Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Psychische Erkrankungen und Fahrerlaubnis: Rechtlicher Streit um Fahrtauglichkeit
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Benötigen Sie Hilfe?
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche psychischen Erkrankungen können zum Führerscheinentzug führen?
- Was passiert, wenn ich der Aufforderung zur Vorlage eines ärztlichen Gutachtens nicht nachkomme?
- Welche Anforderungen muss ein ärztliches Gutachten zur Fahreignung erfüllen?
- Unter welchen Voraussetzungen kann die Fahrerlaubnisbehörde ein Gutachten anordnen?
- Wie kann ich nach einem Führerscheinentzug meine Fahrerlaubnis wiedererlangen?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Verwaltungsgericht Bremen
- Datum: 26.11.2024
- Aktenzeichen: 5 V 1636/24
- Verfahrensart: Eilverfahren zur Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer Klage
- Rechtsbereiche: Verkehrsrecht, Verwaltungsrecht
Beteiligte Parteien:
- Antragstellerin: Die Person, deren Fahrerlaubnis entzogen wurde. Sie argumentiert, dass keine Schizophrenie diagnostiziert wurde, dass sie keine Suizidabsichten hatte und dass es keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Entziehung ihrer Fahrerlaubnis gibt. Sie hat kein angefordertes ärztliches Gutachten vorgelegt.
- Antragsgegnerin: Die Fahrerlaubnisbehörde. Sie hat die Fahrerlaubnis aufgrund psychischer Auffälligkeiten und der Nichtvorlage eines geforderten ärztlichen Gutachtens entzogen. Sie verweist auf Berichte über die psychischen Zustände der Antragstellerin und die damit verbundene Gefährdung des Straßenverkehrs.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Die Antragstellerin hat im Rahmen eines Eilverfahrens beantragt, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die Entziehung ihrer Fahrerlaubnis wiederherzustellen. Die Fahrerlaubnis wurde von der Behörde entzogen, weil psychische Auffälligkeiten festgestellt wurden und ein ärztliches Gutachten über die Fahreignung nicht vorgelegt wurde.
- Kern des Rechtsstreits: Die Frage, ob die Sofortige Vollziehung der Entziehung der Fahrerlaubnis rechtmäßig und im öffentlichen Interesse notwendig war, insbesondere angesichts der Weigerung der Antragstellerin, ein ärztliches Gutachten vorzulegen.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage wurde abgelehnt.
- Begründung: Die Anordnung der sofortigen Vollziehung war rechtmäßig, basierend auf hinreichenden Anzeichen für eine das Führen von Fahrzeugen beeinträchtigende psychische Erkrankung und der Nichtvorlage des geforderten Gutachtens. Das öffentliche Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs überwiegt das Interesse der Antragstellerin.
- Folgen: Die Antragstellerin muss weiterhin ohne Fahrerlaubnis auskommen, bis die Hauptsache geklärt ist. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin, und der Streitwert wurde auf 2.500 Euro festgesetzt.
Psychische Erkrankungen und Fahrerlaubnis: Rechtlicher Streit um Fahrtauglichkeit
Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert nicht nur technische Fähigkeiten, sondern auch eine umfassende gesundheitliche Eignung. Besonders bei psychischen Erkrankungen spielen medizinische Gutachten eine entscheidende Rolle für die Beurteilung der Fahrtauglichkeit und damit verbundenen Fahrerlaubnis.
Verkehrspsychologen und Behörden überprüfen regelmäßig, ob Verkehrsteilnehmer mit psychischen Erkrankungen die erforderliche Leistungsfähigkeit besitzen, um sicher am Straßenverkehr teilzunehmen. Die Voraussetzungen für den Entzug oder die Neu-Evaluierung einer Fahrerlaubnis sind komplex und basieren auf sorgfältigen rechtlichen und medizinischen Bewertungen.
Die nun folgende Fallanalyse beleuchtet einen konkreten Rechtsstreit, der die Spannungsfelder zwischen individueller Mobilität, medizinischer Begutachtung und rechtlichen Anforderungen aufzeigt.
Der Fall vor Gericht
Entzug der Fahrerlaubnis nach mehreren psychischen Auffälligkeiten rechtmäßig

Das Verwaltungsgericht Bremen hat die sofortige Vollziehung eines Fahrerlaubnisentzugs bestätigt. Die zuständige Behörde hatte einer Fahrzeughalterin die Fahrerlaubnis der Klassen BE, C1E, M und L entzogen, nachdem diese ein gefordertes ärztliches Gutachten nicht vorgelegt hatte.
Wiederholte polizeiliche Einsätze wegen psychischer Auffälligkeiten
Zwischen November 2021 und September 2023 musste die Polizei mehrfach wegen psychischer Auffälligkeiten der Betroffenen einschreiten. Bei einem Einsatz im November 2021 gab die Fahrzeughalterin selbst an, an einer depressiven Störung zu leiden und 30 Schmerztabletten eingenommen zu haben. Nach Aussagen von Familienangehörigen hatte sie zudem versucht, aus einem Fenster zu springen. Bei einem weiteren Vorfall im November 2022 verweigerte sie nach Angaben ihrer Tochter die Einnahme von Medikamenten, die ihr wegen einer Schizophrenie verordnet worden waren. Im September 2023 musste die Betroffene unter Anwendung körperlicher Gewalt in eine psychiatrische Klinik eingewiesen werden, da eine Eigen- und Fremdgefährdung nicht ausgeschlossen werden konnte.
Rechtmäßige Anordnung einer ärztlichen Begutachtung
Die Fahrerlaubnisbehörde forderte die Fahrzeughalterin daraufhin auf, ein ärztliches Gutachten einer Begutachtungsstelle für Fahreignung vorzulegen. Dieses sollte klären, ob die bekannt gewordenen Auffälligkeiten auf eine eignungsrelevante psychische Erkrankung zurückzuführen sind. Die Behörde wies dabei auf die möglichen Folgen einer Nichtvorlage hin. Obwohl die Betroffene zunächst einer Begutachtung zustimmte und die erforderliche Gebühr überwies, legte sie letztlich kein Gutachten vor.
Entzug der Fahrerlaubnis aufgrund fehlender Mitwirkung
Nach fehlender Vorlage des Gutachtens entzog die Behörde der Fahrzeughalterin die Fahrerlaubnis und ordnete die sofortige Vollziehung an. Das Verwaltungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Gutachtenanordnung sei rechtmäßig gewesen, da aufgrund der polizeilichen Berichte und der Aussagen von Familienangehörigen konkrete Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung vorlagen. Nach der Fahrerlaubnisverordnung schließen schwere Depressionen und akute schizophrene Psychosen die Fahreignung aus.
Öffentliches Interesse an sofortiger Vollziehung
Das Gericht betonte das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Fahrerlaubnisentzugs. Mit Rücksicht auf die Sicherheit des Straßenverkehrs müsse die Teilnahme der Betroffenen am Straßenverkehr bereits während des laufenden Rechtsbehelfsverfahrens unterbunden werden. Es könne nicht hingenommen werden, dass sie trotz der anzunehmenden Ungeeignetheit weiterhin ein Kraftfahrzeug führe und damit eine potenzielle Gefahr für sich und andere Verkehrsteilnehmer darstelle.
Die Schlüsselerkenntnisse
„Das Urteil zeigt, dass die Fahrerlaubnisbehörde bei Hinweisen auf psychische Erkrankungen, die die Fahrtauglichkeit beeinträchtigen könnten, berechtigt ist, ein fachärztliches Gutachten anzufordern. Wird das angeforderte Gutachten nicht fristgerecht vorgelegt, darf die Behörde auf die Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen und die Fahrerlaubnis entziehen. Die Anforderung eines solchen Gutachtens ist bereits bei begründeten Zweifeln an der psychischen Eignung zulässig – eine gesicherte Diagnose ist dafür nicht erforderlich.“
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn bei Ihnen der Verdacht auf eine psychische Erkrankung besteht, die Ihre Fahrtauglichkeit beeinträchtigen könnte, kann die Führerscheinstelle von Ihnen ein fachärztliches Gutachten verlangen. Sie müssen dann aktiv an der Aufklärung Ihres Gesundheitszustands mitwirken – etwa indem Sie sich untersuchen lassen und das Gutachten fristgerecht einreichen. Verweigern Sie die Mitwirkung oder legen das Gutachten nicht rechtzeitig vor, kann Ihnen die Fahrerlaubnis entzogen werden. Dies gilt auch dann, wenn die vermutete psychische Erkrankung noch nicht eindeutig diagnostiziert wurde. Um Ihre Fahrerlaubnis zu behalten, sollten Sie die behördlichen Fristen und Anforderungen unbedingt ernst nehmen und einhalten.
Benötigen Sie Hilfe?
Entzug der Fahrerlaubnis droht?
Der Verlust des Führerscheins kann schwerwiegende Folgen für Ihr Leben haben. Beruf, Alltag und Mobilität werden oft stark beeinträchtigt. Gerade bei psychischen Erkrankungen ist es wichtig, Ihre Rechte zu kennen und die richtigen Schritte einzuleiten. Wir unterstützen Sie dabei, mit den Behörden zu kommunizieren und Ihre Interessen zu wahren.
Sprechen Sie mit uns. Wir prüfen Ihren individuellen Fall und erarbeiten gemeinsam die bestmögliche Strategie für Sie.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche psychischen Erkrankungen können zum Führerscheinentzug führen?
Die Fahrerlaubnis kann bei bestimmten psychischen Erkrankungen entzogen werden, wenn diese die Fahrsicherheit beeinträchtigen. Nicht jede psychische Erkrankung führt automatisch zum Führerscheinentzug.
Akute Phasen psychischer Erkrankungen
In folgenden Fällen ist die Fahreignung grundsätzlich nicht gegeben:
- Akute organische Psychosen
- Schwere Depressionen in der akuten Phase
- Manische Episoden
- Schizophrene Psychosen während der akuten Phase
- Schwere Altersdemenz
Bedingte Fahreignung nach Stabilisierung
Nach Abklingen der akuten Krankheitsphasen kann die Fahreignung unter bestimmten Voraussetzungen wiederhergestellt werden. Dies erfordert:
- Eine stabile psychische Verfassung über einen längeren Zeitraum
- Regelmäßige ärztliche Kontrollen
- Erfolgreiche medikamentöse Einstellung
Besonderheiten bei der Beurteilung
Die Fahrerlaubnisbehörde kann ein fachärztliches Gutachten anordnen, wenn Tatsachen die Annahme einer psychischen Erkrankung rechtfertigen. Wird das geforderte Gutachten nicht vorgelegt, darf die Behörde auf die Nichteignung schließen.
Bei der Beurteilung der Fahreignung wird besonders berücksichtigt:
- Der aktuelle Gesundheitszustand
- Die Schwere der Erkrankung
- Die Stabilität des Krankheitsverlaufs
- Die Medikamentöse Behandlung und deren Auswirkungen auf die Fahrtüchtigkeit
Medikamentöse Behandlung
Die Einnahme von Psychopharmaka führt nicht automatisch zum Führerscheinentzug. Im Gegenteil: Eine gut eingestellte Medikation kann die Voraussetzung für den Erhalt der Fahrerlaubnis sein. Allerdings müssen Sie bei Therapiebeginn oder Medikamentenumstellung besondere Vorsicht walten lassen, da hier vorübergehende Beeinträchtigungen auftreten können.
Bei leichteren psychischen Erkrankungen wie milden Depressionen oder gut eingestellten chronischen Erkrankungen ist die Fahreignung in der Regel nicht eingeschränkt. Die Entscheidung wird immer individuell unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls getroffen.
Was passiert, wenn ich der Aufforderung zur Vorlage eines ärztlichen Gutachtens nicht nachkomme?
Wenn Sie ein angefordertes ärztliches Gutachten nicht vorlegen, darf die Fahrerlaubnisbehörde auf Ihre Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen. Dies führt in der Regel zur sofortigen Entziehung Ihrer Fahrerlaubnis.
Rechtliche Konsequenzen
Es besteht zwar keine rechtliche Pflicht, das angeordnete Gutachten tatsächlich erstellen zu lassen. Allerdings hat die Nichtvorlage folgende Konsequenzen:
- Endgültige Entziehung der Fahrerlaubnis
- Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins
- Übernahme der Verfahrenskosten
Voraussetzungen für die Entziehung
Die Fahrerlaubnisbehörde darf die Fahrerlaubnis nur dann entziehen, wenn die Anordnung des Gutachtens rechtmäßig war. Dafür müssen konkrete Tatsachen vorliegen, die Zweifel an Ihrer Fahreignung begründen. Die bloße Vermutung oder ein Verdacht „ins Blaue hinein“ reicht nicht aus.
Bedeutung der Mitwirkungspflicht
Die Verweigerung der Gutachtenvorlage wird als Indiz dafür gewertet, dass Sie einen Eignungsmangel verbergen möchten. Die Behörde muss Sie allerdings vorher auf diese Konsequenz hingewiesen haben. Auch wenn Sie zunächst einer Begutachtung zugestimmt haben, kann eine spätere Verweigerung zur Entziehung der Fahrerlaubnis führen.
Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist in diesem Fall zwingend, ohne dass der Fahrerlaubnisbehörde ein Ermessensspielraum zusteht. Dabei können weder die Folgen für Ihre persönliche Lebensführung noch eine bisher unbeanstandete Teilnahme am Straßenverkehr berücksichtigt werden.
Welche Anforderungen muss ein ärztliches Gutachten zur Fahreignung erfüllen?
Ein ärztliches Gutachten zur Fahreignung muss gemäß § 11 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) strenge formale und inhaltliche Anforderungen erfüllen.
Berechtigte Gutachter
Das Gutachten darf ausschließlich von folgenden qualifizierten Personen erstellt werden:
- Fachärzte mit verkehrsmedizinischer Qualifikation
- Ärzte des Gesundheitsamtes oder andere Ärzte der öffentlichen Verwaltung
- Ärzte mit der Gebietsbezeichnung „Arbeitsmedizin“ oder „Betriebsmedizin“
- Fachärzte für Rechtsmedizin
- Ärzte in einer Begutachtungsstelle für Fahreignung (BfF)
Der eigene Hausarzt darf das Gutachten nicht erstellen.
Inhaltliche Anforderungen
Die Untersuchung muss folgende Bereiche umfassen:
- Allgemeiner Gesundheitszustand
- Bewegungsapparat und motorische Fähigkeiten
- Sinnesfunktionen
- Reaktions- und Konzentrationsvermögen
- Belastbarkeit
- Nervensystem
- Psychische Verfassung
- Gegebenenfalls labortechnische Untersuchungen
Formale Vorgaben
Die Behörde legt in der Anordnung konkret fest, welche Fragen im Hinblick auf die Eignung geklärt werden müssen. Sie bestimmt auch die Frist zur Vorlage des Gutachtens.
Der Betroffene hat das Recht:
- Den untersuchenden Arzt selbst auszuwählen
- Die zu übersendenden Unterlagen einzusehen
- Das fertige Gutachten einzusehen
Zur Untersuchung sind mitzubringen:
- Ärztliche Atteste
- Entlassungsberichte
- Behandlungsberichte
- Medikamentenpläne
Die Untersuchung beginnt mit einem Gespräch zwischen Arzt und Betroffenem. Danach folgen die erforderlichen medizinischen Untersuchungen, die mehrere Stunden dauern können.
Unter welchen Voraussetzungen kann die Fahrerlaubnisbehörde ein Gutachten anordnen?
Die Fahrerlaubnisbehörde kann ein Gutachten anordnen, wenn konkrete Tatsachen bekannt werden, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung des Fahrerlaubnisinhabers begründen. Ein bloßer Verdacht oder Mutmaßungen reichen für eine Anordnung nicht aus.
Rechtliche Grundlagen der Gutachtenanordnung
Die Anordnung muss sich auf § 11 Abs. 2 FeV stützen und formell sowie materiell rechtmäßig sein. Wenn Sie von einer Gutachtenanordnung betroffen sind, muss die Behörde Ihnen die konkreten Gründe für die Zweifel an Ihrer Fahreignung darlegen und eine angemessene Frist zur Vorlage des Gutachtens setzen.
Typische Anlässe für eine Gutachtenanordnung
Ein Gutachten kann beispielsweise angeordnet werden bei:
- Körperlichen Erkrankungen wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Einschränkungen des Bewegungsapparates
- Psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Psychosen oder Demenz
- Medikamenteneinnahme, die die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen könnte
- Verhaltensauffälligkeiten im Straßenverkehr, die auf mangelnde Fahreignung hindeuten
Ablauf und Durchführung
Wenn die Behörde ein Gutachten anordnet, können Sie den Gutachter aus einem festgelegten Kreis qualifizierter Ärzte selbst wählen. Der untersuchende Arzt darf dabei nicht Ihr behandelnder Arzt sein. Die Behörde legt fest, welche konkreten Fragen das Gutachten klären soll und teilt Ihnen mit, welche Arten von Ärzten für die Untersuchung in Frage kommen.
Verweigern Sie die Untersuchung oder legen Sie das Gutachten nicht fristgerecht vor, darf die Behörde auf Ihre Nichteignung schließen. Dies kann zur Entziehung der Fahrerlaubnis führen.
Wie kann ich nach einem Führerscheinentzug meine Fahrerlaubnis wiedererlangen?
Nach einem Führerscheinentzug wird die Fahrerlaubnis nicht automatisch zurückerteilt. Sie müssen einen Antrag auf Neuerteilung bei der zuständigen Fahrerlaubnisbehörde Ihres Wohnorts stellen.
Zeitpunkt der Antragstellung
Den Antrag auf Neuerteilung können Sie frühestens sechs Monate vor Ablauf der Sperrfrist einreichen. Die durchschnittliche Sperrfrist beträgt dabei neun bis elf Monate.
Erforderliche Unterlagen
Für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis benötigen Sie:
- Ein aktuelles biometrisches Passfoto
- Einen gültigen Personalausweis oder Reisepass
- Einen aktuellen Sehtest
- Das Gerichtsurteil oder den Strafbefehl mit Rechtskraftvermerk
- Gegebenenfalls eine ärztliche Untersuchungsbescheinigung
Besondere Anforderungen bei psychischen Erkrankungen
Bei einem Führerscheinentzug aufgrund psychischer Erkrankungen müssen Sie ein verkehrsmedizinisches Gutachten vorlegen. Die Fahrerlaubnisbehörde prüft dabei, ob alle körperlichen, geistigen und charakterlichen Voraussetzungen zum sicheren Führen eines Kraftfahrzeugs vorliegen.
Bei psychischen Erkrankungen gilt: Sie müssen vollständige Symptomfreiheit nachweisen. Nach dem Abklingen akuter Symptome kann die Fahreignung unter bestimmten Umständen wieder gegeben sein. Dies wird im Einzelfall durch ein fachärztliches Gutachten festgestellt.
Neuerteilung ohne MPU
In manchen Fällen besteht die Möglichkeit, die Fahrerlaubnis nach einer Tilgungsfrist von 15 Jahren auch ohne MPU wiederzuerhalten. Dies setzt voraus, dass in den ersten fünf Jahren nach dem Führerscheinentzug keine Auffälligkeiten im Straßenverkehr aufgetreten sind.
Wurde die Fahrerlaubnis ohne MPU-Anordnung entzogen, können Sie die Neuerteilung direkt nach Ablauf der Sperrfrist beantragen.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Fahreignung
Die gesetzlich geforderte körperliche und geistige Befähigung zum sicheren Führen eines Kraftfahrzeugs. Sie umfasst sowohl technische Fähigkeiten als auch die gesundheitliche und charakterliche Eignung. Geregelt in §§ 2, 3 Straßenverkehrsgesetz (StVG) und der Fahrerlaubnisverordnung (FeV). Ein Fehlen der Fahreignung kann zum Entzug der Fahrerlaubnis führen. Beispiel: Eine schwere Depression mit Suizidgedanken kann die Fahreignung ausschließen, da sie die sichere Verkehrsteilnahme gefährdet.
Sofortige Vollziehung
Eine behördliche Anordnung, die bewirkt, dass ein Verwaltungsakt trotz möglicher Rechtsmittel sofort wirksam wird. Basiert auf § 80 Abs. 2 VwGO und wird angeordnet, wenn ein besonderes öffentliches Interesse an der unmittelbaren Umsetzung besteht. Im Führerscheinrecht bedeutet dies, dass der Betroffene sein Fahrzeug sofort nicht mehr führen darf, auch wenn er gegen den Bescheid Widerspruch einlegt.
Begutachtungsstelle für Fahreignung
Eine amtlich anerkannte medizinisch-psychologische Untersuchungsstelle, die die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen überprüft. Rechtlich verankert in § 66 FeV. Diese Stellen erstellen auf Anforderung der Behörden Gutachten zur Fahreignung. Sie untersuchen dabei medizinische, psychologische und verhaltensbezogene Aspekte. Beispielsweise wird geprüft, ob psychische Erkrankungen das sichere Führen eines Fahrzeugs beeinträchtigen.
Eigen- und Fremdgefährdung
Ein rechtlicher Begriff aus dem Gefahrenabwehrrecht, der das Risiko beschreibt, dass jemand sich selbst oder andere an Leib, Leben oder Gesundheit gefährdet. Gesetzlich verankert u.a. in den Psychisch-Kranken-Gesetzen der Länder. Liegt eine akute Eigen- oder Fremdgefährdung vor, können Zwangsmaßnahmen wie eine psychiatrische Unterbringung gerechtfertigt sein. Im Fahrerlaubnisrecht ist dies ein wichtiges Kriterium für die Beurteilung der Fahreignung.
Gutachtenanordnung
Eine behördliche Verfügung, die den Inhaber einer Fahrerlaubnis verpflichtet, ein medizinisches oder psychologisches Gutachten vorzulegen. Basiert auf §§ 11, 13 FeV. Die Anordnung muss auf konkreten Tatsachen beruhen, die Zweifel an der Fahreignung begründen. Wird das angeforderte Gutachten nicht vorgelegt, darf die Behörde auf die Nichteignung schließen und die Fahrerlaubnis entziehen.
Rechtsbehelfsverfahren
Ein rechtliches Vorgehen gegen behördliche Entscheidungen, typischerweise durch Widerspruch und anschließende Klage. Geregelt in §§ 68 ff. VwGO. Es ermöglicht dem Betroffenen, sich gegen belastende Verwaltungsakte zu wehren. Bei Führerscheinentziehungen hat der Widerspruch meist keine aufschiebende Wirkung, wenn die sofortige Vollziehung angeordnet wurde.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- Fahrerlaubnisverordnung (FeV) §46 Abs. 3: Diese Vorschrift regelt die Entziehung der Fahrerlaubnis aufgrund gesundheitlicher Gründe. Insbesondere Personen, bei denen eine dauerhafte Beeinträchtigung der Fahrtauglichkeit vorliegt, können ihre Fahrerlaubnis entzogen werden. Die Entscheidung basiert auf medizinischen Gutachten, die die Fahreignung bewerten.
In dem vorliegenden Fall wird die Fahrerlaubnis der Antragstellerin aufgrund psychischer Auffälligkeiten, einschließlich einer möglichen Schizophrenie, in Erwägung gezogen. Das Verwaltungsbehörde hat gemäß §46 Abs. 3 FeV die Entziehung der Fahrerlaubnis beantragt und ein ärztliches Gutachten verlangt, um die Fahrtauglichkeit zu überprüfen.
- Fahrerlaubnisverordnung (FeV) §11 Abs. 2 Nr. 5: Diese Bestimmung spezifiziert die gesundheitlichen Voraussetzungen für den Erwerb und den Erhalt der Fahrerlaubnis. Insbesondere psychische Erkrankungen, die die Konzentrationsfähigkeit und das Reaktionsvermögen beeinträchtigen, können zur Ungeeignetheit für das Führen von Kraftfahrzeugen führen.
Im vorliegenden Fall beruft sich die Antragsgegnerin auf §11 Abs. 2 Nr. 5 FeV, um die Fahreignung der Antragstellerin aufgrund ihrer psychischen Gesundheitsprobleme zu bezweifeln. Die Polizeiberichte deuten auf eine psychische Erkrankung hin, die nach dieser Vorschrift die Fahrerlaubnis gefährden könnte.
- Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) §42: Diese Vorschrift regelt das Einspruchs- und Widerspruchsverfahren gegen Verwaltungsakte. Sie ermöglicht es Betroffenen, innerhalb einer festgelegten Frist gegen Entscheidungen der Verwaltung rechtlich vorzugehen.
Die Antragstellerin hat gemäß den verfahrensrechtlichen Bestimmungen der VwGO den Beschluss der Entziehung der Fahrerlaubnis angefochten. Das Eilverfahren, in dem die Entscheidung getroffen wurde, unterliegt den Vorschriften der VwGO, die das rechtliche Verfahren und die Fristen regeln.
- Straßenverkehrsgesetz (StVG) §1: Dieses Gesetz dient der Regelung des Straßenverkehrs zur Sicherung des Verkehrs und zum Schutz von Personen und Sachen. Es legt fest, dass die Teilnahme am Straßenverkehr nur mit einer gültigen Fahrerlaubnis gestattet ist.
Die Entziehung der Fahrerlaubnis der Antragstellerin basiert auf dem StVG, da ihre psychischen Auffälligkeiten eine Gefahr für die Sicherheit im Straßenverkehr darstellen könnten. Ohne eine gültige Fahrerlaubnis ist es ihr untersagt, die betroffenen Fahrzeugklassen zu führen.
- Sozialgesetzbuch (SGB) IX §20: Diese Vorschrift betrifft die Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. Sie beinhaltet Maßnahmen zur medizinischen Rehabilitation, die auch bei psychischen Erkrankungen greifen können.
Die psychischen Erkrankungen der Antragstellerin fallen unter die Regelungen des SGB IX, welche die notwendige medizinische Betreuung und Unterstützung zur Wiederherstellung der Fahreignung umfassen. Ein ärztliches Gutachten im Rahmen der FeV berücksichtigt die Möglichkeiten zur Rehabilitation gemäß SGB IX.
Das vorliegende Urteil
VG Bremen – Az.: 5 V 1636/24 – Beschluss vom 26.11.2024
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