaubnis entzogen werden, wenn ein Rechtskraft erwachsenes Urteil aufgrund einer Ordnungswidrigkeit oder einer Straftat vorliegt. Dabei ist es nicht nur wichtig zu wissen, welche Vergehen zum Entzug der Fahrerlaubnis führen können, sondern auch, wie das entsprechende Verfahren abläuft und welche Rechte der Betroffene hat.
Besonders kompliziert kann es werden, wenn mehrere Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten vorliegen, die sich auf die Fahrerlaubnis auswirken können. In solchen Fällen stellt sich die Frage, ob die Fahrerlaubnis für alle Vergehen entzogen werden muss oder ob es möglich ist, die Fahrerlaubnis für bestimmte Verkehrsarten oder unter bestimmten Auflagen zu behalten. Um die individuellen rechtlichen Möglichkeiten in einer solchen Situation besser zu verstehen, ist es hilfreich, sich mit den einschlägigen Gesetzen und Gerichtsentscheidungen zu beschäftigen. In diesem Zusammenhang soll nun ein aktuelles Gerichtsurteil beleuchtet werden, welches ein komplexes Fallbeispiel behandelt und wichtige Erkenntnisse zum Thema Fahrerlaubnisentziehung liefert.
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Der Fall vor Gericht
Fahrerlaubnisentziehung nach mehreren Geschwindigkeitsverstößen bestätigt
Der Fall dreht sich um die Entziehung der Fahrerlaubnis eines Autofahrers aufgrund mehrerer Geschwindigkeitsübertretungen. Das Verwaltungsgericht München hatte in seinem Urteil vom 7. Mai 2024 (Az. M 19 K 21.5062) über die Rechtmäßigkeit dieser behördlichen Maßnahme zu entscheiden.
Der betroffene Autofahrer hatte innerhalb von etwa zwei Jahren vier Geschwindigkeitsverstöße begangen. Diese führten zu einer Ansammlung von insgesamt vier Punkten im Fahreignungsregister beim Kraftfahrt-Bundesamt. Im Detail handelte es sich um folgende Überschreitungen:
- 30 km/h außerorts am 20.06.2015
- 24 km/h innerorts am 10.05.2016
- 28 km/h außerorts am 11.05.2016
- 24 km/h außerorts am 17.10.2017
Aufgrund dieser Häufung von Verstößen entzog die zuständige Fahrerlaubnisbehörde dem Fahrer daraufhin seine Fahrerlaubnis für sämtliche Fahrzeugklassen. Dies betraf die Klassen A, B, BE, C1, C1E sowie die entsprechenden Unterklassen.
Klage gegen Führerscheinentzug bleibt erfolglos
Der betroffene Autofahrer wehrte sich gegen diese Entscheidung und erhob Klage vor dem Verwaltungsgericht München. Er war der Auffassung, dass der Entzug seiner Fahrerlaubnis unverhältnismäßig sei.
Das Gericht folgte dieser Argumentation jedoch nicht. In seinem Urteil vom 7. Mai 2024 wies es die Klage vollumfänglich ab. Die Richter beurteilten den Entzug der Fahrerlaubnis als rechtmäßig. Sie sahen in den wiederholten Geschwindigkeitsüberschreitungen einen ausreichenden Grund, an der Fahreignung des Klägers zu zweifeln.
Berücksichtigung des Fahreignungs-Bewertungssystems
Bei ihrer Entscheidung stützten sich die Richter auf das seit 2014 geltende Fahreignungs-Bewertungssystem. Dieses sieht vor, dass bei acht Punkten im Fahreignungsregister die Fahrerlaubnis zu entziehen ist.
Zwar hatte der Kläger mit vier Punkten diese Grenze noch nicht erreicht. Allerdings ermöglicht das System den Behörden auch bei einer geringeren Punktezahl ein Einschreiten, wenn besondere Umstände vorliegen. Als solche wertete das Gericht im vorliegenden Fall die Häufung der Verstöße in kurzer Zeit sowie die teils erheblichen Überschreitungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit.
Bedeutung der Verkehrssicherheit für die Entscheidung
In seiner Begründung betonte das Gericht die hohe Bedeutung der Verkehrssicherheit. Die wiederholten Geschwindigkeitsverstöße des Klägers zeigten eine mangelnde Einsicht in die Notwendigkeit, sich an Tempolimits zu halten. Dies lasse Zweifel an seiner charakterlichen Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen aufkommen.
Die Richter sahen es daher als gerechtfertigt an, dem Kläger die Fahrerlaubnis zu entziehen, bevor er die Höchstpunktzahl erreicht. Sie betonten, dass es Aufgabe der Fahrerlaubnisbehörden sei, präventiv tätig zu werden, um mögliche Gefährdungen anderer Verkehrsteilnehmer zu verhindern.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil verdeutlicht, dass Fahrerlaubnisbehörden und Gerichte bei wiederholten Geschwindigkeitsverstößen auch unterhalb der Acht-Punkte-Grenze präventiv einschreiten können. Die Häufung und Schwere der Verstöße in kurzer Zeit rechtfertigt den Führerscheinentzug, da sie Zweifel an der charakterlichen Eignung des Fahrers aufkommen lassen. Dies unterstreicht die hohe Bedeutung der Verkehrssicherheit und ermöglicht ein frühzeitiges Eingreifen zum Schutz anderer Verkehrsteilnehmer.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Haben Sie in kurzer Zeit mehrere Geschwindigkeitsüberschreitungen begangen? Dann sollten Sie besonders aufmerksam sein. Auch wenn Sie noch nicht die kritische Marke von acht Punkten im Fahreignungsregister erreicht haben, kann Ihr Führerschein dennoch in Gefahr sein. Das Urteil zeigt, dass Gerichte die Häufung von Verstößen als Zeichen für mangelnde Fahreignung werten können und die Fahrerlaubnis entziehen dürfen, um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Geschwindigkeitsüberschreitungen erheblich sind.
Es ist wichtig zu verstehen, dass das Fahreignungssystem nicht nur eine Punktesammelmaschine ist, sondern auch eine präventive Maßnahme. Behörden und Gerichte sind dazu angehalten, frühzeitig einzugreifen, wenn Anzeichen für eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer vorliegen. Wenn Sie also wiederholt zu schnell gefahren sind, sollten Sie sich bewusst sein, dass dies schwerwiegende Konsequenzen haben kann – bis hin zum Verlust Ihres Führerscheins.
FAQ – Häufige Fragen
Der Verlust des Führerscheins ist ein einschneidendes Ereignis, das weitreichende Folgen für das Leben haben kann. Führerscheinentzug kann verschiedene Ursachen haben und das Verfahren ist komplex. Unsere FAQ-Rubrik bietet Ihnen praktische Informationen und hilfreiche Tipps, um Ihre rechtliche Situation besser zu verstehen und Ihre Optionen zu kennen.
Wichtige Fragen, kurz erläutert:
- Welche Vergehen können konkret zum Führerscheinentzug führen?
- Wie läuft das Verfahren zur Entziehung der Fahrerlaubnis ab?
- Welche Möglichkeiten habe ich, einen Führerscheinentzug zu verhindern?
- Welche Rolle spielt das Fahreignungs-Bewertungssystem beim Führerscheinentzug?
- Was kann ich tun, wenn mir bereits die Fahrerlaubnis entzogen wurde?
Welche Vergehen können konkret zum Führerscheinentzug führen?
Der Führerscheinentzug stellt eine schwerwiegende Sanktion im Straßenverkehrsrecht dar. Besonders häufig kommt es aufgrund von Alkohol- oder Drogenkonsum am Steuer zum Verlust der Fahrerlaubnis. Ab einem Blutalkoholwert von 1,1 Promille wird in der Regel die Fahrerlaubnis entzogen. Bei Drogenkonsum oder einer Kombination aus Alkohol und Drogen kann der Führerschein bereits bei geringeren Mengen eingezogen werden.
Auch wiederholte oder besonders schwere Geschwindigkeitsübertretungen können zum Führerscheinentzug führen. Dies gilt insbesondere, wenn dadurch andere Verkehrsteilnehmer konkret gefährdet wurden. Die Behörden berücksichtigen dabei die Häufigkeit und das Ausmaß der Tempoüberschreitungen.
Wer innerhalb kurzer Zeit mehrfach wegen Verkehrsverstößen auffällig wird und Punkte in Flensburg sammelt, riskiert ebenfalls seine Fahrerlaubnis. Bei Erreichen von acht Punkten im Fahreignungsregister wird der Führerschein in der Regel entzogen.
Straftaten im Straßenverkehr ziehen häufig einen Führerscheinentzug nach sich. Dazu gehören etwa Unfallflucht, Nötigung im Straßenverkehr oder gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr wie das Werfen von Gegenständen auf Fahrbahnen. Auch wer an illegalen Autorennen teilnimmt, muss mit dem Verlust der Fahrerlaubnis rechnen.
Die Fahrerlaubnisbehörde kann zudem bei Zweifeln an der charakterlichen Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen die Fahrerlaubnis entziehen. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn jemand wiederholt aggressives Verhalten im Straßenverkehr zeigt oder schwerwiegende Verstöße gegen Verkehrsvorschriften begeht.
Bei Fahranfängern in der Probezeit gelten verschärfte Regeln. Schon ein schwerwiegender oder zwei weniger schwere Verstöße können hier zum Führerscheinentzug führen. Als schwerwiegend gelten etwa Geschwindigkeitsüberschreitungen von mehr als 21 km/h.
Gesundheitliche Einschränkungen, die das sichere Führen eines Fahrzeugs beeinträchtigen, können ebenfalls einen Führerscheinentzug zur Folge haben. Dies betrifft sowohl körperliche als auch geistige Erkrankungen, die die Fahrtauglichkeit erheblich mindern.
Die zuständigen Behörden prüfen in jedem Einzelfall sorgfältig, ob ein Führerscheinentzug verhältnismäßig und erforderlich ist. Dabei werden die Schwere des Verstoßes, mögliche Wiederholungsgefahr und die persönlichen Umstände des Betroffenen berücksichtigt. In manchen Fällen kann statt eines Entzugs auch ein befristetes Fahrverbot verhängt werden.
Wie läuft das Verfahren zur Entziehung der Fahrerlaubnis ab?
Das Verfahren zur Entziehung der Fahrerlaubnis beginnt in der Regel mit einer Mitteilung der zuständigen Fahrerlaubnisbehörde an den betroffenen Fahrerlaubnisinhaber. Diese Mitteilung enthält den Grund für die beabsichtigte Entziehung sowie eine Aufforderung zur Stellungnahme. Der Betroffene hat dann die Möglichkeit, sich zu den Vorwürfen zu äußern und gegebenenfalls entlastende Beweise vorzulegen.
Nach Ablauf der Frist zur Stellungnahme prüft die Behörde den Sachverhalt und trifft eine Entscheidung. Kommt sie zu dem Schluss, dass die Voraussetzungen für eine Entziehung der Fahrerlaubnis vorliegen, erlässt sie einen entsprechenden Bescheid. Dieser Bescheid muss schriftlich ergehen und eine Begründung sowie eine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten.
Mit Zustellung des Bescheids wird die Entziehung der Fahrerlaubnis sofort wirksam. Der Betroffene muss seinen Führerschein unverzüglich bei der Behörde abgeben. Eine aufschiebende Wirkung von Rechtsmitteln gegen den Bescheid besteht grundsätzlich nicht.
Gegen den Bescheid kann der Betroffene innerhalb eines Monats Widerspruch einlegen. Die Behörde prüft dann erneut den Sachverhalt und kann den Bescheid aufheben, ändern oder den Widerspruch zurückweisen. Wird der Widerspruch zurückgewiesen, kann der Betroffene innerhalb eines Monats Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht erheben.
In dringenden Fällen, etwa bei erheblicher Gefährdung der Verkehrssicherheit, kann die Behörde die sofortige Vollziehung der Entziehung anordnen. Der Betroffene kann dagegen einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung beim Verwaltungsgericht stellen.
Eine Besonderheit stellt die Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Erreichens von acht oder mehr Punkten im Fahreignungsregister dar. In diesem Fall muss die Behörde die Fahrerlaubnis entziehen, ohne dass ihr ein Ermessensspielraum zusteht. Der Betroffene gilt dann kraft Gesetzes als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen.
Nach einer Entziehung der Fahrerlaubnis kann frühestens nach sechs Monaten eine neue Fahrerlaubnis beantragt werden. Hierbei wird in der Regel ein Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung gefordert. Die Behörde prüft dann, ob die Gründe, die zur Entziehung geführt haben, weggefallen sind und der Antragsteller wieder zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet ist.
Es ist wichtig zu beachten, dass eine Tilgung von Punkten im Fahreignungsregister, die erst nach der Entziehungsverfügung wirksam wird, an der Entziehung der Fahrerlaubnis nichts mehr ändert. Die Rechtmäßigkeit der Entziehung beurteilt sich nach dem Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung.
Welche Möglichkeiten habe ich, einen Führerscheinentzug zu verhindern?
Um einen Führerscheinentzug zu verhindern, stehen verschiedene präventive und korrektive Maßnahmen zur Verfügung. Eine wichtige Option ist die verkehrspsychologische Beratung. Diese zielt darauf ab, problematische Verhaltensweisen im Straßenverkehr zu erkennen und zu ändern. In Einzelgesprächen mit einem qualifizierten Verkehrspsychologen werden die Ursachen für Regelverstöße analysiert und Strategien für ein sichereres Fahrverhalten entwickelt.
Eine weitere Möglichkeit bieten Aufbauseminare für Fahranfänger. Diese richten sich speziell an Fahrer in der Probezeit, die durch Verkehrsverstöße aufgefallen sind. In Gruppensitzungen und praktischen Übungen werden Gefahrensituationen besprochen und richtiges Verhalten trainiert. Die erfolgreiche Teilnahme kann in bestimmten Fällen einen drohenden Führerscheinentzug abwenden.
Auch freiwillige Nachschulungen können sinnvoll sein. Hierbei frischen Fahrer ihr Wissen über Verkehrsregeln auf und trainieren sicheres Verhalten. Dies kann besonders nach längerer Fahrpause oder bei unsicherem Gefühl im Straßenverkehr hilfreich sein, um Verstöße zu vermeiden.
Bei bereits erfolgten Verstößen ist schnelles Handeln wichtig. Gegen einen Bußgeldbescheid mit drohendem Fahrverbot kann fristgerecht Einspruch eingelegt werden. Ein Rechtsanwalt für Verkehrsrecht kann prüfen, ob formale Fehler vorliegen oder mildernde Umstände geltend gemacht werden können. In manchen Fällen lässt sich so ein Fahrverbot in eine höhere Geldbuße umwandeln.
Liegt ein Härtefall vor, etwa wenn der Führerschein zwingend für die Berufsausübung benötigt wird, kann dies ebenfalls als Argument gegen einen Entzug angeführt werden. Hier muss jedoch sehr genau begründet werden, warum keine Alternativen zur Verfügung stehen.
Eine weitere Option ist die freiwillige MPU (Medizinisch-Psychologische Untersuchung). Durch das proaktive Absolvieren einer MPU vor behördlicher Anordnung zeigen Betroffene Einsicht und Bereitschaft zur Verhaltensänderung. Ein positives MPU-Gutachten kann die Fahrerlaubnisbehörde unter Umständen von der Fahreignung überzeugen.
Bei Alkohol- oder Drogenauffälligkeiten im Straßenverkehr ist eine frühzeitige Teilnahme an Suchtberatung oder Therapie ratsam. Dies demonstriert den Willen zur Problemlösung und kann bei der Beurteilung der Fahreignung positiv berücksichtigt werden.
Grundsätzlich gilt: Je früher und aktiver Betroffene an ihrer Fahreignung arbeiten, desto höher sind die Chancen, einen Führerscheinentzug abzuwenden. Dabei ist stets zu beachten, dass die Verkehrssicherheit oberste Priorität hat. Nur wer nachweislich in der Lage ist, verantwortungsvoll am Straßenverkehr teilzunehmen, sollte eine Fahrerlaubnis behalten.
Welche Rolle spielt das Fahreignungs-Bewertungssystem beim Führerscheinentzug?
Das Fahreignungs-Bewertungssystem spielt eine zentrale Rolle beim Führerscheinentzug in Deutschland. Es dient dazu, Verkehrsverstöße systematisch zu erfassen und zu bewerten. Dabei werden rechtskräftige Entscheidungen über Ordnungswidrigkeiten und Straftaten im Straßenverkehr mit Punkten bewertet und im Fahreignungsregister in Flensburg gespeichert.
Die Punktebewertung erfolgt nach einem festgelegten Schema. Leichte Verstöße werden mit einem Punkt geahndet, mittelschwere mit zwei Punkten und besonders schwerwiegende Vergehen mit drei Punkten. Die Punkte bleiben für einen bestimmten Zeitraum im Register gespeichert, bevor sie getilgt werden. Bei Ordnungswidrigkeiten beträgt die Tilgungsfrist in der Regel zweieinhalb Jahre, bei Straftaten fünf bis zehn Jahre.
Entscheidend für den Führerscheinentzug ist die Gesamtzahl der angesammelten Punkte. Das System sieht verschiedene Stufen vor, bei denen bestimmte Maßnahmen ergriffen werden. Bei vier bis fünf Punkten erfolgt eine Ermahnung durch die Fahrerlaubnisbehörde. Der Betroffene wird über seinen Punktestand informiert und auf die Möglichkeit eines freiwilligen Fahreignungsseminars hingewiesen.
Erreicht ein Fahrer sechs oder sieben Punkte, wird eine Verwarnung ausgesprochen. Hierbei wird eindringlich auf die drohende Entziehung der Fahrerlaubnis bei weiteren Verstößen hingewiesen. In dieser Phase kann zwar noch ein Fahreignungsseminar besucht werden, allerdings ohne die Möglichkeit des Punkteabbaus.
Der kritische Schwellenwert liegt bei acht Punkten. Wird diese Grenze überschritten, geht das System von einer mangelnden Fahreignung aus. Die Konsequenz ist in der Regel die Entziehung der Fahrerlaubnis. Um den Führerschein wiederzuerlangen, muss der Betroffene eine Sperrfrist von mindestens sechs Monaten einhalten und anschließend seine Fahreignung durch eine medizinisch-psychologische Untersuchung nachweisen.
Wiederholte Verstöße haben im Fahreignungs-Bewertungssystem besonderes Gewicht. Sie führen nicht nur zu einer Anhäufung von Punkten, sondern können auch als Indiz für eine grundsätzliche Missachtung von Verkehrsregeln gewertet werden. Dies kann die Behörden dazu veranlassen, die Fahreignung besonders kritisch zu prüfen.
Ein Beispiel verdeutlicht die Wirkungsweise des Systems: Ein Autofahrer wird innerhalb eines Jahres dreimal wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen von mehr als 21 km/h geblitzt. Jeder dieser Verstöße wird mit zwei Punkten bewertet. Nach der dritten Überschreitung hat der Fahrer somit sechs Punkte angesammelt und erhält eine Verwarnung. Begeht er nun einen weiteren Verstoß, der mit zwei Punkten bewertet wird, erreicht er die kritische Grenze von acht Punkten. Dies führt in der Regel zur Entziehung der Fahrerlaubnis.
Das Fahreignungs-Bewertungssystem zielt darauf ab, Verkehrsteilnehmer zu einem regelkonformen Verhalten anzuhalten und die Verkehrssicherheit zu erhöhen. Es bietet einerseits die Möglichkeit zur Verhaltenskorrektur durch Ermahnungen und Verwarnungen, sieht andererseits aber auch konsequente Maßnahmen bis hin zum Führerscheinentzug vor, wenn wiederholte oder schwerwiegende Verstöße vorliegen.
Was kann ich tun, wenn mir bereits die Fahrerlaubnis entzogen wurde?
Nach einer rechtskräftigen Fahrerlaubnisentziehung stehen Betroffenen verschiedene Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Ein Widerspruch gegen die Entscheidung ist in der Regel nicht mehr möglich, da die Entziehung bereits rechtskräftig ist. Stattdessen sollte der Fokus auf die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis gelegt werden.
Die Konsultation eines auf Verkehrsrecht spezialisierten Rechtsanwalts kann in dieser Situation äußerst hilfreich sein. Ein erfahrener Anwalt kann die individuellen Umstände des Falls analysieren und eine optimale Strategie zur Wiedererlangung der Fahrerlaubnis entwickeln. Er kann auch bei der Kommunikation mit den zuständigen Behörden unterstützen und sicherstellen, dass alle erforderlichen Schritte korrekt und fristgerecht unternommen werden.
Häufig ordnen die Behörden nach einer Fahrerlaubnisentziehung eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) an. Die Vorbereitung auf eine MPU sollte frühzeitig beginnen. Spezielle Schulungen und Beratungsangebote können die Erfolgsaussichten deutlich verbessern. Diese Kurse vermitteln nicht nur Wissen über Verkehrsregeln und -sicherheit, sondern helfen auch bei der Reflexion des eigenen Verhaltens im Straßenverkehr.
In manchen Fällen kann die Teilnahme an einem Aufbauseminar oder einer verkehrspsychologischen Beratung angeordnet oder empfohlen werden. Diese Maßnahmen dienen dazu, die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen wiederherzustellen oder zu verbessern. Die aktive Teilnahme an solchen Programmen kann den Behörden signalisieren, dass der Betroffene bereit ist, aus seinen Fehlern zu lernen und sein Verhalten im Straßenverkehr zu ändern.
Die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis erfordert in der Regel einen Antrag bei der zuständigen Fahrerlaubnisbehörde. Dieser Antrag kann frühestens drei Monate vor Ablauf der Sperrfrist gestellt werden. Die Behörde prüft dann, ob alle Voraussetzungen für die Neuerteilung erfüllt sind. Dazu können neben der erfolgreichen Absolvierung einer MPU auch Nachweise über die Teilnahme an Schulungen oder Beratungen gehören.
In einigen Fällen kann es notwendig sein, erneut eine theoretische und praktische Fahrprüfung abzulegen. Dies gilt insbesondere, wenn die Entziehung der Fahrerlaubnis länger zurückliegt oder wenn Zweifel an den Fähigkeiten des Betroffenen bestehen. Eine gründliche Vorbereitung auf diese Prüfungen ist ratsam, um die Chancen auf eine erfolgreiche Wiedererteilung zu erhöhen.
Die Kosten für die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis können erheblich sein. Sie umfassen Gebühren für Anträge, MPU, Schulungen und gegebenenfalls neue Prüfungen. Eine frühzeitige finanzielle Planung ist daher empfehlenswert, um alle notwendigen Schritte ohne Verzögerungen durchführen zu können.
Betroffene sollten bedenken, dass der Prozess der Wiedererlangung der Fahrerlaubnis Zeit in Anspruch nehmen kann. Geduld und Ausdauer sind wichtige Faktoren. Die konsequente Befolgung aller behördlichen Auflagen und eine positive Einstellung können den Prozess erleichtern und beschleunigen.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Fahreignungsregister: Zentrale Datenbank beim Kraftfahrt-Bundesamt, in der Verkehrsverstöße und deren Punktebewertung erfasst werden. Bei 8 Punkten droht der Führerscheinentzug. Das Register dient der Beurteilung der Fahreignung. Auch bei weniger als 8 Punkten können gehäufte Verstöße zum Entzug führen, wie im vorliegenden Fall. Die Eintragungen sind zeitlich begrenzt und werden nach 2,5 bis 10 Jahren gelöscht, je nach Schwere des Verstoßes.
- Fahrerlaubnisbehörde: Kommunale Behörde, die für die Erteilung und den Entzug von Fahrerlaubnissen zuständig ist. Sie prüft die Fahreignung und kann bei Zweifeln den Führerschein entziehen, wie im vorliegenden Fall geschehen. Die Behörde stützt sich dabei auf das Straßenverkehrsgesetz und die Fahrerlaubnis-Verordnung. Gegen ihre Entscheidungen kann vor dem Verwaltungsgericht geklagt werden.
- Charakterliche Eignung: Rechtlicher Begriff für die persönliche Zuverlässigkeit und Verantwortungsbewusstsein eines Fahrzeugführers. Sie ist neben der körperlichen und geistigen Eignung Voraussetzung für die Fahrerlaubnis. Wiederholte Verstöße können Zweifel an der charakterlichen Eignung begründen. Im vorliegenden Fall sah das Gericht die gehäuften Geschwindigkeitsübertretungen als Indiz für mangelnde charakterliche Eignung.
- Präventives Einschreiten: Vorbeugendes Handeln der Behörden zur Abwehr von Gefahren im Straßenverkehr. Es ermöglicht den Entzug der Fahrerlaubnis, bevor schwerwiegende Unfälle passieren. Im vorliegenden Fall entzog die Behörde den Führerschein präventiv, obwohl die 8-Punkte-Grenze noch nicht erreicht war. Rechtsgrundlage ist § 3 Abs. 1 StVG in Verbindung mit § 46 Abs. 1 FeV.
- Verhältnismäßigkeitsprinzip: Verfassungsrechtlicher Grundsatz, nach dem behördliche Maßnahmen angemessen sein müssen. Bei der Fahrerlaubnisentziehung wird geprüft, ob der Eingriff in die Rechte des Betroffenen im Verhältnis zum Schutz der Verkehrssicherheit steht. Das Gericht bejahte im vorliegenden Fall die Verhältnismäßigkeit trotz noch nicht erreichter 8-Punkte-Grenze aufgrund der Häufung der Verstöße.
- Verkehrssicherheit: Zentrales Schutzgut im Straßenverkehrsrecht, das die Unversehrtheit aller Verkehrsteilnehmer gewährleisten soll. Behörden und Gerichte räumen ihr oft Vorrang vor individuellen Interessen ein. Im vorliegenden Fall rechtfertigte das hohe Gut der Verkehrssicherheit den Führerscheinentzug, um andere Verkehrsteilnehmer vor möglichen Gefährdungen zu schützen.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 28 Abs. 3 Nr. 3 FeV: Entziehung der Fahrerlaubnis bei fehlender Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen. Im konkreten Fall bewertete das Gericht die wiederholten Geschwindigkeitsverstöße als Indiz für mangelnde Fahreignung.
- § 4 StVG, Anlage 12 FeV (Fahreignungs-Bewertungssystem): Punktesystem für Verkehrsverstöße. Obwohl der Betroffene die Schwelle von acht Punkten nicht erreicht hatte, entzog das Gericht die Fahrerlaubnis aufgrund der Häufung der Verstöße.
- § 46 Abs. 1 FeV: Entzug der Fahrerlaubnis bei wiederholten Zuwiderhandlungen gegen Verkehrsvorschriften. Das Gericht sah in den wiederholten Geschwindigkeitsüberschreitungen einen ausreichenden Grund für den Entzug.
- § 2 Abs. 12 StVG: Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde. Das Gericht prüfte, ob der Entzug der Fahrerlaubnis in angemessenem Verhältnis zu den Verstößen stand und bejahte dies.
- Art. 2 Abs. 1 GG (Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit): Grundrecht des Betroffenen, das durch den Entzug der Fahrerlaubnis eingeschränkt wurde. Das Gericht wog dieses Grundrecht gegen das öffentliche Interesse an der Verkehrssicherheit ab.
Das vorliegende Urteil
VG München – Az.: M 19 K 21.5062 – Urteil vom 07.05.2024
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger wehrt sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen A, B, BE, C1, C1E einschließlich Unterklassen (Klassen 1 und 3 alt) nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem.
Nach einer Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamtes an die Fahrerlaubnisbehörde vom 18. Dezember 2017 ergab sich für den Kläger ein Stand von vier Punkten im Fahreignungsregister:
Datum der – Tat – Entscheidung Verkehrszuwiderhandlung Datum der Rechtskraft Datum der – Tilgung – Löschung Punkte
20.6.2015 6.10.2015 30 km/h außerorts 10.3.2016 10.9.2018 10.9.2019 (1)
10.5.2016 5.7.2016 24 km/h innerorts 22.7.2016 22.1.2019 22.1.2020 (1)
11.5.2016 1.9.2016 28 km/h außerorts 20.9.2016 20.3.2019 20.3.2020 (1)
17.10.2017 13.11.2017 24 km/h außerorts 30.11.2017 30.5.2020 30.5.2021 (1)
Nachdem der Kläger zum damaligen Zeitpunkt in …
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wohnte, ermahnte ihn die Fahrerlaubnisbehörde in Esslingen mit Schreiben vom 5. Juni 2018, zugestellt mittels Postzustellungsurkunde am 7. Juni 2018, auf der Grundlage von § 4 Abs. 5 Nr. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) zu seinem Punktestand von vier Punkten und wies ihn auf die Möglichkeit zur freiwilligen Teilnahme an einem Fahreignungsseminar hin.
Nach einer weiteren Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamts vom 11. Januar 2019 an das Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen enthielt das Fahreignungsregister für den Kläger folgende neue Eintragungen:
Datum der – Tat – Entscheidung Verkehrszuwiderhandlung Datum der Rechtskraft Datum der – Tilgung – Löschung Punkte
14.6.2016 12.9.2016 29 km/h außerorts 30.7.2018 30.1.2021 30.1.2022 1
5.8.2018 7.12.2018 22 km/h außerorts 28.12.2018 28.6.2021 28.6.2022 1
Da sich somit für den Kläger im Fahreignungsregister sechs Punkte ergaben, verwarnte der Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 6. Februar 2019, zugestellt mittels Postzustellungsurkunde am 8. Februar 2019, auf Grundlage von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVG und wies ihn auf die Möglichkeit zur freiwilligen Teilnahme an einem Fahreignungsseminar sowie darauf hin, dass bei einem Stand von acht Punkten die Fahrerlaubnis entzogen würde.
Der vom Kläger gegen die Ahndung der am 5. August 2018 begangenen Ordnungswidrigkeit erhobene Einspruch wurde mit Urteil des Amtsgerichts Kirchheim unter Teck vom 12. März 2019, rechtskräftig seit 22. März 2019 (Bl. 150 ff. BA), verworfen.
Gestützt auf weitere Punkteintragungen entzog der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 3. Juni 2020 erstmals auf Grundlage von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG die Fahrerlaubnis. Nachdem das Amtsgericht Miesbach bezüglich zwei der Entziehung zugrunde gelegten, punktebewerteten Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitenverfahren Wiedereinsetzungen gewährt hatte, hob der Beklagte den Bescheid vom 3. Juni 2020 in Gänze auf und erklärte das diesbezügliche vor dem Verwaltungsgericht München geführte Klageverfahren für erledigt. Der Kläger erklärte keine Erledigung, sodass das Verwaltungsgericht München seine damalige Klage als unzulässig abwies (VG München, U.v. 23.6.2021 – M 6 K 20.2953).
Nach einer weiteren Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 4. Juni 2021 enthielt das Fahreignungsregister für den Kläger neben den vorgenannten weiter die folgenden Eintragungen:
Datum der – Tat – Entscheidung Verkehrszuwiderhandlung Datum der Rechtskraft Datum der – Tilgung – Löschung Punkte
27.10.2016 13.4.2017 Vorsätzliches Fahren trotz Fahrverbot 22.10.2018 22.10.2023 22.10.2024 2
21.10.2018 23.7.2019 Vorsätzliches Fahren trotz Fahrverbot 4.9.2020 4.9.2025 4.9.2026 2
20.12.2020 8.3.2021 Geschwindigkeitsüberschreitung 51 km/h außerorts 26.3.2021 26.3.2026 26.3.2027 2
Nach vorheriger Anhörung des Klägers mit Schreiben vom 3. August 2021, auf die er sich mit Schreiben vom 18. August 2021 äußerte, entzog die Fahrerlaubnisbehörde ihm mit Bescheid vom 19. August 2021, zugestellt am 20. August 2021, die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen aller Klassen (Nr. 1) und ordnete die Abgabe des Führerscheins bis spätestens fünf Tage nach Bescheidzustellung an (Nr. 2). Hinsichtlich Nr. 2 wurde für den Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld in Höhe von 500 € angedroht (Nr. 3) und die sofortige Vollziehung angeordnet (Nr. 4). Die Entziehung der Fahrerlaubnis wurde mit dem Erreichen von acht Punkten begründet (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG), die Anordnung zur Ablieferung des Führerscheins auf § 3 Abs. 2 StVG, § 47 Abs. 1 Fahrerlaubnisverordnung (FeV) gestützt.
Am 15. September 2021 erhob der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage und beantragte, den Bescheid vom 19. August 2021 aufzuheben.
Zur Begründung der Klage trug der Kläger im Wesentlichen vor, dass die Anzahl der Punkte nicht stimme. Der Bußgeldbescheid der Stadt Karlsruhe bezüglich der angeblich am 20. Dezember 2020 begangenen Ordnungswidrigkeit sei nicht rechtskräftig, da Einspruch eingelegt worden sei. Somit könne nicht der 20. Dezember 2020 als Tattag für die Überliegefrist verwendet werden. Im Übrigen sehe der diesbezügliche Bußgeldbescheid nur eine Geldbuße und keine Punkte vor. Gegen weitere Entscheidungen liege eine Beschwerde vor, über die noch nicht entschieden sei. Bei den mit jeweils zwei Punkten bewehrten Fahrverboten sei kein Aktenzeichen vermerkt und es bestünde keine Rechtskraft. Die Punkte bezüglich der Ordnungswidrigkeit vom 14. Juni 2016 seien am 30. Januar 2021 getilgt worden. Bezüglich der Tat vom 21. Oktober 2018 sei das Verfahren weder abgeschlossen noch rechtskräftig. Die vom Beklagten erhobenen Sicherheitsbedenken seien nicht nachvollziehbar, eine Fahrt unter Drogen oder Alkohol sei nie nachgewiesen worden. Eine Ermahnung oder Verwarnung habe zu keinem Zeitpunkt stattgefunden. Ansonsten hätte er an einem Fahreignungsseminar teilgenommen. Er fahre seit über 35 Jahren unfallfrei. Außerdem pflege er seinen Schwiegervater. Eine Übertragung auf den Einzelrichter werde abgelehnt.
Der Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 12. Oktober 2021, die Klage abzulehnen.
Es wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass das Stufensystem des Fahreignungs-Bewertungssystems ordnungsgemäß durchlaufen worden sei. Die nach dem Erreichen von acht Punkten eigetretenen Punktetilgungen hätten auf die Rechtmäßigkeit der Entziehung keinen Einfluss. Ordnungswidrigkeiten und Straftaten, gegen die der Kläger Einspruch eingelegt habe und die gemäß § 154 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt worden seien, seien bei der Berechnung des Punktestandes unberücksichtigt geblieben. Der vom Kläger angeführte Einspruch gegen den Bußgeldbescheid der Stadt Karlsruhe (Tat vom 20.12.2020) sowie die weiteren behaupteten Beschwerden gegen nicht näher bezeichnete Verfahren hinderten die Fahrerlaubnisbehörde nicht an ihrem Vorgehen nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem. Rechtskräftige Entscheidungen müsse der Kläger gegen sich gelten lassen, denn die Rechtskraft werde nicht schon mit der gerichtlichen Feststellung der Zulässigkeit eines Wiederaufnahmegesuchs, sondern erst mit der Anordnung der Wiederaufnahme des Verfahrens beseitigt. Zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt sei dem Beklagten kein Beschluss des zuständigen Amtsgerichts durch den Kläger beigebracht worden, der belegt, dass eine Wiederaufnahme und die erneute Prüfung einer Ordnungswidrigkeit bzw. Straftat angeordnet worden ist. Der Verstoß vom 14. Juni 2016 habe mangels Tilgung oder Löschung auf Grund des letzten Delikts am 20. Dezember 2020 zum Zeitpunkt des Erlasses des Entziehungsbescheids berücksichtigt werden dürfen. Der Verstoß wegen Fahrens trotz Fahrverbots am 21. Oktober 2018 sei ausweislich des Registerauszugs vom 4. Juni 2021 seit 4. September 2020 rechtskräftig geahndet.
Der zeitgleich mit der Klage erhobene Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO wurde mit Beschluss des Verwaltungsgericht München vom 8. Februar 2022 (M 19 S 22.319) abgelehnt. Die hiergegen erhobene Beschwerde vom 8. Februar 2022 wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof aufgrund nicht fristgerechter Erhebung mit Beschluss vom 3. Juni 2022 zurück (11 CS 22.1179).
Auf Antrag des Beklagten vom 29. Juni 2022 gestattete das Verwaltungsgericht München mit Beschluss vom 15. Juli 2022 die Wohnungsdurchsuchung des Beklagten (M 19 X 22.3278).
Mit Schreiben vom 18. April 2023 informierte der Beklagte über ein seit 7. Februar 2023 rechtskräftiges Urteil des Amtsgericht Wolfratshausen vom 20. Januar 2022, wonach der Kläger wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt wurde.
Dem Verlegungsantrag des Klägers der auf den 7. Mai 2024 terminierten mündlichen Verhandlung wurde mangels Vorlage eines angeforderten ärztlichen Nachweises über die Verhinderung wegen einer Operation nicht stattgegeben. Ein kurz vor der Verhandlung am 7. Mai 2024 vom Kläger persönlich dem Gericht übergebener Befangenheitsantrag gegen die Vorsitzende Richterin wurde durch die Befangenheitskammer mit Beschluss vom 7. Mai 2024 abgelehnt. Die weiteren in der mündlichen Verhandlung gestellten Anträge des anwesenden Klägers auf Vertagung und Schriftsatzfrist wurden mit Beschlüssen vom 7. Mai 2024 abgelehnt.
Im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakten, auch der Verfahren M 19 S 22.319, M 19 X 22.2965 und M 19 X 22.3278 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Zur Begründung wird auf die Gründe des streitgegenständlichen Bescheids Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO). Ergänzend wird folgendes ausgeführt:
1. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Fahrerlaubnisentziehung ist aufgrund des abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (stRspr, vgl. u.a. BVerwG, U.v. 23.10.2014 – 3 C 3.13 – juris Rn. 13), hier also des Bescheidserlasses durch den Beklagten.
2. Ihre Rechtsgrundlage findet die Fahrerlaubnisentziehung in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG; nach dieser Bestimmung gilt der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen und ihm ist die Fahrerlaubnis zu entziehen, sobald sich in der Summe acht oder mehr Punkte ergeben. Die Fahrerlaubnisbehörde hat dann zwingend die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sie die Maßnahmen der davorliegenden Stufen nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 StVG bereits ergriffen hat (§ 4 Abs. 6 Satz 1 StVG). Nach § 4 Abs. 5 Satz 5 StVG hat die nach Landesrecht zuständige Behörde für das Ergreifen der Maßnahmen nach Satz 1 auf den Punktestand abzustellen, der sich zum Zeitpunkt der Begehung der letzten zur Ergreifung der Maßnahme führenden Straftat oder Ordnungswidrigkeit ergeben hat. Punkte ergeben sich gemäß § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG mit der Begehung der Straftat oder Ordnungswidrigkeit, sofern sie rechtskräftig geahndet wird.
3. Die Voraussetzungen für eine Fahrerlaubnisentziehung nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG lagen vor. Der Beklagte hat die Vorgaben des Fahreignungs-Bewertungssystems im streitgegenständlichen Bescheid beachtet.
3.1. Die letzte vom Kläger zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt begangene, rechtskräftig geahndete Zuwiderhandlung, die die Fahrerlaubnisbehörde bei der Entscheidung über die Entziehung seiner Fahrerlaubnis zu berücksichtigen hatte, war die mit Entscheidung vom 8. März 2021 geahndete Geschwindigkeitsüberschreitung vom 20. Dezember 2020. An diesem Tag der Begehung der letzten zur Ergreifung der Maßnahme führenden Straftat oder Ordnungswidrigkeit (vgl. § 4 Abs. 5 Satz 5 StVG) ergaben sich für den Kläger acht Punkte, sodass die Fahrerlaubnis zu diesem Zeitpunkt zu entziehen war. Zu den einzelnen Punkten des Klägers wird auf die im Tatbestand dargestellten Tabellen verwiesen.
3.1.1. Vorliegend durfte der Beklagte bezüglich aller verwerteten Punkte auf die Richtigkeit der Eintragungen im Fahreignungsregister vertrauen.
Eine Entziehung der Fahrerlaubnis nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem setzt tatbestandlich voraus, dass die Begehung der entsprechenden Verkehrsverstöße rechtskräftig geahndet wurde. Hierfür trägt die Fahrerlaubnisbehörde nach allgemeinen Grundsätzen die materielle Beweislast. Den Eintragungen im Fahreignungsregister kommt zwar keine Tatbestandswirkung in dem Sinn zu, dass Behörden und Gerichte an den vom Kraftfahrt-Bundesamt mitgeteilten Inhalt der Entscheidungen gebunden wären (vgl. HessVGH, B.v. 7.2.2023 – 2 B 1699/22 – juris Rn. 5; BayVGH, B.v 30.1.2023 – 11 CS 22.2007 – juris Rn. 12; VGH BW, B.v. 8.12.2022 – 13 S 2057/22 – juris Rn. 7, 11). Dennoch ist für die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen nach § 4 Abs. 5 StVG zunächst der sich für die Fahrerlaubnisbehörde auf der Grundlage der ihr gemäß § 4 Abs. 8 StVG vom Kraftfahrt-Bundesamt übermittelten Eintragungen im Fahreignungsregister ergebende Kenntnisstand maßgebend (BVerwG, U.v. 26.1.2017 – 3 C 21.15 – juris, Rn. 25). Nach dem durch die Gesetzesmaterialien belegten Willen des Gesetzgebers sowie dem auf Verwaltungsvereinfachung zielenden Sinn und Zweck der Vorschrift soll die Fahrerlaubnisbehörde gerade nicht mehr prüfen müssen, ob der Betroffene die Tat tatsächlich begangen hat (vgl. BT-Drs. 13/6914 S. 69 zu § 4 StVG und S. 67 zu § 2a StVG). Die Bindungswirkung gilt auch für das Gericht, soweit es die Entscheidung der Behörde nicht beanstanden kann, weil diese die für sie geltende Bindungswirkung beachtet hat (BayVGH, B.v. 19.6.2009 – 11 CS 09.470 – juris Rn. 2).
Die Fahrerlaubnisbehörde muss nur dann (ausnahmsweise) der Richtigkeit einer Eintragung im Fahreignungsregister nachgehen, wenn hieran Zweifel bestehen (st. obergerichtliche Rspr.: vgl. HessVGH, B.v. 7.2.2023 a.a.O. Rn. 5; BayVGH, B.v 30.1.2023 a.a.O. Rn. 12; VGH BW, B.v. 8.12.2022 a.a.O. Rn. 13, 18; noch weitergehend VG Minden, B.v. 28.3.2023 – 2 L 153/23 – juris Rn. 40, wonach es für die Rechtmäßigkeit der nach § 4 Abs. 5 StVG ergriffenen Maßnahmen ausschließlich auf die durch das Kraftfahrt-Bundesamt vermittelte Kenntnis der Fahrerlaubnisbehörde ankomme). Wann Zweifel an der Richtigkeit der Eintragungen begründet sind, ist nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (VGH BW, B.v. 8.12.2022 a.a.O. Rn. 13,18). Zweifel bestehen jedenfalls nicht im Fall des „einfachen Bestreitens“ der rechtskräftigen Ahndung der Maßnahme (BayVGH, B.v 30.1.2023 a.a.O. Rn. 12). Im Rahmen des der Behörde aufzulegenden Ermittlungsumfangs ist deren präventiv-polizeilicher Zweck zu berücksichtigen. Eine anlassunabhängige, weitergehende Aufklärungspflicht wäre mit der Effektivität der Gefahrenabwehr nur schwerlich zu vereinbaren (dazu HessVGH, B.v. 7.2.2023 a.a.O. Rn. 10).
Die vom Kläger gegen die Eintragungen im Fahrerlaubnisregister erhobenen Einwände begründen keine Zweifel an der Richtigkeit der Registereintragungen, sodass sich für den Beklagten keine weiteren Ermittlungspflichten ergaben.
(1) Die Rechtskraft des die Tat vom 20. Dezember 2020 ahndenden Bußgeldbescheids der Stadt Karlsruhe vom 8. März 2021 geht aus der Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamtes an den Beklagten vom 4. Juni 2021 (Bl. 183 BA) und der damit übersandten Mitteilung (Bl. 197 BA) hervor. Hiernach hatte der Kläger außerorts die zulässige Geschwindigkeit von 70 km/h mit einer nach Toleranzabzug festgestellten Geschwindigkeit von 121 km/h um 51 km/h überschritten. Dieser Tatbestand wurde am 8. März 2021, rechtskräftig seit 26. März 2021, mit einem einmonatigen Fahrverbot, einer Geldbuße von 240 EUR und 2 Punkten geahndet. Die vom Kläger getroffene Behauptung, der Bußgeldbescheid sehe nur eine Geldbuße ohne Punkteeintrag vor, erschließt sich insofern nicht. Auch wird nicht dargelegt, inwiefern er die Tat nicht begangen haben sollte.
Die weiter von Klägerseite behauptete fehlende Rechtskraft der Entscheidung vom 8. März 2021 wurde nicht substantiiert und begründet keine Zweifel an der Richtigkeit der Eintragung. Einen etwaigen gegen die Ahndung der Ordnungswidrigkeit eingelegten Einspruch hat der Kläger nicht glaubhaft gemacht. Sein diesbezüglich mit Schreiben vom 1. September 2021 an den Beklagten (Bl. 233 BA) vorgelegtes, von ihm unterschriebenes Einspruchsschreiben an die Stadt Karlsruhe mit dem Betreff „Ordnungswidrigkeit vom 8.3.21“, das auf den 22. März 2021 (Bl. 234 BA) datiert, erbringt keinen Nachweis darüber, tatsächlich einen Einspruch eingelegt zu haben. Sein Vortrag beschränkt sich auf diese Angaben; Behörden- oder Gerichtsunterlagen – sei es nur die Eingangsbestätigung des Einspruchs – fehlen. Darüber hinaus deuten die Umstände, dass der Kläger den Beklagten erst rund ein halbes Jahr nach der Erhebung des Einspruchs über diesen informierte und keine Angaben zum weiteren Verlauf des Einspruchsverfahrens gemacht hat, auf die fehlende Substanz hin. Im Übrigen liegt es außerhalb jeglicher Lebenswahrscheinlichkeit, dass der Kläger im Falle eines (erfolgreichen) Einspruch, die entsprechende gerichtliche Entscheidung nicht vorgelegt hätte.
(2) Unsubstantiiert bleiben auch die Einwände bezüglich der weiteren, jeweils mit zwei Punkten geahndeten Verkehrszuwiderhandlungen vom 13. April 2017 (Tat vom 27.10.2016) und vom 23. Juli 2019 (Tat vom 21.10.2018). Bezüglich dieser Taten beschränkte sich der Vortrag des Klägers in Gänze auf ein Bestreiten der Rechtskraft ohne Vorlage jeglicher Dokumente. Anlass für Zweifel an den am 4. Juni 2021 vom Kraftfahrt-Bundesamt an den Beklagten übermittelten Mitteilungen (Bl. 183, 189, 194 BA) besteht nicht.
(3) Der weitere Einwand, es seien für die beiden, das vorsätzliche Fahren trotz Fahrverbot ahndenden Entscheidungen keine Aktenzeichen vermerkt, ist ebenfalls unzutreffend. Aus den Mitteilungen des Kraftfahrt-Bundesamt gehen für beide Entscheidung des Amtsgerichts München vom 13. April 2017 (Bl. 189 BA) und vom 23. Juli 2019 (Bl. 194 BA) die Aktenzeichen der erkennenden Stellen hervor.
3.1.2. Der Beklagte durfte daher richtigerweise von der Rechtskraft aller im Fahreignungsregister enthaltenen Entscheidungsdaten ausgehen. Ein Betroffener muss eine Entscheidung über eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit so lange gegen sich gelten lassen, wie die Rechtskraft der Entscheidung besteht (vgl. BayVGH, B.v. 9.12.2020 – 11 CS 20.2039 – juris Rn. 17 f.; B.v. 6.3.2007 – 11 CS 06.3024 – juris Rn. 11; B.v. 10.7.2019 – 11 CS 19.1081 – juris Rn. 12; vgl. auch OVG NW, B.v. 9.6.2020 – 16 B 1223/19 – juris Rn. 4 ff.; OVG SH, B.v. 27.1.2017 – 4 MB 3/17 – juris Rn. 9; OVG Berlin-Bbg, B.v. 28.5.2015 – OVG 1 S 71.14 – juris Rn. 7 f.). Der Beklagte war somit nach § 4 Abs. 5 Satz 4 StVG an die Rechtskraft der im Tatbestand dargestellten Entscheidungen der Tabellen gebunden.
Im Übrigen wäre selbst bei evidenter Unrichtigkeit einer im Straf- oder Bußgeldverfahren ergangenen Entscheidung weder durch das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz – GG) noch das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) eine Ausnahme von der strikten Bindungswirkung des § 4 Abs. 5 Satz 4 StVG geboten (vgl. ausführlich BayVGH, B.v. 9.12.2020 – 11 CS 20.2039 – juris Rn. 18). Der Betroffene verfügt über hinreichende Rechtsschutzmöglichkeiten im Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren. Der obergerichtlichen Rechtsprechung folgend, würde selbst mit der Stellung eines Wiederaufnahmeantrags – der hier vom Kläger bereits nicht behauptet wird – die Rechtskraft noch nicht beseitigt. Erst wenn auf Antrag eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gewährt wurde, entfällt die Rechtskraft der Entscheidung über die mit Punkten bewertete Tat ex tunc, sodass sie der Betroffene nicht mehr gegen sich gelten lassen muss (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG) und der Punktestand für die fahrerlaubnisrechtliche Maßnahme rückwirkend zu korrigieren ist (vgl. Stieber in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., Stand Dezember 2021, § 4 StVG, Rn. 60 m.w.N. unter Fn. 89; Hühnermann in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 28. Aufl. 2024, § 4 StVG, Rn. 28). Diese Fallkonstellation liegt hier – anders als in der vom Kläger eingewandten Thematik aus dem Verfahren von 2020 – nicht vor, sodass er die rechtskräftig geahndeten Taten, auch die mit zwei Punkten geahndete Tat vom 20. Dezember 2020, gegen sich gelten lassen muss.
3.1.3. Der Beklagte hatte auch rechtsfehlerfrei die beiden vor der Entziehung der Fahrerlaubnis liegenden Stufen des Maßnahmensystems gegen den Kläger ergriffen. Eine Punktereduzierung nach § 4 Abs. 6 Satz 3 StVG ist dabei nicht eingetreten.
Das gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 StVG im Fahreignungs-Bewertungssystem vorgesehene Stufensystem wird im Hinblick auf seine Rechtsfolgen in § 4 Abs. 6 StVG näher präzisiert. Gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 StVG darf die nach Landesrecht zuständige Behörde eine Maßnahme nach Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 (Verwarnung) oder Nr. 3 (Entziehung der Fahrerlaubnis) nur ergreifen, wenn die Maßnahme der davorliegenden Stufe nach Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 oder 2 bereits ergriffen worden ist. Sofern die Maßnahme der davor liegenden Stufe noch nicht ergriffen worden ist, ist diese zu ergreifen (§ 4 Abs. 6 Satz 2 StVG). Nach § 4 Abs. 6 Satz 3 StVG verringert sich der Punktestand im Falle des Satzes 2 mit Wirkung vom Tag des Ausstellens der ergriffenen Ermahnung auf fünf Punkte (Nr. 1) und der Verwarnung auf sieben Punkte (Nr. 2), wenn der Punktestand zu diesem Zeitpunkt nicht bereits durch Tilgungen oder Punktabzüge niedriger ist.
(1) Nach dem Erreichen von vier Punkten hatte die Fahrerlaubnisbehörde den Kläger mit Schreiben vom 5. Juni 2018 auf der Grundlage von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 StVG nach der ersten Maßnahmenstufe ordnungsgemäß ermahnt.
Da der Kläger im Zeitpunkt der Ermahnung gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 StVG seinen Wohnsitz in Leinfelden-Echterdingen (vgl. Bl. 21 BA) hatte, wurde diese zurecht gemäß § 73 Abs. 2 Satz 1 FeV von der Fahrerlaubnisbehörde des Landratsamtes Esslingen, der nach Landesrecht zuständigen Behörde, ausgesprochen. Die Maßnahmen des Fahreignungs-Bewertungssystems sind von der jeweils zuständigen Behörde zu ergreifen, sodass im Zuge von Wohnsitzwechseln des Betroffenen die örtliche Zuständigkeit für die verschiedenen Maßnahmen des Fahreignungs-Bewertungssystems divergieren kann.
Des Weiteren waren in dem nach § 4 Abs. 5 Satz 5 StVG maßgeblichen Zeitpunkt der Ermahnung am 5. Juni 2018 alle Taten, die zum Erreichen der vier Punkte führten (20.6.2015, 10.5.2016, 11.5.2016 und 17.10.2017), noch nicht getilgt oder gelöscht.
(2) Ebenso verhielt es sich mit der am 6. Februar 2019 vom Beklagten ausgesprochenen Verwarnung nach der zweiten Maßnahmenstufe des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVG. An dem nach dem Tattagprinzip für die Verwarnung zugrunde zu legenden 5. August 2018 waren weder diese, noch die Tat vom 14. Juni 2016 (beide je mit einem Punkt bewehrt) getilgt oder gelöscht. Der Vortrag des Klägers, die einen Punkt begründende Ordnungswidrigkeit bezüglich der Tat vom 14. Juni 2016 sei am 30. Januar 2021 getilgt worden, ist damit zwar zutreffend, ändert aber nichts an der Rechtmäßigkeit der vor Tilgung (am 6.2.2019) vorgenommenen Verwarnung.
(3) Einer Wiederholung der ersten Stufen vor der Entziehung bedurfte es nicht, da die Eintragungen, die zunächst zur Ermahnung oder Verwarnung geführt hatten, erst nach den ersten beiden Stufen getilgt und gelöscht wurden.
Bei der Berechnung des Punktestandes zum Ergreifen der Maßnahmen ist auf den Punktestand abzustellen, der sich zum Zeitpunkt der letzten (zur Maßnahme führenden) Straftat oder Ordnungswidrigkeit (Tattagprinzip) ergeben hat (§ 4 Abs. 5 Satz 5 StVG), wobei nur die Verstöße berücksichtigt werden dürfen, deren Tilgungsfrist in diesem Zeitpunkt noch nicht abgelaufen war. Denn § 4 Abs. 5 Satz 7 StVG stellt ausdrücklich klar, dass spätere Verringerungen des Punktestandes aufgrund von Tilgungen unberücksichtigt bleiben. Damit wird klargestellt, dass es ausreicht, wenn die jeweilige Maßnahmenstufe einmal erreicht wurde (BVerwG, U.v. 26.1.2017 – 3 C 21.15 – juris Rn. 22).
Anders als bei der Unbeachtlichkeit einer zwischenzeitlich erfolgten Tilgung auf den maßgeblichen Punktestand liegt es dagegen bei der Löschung der Eintragung nach § 29 Abs. 6 StVG (Rückschluss aus § 4 Abs. 5 Satz 7 StVG). Im Falle einer Löschung überlagert und begrenzt das absolute Verwertungsverbot des § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG das Tattagprinzip nach § 4 Abs. 5 Sätze 5 bis 7 StVG (BVerwG, U.v. 18.6.2020 – 3 C 14/19 – juris Rn. 20).
Die vorliegend im Raum stehenden Löschungen (Taten vom 20.6.2015, 10.5.2016, 11.5.2016 und 17.10.2017) erfolgten erst nach der Verwarnung als zweiter behördlicher Maßnahme vom 6. Februar 2019. Eine erneute Verwarnung war damit nicht angezeigt. Relevant werden die Löschungen jedoch bezüglich des nachfolgend darzustellenden Punktestandes im Entziehungszeitpunkt.
(4) Der überdies unsubstantiiert erhobene Einwand des Klägers, bereits weder ermahnt noch verwarnt worden zu sein, ist angesichts der dem Kläger jeweils mit Postzustellungsurkunde zugestellten Ermahnung bzw. Verwarnung nicht nachvollziehbar.
3.1.4. Der Kläger hatte mit der Begehung seiner Tat vom 20. Dezember 2020 einen Punktestand von acht Punkten erreicht, sodass zu diesem Zeitpunkt die Nichteignung des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG feststand.
Zu den einzelnen Punkten des Klägers wird auf die im Tatbestand dargestellten Tabellen verwiesen, wobei die im Entziehungszeitpunkt am 19. August 2021 nicht verwendeten, da bereits gelöschten Punkte, in Klammern gesetzt wurden. Dies waren aufgrund ihrer zwischenzeitlichen Löschung die vier der Ermahnung zugrundeliegenden Taten (20.6.2015, 10.5.2016, 11.5.2016 und 17.10.2017). Sie wurden von der Fahrerlaubnisbehörde daher zurecht nicht bei der Berechnung der acht Punkte berücksichtigt. Stattdessen kamen zu den verwertbaren Taten vom 14. Juni 2016 und vom 5. August 2018 (jeweils 1 Punkt) noch sechs Punkte durch die Taten vom 27. Oktober 2016 (2 Punkte), vom 21. Oktober 2018 (2 Punkte) und vom 20. Dezember 2020 (2 Punkte) hinzu, die im maßgeblichen Zeitpunkt noch nicht getilgt waren.
3.1.5. Aufgrund des Vorliegens aller tatbestandlichen Voraussetzungen des Fahreignungs-Bewertungssystems, war der Führerschein des Klägers zwingend zu entziehen. Gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG gilt der Fahrerlaubnisinhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen und die Fahrerlaubnis ist zu entziehen (zur Verfassungsmäßigkeit der zwingenden Fahrerlaubnisentziehung vgl. BayVGH, B.v. 17.1.2005 – 11 CS 04.2955 – juris Rn. 35, 38 ff. zu § 4 StVG a.F.). Sein Vortrag, seit über 35 Jahren unfallfrei zu fahren oder aufgrund der Pflege des Schwiegervaters auf die Fahrerlaubnis angewiesen zu sein, konnte bei der Entscheidung keine Berücksichtigung finden.
4. Die weiteren in dem angefochtenen Bescheid getroffenen Nebenentscheidungen sind ebenfalls rechtmäßig. Die Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins ergibt sich gemäß § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG i.V.m. § 47 Abs. 1 FeV als akzessorische Folge der rechtmäßigen Entziehungsentscheidung. Die darauf gerichtete Zwangsmittelandrohung und die Kostenentscheidung begegnen keine rechtlichen Bedenken.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 und 2 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 12.500,- festgesetzt.
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. den Empfehlungen in Nrn. 46.2, 46.3 und 46.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Die Fahrerlaubnis der Klasse A wirkt sich aufgrund ihrer Erteilung unter Verwendung der Schlüsselzahlen 79.03 und 79.04 – anders als die Klasse A 1 (Schlüsselzahl 79.05, Ausstellung des Führerscheins im Jahr 1979) – nicht streitwerterhöhend aus (§ 6 Abs. 3 Satz 2 FeV).