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Fahrerlaubnisentziehung nach Konsum Kräutermischung

Beginn der Einjahresfrist

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof – Az.: 11 CS 19.2421 – Beschluss vom 17.02.2020

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der am 29. März 2000 geborene Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klasse B, die ihm am 20. August 2018 erteilt wurde.

In einem Ermittlungsverfahren wegen unerlaubten Handels mit Betäubungsmitteln legte der Antragsteller vor der Polizeiinspektion Gunzenhausen am 5. Dezember 2018 ein Geständnis ab. Er gab zu, dass er im Winter 2017 zwei Tütchen Kräutermischung in einem Online-Shop gekauft habe. Davon habe er ein Tütchen konsumiert und das zweite am 17. Juli 2018 an einen Schulkameraden verkauft. Er habe dies einmal ausprobieren wollen. Mit Verfügung vom 14. Februar 2019 sah die Staatsanwaltschaft Ansbach gemäß § 45 Abs. 2 JGG von der Verfolgung ab, da der Antragsteller 10 Stunden Arbeitsleistungen erbracht hatte.

Mit Schreiben vom 28. Februar 2019 hörte das Landratsamt Weißenburg-Gunzenhausen (im Folgenden: Landratsamt) den Antragsteller zur Entziehung seiner Fahrerlaubnis an. Daraufhin machte der Antragsteller geltend, er hab nur einmal eine Kräutermischung erworben und konsumiert. Dies sei noch vor Erteilung der Fahrerlaubnis gewesen und auch schon über ein Jahr her. Er habe die Sozialstunden abgeleistet. Er sei auch bereit, seine Kraftfahreignung durch Drogentests zu beweisen.

Mit Bescheid vom 20. März 2019 entzog ihm das Landratsamt die Fahrerlaubnis und ordnete unter Androhung von unmittelbarem Zwang die unverzügliche Abgabe des Führerscheins sowie die sofortige Vollziehung an. Der Antragsteller sei ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, da er Drogen konsumiert habe. Dass es sich nach seinen Angaben nur um einen einmaligen Vorgang gehandelt habe, der schon über ein Jahr zurückliege, sei unerheblich. Am 22. März 2019 gab der Antragsteller seinen Führerschein ab.

Den gegen den Bescheid vom 20. März 2019 erhobenen Widerspruch hat die Regierung von Mittelfranken mit Widerspruchsbescheid vom 27. November 2019 zurückgewiesen. Der Bescheid sei rechtmäßig. Der Antragsteller habe Drogen konsumiert und seine Fahreignung auch im Laufe des Widerspruchsverfahrens nicht wieder erlangt. Er habe weder Abstinenz nachgewiesen noch ein medizinisch-psychologisches Gutachten vorgelegt.

Über die gegen den Bescheid vom 20. März 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. November 2019 erhobene (Az. AN 10 K 19.02460) Klage hat das Verwaltungsgericht Ansbach nach Aktenlage noch nicht entschieden.

Den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 13. November 2019 abgelehnt. Zwar sei seit dem letzten Konsum mehr als ein Jahr vergangen. Dennoch sei die Behörde nicht gehindert gewesen, die Fahrerlaubnis unmittelbar zu entziehen, denn es seien keine Umstände hinzugetreten, die diese Behauptung glaubhaft und nachvollziehbar erscheinen ließen.

Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde, der der Antragsgegner entgegentritt. Er macht geltend, der eingeräumte einmalige Konsum der Kräutermischung sei lange Zeit her und vor der Erteilung der Fahrerlaubnis gewesen. Das strafrechtlich Ermittlungsverfahren sei eingestellt worden. Ohne den Vorfall bagatellisieren zu wollen, handele es sich um eine Jugendsünde, die dem Antragsteller sehr leidtue. Er sei auf seine Fahrerlaubnis angewiesen, da er eine Ausbildung in einem Kraftfahrzeugbetrieb absolviere.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern oder aufzuheben wäre. Die Erfolgsaussichten der Klage sind zwar offen, die Interessenabwägung kann aber nicht zu Gunsten des Antragstellers ausfallen.

1. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), vor Erlass des Widerspruchsbescheids zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. November 2019 (BGBl I S. 1626), und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), im maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Verordnung vom 4. Juli 2019 (BGBl I S. 1056), hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 46 Abs. 3 FeV). Gemäß § 11 Abs. 7 FeV unterbleibt die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens, wenn die Nichteignung des Betroffenen zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde feststeht (BVerwG, U.v. 23.10.2014 – 3 C 3.13 – NJW 2015, 2439 Rn. 36).

Nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung entfällt bei Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis) die Fahreignung. Dies gilt unabhängig von der Häufigkeit des Konsums, von der Höhe der Betäubungsmittelkonzentration, von einer Teilnahme am Straßenverkehr in berauschtem Zustand und vom Vorliegen konkreter Ausfallerscheinungen beim Betroffenen. Dementsprechend ist die Entziehung der Fahrerlaubnis bereits dann gerechtfertigt, wenn der Fahrerlaubnisinhaber – wie hier – mindestens einmal sogenannte harte Drogen wie Kokain konsumiert hat (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 5.2.2018 – 11 ZB 17.2069 – juris Rn. 10 m.w.N.). Ein solche Situation lag hier vor und der Antragsteller hat durch den Konsum der Kräutermischung seine Fahreignung verloren.

2. Im Klageverfahren wird allerdings zu prüfen sein, ob angesichts der Umstände und des langen Zeitablaufs zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids ggf. nicht mehr nach § 11 Abs. 7 FeV i.V.m. Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV feststand, dass der Antragsteller noch ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen war und dies im Widerspruchsverfahren zu berücksichtigen gewesen wäre.

Hier könnte die sogenannte „verfahrensrechtliche Einjahresfrist“ möglicherweise am 27. November 2019 schon abgelaufen und der zwingende Rückschluss auf die Ungeeignetheit des Antragstellers nach § 11 Abs. 7 FeV nicht mehr zulässig gewesen sein. Diese Frist beginnt grundsätzlich mit dem Tag, den der Betroffene als den Beginn der Betäubungsmittelabstinenz angegeben hat, oder von dem an, unabhängig von einem solchen Vorbringen, Anhaltspunkte für eine derartige Entwicklung vorliegen (BayVGH, B.v. 24.6.2015 – 11 CS 15.802 – juris Rn. 19; B.v. 27.2.2015 – 11 CS 15.145 – juris Rn. 17; B.v. 9.5.2005 – 11 CS 04.2526 – BayVBl 2006, 18 ff.; B.v. 29.3.2007 – 11 CS 06.2913 – juris; B.v. 4.2.2009 – 11 CS 08.2591 – juris Rn. 16 ff.; v. 17.6.2010 – 11 CS 10.991 – juris; OVG LSA, B.v. 1.10.2014 – 3 M 406/14 – VerkMitt 2015, Nr. 11). Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, genügt die bloße Behauptung der Drogenabstinenz jedoch regelmäßig nicht, sondern es müssen Umstände hinzutreten, die diese Behauptung glaubhaft und nachvollziehbar erscheinen lassen (vgl. BayVGH, B.v. 5.12.2018 – 11 CS 18.2351 – juris Rn. 12 m.w.N.). Zwar hat der schon im Widerspruchsverfahren anwaltlich vertretene Antragsteller seine behauptete Drogenabstinenz durch keinerlei Belege (z.B. Haarproben) untermauert, obwohl dazu ausreichend Zeit gewesen wäre. Sollte aber gemäß Nr. 7 der Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 20. Dezember 2018 tatsächlich ein Erziehungsgespräch beim Kreisjugendring stattgefunden haben, so wäre jedenfalls zu klären, ob der Verlauf des Gesprächs die Behauptung eines ausreichend langen Abstinenzzeitraums auch ohne Vorlage von Abstinenznachweisen ausnahmsweise hinreichend glaubhaft und nachvollziehbar erscheinen ließe.

3. Die eigenständige gerichtliche Interessenabwägung nach § 80 Abs. 5 VwGO kann jedoch nicht zu Gunsten des Antragstellers ausfallen, denn er hat bisher keinerlei Belege dafür beigebracht, dass er tatsächlich drogenabstinent lebt. Ohne derartige Nachweise kann es aber nicht verantwortet werden, ihn derzeit am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen zu lassen.

4. Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 25. Auflage 2019, Anh. § 164 Rn. 14).

5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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