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Fahrerlaubnisentziehung – Gutachtensanordnung bei Verdacht auf gelegentlichen Cannabiskonsum

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof – Az.: 11 CS 19.1174 – Beschluss vom 06.12.2019

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung der ihm am 11. Dezember 2013 wiedererteilten Fahrerlaubnis der Klassen AM, B und L.

Am 23. Juli 2018 um 14:45 Uhr unterzog ihn die Polizei einer Verkehrskontrolle und stellte dabei drogentypische Auffälligkeiten fest. Eine um 15:37 Uhr entnommene Blutprobe enthielt nach der toxikologischen Untersuchung des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Bonn vom 10. August 2018 1,1 ng/ml Tetrahydrocannabinol (THC) und 10,4 ng/ml THC-COOH (THC-Metabolit). Der Antragsteller räumte gegenüber der Polizei ein, „ab und zu eine Tüte zu rauchen“, zuletzt vor ca. drei bis vier Wochen auf einem Festival.

Im Rahmen der Anhörung zur beabsichtigten Anordnung eines Fahreignungsgutachtens gab er bei einer Vorsprache beim Landratsamt Bad Kissingen an, fünf Tage vor der Polizeikontrolle in Holland „zum Abschalten“ konsumiert zu haben. Er sei der Ansicht gewesen, dass fünf Tage für den Cannabisabbau ausreichen würden.

Mit Schreiben vom 26. September 2018 gab das Landratsamt dem Antragsteller unter Hinweis auf den Sachverhalt vom 23. Juli 2018 und eine Fahrt unter dem Einfluss von THC am 14. November 2008, wegen der er am 26. Januar 2010 wegen eines Verstoßes gegen das Ordnungswidrigkeitengesetz rechtskräftig verurteilt worden war, auf, bis 10. Januar 2019 ein medizinisch-psychologisches Gutachten zu der Frage beizubringen, ob zu erwarten sei, dass er zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Einfluss von Cannabis oder dessen Nachwirkungen führen werde. Nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV könne die Fahrerlaubnisbehörde die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens verlangen, wenn wie hier eine gelegentliche Einnahme von Cannabis vorliege und weitere Tatsachen, wie der festgestellte THC-Wert von 1,1 mg/l, Zweifel an der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen begründeten. Bei der Ermessensentscheidung sei berücksichtigt worden, dass von Betäubungsmittelkonsumenten erhebliche Gefahren für den Straßenverkehr ausgingen. Zur Abklärung des künftigen Trennvermögens werde die Beibringung des Gutachtens für erforderlich gehalten. Deshalb werde der Antragsteller nach pflichtgemäßem Ermessen zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nach § 46 Abs. 3 i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 FeV i.V.m. Nr. 9.2.2 Anlage 4 zur FeV aufgefordert, um die Zweifel an seiner Fahreignung auszuräumen. Die Anordnung sei auch unter Berücksichtigung seines Vorbringens verhältnismäßig.

Mit Schreiben vom 23. November 2018 erinnerte das Landratsamt an die Vorlage der Einverständniserklärung zur Begutachtung und wies nochmals auf die Folgen einer Nichtbeibringung gemäß § 11 Abs. 8 FeV hin. In der Folge wurden die Akten an eine vom Antragsteller ausgewählte Begutachtungsstelle versandt, jedoch kein Gutachten vorgelegt. Daraufhin entzog das Landratsamt dem Antragsteller mit Bescheid vom 3. Mai 2019 gestützt auf § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV die Fahrerlaubnis, zog den Führerschein ein und forderte ihn unter Androhung eines Zwangsgeldes auf, seinen Führerschein unverzüglich, spätestens bis 15. Mai 2019 beim Landratsamt abzugeben. Des Weiteren ordnete es die sofortige Vollziehung dieser Verfügungen an. Eine Abgabe des Führerscheins ist den Akten nicht zu entnehmen.

Am 10. Mai 2019 beantragte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Würzburg gemäß § 80 Abs. 5 VwGO die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage (W 6 K 19.550) vom selben Tag, über die noch nicht entschieden ist, und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, die Entziehung der Fahrerlaubnis sei weder mit dem Grundsatz der Rechtmäßigkeit der Verwaltung noch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar. Die Behörde meine, auf die fehlende Fahreignung des Antragstellers schließen zu können, weil das gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV angeforderte Gutachten nicht fristgerecht beigebracht worden sei. Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass die Gutachtensanordnung einen Hinweis entsprechend § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV enthalten habe. Darüber hinaus sei auch die Beibringungsaufforderung gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV rechtswidrig, die eine gelegentliche Einnahme von Cannabis und weitere Eignungszweifel begründende Tatsachen voraussetze. Die gelegentliche Einnahme von Cannabis stehe nicht fest. Behördliche Feststellungen zum Konsummuster des Antragstellers fehlten vollständig. Der einmalige Konsum vor dem 23. Juli 2018 rechtfertige diese Annahme ebenso wenig wie die Ergebnisse der rechtsmedizinischen Blutuntersuchung. Nach gegenwärtigen wissenschaftlichen Erkenntnissen sei eine Abgrenzung zwischen einmaligem und gelegentlichem Konsum von Cannabis bei anlassbezogener Blutentnahme zeitnah zur Verkehrsteilnahme im Bereich eines THC-COOH-Werts bis zu 100 ng/ml nicht möglich. Im Zeitpunkt der Beibringungsanordnung sei der Antragsgegner allein befugt gewesen, gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV ein ärztliches Gutachten zur Klärung anzuordnen, ob überhaupt gelegentlicher Cannabiskonsum unterstellt werden könne.

Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag mit Beschluss vom 28. Mai 2019 ab. Die auf § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV gestützte Gutachtensanordnung sei rechtmäßig. Bei dem Antragsteller handle es sich um einen zumindest gelegentlichen Cannabiskonsumenten. Zwar habe das Landratsamt in dem angefochtenen Bescheid lediglich den Vorfall vom 23. Juli 2018 erwähnt. Aus der Behördenakte ergäben sich jedoch ausreichende Hinweise auf weitere Konsumakte, was im Hinblick darauf, dass der Entzug der Fahrerlaubnis nach § 46 Abs. 1 i.V.m. § 11 Abs. 8 FeV eine gebundene Entscheidung sei, ausreiche. Bereits in der Beibringungsanordnung werde auf die nachgewiesene Fahrt unter Cannabiseinfluss am 14. November 2008 hingewiesen. Weiter habe der Antragsteller bei seiner Vorsprache am 24. September 2018 und davor gegenüber der Polizei eingeräumt, in Holland Cannabis konsumiert zu haben bzw. „ab und zu eine Tüte zu rauchen“. Hieran müsse er sich festhalten lassen. Nach obergerichtlicher Rechtsprechung seien bei gelegentlichen Cannabiskonsumenten nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV zunächst weitere Aufklärungsmaßnahmen zu ergreifen. Auch im Übrigen sei die Gutachtensanordnung formell und materiell rechtmäßig.

Mit seiner Beschwerde, der der Antragsgegner entgegentritt, macht der Antragsteller geltend, die Begründung, mit der das Verwaltungsgericht die Annahme gelegentlichen Cannabiskonsums stütze, halte einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Gericht bestätige zwar, dass weder aus der einmaligen Drogenfahrt am 23. Juli 2018 noch aus den festgestellten Blutwerten ein gelegentlicher Cannabiskonsum abgeleitet werden könne, unterstelle diesen aber gleichwohl. Insoweit werde als verfahrensfehlerhaft gerügt, dass der Antragsteller vor einer Entscheidung nicht zum Inhalt der Behördenakte gehört bzw. dass die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung getroffen worden sei, zumal dem Antragsteller der Inhalt der Behördenakte denknotwendig nicht habe bekannt sein können. Außerdem rechtfertige der Akteninhalt nicht die Annahme eines gelegentlichen Cannabiskonsums, da es zwischen den Fahrten aus dem Jahr 2008 und 2018 an einen zeitlichen Zusammenhang fehle. Auch die Angabe gegenüber der Verkehrspolizei, er sei fünf Tage vor der Verkehrskontrolle in Holland gewesen, ändere an der Bewertung nichts. Der einmalige Konsum in Holland habe offensichtlich zu den am 23. Juli 2018 getroffenen polizeilichen Feststellungen geführt, an der Einmaligkeit des Vorgangs jedoch nichts geändert. Der Antragsgegner wäre nur zur Anordnung eines ärztlichen Gutachtens gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV befugt gewesen. Aus der Nichtvorlage des Gutachtens habe deshalb nicht gemäß § 11 Abs. 8 FeV auf eine fehlende Kraftfahreignung geschlossen werden dürfen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern oder aufzuheben wäre.

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses zuletzt geändert durch Gesetz vom 8. April 2019 (BGBl I S. 430), und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), im maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Verordnung vom 11. März 2019 (BGBl I S. 218), hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 3 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 FeV). Im Falle einer gelegentlichen Einnahme von Cannabis ist nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV die Kraftfahreignung gegeben, wenn der Konsum und das Fahren getrennt werden, kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen besteht und keine Störung der Persönlichkeit oder Kontrollverlust vorliegt. Begründen weitere Tatsachen, wie ein Verstoß gegen das Trennungsgebot, Zweifel an der Eignung, kann die Fahrerlaubnisbehörde nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anordnen. Nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV darf sie ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn dieser sich weigert, sich untersuchen zu lassen, oder wenn er das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Der Schluss aus der Nichtvorlage eines angeforderten Fahreignungsgutachtens auf die fehlende Fahreignung ist gerechtfertigt, wenn die Anordnung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – NJW 2017, 1765 = juris Rn. 19 m.w.N.).

Der Einwand des Antragstellers, der Akteninhalt rechtfertige mangels eines zeitlichen Zusammenhangs zwischen den Fahrten aus dem Jahr 2008 und 2018 nicht die Annahme eines gelegentlichen Cannabiskonsums, geht an der Sache vorbei. Denn das Gericht hat auch aus den bei der Vorsprache beim Landratsamt am 24. September 2018 und zuvor gegenüber der Polizei gemachten Angaben des Antragstellers, „ab und zu eine Tüte zu rauchen“, zuletzt vor ca. drei bis vier Wochen, auf einen zeitnahen mehrmaligen Cannabiskonsum geschlossen, so dass aus seiner Sicht nicht entscheidungserheblich war, ob zwischen der Verkehrsordnungswidrigkeit aus dem Jahr 2008 und dem nachgewiesenen Cannabiskonsum vor der Fahrt am 23. Juli 2018 noch ein hinreichender zeitlicher Zusammenhang besteht. Die vom Antragsteller kritisierte Auslegung seiner Angaben zu seinem Cannabiskonsum im Sommer 2018 ist nicht zu beanstanden. Gelegentlicher Konsum von Cannabis ist nach ständiger Rechtsprechung (vgl. BVerwG, U.v. 11.4.2019 – 3 C 14.17 – NJW 2019, 3395 = juris Rn. 14; BayVGH, U.v. 25.4.2017 – 11 BV 17.33 – DAR 2017, 417 = juris Rn. 17) gegeben, wenn der Betroffene in zwei oder mehr selbstständigen Konsumvorgängen Cannabis zu sich genommen hat und diese Konsumvorgänge einen gewissen, auch zeitlichen Zusammenhang aufweisen. Entgegen der Ansicht des Antragstellers lassen sich seine unterschiedlichen aktenkundigen Angaben nicht mit der Behauptung eines einmaligen Cannabiskonsums in Einklang bringen. Nach dem objektiven Erklärungsgehalt (§ 133, § 157 BGB) der Wendung, „ab und zu eine Tüte zu rauchen“, ist damit ein über den zusätzlich angegebenen Zeitpunkt des letzten Konsums hinausgehendes Muster des gelegentlichen Cannabiskonsums bezeichnet. Ferner ist es aufgrund unterschiedlicher Zeit- und Ortsangaben zum letzten Konsum (vor „fünf Tagen“ bzw. „drei bis vier Wochen“ jeweils vor der Verkehrskontrolle; „auf einem Festival“ bzw. „in Holland“) nicht möglich, dass nur ein Konsumakt eingeräumt worden ist. Ein Motiv dafür, dass sich der Antragsteller gegenüber verschiedenen Behördenvertretern fälschlicherweise zweimal selbst bezichtigt haben sollte, ist weder genannt noch erkennbar. Außerdem muss – nachdem beide Behauptungen über den Zeitpunkt des letzten Konsums in Anbetracht des im Blut nachgewiesenen Wirkstoffs offensichtlich nicht zutreffen können (vgl. Möller in Hettenbach/Kalus/Möller/Pießkalla/Uhle, Drogen und Straßenverkehr, 3. Aufl. 2016, § 3 Rn. 127 f., 175 ff. zum Abbau und der zeitlichen Nachweisbarkeit von Cannabis im Blut) – den Feststellungen im rechtsmedizinischen Gutachten vom 10. August 2018 notgedrungen ein weiterer Konsumakt zugrunde liegen, den der Antragsteller nicht zugegeben hat.

Bei der Wertung, dass er mindestens zweimal Cannabis konsumiert hat, handelt es sich nicht um eine Unterstellung, sondern um einen Akt der Beweiswürdigung. Zwar ist die Gelegentlichkeit des Cannabiskonsums ein Tatbestandsmerkmal, für das die Fahrerlaubnisbehörde die materielle Beweislast trägt, mit der Folge, dass eine etwaige Nichterweislichkeit zu ihren Lasten geht. Doch ist vor dem Hintergrund des – hier mit der Beschwerde behaupteten – äußerst seltenen Falles, dass ein mit den Wirkungen der Droge noch völlig unerfahrener Erstkonsument bereits wenige Stunden nach dem Konsum ein Kraftfahrzeug führt und dann auch noch trotz der geringen Dichte der polizeilichen Verkehrsüberwachung in eine Verkehrskontrolle gerät, die Polizei drogentypische Auffälligkeiten feststellt und einen Drogentest durchführt, im Rahmen der Beweiswürdigung die Annahme gerechtfertigt, dass ohne substantiierte Darlegung des Gegenteils nicht von einem einmaligen Konsum ausgegangen werden muss (vgl. BayVGH, B.v. 13.5.2013 – 11 ZB 13.523 – NJW 2014, 407 = juris Rn. 25 m.w.N.; U.v. 13.12.2017 – 11 BV 17.1876 – juris Rn. 18 m.w.N.; OVG NW, U.v. 15.3.2017 – 16 A 432/17 – Blutalkohol 54, 328 = juris Rn. 47 ff. m.w.N.). Kommt es wie hier zu widersprüchlichen Einlassungen oder unterlässt es ein Beteiligter, ohne zureichenden Grund, seinen Teil zur Sachaufklärung beizutragen, obwohl ihm das ohne weiteres möglich und zumutbar ist und er sich der Erheblichkeit der in Rede stehenden Umstände bewusst sein muss, kann dieses Verhalten je nach den Gegebenheiten des Falles bei der Beweiswürdigung zu seinen Lasten berücksichtigt werden. Das Verwaltungsverfahren kennt zwar ebenso wie der Verwaltungsprozess grundsätzlich keine Behauptungslast und Beweisführungspflicht des Betroffenen, da Behörden und Verwaltungsgerichte den entscheidungserheblichen Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln haben (vgl. § 86 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 VwGO), jedoch sollen die Beteiligten bei der Sachaufklärung mitwirken bzw. sind sie hierzu nach § 86 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 VwGO heranzuziehen (BayVGH, B.v. 13.5.2013, a.a.O. m.w.N.).

Auch hatte der Antragsgegner mit der Befragung des Antragstellers seine Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft. Mit seiner diesbezüglichen Rüge hat der Antragsteller nicht aufgezeigt, welche weiteren Möglichkeiten der Fahrerlaubnisbehörde zur Aufklärung seines Drogenkonsummusters über die erfolgte Anordnung eines Gutachtens hinaus zur Verfügung gestanden hätten.

Ebenfalls unerheblich ist, ob neben den Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV auch die Voraussetzungen für eine Anordnung eines ärztlichen Gutachtens gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV vorgelegen hätten, da § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV im Falle feststehenden gelegentlichen Cannabiskonsums die speziellere Rechtsgrundlage ist und Gegenstand der Gutachtensanordnung die durch einen Psychologen zu beurteilende Einhaltung des Trenngebots sein sollte.

Schließlich hat das Verwaltungsgericht auch nicht den Anspruch des Antragstellers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) verletzt, indem es ihn nicht „zum Inhalt der Behördenakte“ gehört und ohne mündliche Verhandlung entschieden hat. Eine Anhörung zum Akteninhalt ist gesetzlich nicht vorgesehen. Vielmehr haben die Beteiligten im gerichtlichen Verfahren ein Recht auf Akteneinsicht (§ 100 VwGO), wobei es ihnen obliegt, dieses durch entsprechenden Antrag geltend zu machen. Der Antragsteller hat indes nicht dargelegt, dass er einen Antrag gestellt hat, dem die Behörde nicht entsprochen hat. Ein Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht ist auch weder den Behörden- noch den Gerichtsakten zu entnehmen (vgl. BVerwG, B.v. 22.4.2008 – 8 B 103.07 – juris Rn. 3 f. zu den insoweit zu entfaltenden Bemühungen). Gemäß § 101 Abs. 3 VwGO kann das Gericht in einem durch Beschluss endenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Art. 103 Abs. 1 GG gewährt keinen Anspruch auf eine mündliche Verhandlung (BVerfG, B.v. 24.3.1987 – 2 BvR 677/86 – NJW 1987, 2219/2220). Darüber, ob eine mündliche Verhandlung entbehrlich ist, entscheidet das Gericht nach seinem Ermessen (BVerwG, B.v. 16.12.1999 – 4 CN 9.98 – juris Rn. 7). Im Hinblick darauf, dass es in Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO lediglich um die Überprüfung einer Anordnung des Sofortvollzugs und nicht der Rechtmäßigkeit der Entscheidung selbst geht, über die endgültig erst im Klageverfahren aufgrund mündlicher Verhandlung durch Urteil entschieden wird, ist die Ausübung des gerichtlichen Ermessens dahin, im Eilverfahren grundsätzlich ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, nicht zu beanstanden.

Im Hinblick auf das noch zu entscheidende Klageverfahren weist der Senat jedoch darauf hin, dass das Landratsamt bereits aus Rechtsgründen, nämlich wegen Tilgung, an der Verwertung der Ordnungswidrigkeit aus dem Jahr 2008 gehindert war und dass das Verwaltungsgericht die Gutachtensanordnung nicht durch eine nachträgliche Ergänzung der Begründung „heilen“ konnte. Allerdings konnte der Senat dies – weil vom Antragsteller nicht ansatzweise angesprochen bzw. gerügt – nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auch nicht prüfen und zur Grundlage der Beschwerdeentscheidung machen. Da Entscheidungen wegen Ordnungswidrigkeiten nach § 24a StVG spätestens fünf Jahre nach Rechtskraft der Entscheidung zu tilgen sind (§ 65 Abs. 3 Nr. 2 Satz 3 StVG), hätte die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrt vom 14. November 2008 im Zeitpunkt der Gutachtensanordnung nicht mehr zum Nachteil des Antragstellers verwerten dürfen (§ 29 Abs. 7 Satz 1 StVG). Die Gutachtensanordnung war aus diesem Grund fehlerhaft und damit nicht geeignet, den Schluss gemäß § 11 Abs. 8 FeV zu tragen und eine Entziehung der Fahrerlaubnis zu rechtfertigen. Eine unberechtigte Aufforderung zur Gutachtensbeibringung kann nicht dadurch „geheilt“ werden, dass die Behörde oder – wie hier – das Verwaltungsgericht nachträglich darlegt, objektiv hätten im maßgeblichen Zeitpunkt Umstände vorgelegen, die Anlass zu Zweifeln an der Fahreignung gegeben hätten (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – BVerwGE 156, 293 = juris Rn. 21; U.v. 5.7.2001 – 3 C 13.01 – NJW 2002, 78 Rn. 26 f.; BayVGH, B.v. 16.8.2018 – 11 CS 17.1940 – juris Rn. 21 m.w.N.). Eine Ergänzung der Aufforderung ist nur möglich, solange ein Gutachten noch nicht erstellt und die Fahrerlaubnis noch nicht entzogen worden ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2018 a.a.O. m.w.N.). Dies hindert die Fahrerlaubnisbehörde freilich nicht, die fehlerhafte Gutachtensanordnung durch eine neue mit zutreffender Begründung zu ersetzen (vgl. BVerwG, U.v. 5.7.2001 a.a.O. Rn. 27).

Nicht entscheidungserheblich ist daher der ebenfalls nicht gerügte Umstand, dass das Landratsamt in der Gutachtensanordnung unterschiedliche Rechtsgrundlagen zitiert hat, nämlich eingangs der Rechtsausführungen § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV und nachfolgend im Rahmen der Ermessenserwägungen § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 FeV, wobei es sich möglicherweise um eine unschädliche offenbare Unrichtigkeit im Sinne von Art. 42 BayVwVfG handelt (vgl. Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl. 2019, § 42 Rn. 1, 23).

Damit war die Beschwerde mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1 und Nr. 46.3 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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