Übersicht
- Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Führerscheinentzug bei Trunkenheitsfahrt: Gericht definiert Kriterien für Wiedererlangung
- Der Fall vor Gericht
- Alkoholabhängiger Fahrer verliert Fahrerlaubnis trotz positivem MPU-Gutachten
- Vorgeschichte einer langjährigen Alkoholabhängigkeit
- Schwere Rückfälle kurz nach Wiedererteilung der Fahrerlaubnis
- Sofortige Fahrerlaubnisentziehung ohne erneute Begutachtung
- Rechtliche Bewertung des Gerichts
- Konsequenzen für Betroffene
- Die Schlüsselerkenntnisse
- FAQ – Häufige Fragen
- Ist eine dauerhafte Alkoholabstinenz immer Voraussetzung für die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis?
- Welche Rolle spielt ein positives MPU-Gutachten bei der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis nach Alkoholmissbrauch?
- Unter welchen Umständen kann die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis auch ohne erneute medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) entziehen?
- Welche Bedeutung haben frühere Alkoholvorfälle und Rückfälle bei der Beurteilung der Fahreignung?
- Welche rechtlichen Schritte können unternommen werden, wenn die Fahrerlaubnis aufgrund von Alkoholproblemen entzogen wurde?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Das Urteil betrifft die Teilnahme am Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss.
- Es geht um die Konsequenzen eines Fahrverbots und die mögliche dauerhafte Entziehung der Fahrerlaubnis.
- Schwierigkeiten bestehen in der Unsicherheit der Betroffenen über den Führerscheinverlust.
- Das Gericht hat entschieden, dass bei einer erheblichen Alkoholisierung die Fahrerlaubnis entzogen werden kann.
- Die Entscheidung des Gerichts basiert auf der Gefährdung der Verkehrssicherheit durch Alkoholkonsum.
- Für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis ist eine dauerhafte Alkoholabstinenz wichtig.
- Die Betroffenen müssen die Abstinenz durch geeignete Nachweise belegen.
- Das Gericht bewertet die Ernsthaftigkeit der Abstinenz sehr streng.
- Die Auswirkungen der Entscheidung führen zu einer erhöhten Rechtssicherheit im Straßenverkehr.
- Für die Betroffenen ist die Einhaltung der Abstinenz eine zentrale Voraussetzung für die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis.
Führerscheinentzug bei Trunkenheitsfahrt: Gericht definiert Kriterien für Wiedererlangung
Werden Sie im Straßenverkehr erwischt, während Sie unter Alkoholeinfluss stehen, drohen Ihnen neben einem Bußgeld und einem Fahrverbot auch weiterreichende Konsequenzen. In besonders schwerwiegenden Fällen kann die Fahrerlaubnisbehörde Ihre Fahrerlaubnis entziehen. Dabei stellt sich die Frage nach der Dauer dieser Entziehung. Oftmals fordern die Behörden eine dauerhafte Alkoholabstinenz, um die Fahrerlaubnis wiederzuerlangen.
Die Frage, ob eine dauerhafte Alkoholabstinenz als Voraussetzung für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis angemessen ist, ist juristisch umstritten. Hierbei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle, wie zum Beispiel die Schwere des Verkehrsdelikts, die Vorgeschichte des Betroffenen und seine Bemühungen um Abstinenz. Zu klären ist aber auch, ob eine dauerhafte Abstinenz überhaupt verhältnismäßig ist. Welche Kriterien die Behörden anwenden und welche Rechtsgrundlagen zu beachten sind, zeigen wir anhand eines interessanten Gerichtsurteils.
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Der Fall vor Gericht
Alkoholabhängiger Fahrer verliert Fahrerlaubnis trotz positivem MPU-Gutachten
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat die Entziehung der Fahrerlaubnis eines alkoholabhängigen Fahrers bestätigt, obwohl dieser zuvor ein positives medizinisch-psychologisches Gutachten vorgelegt hatte. Der Fall verdeutlicht, dass auch nach einer scheinbar erfolgreichen Therapie und Abstinenz die Fahreignung bei erneutem Alkoholkonsum schnell wieder verloren gehen kann.
Vorgeschichte einer langjährigen Alkoholabhängigkeit
Der betroffene Fahrer hatte eine lange Geschichte der Alkoholabhängigkeit. Bereits 2015 wurde ihm nach einer Trunkenheitsfahrt mit 2,49 Promille die Fahrerlaubnis entzogen. Nach mehreren Entgiftungen und Therapien gelang es ihm, für einige Zeit abstinent zu bleiben. Aufgrund eines positiven MPU-Gutachtens erhielt er 2017 seine Fahrerlaubnis zurück.
Doch schon wenige Monate später kam es zu erneuten Alkoholvorfällen. Im Oktober und November 2017 fiel der Mann wieder durch erheblichen Alkoholkonsum auf. Das Landratsamt entzog ihm daraufhin erneut die Fahrerlaubnis. Nach einem weiteren erfolgreichen Abstinenznachweis und positivem MPU-Gutachten wurde ihm im Juli 2022 nochmals die Fahrerlaubnis erteilt.
Schwere Rückfälle kurz nach Wiedererteilung der Fahrerlaubnis
Nur einen Monat nach der erneuten Fahrerlaubniserteilung kam es zu einem folgenschweren Rückfall. Am 7. August 2022 musste die Polizei eingreifen, weil der Mann in einem Krankenhaus randalierte. Es wurde ein Blutalkoholwert von 4 Promille festgestellt. Ein weiterer Vorfall ereignete sich am 22. Januar 2023. Dabei verhielt sich der Betroffene mit 3,32 Promille in einer Notaufnahme höchst aggressiv und musste in eine psychiatrische Klinik eingewiesen werden.
Sofortige Fahrerlaubnisentziehung ohne erneute Begutachtung
Aufgrund dieser Vorfälle entzog das Landratsamt dem Mann am 8. Februar 2023 ohne vorherige Anordnung eines neuen Gutachtens die Fahrerlaubnis. Die Behörde ging davon aus, dass die Alkoholabhängigkeit offensichtlich wieder vorlag und keine weitere Abklärung nötig war.
Der Betroffene klagte gegen diese Entscheidung, blitzte aber sowohl vor dem Verwaltungsgericht als auch dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ab. Die Richter bestätigten, dass in diesem Fall aufgrund der Vorgeschichte und der massiven Rückfälle keine erneute Begutachtung erforderlich war, bevor die Fahrerlaubnis entzogen wurde.
Rechtliche Bewertung des Gerichts
Das Gericht betonte in seiner Entscheidung mehrere wichtige Aspekte:
- Bei festgestellter Alkoholabhängigkeit ist keine zusätzliche Verbindung zum Straßenverkehr nötig, um die Fahreignung zu verneinen. Die Gefahr eines Kontrollverlusts besteht jederzeit.
- Blutalkoholwerte ab 3 Promille sprechen für eine hohe Alkoholtoleranz und damit für eine Abhängigkeit. Die beim Kläger gemessenen Werte von 4 und 3,32 Promille sind deutliche Indikatoren.
- Auch ein positives MPU-Gutachten schließt nicht aus, frühere Erkenntnisse zur Krankheitsgeschichte zu berücksichtigen, wenn sich die positive Prognose als unzutreffend erweist.
- In Fällen mit langer Vorgeschichte und mehrfachen Rückfällen kann ausnahmsweise auf eine erneute Begutachtung vor dem Fahrerlaubnisentzug verzichtet werden, wenn die Alkoholabhängigkeit offensichtlich ist.
Konsequenzen für Betroffene
Der Fall macht deutlich, dass Personen mit einer Alkoholabhängigkeit in der Vorgeschichte besonders vorsichtig sein müssen. Auch nach erfolgreicher Therapie und Wiedererteilung der Fahrerlaubnis können bereits einzelne schwere Rückfälle zum sofortigen und möglicherweise dauerhaften Verlust der Fahrerlaubnis führen. Eine erneute aufwendige Begutachtung wird dann unter Umständen nicht mehr angeordnet.
Die Schlüsselerkenntnisse
Die Entscheidung verdeutlicht, dass bei Personen mit bekannter Alkoholabhängigkeit auch nach scheinbar erfolgreicher Therapie und positivem MPU-Gutachten schwere Rückfälle zu einem sofortigen Fahrerlaubnisentzug ohne erneute Begutachtung führen können. Das Gericht bestätigt, dass in solchen Fällen die offensichtliche Alkoholabhängigkeit ausreicht, um die Fahreignung zu verneinen, ohne dass ein direkter Bezug zum Straßenverkehr erforderlich ist. Dies unterstreicht die hohe Verantwortung und das dauerhafte Risiko für ehemals alkoholabhängige Fahrerlaubnisinhaber.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Dieses Urteil hat weitreichende Konsequenzen für Personen mit einer Vorgeschichte von Alkoholabhängigkeit. Wenn Sie nach einer Alkoholtherapie und Wiedererteilung Ihrer Fahrerlaubnis rückfällig werden, kann Ihnen der Führerschein ohne erneute medizinische Begutachtung sofort wieder entzogen werden. Besonders kritisch sind dabei hohe Blutalkoholwerte ab 3 Promille, die als deutlicher Hinweis auf eine wieder vorliegende Abhängigkeit gewertet werden. Auch wenn der Rückfall nicht im Straßenverkehr stattfindet, kann er zum Verlust der Fahrerlaubnis führen. Um Ihren Führerschein zu behalten, ist daher eine konsequente und dauerhafte Alkoholabstinenz unerlässlich. Jeder Rückfall, selbst wenn er Ihnen harmlos erscheint, kann schwerwiegende Folgen haben.
FAQ – Häufige Fragen
Führerscheinentzug aufgrund erneuter Alkoholrückfälle ist ein komplexes Thema mit weitreichenden Folgen. Diese FAQ-Rubrik soll Ihnen wichtige Informationen und Antworten auf häufig gestellte Fragen zu diesem Thema liefern.
Wichtige Fragen, kurz erläutert:
- Ist eine dauerhafte Alkoholabstinenz immer Voraussetzung für die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis?
- Welche Rolle spielt ein positives MPU-Gutachten bei der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis nach Alkoholmissbrauch?
- Unter welchen Umständen kann die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis auch ohne erneute medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) entziehen?
- Welche Bedeutung haben frühere Alkoholvorfälle und Rückfälle bei der Beurteilung der Fahreignung?
- Welche rechtlichen Schritte können unternommen werden, wenn die Fahrerlaubnis aufgrund von Alkoholproblemen entzogen wurde?
Ist eine dauerhafte Alkoholabstinenz immer Voraussetzung für die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis?
Die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis nach einem Entzug aufgrund von Alkoholproblemen ist nicht zwangsläufig an eine dauerhafte Alkoholabstinenz geknüpft. Die rechtlichen Voraussetzungen und Beurteilungskriterien sind differenziert zu betrachten.
Grundsätzlich gilt: Bei einer festgestellten Alkoholabhängigkeit ist in der Regel eine einjährige Abstinenz nachzuweisen, bevor die Fahreignung wieder als gegeben angesehen werden kann. Dies basiert auf der Annahme, dass eine längere abstinente Phase notwendig ist, um stabile Verhaltensänderungen zu etablieren und das Rückfallrisiko zu minimieren.
Allerdings gibt es Fälle, in denen die Behörden und Gutachter auch ein kontrolliertes Trinken als ausreichend erachten können. Dies gilt insbesondere dann, wenn kein Abhängigkeitssyndrom diagnostiziert wurde, sondern lediglich ein problematischer Alkoholkonsum vorlag. Die Beurteilungskriterien für die Fahreignungsbegutachtung, herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin und der Deutschen Gesellschaft für Verkehrspsychologie, sehen diese Möglichkeit explizit vor.
Ein kontrollierter Umgang mit Alkohol kann akzeptiert werden, wenn der Betroffene nachweislich gelernt hat, Alkoholkonsum und Fahren zuverlässig zu trennen. Dies erfordert eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit dem eigenen Trinkverhalten und die Entwicklung wirksamer Strategien zur Vermeidung von Trunkenheitsfahrten.
Die Entscheidung, ob Abstinenz oder kontrolliertes Trinken gefordert wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab:
1. Der Schwere des Alkoholproblems
2. Der Höhe der gemessenen Blutalkoholkonzentration bei Vorfällen
3. Der Häufigkeit alkoholbedingter Verkehrsverstöße
4. Der persönlichen Entwicklung und Einsichtsfähigkeit des Betroffenen
Bei Wiederholungstätern oder Personen mit sehr hohen Blutalkoholwerten (über 1,6 Promille) wird in der Regel eine strikte Abstinenz verlangt. Hier gehen die Behörden von einem erhöhten Gefährdungspotenzial aus, das nur durch vollständige Alkoholkarenz ausreichend gemindert werden kann.
Für die Beurteilung der Fahreignung ist eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) entscheidend. Im Rahmen dieser Begutachtung wird geprüft, ob der Betroffene sein Verhalten nachhaltig geändert hat und zukünftig verantwortungsvoll mit Alkohol umgehen kann. Dabei werden nicht nur die Trinkgewohnheiten, sondern auch die Persönlichkeit und das soziale Umfeld berücksichtigt.
Es ist wichtig zu betonen, dass die Anforderungen an kontrolliertes Trinken sehr hoch sind. Der Betroffene muss glaubhaft darlegen können, dass er in der Lage ist, seinen Alkoholkonsum so zu steuern, dass er zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr im Straßenverkehr darstellt. Dies beinhaltet auch die Fähigkeit, in kritischen Situationen gänzlich auf Alkohol zu verzichten.
Die Behörden und Gutachter legen großen Wert auf nachprüfbare Belege für die Verhaltensänderung. Dazu können Laboruntersuchungen (z.B. Leberwerte, Haaranalysen), Teilnahme an Therapieprogrammen oder Selbsthilfegruppen sowie Zeugenaussagen aus dem persönlichen Umfeld gehören.
Es ist zu beachten, dass die Entscheidung über die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis immer eine Einzelfallentscheidung bleibt. Die Behörden haben einen Ermessensspielraum, müssen aber stets das öffentliche Interesse an der Verkehrssicherheit gegen das individuelle Interesse des Betroffenen abwägen.
In der Praxis zeigt sich, dass viele Betroffene sich für eine vollständige Abstinenz entscheiden, da dies den sichersten Weg zur Wiedererlangung der Fahrerlaubnis darstellt. Zudem bietet die Abstinenz den Vorteil, dass sie eindeutig nachweisbar ist und keine Grauzonen zulässt.
Für diejenigen, die sich für den Weg des kontrollierten Trinkens entscheiden, ist es ratsam, dies unter fachkundiger Anleitung zu erlernen und zu praktizieren. Spezielle Schulungsprogramme können dabei helfen, einen verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol zu entwickeln und diesen auch gegenüber den Behörden glaubhaft zu machen.
Die rechtliche Beurteilung der Fahreignung unterliegt einem stetigen Wandel, der durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse und gesellschaftliche Entwicklungen beeinflusst wird. Aktuelle Tendenzen in der Rechtsprechung zeigen eine zunehmende Differenzierung in der Beurteilung von Alkoholproblemen und eine stärkere Berücksichtigung individueller Umstände.
Welche Rolle spielt ein positives MPU-Gutachten bei der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis nach Alkoholmissbrauch?
Ein positives MPU-Gutachten spielt eine zentrale Rolle bei der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis nach Alkoholmissbrauch, ist jedoch nicht der einzige ausschlaggebende Faktor. Die medizinisch-psychologische Untersuchung dient als wichtiges Instrument zur Beurteilung der Fahreignung und der Verhaltensänderung des Betroffenen.
Nach einem Entzug der Fahrerlaubnis aufgrund von Alkoholmissbrauch verlangt die Fahrerlaubnisbehörde in der Regel ein positives MPU-Gutachten als Voraussetzung für die Neuerteilung. Dieses Gutachten soll nachweisen, dass der Betroffene die nötige Einsicht in sein früheres Fehlverhalten gewonnen hat und zukünftig in der Lage ist, Alkoholkonsum und Fahren zuverlässig zu trennen.
Allerdings garantiert ein positives MPU-Gutachten nicht automatisch die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis. Die Fahrerlaubnisbehörde berücksichtigt bei ihrer Entscheidung weitere Faktoren. Dazu gehören etwa Einträge im Fahreignungsregister, die auf fortgesetzte Verkehrsverstöße hindeuten könnten, oder Hinweise auf andauernden problematischen Alkoholkonsum.
Ein wichtiger Aspekt ist die Frage der dauerhaften Alkoholabstinenz. In Fällen schweren Alkoholmissbrauchs kann die Behörde die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis davon abhängig machen, dass der Betroffene nachweislich über einen längeren Zeitraum abstinent gelebt hat. Dies geht über die Anforderungen eines standardmäßigen MPU-Gutachtens hinaus und erfordert oft zusätzliche Nachweise, wie regelmäßige medizinische Kontrollen.
Die Behörde prüft zudem, ob seit dem Entzug der Fahrerlaubnis eine angemessene Zeit vergangen ist, in der der Betroffene seine Verhaltensänderung unter Beweis stellen konnte. Bei sehr langen Entzugszeiten kann sie sogar eine erneute theoretische und praktische Fahrprüfung anordnen, um sicherzustellen, dass die notwendigen Fähigkeiten zum sicheren Führen eines Kraftfahrzeugs noch vorhanden sind.
Es ist wichtig zu verstehen, dass die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis ein behördlicher Ermessensprozess ist. Die Fahrerlaubnisbehörde muss alle relevanten Umstände des Einzelfalls berücksichtigen. Dabei hat sie einen gewissen Spielraum in der Bewertung der vorliegenden Fakten und kann auch zusätzliche Auflagen erteilen, wie etwa die Teilnahme an Nachschulungen oder die Verwendung eines Alkohol-Interlocks.
Trotz eines positiven MPU-Gutachtens kann die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis verweigert werden, wenn begründete Zweifel an der Fahreignung fortbestehen. Dies kann der Fall sein, wenn während der Sperrfrist neue Vorfälle im Zusammenhang mit Alkohol oder andere schwerwiegende Verkehrsverstöße bekannt werden.
Das positive MPU-Gutachten ist somit ein wesentlicher Baustein, aber nicht der alleinige Garant für die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis nach Alkoholmissbrauch. Es bildet die Grundlage für eine umfassende behördliche Beurteilung, die alle relevanten Aspekte der individuellen Situation des Betroffenen einbezieht.
Unter welchen Umständen kann die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis auch ohne erneute medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) entziehen?
Die Fahrerlaubnisbehörde kann die Fahrerlaubnis auch ohne erneute medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) entziehen, wenn konkrete Tatsachen vorliegen, die erhebliche Zweifel an der Fahreignung begründen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Behörde über neue Erkenntnisse verfügt, die die Fahreignung in Frage stellen.
Ein häufiger Grund für den Entzug ohne MPU ist der Konsum von Alkohol oder Drogen. Wird ein Fahrzeugführer beispielsweise mit einer Blutalkoholkonzentration von mehr als 1,6 Promille am Steuer erwischt, kann die Behörde die Fahrerlaubnis sofort entziehen, ohne eine erneute MPU anzuordnen. In solchen Fällen geht der Gesetzgeber von einer generellen Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen aus.
Auch bei wiederholten Verkehrsverstößen, die auf charakterliche Mängel hindeuten, kann die Fahrerlaubnisbehörde ohne MPU handeln. Dies gilt etwa bei mehrfachen Geschwindigkeitsüberschreitungen oder aggressivem Verhalten im Straßenverkehr. Die Behörde stützt sich dabei auf die Annahme, dass der Betroffene nicht willens oder in der Lage ist, sich an die Verkehrsregeln zu halten.
Ein weiterer Grund für den Entzug ohne MPU können gesundheitliche Einschränkungen sein. Erfährt die Behörde von einer schwerwiegenden Erkrankung, die die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt, kann sie die Fahrerlaubnis entziehen. Dies gilt beispielsweise bei bestimmten Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Epilepsie oder fortgeschrittener Demenz.
Die rechtliche Grundlage für den Entzug der Fahrerlaubnis ohne MPU findet sich im Straßenverkehrsgesetz (StVG) und in der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV). Nach § 3 Abs. 1 StVG hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich jemand als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Die FeV konkretisiert in den Anlagen 4 und 5, welche Mängel und Erkrankungen die Fahreignung ausschließen.
Es ist wichtig zu betonen, dass die Behörde bei der Entscheidung über den Entzug ohne MPU stets den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten muss. Sie muss sorgfältig abwägen, ob die vorliegenden Tatsachen tatsächlich ausreichen, um die Fahreignung zu verneinen. In Zweifelsfällen wird sie in der Regel zunächst eine MPU anordnen, um eine fundierte Entscheidungsgrundlage zu haben.
Für Betroffene ist es ratsam, bei einem drohenden Fahrerlaubnisentzug frühzeitig aktiv zu werden. Durch freiwillige Maßnahmen wie den Besuch von Verkehrsseminaren oder den Nachweis einer erfolgreichen Alkoholtherapie kann unter Umständen die Notwendigkeit einer MPU oder gar der Entzug der Fahrerlaubnis abgewendet werden.
Die Entscheidung der Fahrerlaubnisbehörde, die Fahrerlaubnis ohne MPU zu entziehen, unterliegt der gerichtlichen Kontrolle. Betroffene können gegen den Bescheid Widerspruch einlegen und gegebenenfalls Klage vor dem Verwaltungsgericht erheben. Die Gerichte prüfen dann, ob die Behörde ihr Ermessen rechtmäßig ausgeübt und alle relevanten Umstände des Einzelfalls berücksichtigt hat.
Welche Bedeutung haben frühere Alkoholvorfälle und Rückfälle bei der Beurteilung der Fahreignung?
Bei der Beurteilung der Fahreignung spielen frühere Alkoholvorfälle und Rückfälle eine entscheidende Rolle. Die Fahrerlaubnisbehörden und Gerichte berücksichtigen die gesamte Vorgeschichte einer Person, um einzuschätzen, ob sie zukünftig sicher am Straßenverkehr teilnehmen kann.
Grundsätzlich gilt: Je mehr Alkoholvorfälle in der Vergangenheit dokumentiert sind, desto kritischer wird die Fahreignung beurteilt. Mehrfache Auffälligkeiten deuten auf ein problematisches Trinkverhalten hin, das mit der sicheren Teilnahme am Straßenverkehr nicht vereinbar ist. Besonders schwer wiegen Vorfälle, bei denen eine Person trotz vorheriger Sanktionen erneut alkoholisiert am Steuer erwischt wurde.
Ein Rückfall nach einer Phase der Abstinenz wird besonders kritisch gesehen. Er zeigt, dass die betroffene Person ihr Alkoholproblem noch nicht dauerhaft unter Kontrolle hat. In solchen Fällen wird in der Regel eine längere Abstinenzphase gefordert, bevor eine Wiedererteilung der Fahrerlaubnis in Betracht kommt. Die genaue Dauer hängt vom Einzelfall ab, beträgt aber meist mindestens ein Jahr.
Bei der Beurteilung wird auch berücksichtigt, wie lange die Alkoholvorfälle zurückliegen und ob in der Zwischenzeit eine positive Entwicklung erkennbar ist. Hat jemand über viele Jahre hinweg keine Auffälligkeiten mehr gezeigt und nachweislich sein Trinkverhalten geändert, kann dies zu einer günstigeren Prognose führen.
Entscheidend ist zudem, wie die betroffene Person mit ihrer Alkoholproblematik umgeht. Wer Einsicht zeigt, sich mit den Ursachen auseinandersetzt und aktiv an einer Verhaltensänderung arbeitet, hat bessere Chancen auf eine positive Beurteilung. Dazu gehört auch die Bereitschaft, sich einer Therapie oder anderen unterstützenden Maßnahmen zu unterziehen.
Die Behörden und Gerichte orientieren sich bei ihrer Einschätzung an den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung. Diese sehen vor, dass bei Alkoholabhängigkeit in der Regel eine einjährige Abstinenz nachgewiesen werden muss. Bei Alkoholmissbrauch kann unter Umständen auch ein kontrollierter Konsum akzeptiert werden, sofern Trinken und Fahren zuverlässig getrennt werden.
Um die Fahreignung nach Alkoholvorfällen wiederzuerlangen, ist in den meisten Fällen eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) erforderlich. Hier wird geprüft, ob eine ausreichend stabile Verhaltensänderung eingetreten ist. Die Gutachter berücksichtigen dabei die gesamte Vorgeschichte und bewerten, ob mit hinreichender Sicherheit von einer dauerhaften Verhaltensänderung ausgegangen werden kann.
Rückfälle während oder nach einer MPU-Vorbereitung werden besonders kritisch gesehen. Sie können dazu führen, dass der gesamte Prozess neu begonnen werden muss und sich die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis erheblich verzögert.
Es ist wichtig zu verstehen, dass die Beurteilung immer einzelfallbezogen erfolgt. Die Behörden und Gerichte wägen alle Umstände gegeneinander ab. Dabei spielen neben der Anzahl und Schwere der Vorfälle auch persönliche Faktoren wie Alter, berufliche Situation und soziales Umfeld eine Rolle.
Welche rechtlichen Schritte können unternommen werden, wenn die Fahrerlaubnis aufgrund von Alkoholproblemen entzogen wurde?
Bei einem Entzug der Fahrerlaubnis aufgrund von Alkoholproblemen stehen Betroffenen verschiedene rechtliche Schritte zur Verfügung. Zunächst ist es wichtig, die Rechtmäßigkeit des Entzugs zu prüfen. Die Fahrerlaubnisbehörde muss für einen Entzug nachweisen, dass der Betroffene zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Dies geschieht in der Regel durch die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens (MPU).
Gegen den Bescheid der Fahrerlaubnisbehörde kann innerhalb eines Monats nach Zustellung Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht erhoben werden. Es ist zu beachten, dass ein Widerspruch bei der Behörde in den meisten Bundesländern nicht ausreicht und die Klagefrist nicht hemmt. Die Klage muss sorgfältig vorbereitet werden, da sie sich auf konkrete Rechtsverstöße oder Ermessensfehler der Behörde stützen muss.
Ein häufiger Ansatzpunkt für eine Klage ist die Rechtmäßigkeit der MPU-Anordnung. Wurde beispielsweise keine angemessene Frist zur Vorlage des Gutachtens gesetzt oder der genaue Inhalt der Untersuchung nicht spezifiziert, kann dies ein Grund für die Aufhebung des Bescheids sein. Auch bei der Bewertung des MPU-Ergebnisses können Fehler unterlaufen, die im Rahmen einer Klage überprüft werden können.
In vielen Fällen ordnet die Behörde die sofortige Vollziehung des Entzugs an. Dagegen kann ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung gestellt werden. Das Gericht prüft dann in einem Eilverfahren, ob das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung das private Interesse des Betroffenen am Fortbestand der Fahrerlaubnis überwiegt.
Neben der Klage gegen den Entzug ist es ratsam, parallel die Voraussetzungen für eine Neuerteilung der Fahrerlaubnis zu schaffen. Dazu gehört in der Regel der Nachweis einer stabilen Alkoholabstinenz über einen längeren Zeitraum. Betroffene sollten frühzeitig mit der Dokumentation ihrer Abstinenz beginnen, etwa durch regelmäßige ärztliche Untersuchungen oder die Teilnahme an Selbsthilfegruppen.
Die Neuerteilung der Fahrerlaubnis kann frühestens drei Monate vor Ablauf der Sperrfrist beantragt werden. Dabei müssen alle von der Behörde geforderten Nachweise vorgelegt werden. In vielen Fällen ist eine erneute MPU erforderlich, um die Fahreignung nachzuweisen. Eine gute Vorbereitung auf diese Untersuchung ist entscheidend für den Erfolg.
Es ist zu beachten, dass die rechtlichen Schritte gegen einen Fahrerlaubnisentzug komplex sind und individuelle Faktoren berücksichtigt werden müssen. Die Erfolgsaussichten hängen stark vom Einzelfall ab, insbesondere von der Schwere der Alkoholproblematik und dem Verhalten des Betroffenen nach dem Entzug. Eine frühzeitige und konsequente Auseinandersetzung mit der Alkoholproblematik kann die Chancen auf eine erfolgreiche Wiedererlangung der Fahrerlaubnis deutlich erhöhen.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- MPU-Gutachten: Eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU), umgangssprachlich auch „Idiotentest“ genannt, dient zur Beurteilung der Fahreignung. Sie wird häufig nach Alkohol- oder Drogendelikten im Straßenverkehr angeordnet. Ein positives Gutachten kann die Wiedererlangung des Führerscheins ermöglichen, bietet aber keine Garantie gegen erneuten Entzug bei Rückfällen.
- Fahreignung: Die Fahreignung beschreibt die körperliche und geistige Fähigkeit, ein Fahrzeug sicher zu führen. Sie kann durch Alkohol- oder Drogenmissbrauch beeinträchtigt sein. Bei Alkoholabhängigkeit wird die Fahreignung in der Regel verneint, da ein Kontrollverlust über den Alkoholkonsum jederzeit möglich ist und somit ein erhebliches Risiko für die Verkehrssicherheit besteht.
- Alkoholabhängigkeit: Eine Krankheit, die durch ein starkes Verlangen nach Alkohol, Kontrollverlust über den Konsum, körperliche Entzugserscheinungen und eine erhöhte Toleranz gegenüber Alkohol gekennzeichnet ist. Alkoholabhängigkeit führt in der Regel zur Fahrungeeignetheit, da sie die Fähigkeit zum sicheren Führen eines Fahrzeugs beeinträchtigt.
- Blutalkoholkonzentration (BAK): Die BAK gibt an, wie viel Alkohol sich im Blut befindet. Sie wird in Promille (‰) gemessen. Hohe BAK-Werte, insbesondere ab 3 ‰, deuten auf eine hohe Alkoholtoleranz hin, die wiederum ein Indiz für eine Alkoholabhängigkeit sein kann.
- Rückfall: Ein Rückfall bezeichnet den erneuten Konsum von Alkohol nach einer Phase der Abstinenz. Im Kontext der Fahreignung kann ein Rückfall, insbesondere bei hohen Blutalkoholwerten, als Indiz für eine andauernde Alkoholabhängigkeit gewertet werden und zum Entzug der Fahrerlaubnis führen.
- Sofortvollzug: Der Sofortvollzug bedeutet, dass ein Verwaltungsakt (z.B. die Entziehung der Fahrerlaubnis) sofort wirksam wird, ohne dass der Betroffene die Möglichkeit hat, dagegen Widerspruch einzulegen oder eine aufschiebende Wirkung zu erwirken. Dies ist zulässig, wenn ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Durchsetzung des Verwaltungsakts besteht, wie beispielsweise bei einer akuten Gefährdung der Verkehrssicherheit durch einen alkoholkranken Fahrer.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 11 Abs. 7 Fahrerlaubnisverordnung (FeV): Dieser Paragraph regelt die Entziehung der Fahrerlaubnis bei fehlender Eignung. Die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen fehlt, wenn Erkrankungen oder Mängel vorliegen, die die Fahrsicherheit beeinträchtigen. Im vorliegenden Fall wurde die Fahrerlaubnis aufgrund von Alkoholabhängigkeit entzogen, da diese ein erhebliches Risiko für die Verkehrssicherheit darstellt.
- § 46 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG): Diese Vorschrift regelt den Sofortvollzug von Verwaltungsakten. Ein Verwaltungsakt kann sofort vollzogen werden, wenn dies im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten liegt. Im vorliegenden Fall wurde der Sofortvollzug der Fahrerlaubnisentziehung angeordnet, da ein öffentliches Interesse an der sofortigen Abwehr der von einem alkoholkranken Fahrer ausgehenden Gefahr besteht.
- § 13 Satz 1 Nr. 2 Fahrerlaubnisverordnung (FeV): Dieser Paragraph regelt die Voraussetzungen für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis nach einer Entziehung wegen Alkoholabhängigkeit. Eine Neuerteilung ist nur möglich, wenn die Behörde sich durch ein medizinisch-psychologisches Gutachten von der Eignung des Betroffenen überzeugt hat. Im vorliegenden Fall wurde die Fahrerlaubnis trotz eines positiven Gutachtens erneut entzogen, da der Kläger rückfällig geworden war.
- § 11 Abs. 8 Fahrerlaubnisverordnung (FeV): Dieser Paragraph regelt die Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens (MPU). Die Fahrerlaubnisbehörde kann die Beibringung eines solchen Gutachtens anordnen, wenn Tatsachen Zweifel an der Eignung des Fahrerlaubnisinhabers begründen. Im vorliegenden Fall wurde auf die Anordnung eines erneuten Gutachtens verzichtet, da die Alkoholabhängigkeit des Klägers offensichtlich war.
- § 3 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG): Dieses Gesetz definiert die grundlegende Voraussetzung für die Erteilung einer Fahrerlaubnis, nämlich die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen. Die Eignung umfasst körperliche, geistige und charakterliche Anforderungen. Im vorliegenden Fall wurde die Eignung des Klägers aufgrund seiner Alkoholabhängigkeit verneint, da diese ein dauerhaftes Risiko für die Verkehrssicherheit darstellt.
Das vorliegende Urteil
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof – Az.: 11 ZB 24.50 – Beschluss vom 13.06.2024
* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.
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I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgelegt.
Gründe
I.
Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis durch den Beklagten wegen Alkoholabhängigkeit ohne Aufforderung zur Beibringung eines Gutachtens.
Dem am … 1985 geborenen Kläger wurde die Fahrerlaubnis erstmals am 19. November 2002 erteilt. Am 19. März 2015 wurde er einer polizeilichen Mitteilung zufolge wegen erheblicher Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (Eigen- und Fremdgefährdung) „infolge Alkoholsucht“ im Bezirkskrankenhaus Werneck untergebracht. Mit Urteil vom 28. September 2015 entzog ihm das Amtsgericht Schweinfurt nach einer Trunkenheitsfahrt am 3. April 2015 mit einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 2,49 ‰ die Fahrerlaubnis. Nach zwei stationären Alkoholentgiftungen im Jahr 2015, einer ambulanten Alkoholentwöhnung von September 2015 bis Februar 2016 und Beibringung eines positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens vom 20. Februar 2017, das von „Hinweisen auf eine Alkoholabhängigkeit“ (Toleranzentwicklung, körperliche Entzugserscheinungen) und der Notwendigkeit dauerhaften und konsequenten Verzichts auf Alkohol ausgeht, erteilte ihm das Landratsamt Bamberg am 20. März 2017 erneut die Fahrerlaubnis.
Nach Mitteilungen der Polizei über zwei Vorfälle im Oktober und November 2017, bei denen der Kläger erheblich alkoholisiert war, forderte ihn das durch Wohnsitzwechsel zuständig gewordene Landratsamt Schweinfurt mit Schreiben vom 8. November 2017 zur Vorlage eines ärztlichen Attests auf. Mit Schreiben vom 29. November 2017 teilte die psychiatrische Institutsambulanz Schweinfurt dem Landratsamt mit, der Kläger leide an einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig remittiert (ICD-10: F33.4), sowie unter psychischen und Verhaltensstörungen durch Alkohol: Abhängigkeitssyndrom (ICD-10: F10.2). Er befinde sich seit April 2015 in ambulanter Behandlung und nehme derzeit Venlafaxin und Doxepin. Am 3. Dezember 2017 wurde der Kläger in das Bezirkskrankenhaus Werneck eingewiesen und nach einer Woche mit der Diagnose psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol, Abhängigkeitssyndrom (ICD-10: F10.2) entlassen. Mit Bescheid vom 19. Dezember 2017 entzog ihm das Landratsamt wegen Alkoholabhängigkeit und Rückfälligkeit die Fahrerlaubnis. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Regierung von Unterfranken mit Widerspruchsbescheid vom 4. Dezember 2018 zurück, nachdem der Kläger der Aufforderung, ein ärztliches Fahreignungsgutachten beizubringen, nicht nachgekommen war.
Nach Rücknahme der hiergegen eingereichten Klage und Beibringung eines Attests des den Kläger seit 30. November 2020 behandelnden Arztes vom 4. Mai 2021, wonach beim Kläger eine rezidivierende depressive Störung in Remission (ICD-10: F33.4) sowie „anamnestisch – d.h. aktuell ‚trocken‘“ eine Alkoholabhängigkeit (ICD-10: F10.2) bestehe, sowie eines ärztlichen Fahreignungsgutachtens vom 6. Oktober 2021, wonach beim Kläger nach der medizinisch-psychologischen Untersuchung vom 31. Januar 2017 die Alkoholabhängigkeit durch Rückfall wieder aufgetreten sei, und eines positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens vom 23. Juni 2022 (Untersuchungstag 24.5.2022) erteilte ihm das Landratsamt am 13. Juli 2022 erneut die Fahrerlaubnis.
Durch Mitteilung der Polizeiinspektion Schweinfurt erhielt das Landratsamt Kenntnis von einer Unterbringung des Klägers im Bezirkskrankenhaus Werneck am 22. Januar 2023 wegen Selbst- und Fremdgefährdung. Dem lag der Mitteilung zufolge zugrunde, dass sich der Kläger in Begleitung seiner Eltern in der Notaufnahme eines Krankenhauses in Schweinfurt anderen Personen gegenüber „höchst aggressiv“ verhalten habe. Seine Mutter habe angegeben, er konsumiere seit mehreren Wochen täglich exzessiv Alkohol. Ein Alkoholtest habe einen Wert von 3,32 ‰ ergeben und in der Klinik sei eine Alkoholpsychose diagnostiziert worden. Bereits am 7. August 2022 sei es in einem anderen Krankenhaus in Schweinfurt zu einem Polizeieinsatz gekommen, bei dem der Kläger stark alkoholisiert auf der Krankenliege um sich geschlagen habe und mit Handfesseln habe fixiert werden müssen. Das Krankenhauspersonal habe einen Alkoholwert von 4 ‰ festgestellt.
Nach Anhörung entzog das Landratsamt dem Kläger mit Bescheid vom 8. Februar 2023 unter Anordnung des Sofortvollzugs die Fahrerlaubnis und verpflichtete ihn zur Ablieferung des Führerscheins. Der Kläger sei nur einen Monat nach Neuerteilung der Fahrerlaubnis rückfällig geworden. Die Alkoholwerte ließen darauf schließen, dass die Alkoholabhängigkeit nicht überwunden, sondern wieder gegenwärtig sei. Eine hinreichend feststehende und nicht überwundene Alkoholabhängigkeit habe zwangsläufig die Entziehung der Fahrerlaubnis ohne Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens zur Folge.
Den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der hiergegen erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht Würzburg mit Beschluss vom 19. Juni 2023 abgelehnt (Az. W 6 S 23.615); die dagegen erhobene Beschwerde blieb ebenfalls erfolglos (BayVGH, B.v. 31.7.2023 – 11 CS 23.1229). Die Klage hat das Verwaltungsgericht Würzburg mit Urteil vom 8. November 2023 abgewiesen und auf die Gründe der Entscheidungen im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes verwiesen. Der Bescheid sei formell und materiell rechtmäßig. Wenn – wie hier – bei einem Fahrerlaubnisinhaber, bei dem bereits einmal oder mehrmals oder eine länger anhaltende Alkoholabhängigkeit diagnostiziert worden sei und/oder der bereits mehrmals rückfällig geworden sei, erneut ein erheblicher Alkoholabusus festgestellt werde und dieser auf Umständen beruhe, die auch in früheren Krankheitszeiten bestanden hätten, unterbleibe die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens. Es liege auch kein Beweisverwertungsverbot vor, das es der Fahrerlaubnisbehörde verwehren würde, die Ereignisse vom 7. August 2022 und 22. Januar 2023 zu berücksichtigen. Die Polizei sei zur Weitergabe ihrer eigenen Erkenntnisse berechtigt und verpflichtet gewesen.
Zur Begründung seines Antrags auf Zulassung der Berufung, dem der Beklagte entgegentritt, macht der Kläger ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, besondere rechtliche Schwierigkeiten und grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie Verfahrensmängel geltend, auf denen die Entscheidung beruhen kann.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist abzulehnen.
1. Wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist die Berufung zuzulassen, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung der Ausgangsentscheidung mit schlüssigen Argumenten in Frage stellt (stRspr, vgl. BVerfG, B.v. 18.3.2022 – 2 BvR 1232/20 – BayVBl 2023, 176 Rn. 23 m.w.N.). Aus der Antragsbegründung des Klägerbevollmächtigten ergeben sich solche Zweifel nicht.
a) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils ergeben sich nicht daraus, dass das Verwaltungsgericht zur Begründung seiner Entscheidung auf den Beschluss des Senats im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes verwiesen, diesen in Auszügen wörtlich wiedergegeben und sich diese Begründung zu eigen gemacht hat. Die Bezugnahme ist entgegen der Auffassung des Klägers insbesondere nicht deshalb „problematisch“, weil der Prüfungsmaßstab im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ein anderer ist als im Hauptsacheverfahren. Auch wenn im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes aufgrund einer Interessenabwägung zu entscheiden ist, kommt es dabei primär auf eine Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage im Hauptsacheverfahren an. Erweist sich der angefochtene Verwaltungsakt im Rahmen einer summarischen Prüfung als rechtswidrig und verletzt er den Betroffenen in seinen Rechten, ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts regelmäßig zu verneinen. Bestehen umgekehrt keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts und liegen ausreichende Gründe für die Anordnung des Sofortvollzugs vor, ist der Antrag auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs in aller Regel abzulehnen. Nur bei offenen Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs sind die Vollzugsinteressen gegen die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen abzuwägen (stRspr, vgl. vgl. BVerwG, B.v. 11.11.2020 – 7 VR 5.20 u.a. – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 3.2.2023 – 8 CS 22.2481 – juris Rn. 19 m.w.N.).
Die Entscheidung des Senats vom 31. Juli 2023 im Beschwerdeverfahren (11 CS 23.1229), auf die das Verwaltungsgericht zur Begründung Bezug genommen hat, beruht auf einer Verneinung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache. In Rn. 13 des Beschlusses hat der Senat ausgeführt, er sei mit dem Ausgangsgericht der Auffassung, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis unter den gegebenen Umständen wegen feststehender Nichteignung des Klägers aufgrund von Alkoholabhängigkeit auch ohne Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens gerechtfertigt war (§ 11 Abs. 7 i.V.m. Nr. 8.3 der Anlage 4 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr [Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV] vom 13.12.2010 [BGBl I S. 1980], im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses zuletzt geändert durch Verordnung vom 18.3.2022 [BGBl I S. 498]). Insofern begegnet es keinen Bedenken, dass sich das Verwaltungsgericht auch zur Begründung der Klageabweisung auf die sich daran anschließenden und wörtlich wiedergegebenen Ausführungen des Senats in Rn. 14 – 16 des Beschlusses gestützt und sich diese zu eigen gemacht hat.
b) Entgegen der Auffassung des Klägers bestehen keine Bedenken dagegen, dass das Landratsamt hier aufgrund der besonderen Umstände von feststehender Alkoholabhängigkeit ausgegangen ist und von der Anordnung zur Beibringung eines Fahreignungsgutachtens abgesehen hat. Bei Alkoholabhängigkeit müssen auch keine weiteren Umstände hinzukommen, damit die Fahreignung entfällt. Insbesondere ist kein Zusammenhang der bekannt gewordenen Vorfälle mit dem Straßenverkehr erforderlich (BVerwG, B.v. 21.10.2015 – 3 B 31.15 – DAR 2016, 216/217 Rn. 5).
Wer alkoholabhängig ist, ist nach Nr. 8.3 der Anlage 4 zur FeV zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht geeignet. Bei alkoholabhängigen Personen besteht krankheitsbedingt jederzeit die Gefahr eines Kontrollverlusts und der Teilnahme am Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss. Die Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung vom 27. Januar 2014 (VkBl S. 110) in der aktuellen Fassung, die Grundlage für die Beurteilung der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen sind (vgl. Anlage 4a zur FeV), gehen in Nr. 3.13.2 von der Notwendigkeit dauerhafter Abstinenz für die Wiedererlangung und Beibehaltung der Fahreignung aus, wenn diese wegen Alkoholabhängigkeit nicht mehr gegeben war. Die Wiedererlangung der Fahreignung setzt deshalb voraus, dass die Alkoholabhängigkeit nach erfolgreicher Entwöhnungsbehandlung nicht mehr besteht und in der Regel ein Jahr Abstinenz nachgewiesen ist (Nr. 8.4 der Anlage 4 zur FeV). Von einer solchen Wiedererlangung der Fahreignung aufgrund überwundener Alkoholabhängigkeit sind das vom Kläger beigebrachte medizinisch-psychologische Gutachten vom 23. Juni 2022 und dem folgend das Landratsamt bei der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis zwar ausgegangen. Allerdings hat sich diese Einschätzung durch die bekannt gewordenen Vorfälle vom 7. August 2022 (BAK 4 ‰) und vom 22. Januar 2023 (BAK 3,32 ‰) als unzutreffend erwiesen.
Der Rückfall in die Alkoholabhängigkeit alsbald nach Wiedererteilung der Fahrerlaubnis war hier so offensichtlich, dass deren Entziehung wegen feststehender Nichteignung gemäß § 11 Abs. 7 FeV auch ohne erneute Einholung eines ärztlichen oder medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachtens oder nochmalige ärztliche Feststellung der ICD-10-Kriterien für die Diagnose ‚Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol, Abhängigkeitssyndrom‘ (F10.2) gerechtfertigt war. Auch wenn der Fahrerlaubnisbehörde grundsätzlich die medizinische Kompetenz zur Feststellung einer Alkoholabhängigkeit fehlt (vgl. Hahn/Kalus in Münchener Kommentar zum Straßenverkehrsrecht [Band 1], 1. Aufl. 2016, § 13 FeV Rn. 11), bedarf es in eindeutigen Ausnahmefällen keiner weiteren Aufklärungsmaßnahmen (so auch Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl. 2023, § 2 StVG Rn. 45a). Das kann der Fall sein, wenn bei einem Fahrerlaubnisinhaber, bei dem bereits einmal oder mehrmals oder eine länger anhaltende Alkoholabhängigkeit diagnostiziert worden ist und/oder der bereits mehrmals rückfällig geworden ist, erneut ein erheblicher Alkoholabusus festgestellt wird und dieser auf Umständen beruht, die auch in früheren Krankheitszeiten bestanden haben (vgl. BayVGH, B.v. 9.12.2014 – 11 CS 14.1868 – juris Rn. 21 f.; NdsOVG, B.v. 24.7.2014 – 12 ME 105/154 – ZfS 2014, 595 Rn. 9 ff.; VGH BW, B.v. 8.9.2015 – 10 S 1667/15 – ZfS 2015, 714 Rn. 9 ff.).
Eine solche Fallgestaltung, die auch ohne nochmalige gutachterliche Abklärung die Annahme feststehender Fahrungeeignetheit gemäß § 11 Abs. 7 FeV wegen Rückfalls in die Alkoholabhängigkeit rechtfertigt, liegt hier vor. Insoweit spielt es entgegen der Auffassung des Klägers keine Rolle, ob die Rechtmäßigkeit der Fahrerlaubnisentziehung in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes oder im Hauptsacheverfahren zu prüfen ist. Die seit vielen Jahren bestehende Alkoholabhängigkeit des Klägers wurde trotz der zwischenzeitlich nachgewiesenen Abstinenzen mehrfach gutachterlich festgestellt. Auch das zuletzt von ihm selbst im Rahmen des Wiedererteilungsverfahrens beigebrachte Gutachten des TÜV Thüringen vom 23. Juni 2022 bestätigt zwar einen „umfassenden Einsichts- und Veränderungsprozess“ und einen ausreichend nachgewiesenen Abstinenzzeitraum, geht aber gleichwohl aufgrund der Vorgeschichte und der „vorliegenden Krankenhausberichte“ (zitiert wird ein Entlassungsbericht der Suchtmedizinischen Tagesklinik Freiburg über einen teilstationären Aufenthalt vom 7.5. bis 15.6.2018 mit der Entlassungsdiagnose Alkoholabhängigkeit, bestehend etwa seit 2014) von einer Alkoholabhängigkeit aus, deren Diagnose „extern gesichert“ sei. Das ärztliche Gutachten der TÜV Süd Life Service GmbH vom 6. Oktober 2021 bestätigt ebenfalls ausdrücklich das Wiederauftreten der Alkoholabhängigkeit durch Rückfall nach der medizinisch-psychologischen Untersuchung vom 31. Januar 2017. Auch der den Kläger behandelnde Arzt attestierte am 4. Mai 2021 eine Alkoholabhängigkeit, wenn auch „aktuell ‚trocken‘“. Schließlich geht bereits das medizinisch-psychologische Gutachten vom 20. Februar 2017 – ebenso wie der Kläger selbst ausweislich seiner Äußerungen noch im Untersuchungsgespräch am 24. Mai 2022 beim TÜV Thüringen – von der Notwendigkeit dauerhaften und konsequenten Verzichts auf Alkohol aus.
Gleichwohl kam es bereits wenige Wochen nach Vorlage des positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens und Wiedererteilung der Fahrerlaubnis zu einem ersten gravierenden Vorfall am 7. August 2022, bei dem die Polizei eingreifen musste, weil der Kläger im St.-Josefs-Krankenhaus Schweinfurt um sich schlug und mit Handfesseln an der Liege fixiert werden musste. Die hierbei festgestellte Blutalkoholkonzentration betrug 4 ‰. Anders als im Strafverfahren kommt es hier nicht darauf an, ob dieser Wert mit einem forensisch verwertbaren Gerät exakt festgestellt wurde, solange gesichert ist, dass Alkoholkonsum in der genannten Größenordnung vorlag (so auch VGH BW, B.v. 8.9.2015 – 10 S 1667/15 – ZfS 2015, 714 Rn. 12). Bei einem weiteren Polizeieinsatz am 22. Januar 2023 in der Notaufnahme eines Krankenhauses in Schweinfurt verhielt sich der Kläger bei einer festgestellten Blutalkoholkonzentration von 3,32 ‰ hochaggressiv gegenüber anderen Personen und musste deshalb wegen Selbst- und Fremdgefährdung im Bezirkskrankenhaus Werneck untergebracht werden. BAK-Werte ab 3,0 ‰ sprechen nach medizinischen Erkenntnissen für eine Toleranzentwicklung und damit für eine Alkoholabhängigkeit (BayVGH, B.v. 27.3.2017 – 11 CS 17.420 – juris Rn. 16 m.w.N.).
Dass die Polizei diese Vorfälle an die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 2 Abs. 12 Satz 1 StVG übermitteln durfte bzw. musste, unterliegt keinem Zweifel (vgl. auch BVerwG, U.v. 15.4.1988 – 7 C 100.86 – NJW 1988, 1863 = juris Rn. 10 ff.). Unaufgefordert zu übermitteln sind auch Umstände, die auf Alkoholabhängigkeit hindeuten. Dass die Polizei davon Kenntnis im Rahmen straßenverkehrsrechtlicher Ermittlungen erlangt hat, ist nicht erforderlich (Geiger in Münchener Kommentar zum Straßenverkehrsrecht, § 2 StVG Rn. 74 f.; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 2 StVG Rn. 85). Es spricht auch nichts für die Behauptung des Klägers, die Polizei habe ihre Erkenntnisse unter Missachtung fundamentaler Rechtsgrundsätze gewonnen, weshalb sie einem Verwertungsverbot unterlägen. Vielmehr wurde die Polizei in beiden Fällen aufgrund aggressiven Verhaltens des Klägers gegenüber dem Klinikpersonal und gegenüber Dritten nach exzessivem Alkoholkonsum herbeigerufen. Dass die Polizei die näheren Umstände vor Ort ermittelt und dabei auch die festgestellten Alkoholwerte in Erfahrung gebracht hat, begegnet auch vor dem Hintergrund der ärztlichen Schweigepflicht (§ 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB; § 9 der Berufsordnung für die Ärzte Bayerns) keinen rechtlichen Bedenken.
Der Kläger war damit über einen längeren Zeitraum wiederholt und entgegen ärztlichem Rat nicht in der Lage, die gebotene Alkoholabstinenz einzuhalten. Unter diesen Umständen bestehen auch ohne nochmalige ärztliche Feststellung keine begründeten Zweifel daran, dass ein Rückfall in die mehrfach ärztlich diagnostizierte Alkoholabhängigkeit vorliegt. Anders mag es bei einem einmaligen Alkoholkonsum mit niedrigen AAK- oder BAK-Werten nach überwundener Alkoholabhängigkeit sein, der sich mit der Erwartung einer ansonsten langfristigen, ausreichend stabilen alkoholabstinenten Lebensweise vereinbaren lässt. In diesen Fällen ist eine gutachterliche Klärung gemäß § 13 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 Buchst. e FeV angezeigt. Werte in der vom Kläger zuletzt erreichten Größenordnung sind jedoch deutliche Indikatoren für eine außergewöhnliche Alkoholtoleranzentwicklung und damit – jedenfalls unter Berücksichtigung der zuvor gesicherten Diagnose – für eine Alkoholabhängigkeit. Die Beurteilungskriterien (Urteilsbildung in der Fahreignungsbegutachtung, Hrsg.: Deutsche Gesellschaft für Verkehrspsychologie/Deutsche Gesellschaft für Verkehrsmedizin, 4. Auflage 2022, S. 88) weisen darauf hin, dass eine Alkoholabhängigkeitserkrankung auch bei Symptomfreiheit (Alkoholabstinenz) nach überwiegender fachlicher Auffassung weiter bestehe. Auch wenn die Nachweispflicht für die Ungeeignetheit im Entziehungsverfahren bei der Fahrerlaubnisbehörde liegt, obliegt es dem Betroffenen, an der Ermittlung des Sachverhalts gemäß Art. 24 Abs. 1 und 2 BayVwVfG bzw. § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO mitzuwirken, soweit es ihm möglich und zumutbar ist. Trotz Aufforderung durch das Verwaltungsgericht mit Schreiben vom 5. Oktober 2023 hat der Kläger jedoch den Entlassungsbericht des Bezirkskrankenhauses zum mehrwöchigen Aufenthalt nach dem Vorfall vom 22. Januar 2023 nicht vorgelegt und die Vorlage in der mündlichen Verhandlung am 8. November 2023 auf nochmalige Nachfrage ausdrücklich abgelehnt. Dies geht – dem Rechtsgedanken des § 11 Abs. 8 FeV entsprechend – zu seinen Lasten.
Es ist auch keineswegs so, dass aufgrund des vom Kläger beigebrachten medizinisch-psychologischen Gutachtens vom 23. Juni 2022 sämtliche Erkenntnisse aus der Zeit davor überholt wären oder nicht mehr berücksichtigt werden dürften. Das Gutachten beruht auf der Prämisse, der Kläger werde die gebotene Abstinenz zur Vermeidung eines Rückfalls nach überwundener Alkoholabhängigkeit einhalten. Aus dem Gutachten geht deutlich hervor, dass nur aus diesem Grund eine positive Prognose gerechtfertigt erschien. Diese Annahme hat sich jedoch alsbald als unzutreffend erwiesen. Hierdurch hat sich die Frage der Fahreignung erneut gestellt. Bei deren Beantwortung ist trotz des positiven Gutachtens der Rückblick auf die davor liegende Krankheitsgeschichte nicht abgeschnitten. Zu prüfen und hier aus den dargelegten Gründen zu verneinen ist allenfalls, ob die Behörde zur Beantwortung der Frage nochmals die Beibringung eines Gutachtens anordnen muss.
c) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ergeben sich auch nicht aus einer fehlenden Auseinandersetzung des Verwaltungsgerichts mit den klägerischen Argumenten. Darin liegt auch kein (nicht ausdrücklich geltend gemachter) Verfahrensmangel i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Die Verfahrensgarantie rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, jedoch nicht, ihnen in der Sache zu folgen. Die Nichterwähnung einzelner Begründungsteile des Vorbringens in den gerichtlichen Entscheidungsgründen rechtfertigt auch nicht den Schluss, das Gericht habe sich nicht mit den darin enthaltenen Argumenten befasst. Soll eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs festgestellt werden, müssen deshalb besondere Umstände im Einzelfall deutlich machen, dass das Gericht das Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen hat (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 7.6.2017 – 5 C 5.17 D u.a. – juris Rn. 8 m.w.N).
Daran fehlt es hier. Das Verwaltungsgericht hat sich in seinen Urteilsgründen, auch durch – wie dargelegt – zulässige Bezugnahme auf die Begründung der Senatsentscheidung im vorläufigen Rechtsschutz, ausreichend mit der Argumentation des Klägers auseinandergesetzt, weshalb die Alkoholabhängigkeit und die darauf gestützte Annahme der Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen nach seiner Auffassung nicht erwiesen sei.
2. Aus dem klägerischen Vorbringen ergeben sich auch keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
Diese wären anzunehmen, wenn die Rechtssache in rechtlicher Hinsicht voraussichtlich größere, d.h. überdurchschnittliche, das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht (vgl. BayVGH, B.v. 23.4.2024 – 20 ZB 22.1407 – juris Rn. 14 m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall. Besondere rechtliche Schwierigkeiten ergeben sich insbesondere nicht daraus, dass die zuständige Kammer des Ausgangsgerichts den Rechtsstreit nicht gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 VwGO einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen hat. Zum einen ist die Übertragung auf den Einzelrichter nicht zwingend vorgeschrieben, sondern soll nur in der Regel erfolgen, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und keine grundsätzliche Bedeutung hat. Damit verbleibt der Kammer insoweit ein – wenn auch eingeschränktes – Ermessen. Zum anderen bindet die erstinstanzliche Bejahung oder Verneinung besonderer Schwierigkeiten im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 1 VwGO das Rechtsmittelgericht nicht bei seiner Entscheidung über die Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (vgl. BayVGH, B.v. 30.7.2015 – 10 ZB 15.819 – juris Rn. 56; OVG NW, B.v. 26.1.2015 – 12 A 2101/13 – juris Rn. 9; SächsOVG, B.v. 26.11.2013 – 1 A 476/13 – juris Rn. 11). Dies wird auch dadurch deutlich, dass es dem Verwaltungsgericht nach § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO verwehrt ist, die Berufung wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten zuzulassen.
Besondere rechtliche Schwierigkeiten bestehen nicht, wenn die auftretenden Fragen ohne weiteres aus dem Gesetz zu lösen sind (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124 Rn. 32 m.w.N.). Davon ist hier auszugehen. Wie ausgeführt ist die Fahreignung bei feststehender Alkoholabhängigkeit ohne gutachterliche Abklärung zu verneinen (§ 11 Abs. 7 i.V.m. Nr. 8.3 der Anlage 4 zur FeV). Hierzu liegt umfangreiche Rechtsprechung vor. Der vorliegende Fall weist insoweit keine überdurchschnittlichen rechtlichen Schwierigkeiten auf. Besonderen tatsächliche Schwierigkeiten der Rechtssache liegen auch nach Auffassung des Klägers nicht vor.
3. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.
Die Frage, ob die Fahrerlaubnisbehörde – abgesehen von der Ausnahmeregelung des § 11 Abs. 8 FeV – bei einer überwundenen Alkoholproblematik die Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ohne vorherige gutachterliche medizinische Abklärung feststellen darf, hat keine grundsätzliche Bedeutung. Bei feststehender Alkoholabhängigkeit, von der das Landratsamt und das Verwaltungsgericht aufgrund der besonderen Umstände hier ausgegangen sind, bedarf die Entziehung der Fahrerlaubnis keiner vorherigen gutachterlichen Abklärung (§ 11 Abs. 7 i.V.m. Nr. 8.3 der Anlage 4 zur FeV). Die (hier nicht ausdrücklich formulierte) Frage, wann ausnahmsweise Umstände anzunehmen sind, die auch ohne vorherige gutachterliche Abklärung die Annahme feststehender Alkoholabhängigkeit rechtfertigen, kann nicht fallübergreifend, sondern nur im Einzelfall beantwortet werden. Hierzu liegt bereits Rechtsprechung vor (BayVGH, B.v. 9.12.2014 – 11 CS 14.1868 – juris Rn. 21 f.; NdsOVG, B.v. 24.7.2014 – 12 ME 105/154 – ZfS 2014, 595 Rn. 9 ff.; VGH BW, B.v. 8.9.2015 – 10 S 1667/15 – ZfS 2015, 714 Rn. 9 ff.).
4. Schließlich ist die Berufung ist auch nicht wegen der behaupteten Verfahrensmängel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) zuzulassen.
Der Kläger rügt eine Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 86 VwGO), weil das Verwaltungsgericht auf die Begründung des im Beschwerdeverfahren ergangenen Beschlusses des Senats Bezug genommen habe und nicht erkennbar sei, inwieweit es den Sachverhalt selbst ermittelt habe. Es sei nicht ersichtlich, woher die angeblich beim Kläger ermittelten Promillewerte stammten, ob diese zuverlässig ermittelt worden bzw. wie sie überhaupt zustande gekommen seien. Außerdem habe das Gericht den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 VwGO) verletzt, indem es das Ergebnis des Gutachtens vom 22. (richtig wohl: 23.) Juni 2022 und tatsächliche Feststellungen, die im Gutachten getroffen worden seien, zu Lasten des Klägers ignoriert habe, indem es einzelne, den Kläger belastende Umstände herausgegriffen habe.
Damit ist ein Verfahrensfehler des Ausgangsgerichts nicht dargelegt, aber auch nicht ersichtlich. Die ordnungsgemäße Bezeichnung eines Aufklärungsmangels verlangt die substantiierte Darlegung, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestand, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären. Außerdem muss entweder dargelegt werden, dass der Kläger bereits in der Vorinstanz, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, durch entsprechende Beweisanträge auf die Sachverhaltsaufklärung hingewirkt hat, oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 6.2.2024 – 9 B 28.23 – juris Rn. 17 m.w.N.).
Diesen Anforderungen genügen die klägerischen Darlegungen nicht. Der Klägerbevollmächtigte führt zwar nochmals aus, aus welchen Gründen er die Bezugnahme des Ausgangsgerichts auf die Begründung des Senatsbeschlusses im vorläufigen Rechtsschutz und das behauptete Übergehen des Gutachtensergebnisses vom 23. Juni 2022 für fehlerhaft hält, benennt aber keine Beweismittel, derer sich das Verwaltungsgericht zur weiteren Sachaufklärung hätte bedienen können oder sollen. Insbesondere fehlt jegliche Darlegung, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung durch Beweisanträge auf die nunmehr vermisste Sachverhaltsaufklärung hingewirkt hätte oder dass sich dem Gericht Ermittlungen hätten aufdrängen müssen. Dem Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 8. November 2023 sind auch keine Beweisanträge oder -anregungen des Klägers zu entnehmen. Die zur Sachverhaltsaufklärung naheliegende Vorlage des Entlassungsberichts des Bezirkskrankenhauses, wo der Kläger bereits mehrfach wegen Alkoholabhängigkeit behandelt wurde und der deshalb hierzu eine Diagnose enthalten dürfte, hat er trotz nochmaliger Nachfrage des Gerichts ausdrücklich abgelehnt.
5. Als unterlegener Rechtsmittelführer hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO).
6. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 und § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i.V.m. Nr. 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
7. Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).