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Fahrerlaubnisentziehung – MPU-Anordnung nach 4jähriger Alkoholfahrt

VG Gelsenkirchen – Az.: 7 K 1539/10 – Urteil vom 28.01.2011

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages Sicherheit leistet.

Tatbestand

Dem Beklagten wurde im April 2009 durch eine Mitteilung der Staatsanwaltschaft I. bekannt, dass der Kläger am 24. März 2009 gegen 10:40 Uhr in einen Unfall auf der Autobahn A 1 verwickelt worden war, bei dem nach Schilderung des Klägers der Verursacher Fahrerflucht begangen hatte. Da in der Atemluft des Klägers Alkoholgeruch festgestellt worden und ein Atem-Alkohol-Test positiv verlaufen war, wurde eine Blutprobe angeordnet; diese ergab gegen 12:35 Uhr eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von 0,25 Promille.

Fahrerlaubnisentziehung – MPU-Anordnung nach 4jähriger Alkoholfahrt
(Symbolfoto: Von rawf8/Shutterstock.com)

Ein nachfolgend im Mai 2009 eingeholter Auszug aus dem Verkehrszentralregister (VZR) ergab eine Eintragung des Klägers wegen einer fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr am 28. Juli 2005 als Radfahrer (Strafbefehl des Amtsgerichts V. vom 11. Oktober 2005).

Darauf hin ordnete der Beklagte mit Schreiben vom 6. Juni 2009 die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens (MPU) wegen wiederholter Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss an; dabei wurde eine Trunkenheitsfahrt aus 1994, die Trunkenheitsfahrt als Radfahrer 2005 sowie das Unfallgeschehen im März 2009 angeführt. Nach Eingang einer anwaltlichen Stellungnahme dazu hob der Beklagte seine Anordnung jedoch mit Schreiben vom 11. September 2009 wieder auf.

Zwischenzeitlich hatte der Beklagte die Strafakte aus 2005 angefordert. Daraus ergab sich, dass die fahrlässige Trunkenheit im Verkehr mit einem Fahrrad am 28. Juli 2005 mit einer BAK von 1,83 Promille erfolgt war. Deshalb ordnete der Beklagte mit Schreiben vom 11. September 2009 erneut eine MPU an; diese war nunmehr gestützt auf § 13 Satz 1 Nr. 2c der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) wegen einer Trunkenheitsfahrt mit mehr als 1,6 Promille.

Dazu trug der Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 29. Oktober 2009 zusammengefasst vor, die Fahrradfahrt habe bereits nach wenigen Metern geendet; dies spreche gegen die Annahme einer hohen Alkoholgewöhnung. Auch müsse die Anordnung für eine MPU wegen des erheblichen Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht anlassbezogen und verhältnismäßig sein. Die Fahrt liege über 4 Jahre zurück und das Strafverfahren sei dem Beklagten schon lange bekannt. Weitere Eintragungen seien nicht vorhanden, so dass seit ca. 15 Jahren mit einem Kraftfahrzeug keine Auffälligkeiten erfolgt seien. Er sei beruflich wie finanziell in einer prekären Lage und als freier Journalist auf den Führerschein angewiesen. Mit persönlichem Schreiben vom 7. März 2010 vertiefte er diese Argumentation und bat, bis zum Abschluss einer gerichtlichen Prüfung den Vollzug einer Entziehungsverfügung auszusetzen.

Da der Kläger die angeordnete MPU nicht vorlegte, entzog der Beklagte ihm mit der hier angefochtenen Verfügung vom 17. März 2010 die Fahrerlaubnis, ordnete die sofortige Vollziehung aber nicht an. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass die Trunkenheitsfahrt mit dem Rad 2005 erst nach Einholung eines VZR-Auszuges im Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen aus März 2009 im Mai 2009 bekannt geworden und die Tilgungsfrist dieser Tat noch nicht abgelaufen sei. Mit weiterem Bescheid vom 17. März 2010 wurden Gebühren und Auslagen in Höhe von insgesamt 152,32 EUR festgesetzt.

Darauf hin hat der Kläger am 12. April 2010 die vorliegende Klage erhoben und dafür Prozesskostenhilfe beantragt.

Den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat das Gericht mit Beschluss vom 2. September 2010 abgelehnt, da die angefochtenen Bescheide aus den in ihnen angeführten Gründen rechtmäßig seien.

Zur Begründung der aufrecht erhaltenen Klage wiederholt und vertieft der Kläger seinen Vortrag aus dem Anhörungsverfahren, dass die Anforderung einer MPU über 4 Jahre nach der Tat nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg unzulässig und deshalb der Schluss auf seine Nichteignung rechtswidrig sei. Schon die Anforderung des VZR-Auszuges im Mai 2009 sei unzulässig gewesen, weil das Ermittlungsverfahren und das Bußgeldverfahren zu diesem Zeitpunkt bereits eingestellt gewesen seien. Auch spreche die Tatsache, dass er seit der Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad nunmehr mehr als 5 Jahre beanstandungsfrei am Straßenverkehr teilgenommen habe, gegen eine möglicherweise durch ihn bestehende Gefahr und dies sei realistischer als eine gutachterliche Prognose. Offenbar sehe dies auch der Beklagte so, da er von einer Vollziehungsanordnung abgesehen habe.

Der Kläger beantragt, die Entziehungsverfügung des Beklagten vom 17. März 2010 sowie den zugehörigen Gebührenbescheid vom 17. März 2010 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, und wiederholt die Gründe seiner Entziehungsverfügung.

Das Verfahren ist mit Beschluss vom 22. Dezember 2010 auf den Einzelrichter übertragen worden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Anfechtungsklage (§ 42 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO -) ist unbegründet, da die Entziehungsverfügung des Beklagten vom 17. März 2010 sowie der zugehörige Gebührenbescheid rechtmäßig sind und den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten verletzen, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Zur Begründung wird zunächst zwecks Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf die angefochtene Entziehungsverfügung sowie den Beschluss des Gerichts im Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe vom 2. September 2010 Bezug genommen, so dass von einer ausführlichen weiteren Darlegung der Sach- und Rechtslage abgesehen werden kann.

Im Hinblick auf den Vortrag des Klägers ist ergänzend anzumerken, dass rechtlich nicht zu beanstanden ist, dass der Beklagte wegen der Mitteilung der Staatsanwaltschaft I. hinsichtlich des Unfallgeschehens im März 2009 einen VZR-Auszug angefordert hat. Im Übrigen war offenbar zu diesem Zeitpunkt der hier zuständigen Führerscheinstelle des Beklagten weder von der Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft noch von der Einstellung der Bußgeldverfahrens durch die Bußgeldstelle etwas bekannt. Nach Aktenlage hat der Beklagte – aus welchen Gründen auch immer – auch erst durch diesen VZR-Auszug im Mai 2009 von der Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad aus 2005 Kenntnis erhalten, wobei sich aus diesem VZR-Auszug keine BAK – Angabe ergab. Erst durch Einsicht in die im Verlauf der Überprüfung der ersten (später wegen offensichtlicher Unrichtigkeit zurückgenommenen) MPU-Anordnung vom 6. Juni 2009 angeforderte Strafakte erfuhr der Beklagte, dass der Kläger bei der Trunkenheitsfahrt 2005 ein BAK von 1,83 Promille aufwies. Die hier zu Grunde liegende MPU-Aufforderung erfolgte dann zeitnah am 11. September 2009. Insofern ist der hier erhebliche Sachverhalt mit dem vom OVG Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 27. Februar 2007 (OVG 5 S 3.07, OVG 5 M 1.07) entschiedenen Fall nicht vergleichbar, da die dort erhebliche Trunkenheitsfahrt ca. 9 Jahre zurücklag, der Behörde schon ca. 5 Jahre bekannt und auf sie zeitnah bereits mit einer Verwarnung reagiert worden war. Auch das vom Kläger zitierte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Juni 2005 (3 C 25/04) ist vorliegend nicht einschlägig, da es einen anderen Sachverhalt (Betäubungsmittelkonsum) und eine andere Rechtsnorm (§ 14 FeV) betrifft.

Bei einer – noch verwertbaren – vgl. dazu innerhalb der Tilgungsfristen: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 10. Dezember 2010 – 10 S 2173/10 -, juris

Trunkenheitsfahrt (auch) mit dem Fahrrad mit einer BAK von 1,6 Promille oder mehr ist durch § 13 Satz 1 Nr. 2c FeV festgelegt, dass die Behörde eine MPU anzuordnen hat, ohne dass ihr insoweit ein Ermessensspielraum eingeräumt wäre. Deshalb ist auch der Zeitablauf von über 4 Jahren nach der Tat rechtlich nicht erheblich. Auch tatsächlich kann dieser Zeitraum nicht als „Bewährung“ angesehen werden, die eine Begutachtung entbehrlich machen könnte, da die Dunkelziffer bei Alkoholdelikten sehr hoch liegt und nahezu 1:600 betragen soll.

Deshalb ist vorliegend eine MPU zu Recht angeordnet worden. Da der Kläger diese nicht vorgelegt hat, ist die Entziehung seiner Fahrerlaubnis gemäß § 11 Abs. 8 FeV rechtmäßig.

Warum der Beklagte nicht – wie in vergleichbaren Fällen üblich – die sofortige Vollziehung der Entziehungsverfügung angeordnet hat, kann dahinstehen. Jedenfalls folgt daraus nicht, dass die Anordnung der MPU und damit auch die Entziehungsverfügung deshalb rechtswidrig wäre.

Hinsichtlich des weiter angefochtenen Gebührenbescheides vom 17. März 2010 sind gebührenspezifische Gründe für eine Rechtswidrigkeit weder vorgetragen noch ersichtlich.

Die Klage ist deshalb mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen; die Regelung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.

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