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Fahrerlaubnisentziehung nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem – Durchlaufen Stufensystem

Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bestätigt die Entziehung der Fahrerlaubnis eines Verkehrssünders aufgrund wiederholter Verstöße und der Akkumulation von Punkten im Fahreignungsregister. Trotz fehlerhafter Zustellung von Verwarnungen durch die Behörde wurde die Maßnahme als rechtmäßig anerkannt, da die Bearbeitung und Fertigstellung der Schriftstücke als maßgeblich für das Ergreifen der Maßnahmen gewertet wurde. Die Entscheidung unterstreicht die Strenge und Konsequenz des Fahreignungs-Bewertungssystems und betont die Wichtigkeit der genauen Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben zum Schutz der Verkehrssicherheit.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 11 BV 23.1193

✔ Kurz und knapp


  • Die Fahrerlaubnis kann bei Erreichen bestimmter Punktestände im Fahreignungs-Register entzogen werden, ohne dass jede vorherige Maßnahmenstufe (Ermahnung, Verwarnung) tatsächlich beim Betroffenen zugegangen sein muss.
  • Für das rechtswirksame Ergreifen einer Maßnahme nach § 4 Abs. 5 StVG kommt es auf den Zeitpunkt der Bearbeitung (Ausstellung) des behördlichen Schriftstücks an, nicht auf den tatsächlichen Zugang beim Betroffenen.
  • Die Informationsfunktion der einzelnen Stufen tritt hinter dem Ziel der Verkehrssicherheit und dem Schutz vor ungeeigneten Fahrern zurück.
  • Das neue Fahreignungs-Bewertungssystem legt den Fokus stärker auf Effektivität als auf den Erziehungsgedanken gegenüber dem Einzelnen.
  • Bei zeitlicher Diskrepanz zwischen Bearbeitung und Zugang sind Sach- und Systemgerechtigkeit sowie die gesetzgeberische Intention zu berücksichtigen.
  • Der zufällige Zeitpunkt des Zugangs soll nicht darüber entscheiden, wann eine Maßnahme ergriffen gilt und die nächste Stufe eingeleitet werden kann.
  • Die Mitteilung an das Kraftfahrt-Bundesamt ist kein selbstständig anfechtbarer Verwaltungsakt, sondern Annex der zugrundeliegenden Maßnahme.

Fahrerlaubnisentzug: Wie das Fahreignungs-Bewertungssystem Straßenverkehrssicherheit gewährleistet

Die Erteilung und der Entzug einer Fahrerlaubnis sind in Deutschland eng an das sogenannte Fahreignungs-Bewertungssystem geknüpft. Dieses System soll sicherstellen, dass nur Personen am Straßenverkehr teilnehmen dürfen, die die erforderliche Fahreigenschaften und -fähigkeiten aufweisen. Ein Punktesystem erfasst Verkehrsverstöße und dient als Gradmesser für die Fahrtauglichkeit. Ab einer bestimmten Punktzahl können Maßnahmen wie Verwarnungen, Auflagen oder sogar der Entzug der Fahrerlaubnis erfolgen.

Das Fahreignungs-Bewertungssystem ist komplex und wurde in den letzten Jahren mehrfach angepasst. Ein zentraler Punkt ist dabei, wie genau die einzelnen Verfahrensschritte bis hin zur möglichen Entziehung der Fahrerlaubnis ablaufen müssen. Hierbei spielen Fragen des Verwaltungsverfahrens und der Rechtssicherheit eine wichtige Rolle. Im Folgenden soll ein konkreter Gerichtsfall dazu näher beleuchtet werden.

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✔ Der Fall vor dem Bayerischer Verwaltungsgerichtshof


Fahrerlaubnisentziehung nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem: Ein komplexer Fall

Der vorliegende Fall beschäftigt sich mit der Entziehung der Fahrerlaubnis des Klägers aufgrund von wiederholten Verkehrsverstößen und der daraus resultierenden Punkteakkumulation im Fahreignungsregister. Der Kläger, der im Besitz der Fahrerlaubnisklassen A79, A179, AM, B und L war, erhielt mehrere Verwarnungen und Ermahnungen vom Landratsamt Würzburg, nachdem er im Fahreignungsregister verschiedene Punktestände erreicht hatte.

Am 26. September 2016 widerrief das Landratsamt eine Verwarnung vom 6. August 2014 und ermahnte den Kläger aufgrund von fünf Punkten im Fahreignungsregister. Weitere Punkte sammelte der Kläger bis zum 1. Dezember 2020, als er erneut mit sieben Punkten verwarnt wurde. Während dieser Zeit trat der Kläger eine längere Strafhaft an und beglich am 18. Januar 2021 die Kostenrechnung für die Verwarnung.

Am 22. März 2022 erhielt die Fahrerlaubnisbehörde Kenntnis von einer Verurteilung des Klägers durch das Amtsgericht Würzburg wegen 21-maligen fahrlässigen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, wodurch 42 Punkte in das Fahreignungsregister eingetragen wurden. Aufgrund dieser Punkteakkumulation und den früheren Ermahnungen und Verwarnungen entschied das Landratsamt am 6. Juli 2022, dem Kläger die Fahrerlaubnis zu entziehen.

Gerichtliche Entscheidung und Begründung

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bestätigte die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Würzburg, das die Klage des Klägers gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis abgewiesen hatte. Das Gericht entschied, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis aufgrund der ordnungsgemäßen Durchführung des Stufensystems nach § 4 Abs. 5 Satz 1 StVG gerechtfertigt sei. Wichtige Aspekte waren hierbei die Ermahnung und Verwarnung des Klägers sowie die rechtmäßige Dokumentation der Verkehrsverstöße im Fahreignungsregister.

Ein zentraler Punkt der gerichtlichen Beurteilung war, dass die Maßnahmen der Ermahnung und Verwarnung auch dann als „ergriffen“ gelten, wenn sie von der Behörde ausgestellt wurden, selbst wenn sie dem Betroffenen nicht unmittelbar zugegangen sind. Das Gericht folgte dabei der Ansicht, dass der Tag der endgültigen Fertigstellung des entsprechenden Schriftstücks in der Behörde maßgeblich sei. Diese Interpretation dient laut Gericht der Effektivität des Fahreignungs-Bewertungssystems und dem Schutz der Allgemeinheit vor ungeeigneten Fahrern.

Konsequenzen und Auswirkungen für den Kläger

Die rechtliche Auseinandersetzung führte zur endgültigen Entziehung der Fahrerlaubnis des Klägers, der nun als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen gilt. Die Entscheidung betonte, dass die Maßnahmen des Stufensystems ordnungsgemäß durchlaufen wurden und der Kläger trotz fehlerhafter Zustellung der Verwarnungen informiert wurde. Dadurch wurde die Fahrerlaubnisentziehung als rechtmäßig anerkannt.

Die Kosten des Berufungsverfahrens wurden dem Kläger auferlegt, und die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Eine Sicherheitsleistung kann die Vollstreckung abwenden, sofern der Beklagte nicht vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Der Kläger kann jedoch die Revision einlegen, da das Gericht diese aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung des Falls zugelassen hat.

Rechtliche Grundlagen und Verfahrensdetails

Die rechtliche Grundlage für die Entscheidung bildet § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG, wonach eine Fahrerlaubnis zu entziehen ist, wenn acht oder mehr Punkte im Fahreignungsregister erreicht sind. Die Punkteakkumulation resultierte aus verschiedenen Verkehrsverstößen, die korrekt im Register eingetragen und der Fahrerlaubnisbehörde übermittelt wurden. Die Bearbeitung und Ausstellung der Ermahnungen und Verwarnungen durch die Behörde wurden als maßgeblich für das Ergreifen der Maßnahmen gewertet.

Das Gericht stellte klar, dass die Bearbeitung und Fertigstellung der Schriftstücke durch die Behörde den Zeitpunkt des Ergreifens der Maßnahmen bestimmt. Dies entspricht der Gesetzesintention, die Effektivität des Fahreignungs-Bewertungssystems zu gewährleisten und den Schutz der Verkehrssicherheit über individuelle Erziehungsmaßnahmen zu stellen.

Diese gerichtliche Entscheidung zeigt die Strenge und Konsequenz des Fahreignungs-Bewertungssystems und betont die Wichtigkeit der genauen Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben durch die Fahrerlaubnisbehörden. Der Fall illustriert zudem die Komplexität und die Herausforderungen bei der rechtlichen Beurteilung von Fahrerlaubnisentziehungen im Rahmen des deutschen Verkehrsrechts.

✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall


Die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bekräftigt die Wirksamkeit des Fahreignungs-Bewertungssystems. Sie stellt klar, dass die behördliche Bearbeitung und Fertigstellung von Ermahnungen und Verwarnungen als maßgeblich für das Ergreifen dieser Maßnahmen gilt, unabhängig vom Zugang beim Betroffenen. Damit dient das Urteil dem Schutz der Verkehrssicherheit und der Allgemeinheit vor ungeeigneten Fahrern, indem es die konsequente Anwendung der gesetzlichen Vorgaben durch die Fahrerlaubnisbehörden unterstützt.

✔ FAQ – Häufige Fragen: Fahrerlaubnisentzug nach Stufensystem


Wie funktioniert das Fahreignungs-Bewertungssystem in Deutschland und welche Folgen hat eine hohe Punktzahl?

Das Fahreignungs-Bewertungssystem in Deutschland dient der Überwachung und Bewertung der Fahreignung von Verkehrsteilnehmern, die durch Verkehrsverstöße auffällig geworden sind. Es basiert auf einem Punktesystem, das im Fahreignungsregister (FAER) beim Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg geführt wird. Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung werden je nach Schwere mit ein bis drei Punkten bewertet. Ordnungswidrigkeiten, die die Verkehrssicherheit beeinträchtigen und mit mindestens 60 Euro Bußgeld geahndet werden, führen zu einem Punkt. Schwerwiegendere Ordnungswidrigkeiten, die mit einem Fahrverbot verbunden sind, werden mit zwei Punkten bewertet. Straftaten, die zur Entziehung der Fahrerlaubnis führen, werden mit drei Punkten bewertet.

Das System ist in verschiedene Maßnahmenstufen unterteilt, die je nach Punktestand greifen. Bei vier bis fünf Punkten erfolgt eine gebührenpflichtige schriftliche Ermahnung, die den Betroffenen über das Fahreignungs-Bewertungssystem informiert und die Möglichkeit bietet, durch die freiwillige Teilnahme an einem Fahreignungsseminar einen Punkt abzubauen. Bei sechs bis sieben Punkten wird eine gebührenpflichtige schriftliche Verwarnung ausgesprochen, die darauf hinweist, dass bei Erreichen der nächsten Stufe die Fahrerlaubnis entzogen wird. Auch hier kann ein Fahreignungsseminar besucht werden, jedoch ohne Punktabbaumöglichkeit. Ab acht Punkten wird die Fahrerlaubnis entzogen. Eine Neuerteilung ist frühestens nach sechs Monaten möglich und setzt eine positive medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) voraus.

Das Fahreignungs-Bewertungssystem soll Verkehrsteilnehmer dazu anregen, ihr Verhalten zu überdenken und zu verbessern, um die Verkehrssicherheit zu erhöhen. Es bietet die Möglichkeit, durch rechtzeitige Maßnahmen wie die Teilnahme an einem Fahreignungsseminar, das Erreichen der kritischen Punktzahl und damit den Entzug der Fahrerlaubnis zu vermeiden. Die Teilnahme an einem solchen Seminar ist jedoch nur einmal in fünf Jahren möglich und nur, wenn der Punktestand nicht mehr als fünf Punkte beträgt.

Welche Rechtsmittel stehen einem Betroffenen zur Verfügung, wenn ihm die Fahrerlaubnis entzogen wurde?

Wenn einem Betroffenen die Fahrerlaubnis entzogen wurde, stehen ihm verschiedene Rechtsmittel zur Verfügung, um gegen diese Entscheidung vorzugehen. Zunächst kann ein Widerspruch gegen den Bescheid der Fahrerlaubnisbehörde eingelegt werden. Dieser Widerspruch muss innerhalb eines Monats nach Zustellung des Bescheids erfolgen. In einigen Bundesländern, wie Bayern, ist der Widerspruch nur entbehrlich, wenn der Führerschein aufgrund zu vieler Punkte entzogen wurde. In anderen Fällen ist der Widerspruch zwingend erforderlich, bevor eine Klage erhoben werden kann.

Sollte der Widerspruch abgelehnt werden oder in Bundesländern, in denen der Widerspruch entbehrlich ist, kann der Betroffene eine Anfechtungsklage beim zuständigen Verwaltungsgericht einreichen. Diese Klage muss ebenfalls innerhalb eines Monats nach Zustellung des ablehnenden Widerspruchsbescheids erhoben werden. Die Anfechtungsklage zielt darauf ab, den Bescheid der Fahrerlaubnisbehörde aufzuheben und die Fahrerlaubnis zurückzuerlangen.

Ein weiteres Rechtsmittel ist die Beschwerde gegen eine richterliche Entscheidung, die die Fahrerlaubnis entzieht. Diese Beschwerde ist gemäß §§ 304, 305 StPO zulässig und muss ebenfalls innerhalb einer bestimmten Frist eingelegt werden. Die Beschwerde richtet sich gegen den Beschluss des erkennenden Gerichts und kann von der Staatsanwaltschaft oder dem Beschuldigten selbst eingereicht werden.

Die Erfolgsaussichten dieser Rechtsmittel hängen stark vom Einzelfall ab. Es ist wichtig, dass die vorherigen Maßnahmestufen des Fahreignungs-Bewertungssystems ordnungsgemäß durchlaufen wurden. Wenn dies nicht der Fall ist, kann dies ein Ansatzpunkt für den Widerspruch oder die Klage sein. Zudem können formale Fehler im Bescheid oder Verfahrensfehler bei der Entscheidung der Behörde oder des Gerichts die Erfolgsaussichten erhöhen.

Die Kosten solcher Verfahren können erheblich sein. Neben den Gerichtskosten und den Kosten für einen Anwalt können auch Kosten für Gutachten, wie eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU), anfallen. Diese Kosten müssen vom Betroffenen getragen werden, es sei denn, das Gericht entscheidet zugunsten des Betroffenen und auferlegt die Kosten der Gegenseite.

Insgesamt ist es ratsam, frühzeitig einen Anwalt für Verkehrsrecht hinzuzuziehen, um die Erfolgsaussichten zu prüfen und die bestmögliche Strategie zu entwickeln. Ein Anwalt kann auch umfassende Akteneinsicht nehmen und so mögliche Fehler oder Ansatzpunkte für den Widerspruch oder die Klage identifizieren.

Wann gilt eine behördliche Maßnahme wie eine Verwarnung als „ergriffen“ und welche Bedeutung hat dies für den Betroffenen?

Eine behördliche Maßnahme wie eine Verwarnung gilt als „ergriffen“, sobald die Behörde die Maßnahme erstellt und formal beschlossen hat, unabhängig davon, ob der Betroffene diese bereits erhalten hat. Dies bedeutet, dass der Zeitpunkt der Erstellung und nicht der Zeitpunkt des Zugangs beim Betroffenen maßgeblich ist. Diese Unterscheidung ist besonders wichtig für den Ablauf von Fristen und die Rechtmäßigkeit des behördlichen Vorgehens.

Im Kontext der Fahrerlaubnisentziehung nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem spielt dieser Aspekt eine zentrale Rolle. Beispielsweise kann eine Verwarnung oder Ermahnung bereits als ergriffen gelten, wenn die Behörde den entsprechenden Bescheid erstellt hat, auch wenn der Betroffene diesen noch nicht erhalten hat. Dies hat zur Folge, dass die Fristen für Rechtsmittel wie Widerspruch oder Klage ab diesem Zeitpunkt zu laufen beginnen. Der Betroffene muss daher besonders aufmerksam sein und gegebenenfalls frühzeitig rechtliche Beratung in Anspruch nehmen, um keine Fristen zu versäumen.

Die Bedeutung dieser Regelung liegt darin, dass sie die Rechtssicherheit und die Effizienz des Verwaltungshandelns gewährleistet. Die Behörde kann so sicherstellen, dass Maßnahmen zeitnah und ohne unnötige Verzögerungen wirksam werden. Für den Betroffenen bedeutet dies jedoch, dass er sich aktiv über den Stand seines Verfahrens informieren und gegebenenfalls schnell reagieren muss, um seine Rechte zu wahren. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, bei drohenden Maßnahmen wie der Fahrerlaubnisentziehung frühzeitig rechtlichen Rat einzuholen, um die Erfolgsaussichten eines Widerspruchs oder einer Klage zu prüfen und die erforderlichen Schritte rechtzeitig einzuleiten.

Wie lange bleiben Punkte im Fahreignungsregister gespeichert und gibt es Möglichkeiten, sie vorzeitig zu löschen?

Punkte im Fahreignungsregister bleiben je nach Schwere des Verstoßes unterschiedlich lange gespeichert. Für Ordnungswidrigkeiten, die mit einem Punkt geahndet werden, beträgt die Verjährungsfrist 2,5 Jahre. Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten, die mit zwei Punkten bewertet werden, verjähren nach fünf Jahren. Straftaten, die mit drei Punkten geahndet werden, verjähren erst nach zehn Jahren. Diese Fristen sind starr und werden nicht durch neue Verstöße verlängert. Jeder Punkt wird nach Ablauf seiner Frist automatisch gelöscht.

Es gibt jedoch Möglichkeiten, Punkte vorzeitig zu löschen. Eine solche Möglichkeit ist die freiwillige Teilnahme an einem Fahreignungsseminar. Dieses Seminar kann besucht werden, wenn der Punktestand maximal fünf Punkte beträgt. Durch die erfolgreiche Teilnahme an diesem Seminar kann einmal alle fünf Jahre ein Punkt abgebaut werden. Das Seminar besteht aus einem verkehrspädagogischen und einem verkehrspsychologischen Teil und wird von Fahrschulen, dem TÜV oder der DEKRA angeboten. Die Kosten für ein Fahreignungsseminar liegen in der Regel zwischen 200 und 400 Euro.

Die Teilnahme an einem Fahreignungsseminar ist nicht mit der medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) oder dem Aufbauseminar für Fahranfänger zu verwechseln. Während die MPU und das Aufbauseminar verpflichtend sein können, ist das Fahreignungsseminar eine freiwillige Maßnahme, die speziell dem Punkteabbau dient. Es ist wichtig, die Teilnahmebescheinigung des Seminars innerhalb von zwei Wochen bei der zuständigen Behörde einzureichen, um den Punktabzug zu erhalten.

Für Betroffene ist es daher ratsam, regelmäßig den Punktestand im Fahreignungsregister zu überprüfen und gegebenenfalls frühzeitig Maßnahmen wie die Teilnahme an einem Fahreignungsseminar zu ergreifen, um den Punktestand zu reduzieren und den Entzug der Fahrerlaubnis zu vermeiden.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils


  • § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG: Regelt die Voraussetzungen für die Entziehung der Fahrerlaubnis bei Erreichen von acht oder mehr Punkten im Fahreignungsregister. Im vorliegenden Fall wurde die Fahrerlaubnis des Klägers auf Basis dieser Vorschrift entzogen, da er 49 Punkte erreicht hatte.
  • § 4 Abs. 6 StVG: Beschreibt das Stufensystem des Fahreignungs-Bewertungssystems, das vor der Entziehung der Fahrerlaubnis durchlaufen werden muss. Es beinhaltet Ermahnung und Verwarnung bei bestimmten Punkteständen. Die zentrale Frage des Urteils – wann eine Maßnahme als „ergriffen“ gilt – wird durch die Auslegung dieses Paragraphen beantwortet.
  • § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 StVG: Listen die Maßnahmen der Ermahnung und Verwarnung im Fahreignungs-Bewertungssystem auf, die bei Erreichen bestimmter Punktestände verhängt werden. Im vorliegenden Fall hatte der Kläger beide Maßnahmen erhalten, bevor die Fahrerlaubnisbehörde die Entziehung anordnete.
  • § 4 Abs. 8 StVG: Befasst sich mit der Übermittlung der Daten aus dem Fahreignungsregister an die Fahrerlaubnisbehörde. Diese Datenübermittlung ist für die Einleitung der Maßnahmen des Stufensystems unerlässlich. Das Gericht betont die Bedeutung der Kenntnisnahme der Behörde von den eingetragenen Punkten.
  • § 47 Abs. 1 FeV: Regelt die Pflicht des Fahrers, seinen Führerschein bei Entziehung der Fahrerlaubnis abzugeben. Der Kläger war auf Basis dieser Vorschrift verpflichtet, seinen Führerschein beim Landratsamt abzuliefern.
  • §§ 68 ff. VwGO: Behandeln das Widerspruchsverfahren als möglichen Rechtsbehelf gegen Verwaltungsakte. Der Kläger hatte keinen Widerspruch gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis eingelegt. Das Gericht stellte fest, dass ein Widerspruch in diesem Fall nicht statthaft gewesen wäre.
  • § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO: Definiert die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Klage vor dem Verwaltungsgericht. Der Kläger hatte Klage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis erhoben, diese wurde jedoch abgewiesen, da der Bescheid rechtmäßig war.


⬇ Das vorliegende Urteil vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof – Az.: 11 BV 23.1193 – Urteil vom 18.03.2024

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen A79, A179, AM, B und L.

Mit Schreiben vom 26. September 2016 widerrief das Landratsamt Würzburg eine Verwarnung vom 6. August 2014 und ermahnte den Kläger nach Erreichen von fünf Punkten im Fahreignungsregister gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 StVG. Das Schreiben wurde am 28. September 2016 bei der Postfiliale O… niedergelegt und die Benachrichtigung über die Niederlegung ausweislich der Postzustellungsurkunde in den „Mehrfamilienbriefkasten“ eingelegt.

Nach Erreichen von sieben Punkten im Fahreignungsregister verwarnte das Landrats-amt den Kläger mit Schreiben vom 1. Dezember 2020 gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVG. Der Verwarnung war eine Kostenrechnung über 21,02 EUR beigefügt. Sie sollte gegen Postzustellungsurkunde, die nicht in Rücklauf kam, unter der Anschrift M…str. …, O…, zugestellt werden.

Am 11. Januar 2021 trat der Kläger eine längere Strafhaft an.

Mit Schreiben vom selben Tag mahnte die Kreiskasse die Zahlung der Verwarnungsgebühr an. Am 18. Januar 2021 wurde die Kostenrechnung beglichen.

Mit Schreiben vom 3. März 2021 übermittelte das Landratsamt dem Kläger eine Kopie der Verwarnung vom 1. Dezember 2020 gegen Postzustellungsurkunde an seine bisherige Wohnanschrift.

Mit Schreiben vom 19. März 2021 teilte die Deutsche Post dem Landratsamt auf Anfrage hin mit, dass eine intensive Suche nach der Postzustellungsurkunde zur Verwarnung vom 1. Dezember 2020 erfolglos geblieben sei.

Nach einer Auskunft des Kraftfahrt-Bundesamts vom 22. März 2022 wurde der Kläger durch das Amtsgericht Würzburg mit sofort rechtskräftiger Entscheidung vom 16. Februar 2022 wegen 21-maligen fahrlässigen Fahrens ohne Fahrerlaubnis (§ 21 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 StVG; Tattag: 11.12.2020) verurteilt. Hierfür wurden 42 Punkten in das Fahreignungsregister eingetragen.

Im Rahmen der Anhörung zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis nahm der Bevollmächtigte des Klägers Akteneinsicht und trug sodann mit Schreiben vom 21. Juni 2022 vor, dass der Kläger weder die Verwarnung vom 1. Dezember 2020 noch deren Kopie vom 3. März 2021 erhalten habe. Ein Verwandter habe am 18. Januar 2021 auf die Mahnung hin die Zahlung von 21,02 EUR getätigt. Der Kläger habe sich zu dieser Zeit bereits in Haft befunden.

Mit Bescheid vom 6. Juli 2022 entzog das Landratsamt dem Kläger die Fahrerlaubnis und forderte ihn unter Androhung eines Zwangsgelds auf, seinen Führerschein unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche nach Zustellung des Bescheids abzugeben. Ferner ordnete es die sofortige Vollziehung dieser Verfügungen an. Seiner Ablieferungspflicht kam der Kläger am 25. Juli 2022 nach.

Am 15. Juli 2022 ließ er durch seinen Bevollmächtigten Klage beim Verwaltungsgericht Würzburg erheben und zugleich die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragen, was das Gericht mit Beschluss vom 17. August 2022 ablehnte. Die hiergegen gerichtete Beschwerde wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 2. November 2022 (11 CS 22.1984, 11 C 22.1992) zurück.

Mit Urteil vom 24. Mai 2023 wies das Verwaltungsgericht auch die Klage ab und führte zur Begründung aus, die Fahrerlaubnis sei gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG wegen eines Stands von zuletzt 49 Punkten im Fahreignungsregister zu entziehen gewesen. Der Kläger habe die vorgelagerten Stufen der Ermahnung (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 StVG) und Verwarnung (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVG) ordnungsgemäß durchlaufen. Die fehlerhafte Zustellung der beiden Schreiben habe, wie im Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs ausgeführt, nicht zur Rechtswidrigkeit der Fahrerlaubnisentziehung geführt. Wann Maßnahmen gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 StVG im Sinne von § 4 Abs. 6 Satz 1 und 2 StVG ergriffen seien, richte sich nach dem Zeitpunkt ihres Ausstellens bzw. der endgültigen Fertigstellung des Schriftstücks in der Behörde. Auf den tatsächlichen Zugang beim Betroffenen komme es nicht an, auch nicht, wenn zwischen Bearbeitung und Zugang ein längerer Zeitraum liege, jedenfalls, wenn bei Entziehung der Fahrerlaubnis vernünftigerweise von einem tatsächlichen Zugang auszugehen sei. Dem Gesetzeswortlaut des § 4 Abs. 5 und 6 StVG sei hierzu nichts zu entnehmen. Doch ergebe sich aus § 4 Abs. 6 Satz 3 StVG ein gesetzlicher Anhaltspunkt dafür, dass der Tag des Ausstellens maßgeblich sei. Denn danach werde die Punktereduzierung an diesem Tag bzw. am Tag der endgültigen Fertigstellung des entsprechenden Schriftstücks in der Behörde wirksam. Mithin sei das Datum des Schriftstücks maßgeblich. Es sei interessengerecht, wenn hierauf auch für das Ergreifen einer Maßnahme abgestellt werde. Stellte man auf den Zeitpunkt des Zugangs beim Betroffenen ab, wäre die Verwarnung hier erst im Juni 2022 ergriffen gewesen, d.h. in Kenntnis des Punktestands von insgesamt 49 Punkten, mit der Folge, dass dem Kläger die Fahrerlaubnis wegen § 4 Abs. 6 Satz 1 und 2 StVG nicht hätte entzogen werden dürfen. Für diese Sichtweise sprächen zwar allgemein geltende Grundsätze des Verwaltungshandelns, nämlich, dass (noch) nicht zugegangene Maßnahmen gegenüber dem jeweiligen Betroffenen regelmäßig nicht rechtswirksam bzw. existent seien (vgl. Art. 43 Abs. 1 BayVwVfG betreffend Verwaltungsakte). Ermahnung und Verwarnung seien mangels Regelungswirkung jedoch keine Verwaltungsakte und die Systematik des „neuen“ Fahreignungs-Bewertungssystems nach § 4 StVG gebiete eine abweichende Beurteilung. Im Vergleich zur früheren Rechtslage, unter der man den einzelnen Maßnahmenstufen eine Warn- und Erziehungsfunktion zugemessen habe, dienten die einzelnen Stufen nach § 4 Abs. 5 Satz 1 StVG n.F. vor allem der Information über den derzeitigen Punktestand im Register. Die Erziehungswirkung liege dem Gesamtsystem als solchem zugrunde. Im „alten“ System habe man nur die Fahrerlaubnis entziehen können, wenn deren Inhaber nach einer Verwarnung eine weitere zur Überschreitung der Schwelle des § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG a.F. führende Zuwiderhandlung begangen habe. Weitere vor der Verwarnung begangene, der Behörde im Zeitpunkt der Verwarnung aber noch nicht bekannte Zuwiderhandlungen hätten auf der Grundlage des Mehrfachtäter-Punktsystems nicht unmittelbar zur Entziehung der Fahrerlaubnis führen können (§ 4 Abs. 5 Satz 2 StVG a.F.). Mit § 4 Abs. 5 Satz 6 Nr. 1, Abs. 6 Satz 4 StVG n.F. habe der Gesetzgeber bewusst einen Systemwechsel vollzogen. Nicht mehr erforderlich sei insbesondere, dass vor „Eintritt in die nächste Stufe“ effektiv die Möglichkeit einer Verhaltensänderung eröffnet werde. Vielmehr komme es unter Verkehrssicherheitsgesichtspunkten für das Ziel, die Allgemeinheit vor ungeeigneten Fahrern zu schützen, maßgeblich auf die Effektivität des Fahreignungs-Bewertungssystems an. Diesem Ziel werde ausdrücklich Vorrang vor dem Erziehungsgedanken eingeräumt. Somit sei es sach- und systemgerecht und allein zielführend, auch für die Frage, wann eine Maßnahme ergriffen sei, auf den Zeitpunkt der Bearbeitung in Form des Ausstellens der Maßnahme abzustellen und nicht auf den (zufälligen) außerhalb des Einflussbereichs der Fahrerlaubnisbehörde liegenden Zugang beim Betroffenen. Nicht hinzunehmen und mit der Intention des Gesetzgebers nicht vereinbar sei, wenn es ggf. vom Zufall abhänge, wann eine Maßnahme ergriffen sei und die der nächsten Stufe ergriffen werden könne. In Fällen, in denen die behördliche Bearbeitung und der Zugang beim Betroffenen zeitlich weit auseinanderfielen, würde dies zu nicht intendierten Ergebnissen führen. Vorliegend sei bei Erlass des Entziehungsbescheids am 6. Juli 2022 vom tatsächlichen Zugang der Ermahnung im Oktober 2016 und der Verwarnung im Juni 2022 durch Akteneinsicht des Bevollmächtigten auszugehen. Da die Fahrerlaubnis dem Kläger rechtmäßig entzogen worden sei, sei er auch gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 und 2 FeV verpflichtet gewesen, seinen Führerschein abzuliefern. Der auf eine Verurteilung des Beklagten gerichtete Antrag, die Mitteilung an das Kraftfahrt-Bundesamt vom 13. April 2021 über die Verwarnung nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem zurückzunehmen, sei wegen Fehlens eines Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Die Mitteilungen der Verkehrsbehörden an das Kraftfahrt-Bundesamt gemäß § 28 Abs. 3 Nr. 11 StVG stellten keine Verwaltungsakte dar und seien lediglich als Annex der zugrundeliegenden Maßnahme zu sehen, mit deren Rechtswidrigkeit oder Unwirksamkeit auch das Fahreignungsregister zu korrigieren wäre (§ 28 Abs. 3 Nr. 14 StVG). Im Wege der Leistungsklage könne nicht verlangt werden, dass die Fahrerlaubnisbehörde durch Mitteilung an das Kraftfahrt-Bundesamt verbindliche Änderungen im Fahreignungsregister herbeiführe. Der Leistungsantrag wäre aber auch unbegründet, da die Mitteilung über die Verwarnung zu Recht erfolgt sei und unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Berichtigungsanspruch bestehe. Der Antrag, die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für notwendig zu erklären, sei abzulehnen, da kein Vorverfahren nach §§ 68 ff. VwGO stattgefunden habe und eine Erstattung von Kosten eines Rechtsanwalts im Verwaltungsverfahren vor Erlass einer Verwaltungsentscheidung nicht vorgesehen sei.

Mit der vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzziel weiter. Die Entziehung der Fahrerlaubnis sei rechtswidrig, da die Maßnahmenstufen nach § 4 Abs. 5 Satz 1 StVG nicht ordnungsgemäß durchlaufen worden seien. Die Verwarnung sei nicht am 1. Dezember 2020 erfolgt, da das behördliche Schriftstück den Kläger nicht erreicht habe. Für diese Sicht sprächen allgemein geltende Grundsätze des Verwaltungshandelns, wonach nicht zugegangene Maßnahmen gegenüber dem jeweiligen Betroffenen regelmäßig nicht rechtswirksam bzw. nicht existent seien. Die Behörde habe vom Nicht-Zugang auch Kenntnis erlangt, da sie dem Kläger am 5. März 2021 eine auf den 3. März 2021 datierte Kopie der Verwarnung vom 1. Dezember 2020 übersandt habe, allerdings nicht an die JVA Würzburg, sondern an die frühere Wohnanschrift. Mit Schreiben vom 7. Juni 2022 habe der Unterfertigte Akteneinsicht beantragt und mitgeteilt, dass die Verwarnung dem Kläger nicht zugegangen sei. Der Beklagte habe daraufhin Akteneinsicht erteilt und dem Kläger so erstmals die auf den 1. Dezember 2020 datierte Verwarnung und die auf den 3. März 2021 datierte Kopie des Verwarnungsschreibens, jeweils als Aktenkopie, zur Kenntnis gebracht. Die Maßnahme erst am 10. Juni 2022 mit Übersendung der Fahrerlaubnisakte an den Bevollmächtigten bewirkt worden. Zu diesem Zeitpunkt habe die Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamts vom 21. März 2022 über einen Punktestand von insgesamt 49 Punkten den Beklagten schon erreicht gehabt. Wenn es zur Wirksamkeit der Verwarnung ihres Zugangs beim Adressaten nicht bedürfte, würde dies bedeuten, dass sie den behördlichen Geschäftsbetrieb niemals zu verlassen bräuchte, was die Absicht des Gesetzgebers ad absurdum führen würde. Die Informationsfunktion der Maßnahmen könnte dann nicht erfüllt werden. Wenn die Verwaltungsbehörde erfahre, dass die Ermahnung oder Verwarnung an den Betroffenen gescheitert sei, könne sie sich nicht darauf berufen, dass die jeweilige Maßnahme gleichwohl „bewirkt“ worden sei. Vielmehr müsse sie die Maßnahme dann erneut „bewirken“, gleich ob durch Übersendung einer Kopie des ursprünglichen Schreibens oder durch Gewährung von Akteneinsicht, und dabei auf ihren Kenntnisstand zum Zeitpunkt der neuerlichen „Bewirkung“ der Ermahnung oder Verwarnung abstellen. Das Zitat aus der Gesetzesbegründung sei aus dem Zusammenhang gerissen. Daraus ergebe sich, dass das neue System keine verpflichtende Seminarteilnahme mehr kenne und den Erziehungsgedanken damit auch nicht so verstehe, dass jede einzelne Maßnahme den Fahrerlaubnisinhaber individuell ansprechen können müsse in dem Sinne, dass nur sie das Verhalten beeinflussen könne. Gleichwohl gehe der Gesetzgeber davon aus, dass Ermahnung und Verwarnung den Betroffenen tatsächlich erreichen müssten und erst dann bewirkt seien, da sie erst dann ihre Informationsfunktion erfüllen könnten. Gerade wenn zwischen der Abfassung der Verwarnung und der Gewährung von Akteneinsicht mehr als 1 1/2 Jahre lägen, könne nicht auf den Zeitpunkt der Abfassung des Verwarnungsschreibens und auf den Kenntnisstand der Behörde vom Punktestand zum damaligen Zeitpunkt abgestellt werden. Vielmehr sei die Maßnahme erst dann ergriffen, wenn sie erneut an den Betroffenen oder seinen Bevollmächtigten versandt werde. Dabei sei der aktuelle Punktestand zugrunde zu legen.

Der Kläger beantragt, den Bescheid des Beklagten vom 6. Juli 2022 in Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 24. Mai 2023 aufzuheben und die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen, und verteidigt das angegriffene Urteil aus den vom Gericht ausgeführten Gründen. Die Absicht des Gesetzgebers, der Verkehrssicherheit und dem Schutz der Allgemeinheit vor ungeeigneten Fahrern Vorrang vor dem Erziehungsgedanken einzuräumen, und der Informationszweck der nach § 4 Abs. 5 StVG zu durchlaufenden Stufen sprächen dafür, für die Frage des Ergreifens der Maßnahme – jedenfalls wenn der Betroffene das jeweilige Schreiben noch vor Ergehen der nächsten Stufe tatsächlich erhalten habe – auf den Zeitpunkt der Bearbeitung und den entsprechenden Kenntnisstand der Behörde abzustellen. Nur dann sei eine Prüfung durch die Behörde möglich. Auf den nachfolgenden Verlauf und mögliche Verzögerungen der Bekanntgabe gegenüber dem Adressaten habe sie keinen Einfluss mehr. Sonst könnte die mit der Vorschrift des § 4 StVG verbundene Absicht des Gesetzgebers, nicht vorrangig mit erzieherischen Maßnahmen auf „Verkehrssünder“ einzuwirken, sondern insbesondere die übrigen Verkehrsteilnehmer vor ungeeigneten Fahrzeugführern zu schützen, ggf. nicht erreicht werden. Selbst bei einer Anhäufung von Punkten im Fahreignungsregister nach der Bearbeitung müsste in Form einer schriftlichen Verwarnung eine Punktereduzierung vorgenommen werden, sodass die Maßnahme der nächsten Stufe nicht ergriffen werden könnte. Ermahnung und Verwarnung seien mangels Regelungswirkung keine Verwaltungsakte, deren Zugang Rechtsmittelfristen in Gang setze. Auch die Ausführungen des Gesetzgebers zu § 4 Abs. 6 StVG (BT-Drs. 18/2775, S. 10), wonach die Prüfung, ob die Maßnahme der vorangehenden Stufe bereits ergriffen worden sei, nach dem Kenntnisstand der Behörde bei der Bearbeitung zu beurteilen sei, sprächen dafür, eine Maßnahme bereits im Zeitpunkt ihrer Bearbeitung durch die Fahrerlaubnisbehörde im Sinne von § 4 Abs. 6 Satz 1 bis 3 StVG als „ergriffen“ anzusehen. Dem entspreche auch die Wertung des § 4 Abs. 6 Satz 4 StVG, wonach Punkte für Zuwiderhandlungen, die vor der Verringerung des Punktestands nach Satz 3 begangen worden seien, von denen die zuständige Behörde aber erst nach der Verringerung Kenntnis erhalte, den sich nach Satz 3 ergebenden Punktestand erhöhten. Auch hier sei die Kenntnis der Behörde maßgeblich. Der Einwand des Klägers, dass bei Zugrundelegung der Ansicht des Beklagten eine Verwarnung nach ihrer Abfassung den behördlichen Geschäftsbereich niemals zu verlassen bräuchte, vermenge die getrennt voneinander zu beurteilenden Fragen, zu welchem Zeitpunkt eine Maßnahme mit Blick auf danach liegende Punkteerhöhungen im Rahmen des § 4 Abs. 6 StVG „ergriffen“ sei, und das Erfordernis eines Zugangs des Verwarnungsschreibens für dessen Wirksamwerden gegenüber dem Betroffenen. Vorliegend gehe es nur um die erste Frage, die mit dem Zugangserfordernis als solchem nichts zu tun habe. Ebenso wenig greife der Vorwurf durch, das Verwaltungsgericht habe das Zitat aus der Bundestagsdrucksache 18/2775 (S. 9) aus dem Zusammenhang gerissen. Das Gericht habe das Zitat nur verwendet, um die Absicht des Gesetzgebers zu belegen, im Fahreignungs-Bewertungssystem dem Schutz der Allgemeinheit vor ungeeigneten Fahrern Vorrang vor einem etwaigen Erziehungsgedanken einzuräumen. Völlig unstreitig sei, dass Ermahnung und Verwarnung den Betroffenen auch tatsächlich erreichen müssten, um ihm gegenüber wirksam zu werden. Streitig sei vielmehr die davon zu unterscheidende Frage, wann hinsichtlich einer im Raum stehenden Punktereduzierung bei Anwendung von § 4 Abs. 6 Satz 1 bis 3 StVG die Verwarnung im Sinne der dortigen Regelungen „ergriffen“ worden sei.

Mit Schreiben vom 20. und 22. Februar 2024 verzichteten die Beteiligten auf eine mündliche Verhandlung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Über die Berufung entscheidet der Senat gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.

Die Berufung, mit der der Kläger nunmehr die Aufhebung der Entziehung der Fahrerlaubnis und nicht mehr die Rücknahme einer Mitteilung an das Kraftfahrt-Bundesamt verfolgt, ist unbegründet.

1. Der Bescheid vom 6. Juli 2022, mit dem der Beklagte dem Kläger die Fahrerlaubnis entzogen hat, ist rechtmäßig und verletzt ihn damit nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. März 2003 (BGBl I S. 310, 919), im Zeitpunkt des Bescheiderlasses zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. Januar 2021 (BGBl I S. 530), in Kraft getreten zum 1. Mai 2022, gilt der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen und die Fahrerlaubnis ist zu entziehen, wenn sich acht oder mehr Punkte nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem (§ 40 i.V.m. Anlage 13 zur Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV – vom 13.12.2010 [BGBl I S. 1980], im maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Verordnung vom 18.3.2022 [BGBl I S. 498]) ergeben. Hierbei handelt es sich um eine unwiderlegliche Vermutung (BVerwG, U.v. 25.9.2008 – 3 C 21.07 – BVerwGE 132, 57 = juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 7.1.2014 – 11 CS 13.2005 – DAR 2014, 281 = juris Rn. 13; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl. 2023, § 4 StVG Rn. 32, 76, 100), die bis zu dem in der Regel durch ein medizinisch-psychologisches Gutachten zu führenden Nachweis der Wiedererlangung der Fahreignung gilt (§ 4 Abs. 10 Satz 4 StVG).

Die Entziehung der Fahrerlaubnis nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem setzt voraus, dass der Fahrerlaubnisinhaber zuvor das Stufensystem des § 4 Abs. 5 StVG ordnungsgemäß durchlaufen hat (§ 4 Abs. 6 StVG), d.h. dass er bei Erreichen von vier oder fünf Punkten ermahnt (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 StVG) und bei Erreichen von sechs oder sieben Punkten verwarnt (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVG) wurde. Maßgebend für die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme nach § 4 Abs. 5 Satz 1 StVG und eine Verringerung des Punktestands nach § 4 Abs. 6 Satz 2 und 3 StVG sind die im Fahrerlaubnisregister eingetragenen und der Fahrerlaubnisbehörde im Zeitpunkt des Ergreifens der Maßnahme nach § 4 Abs. 8 StVG übermittelten Zuwiderhandlungen (BVerwG, U.v. 26.1.2017 – 3 C 21.15 – BVerwGE 157, 235 Rn. 22).

Wie der Senat im Beschwerdebeschluss vom 2. November 2022 (11 CS 22.1984 u.a.), auf den insoweit Bezug genommen wird, dargelegt hat, ist davon auszugehen, dass die Ermahnung nach Erreichen von fünf Punkten im Fahreignungsregister dem vormaligen Bevollmächtigten des Klägers mit Schreiben des Beklagten vom 26. September 2016 zugegangen ist und die nicht nachzuweisende bzw. gescheiterte Zustellung der Verwarnung vom 1. Dezember 2020 nach Erreichen von sieben Punkten im Wege der Akteneinsicht durch den Bevollmächtigten im Juni 2022 geheilt worden ist, bevor das Landratsamt dem Kläger mit Bescheid vom 6. Juli 2022 die Fahrerlaubnis entzogen hat. Der Kläger hatte durch die Eintragung von 42 Punkten in das Fahreignungsregister auch den für eine Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG erforderlichen Stand von acht Punkten erreicht. Der durch die Verurteilung vom 16. Februar 2022 erreichte Stand von 49 Punkten am letzten Tattag (§ 4 Abs. 5 Satz 5 StVG), dem 11. Dezember 2020, ist nicht vor dem „Ergreifen der Verwarnung“ gemäß § 4 Abs. 6 Satz 3 Nr. 2 StVG wieder auf sieben Punkte verringert worden, weil die Fahrerlaubnisbehörde im Zeitpunkt des (geheilten) Zugangs der Verwarnung im Juni 2022 aufgrund der Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamts vom 22. März 2022 von der Eintragung weiterer 42 Punkte Kenntnis erlangt hatte.

Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Verwarnung vom 1. Dezember 2020 bereits ergriffen war, als die Fahrerlaubnisbehörde von der weiteren Eintragung Kenntnis erlangt hat, auch wenn sie dem Kläger zu diesem Zeitpunkt noch nicht zugegangen war.

Wie der Beklagte hervorgehoben hat, ist zwischen dem auf jeden Fall notwendigen Zugang der Ermahnung und der Verwarnung vor Entziehung der Fahrerlaubnis und der Frage zu unterscheiden, wann diese Maßnahmen im Sinne von § 4 Abs. 6 Satz 1 bis 3 StVG „ergriffen“ sind.

Das Verwaltungsgericht und der Beklagte sind zutreffend davon ausgegangen, dass das Ergreifen einer Maßnahme nicht den Zugang des entsprechenden Schreibens beim Adressaten bzw. die Wirksamkeit der Maßnahme voraussetzt. Wie beim Erlass eines Verwaltungsakts ist hier zu unterscheiden zwischen dem dem Erlass entsprechenden Ergreifen einer Maßnahme bzw. der Maßnahme selbst und ihrem Wirksamwerden durch Zugang beim Empfänger entsprechend § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB (zum Erlass eines Verwaltungsakts im förmlichen Verwaltungsverfahren vgl. Art. 69 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG: Verwaltungsakte … sind schriftlich zu erlassen, schriftlich zu begründen und den Beteiligten zuzustellen…; zur Unterscheidung zwischen der Existenz eines Verwaltungsakts und dem Wirksamwerden der von diesem intendierten Regelung vgl. U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 35 Rn. 20 f.).

Aus § 4 Abs. 6 und Abs. 8 StVG ergibt sich, dass der Gesetzgeber das Ergreifen einer Maßnahme als einen zeitlich gestreckten Vorgang auffasst, der mit dem Ausstellen des entsprechenden Schriftstücks beginnt, wobei er keinen für die Einhaltung des Stufensystems gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 und 2 StVG maßgeblichen Zeitpunkt ausdrücklich festgelegt hat. Nach § 4 Abs. 6 StVG ist für die Verringerung des Punktestands der Tag des Ausstellens, d.h. der Tag der Fertigstellung des entsprechenden Schriftstücks (vgl. Dauer in Hentschel/König/Dauer, § 4 StVG Rn. 88), der rechtlich relevante Zeitpunkt. Hierfür kommt es nicht auf den Zeitpunkt der Absendung oder des Zugangs beim Adressaten an (Dauer a.a.O.). Nach § 4 Abs. 8 StVG ist das Kraftfahrt-Bundesamt zur „Vorbereitung“ der Maßnahme nach § 4 Abs. 5 StVG zur Übermittlung der Eintragungen im Fahreignungsregister verpflichtet, woraus geschlossen werden kann, dass die Prüfung der vorliegenden Verkehrszuwiderhandlungen und des Punktestands zeitlich vor dem Ergreifen der Maßnahme liegen.

Vom Wortlaut her stellen die Regelungen in § 4 Abs. 5 und 6 StVG erkennbar auf das Tätigwerden der Behörde und die Bearbeitung des Vorgangs ab. Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 StVG hat die Behörde tätig zu werden, sobald beim Fahrerlaubnisinhaber bestimmte Voraussetzungen vorliegen. Es folgen Regelungen, die sich auf den Inhalt der Ermahnung und Verwarnung und die Feststellung einer Verkehrszuwiderhandlung und die Berechnung der Punkte sowie die Staffelung der Maßnahmen beziehen, und damit an die Behörde gerichtete Vorgaben während der Bearbeitung. Auch in der Gesetzesbegründung hatte der Gesetzgeber erkennbar die Bearbeitung im Blick (vgl. BT-Drs. 18/2775, S. 10: Die Prüfung der Behörde, ob die Maßnahme der vorangehenden Stufe bereits ergriffen worden ist, ist daher vom Kenntnisstand der Behörde bei der Bearbeitung zu beurteilen und beeinflusst das Entstehen von Punkten nicht. Absatz 6 Satz 2 enthält die Anweisung, die zunächst vorgesehene, aber noch nicht erteilte Maßnahmenstufe dann noch zu ergreifen, wenn der Punktestand bereits die darauf folgende Maßnahmenstufe erreicht hat.). Der Gesetzessystematik lässt sich eindeutig entnehmen, dass der Vollzug des Maßnahmensystems auf die Übermittlung der entsprechenden Daten und auf deren Kenntnisnahme beim Empfänger, d.h. bei der Fahrerlaubnisbehörde, angelegt ist (wie das Bundesverwaltungsgericht in anderem Zusammenhang aus der Gesetzesbegründung, § 4 Abs. 8 und § 28 Abs. 4 StVG abgeleitet hat; BVerwG, U.v. 26.1.2017 a.a.O. Rn. 26).

Die Annahme, der Gesetzgeber habe die Befugnis der Behörde, die Maßnahme der nächsten Stufe zu ergreifen, von nicht ihrem Einfluss unterliegenden allgemeinen Zustellrisiken wie Zeitpunkt, Unzustellbarkeit wegen Wohnungsaufgabe, Ordnungsmäßigkeit des Zustellvorgangs u.ä. abhängig machen wollen, erscheint auch nicht sachgerecht. Denn dies würde den Fahrerlaubnisinhaber begünstigen, bei dem sich zufällig ein Risiko der Zustellung verwirklicht, obwohl sein Fall sich sachlich nicht vom dem eines anderen Fahrerlaubnisinhabers unterscheidet, bei dem die Zustellung ordnungsgemäß erfolgen konnte. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, hat der Gesetzgeber den Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit Vorrang vor dem Erziehungsgedanken, d.h. der Chance des Betroffenen eingeräumt, das eigene Verhalten so zu bessern, dass es zu keinen weiteren Maßnahmen kommt (BT-Drs. 18/2775, S. 10), was für eine an der Effektivität des Fahreignungs-Bewertungssystems ausgerichtete Auslegung der Vorschriften spricht.

Somit spricht alles dafür, dass die Ermahnung oder Verwarnung „ergriffen“ ist, wenn die Behörde das jeweilige Schreiben aus ihrer Sicht abschließend bearbeitet hat, was regelmäßig mit dem Tag des Ausstellens zusammenfallen dürfte. Entgegen dem Einwand des Klägers folgt aus dieser Auffassung nicht, dass das Ermahnungs- oder Verwarnungsschreiben dann den Geschäftsbereich der Behörde bzw. das Entwurfsstadium nie verlassen müsste. Wie dargelegt bedürfen Ermahnung und Verwarnung des Zugangs, um wirksam zu werden. Dann aber ist auch sichergestellt, dass sich die Fahrerlaubnisbehörde ihrer auf einen tatsächlichen Erfolg gerichteten empfangsbedürftigen Willenserklärungen entäußert bzw. diese willentlich in den Verkehr gebracht hat (vgl. Noack/Beurskens, Gedächtnisschrift für Manfred Wolf, 1. Aufl. 2011, S. 687/689 ff./692 m.w.N.).

Im Fall des Klägers hatte sich die Fahrerlaubnisbehörde zweifelsfrei ihrer Erklärung entäußert, bevor ihr die Eintragung von 42 Punkten im Fahreignungsregister bekannt geworden ist. Dies steht aufgrund der Bezahlung der mit der Verwarnung vom 1. Dezember 2020 verbundenen Kostenrechnung am 18. Januar 2021 durch einen Verwandten des Klägers fest und durch die Postzustellungsurkunde vom 5. März 2021, mit der ein Schreiben vom 3. März 2021 und eine Kopie der Verwarnung an die Wohnanschrift des Klägers zugestellt worden sind. Zugegangen ist die Ermahnung dem Kläger – wie bereits ausgeführt – mit Schreiben des Beklagten vom 26. September 2016 an seinen vormaligen Bevollmächtigten und die Verwarnung durch Akteneinsicht seines Bevollmächtigten im Juni 2022.

Die Pflicht, den Führerschein beim Landratsamt abzuliefern, ergibt sich aus § 47 Abs. 1 FeV. Wegen der übrigen Nebenverfügungen des angefochtenen Bescheids wird gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1, § 117 Abs. 5 VwGO auf dessen Gründe Bezug genommen.

2. Die beantragte Erklärung, dass die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten notwendig war, ist abzulehnen. Dieser Ausspruch ist gesetzlich nur für das verwaltungsrechtliche Vorverfahren, d.h. das Widerspruchsverfahren gemäß §§ 68 ff. VwGO, vorgesehen. Nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO setzt eine derartige Erklärung voraus, dass ein Widerspruchsverfahren geschwebt hat (vgl. Olbertz in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand März 2023, § 162 Rn. 60; Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 162 Rn. 25), das hier jedoch schon nicht statthaft gewesen wäre (vgl. BayVGH, B.v. 11.5.2012 – 11 CS 12.772 – juris Rn. 11; B.v. 19.7.2021 – 11 CS 21.1280 – juris Rn. 14). Auch hat der Kläger keinen Widerspruch erhoben. Eine Erstattung der zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung vor dem Erlass einer Verwaltungsentscheidung aufgewandten Kosten ist nicht vorgesehen (Kallerhoff/Keller in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 80 Rn. 58). Abgesehen davon würde eine Erstattung von im Vorverfahren angefallener Rechtsanwaltsgebühren eine Kostengrundentscheidung zu Gunsten des Klägers voraussetzen (BVerwG, U.v. 15.11.2007 – 2 C 29.06 – NVwZ 2008, 324 = juris Rn. 9 f. m.w.N.; Just in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 162 VwGO Rn. 36), die wegen der Erfolglosigkeit der Berufung nicht in Betracht kommt.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 ff. ZPO.

4. Die Revision wird zugelassen, da die Frage, wann eine Maßnahme im Sinne von § 4 Abs. 6 Satz 1 bis 3 StVG als „ergriffen“ gelten kann, grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hat.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG und der Empfehlung in Nr. 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Der vom Verwaltungsgericht für den nicht weiterverfolgten Leistungsantrag festgesetzte Streitwert in Höhe von 1.250,- EUR entfällt.

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