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Fahrerlaubnisentziehung – Gestattung Wohnungsdurchsuchung zur Sicherstellung

VG München – Az.: M 1 V 15.5036 – Beschluss vom 05.04.2016

I. Dem Antragsteller wird es gestattet, durch Beiziehung von Polizeivollzugsbeamten die vom Antragsgegner bewohnten Räume, …, … zu betreten und zu durchsuchen, verschlossene Türen und Behältnisse zu öffnen und zu durchsuchen, um den Führerschein Listennummer …, Vordrucknummer … aufzufinden und einzuziehen.

II. Die Anordnung ist bis zum 30. Juni 2016 befristet und dient zur Sicherstellung des genannten Führerscheins.

III. Der Antragsteller wird mit der Zustellung dieses Beschlusses an den Antragsgegner beauftragt; die Zustellung ist zu dokumentieren und gegenüber dem Gericht nachzuweisen.

IV. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.

Dem Antragsgegner wurde mit Bescheid des Landratsamts Altötting vom 29. November 2011 die Fahrerlaubnis entzogen. Zugleich wurde er in Nr. 2 des Bescheids verpflichtet, den Führerschein mit der Listennummer …, Vordrucknummer …, unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche nach Zustellung des Bescheids, im Landratsamt abzugeben. Der Bescheid ist bestandskräftig geworden.

Der Antragsgegner ist seiner Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins nicht nachgekommen. Das in Höhe von 500 Euro für den Fall der Nichtbefolgung der Ablieferungsverpflichtung angedrohte Zwangsgeld blieb wirkungslos, weil der Antragsgegner seine Post nicht öffnete und somit von der Fälligstellung mit Schreiben vom 28. Dezember 2011 nicht Kenntnis nahm.

Mit Bescheid vom 9. Januar 2012 wurde dem Antragsgegner die Sicherstellung des Führerscheins mittels unmittelbaren Zwangs durch Beauftragung der Polizei angedroht. Zwei Amtshilfeersuchen an die Polizeiinspektion Altötting vom …. Januar 2012 und …. Januar 2014 führten ebenfalls nicht zum Erfolg, denn der Antragsgegner konnte nicht angetroffen werden.

Unter dem 3. November 2015 hat das Landratsamt Altötting sinngemäß beantragt, die Wohnungsdurchsuchung beim Antragsgegner, …, …, zur Sicherstellung des Führerscheins Listennummer …, Vordrucknummer … richterlich zu gestatten.

Die Maßnahme sei erforderlich und verhältnismäßig, um die Ablieferung des Führerscheins durchzusetzen. Dadurch solle verhindert werden, dass der Antragsgegner den Anschein erwecken könne, die Fahrerlaubnis zu besitzen, die ihm in Wahrheit wegen der Nichtbeibringung eines aufgrund massiver psychischer Auffälligkeiten geforderten Fahreignungsgutachtens entzogen worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die Behördenakte Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag hat Erfolg.

Der Antrag auf richterliche Anordnung der Wohnungsdurchsuchung ist statthaft. Gemäß Art. 37 Abs. 3 Satz 1 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und -vollstreckungsgesetz (VwZVG) sind die zuständigen Bediensteten der Vollstreckungsbehörde sowie Polizeibeamte befugt, die Wohnung des Pflichtigen zu betreten sowie verschlossene Türen und Behältnisse zu öffnen. Im Hinblick auf Art. 13 Abs. 2 Grundgesetz (GG), wonach Wohnungsdurchsuchungen außer in dem hier nicht einschlägigen Fall der Gefahr in Verzug nur durch den Richter angeordnet werden dürfen, ist diese Vorschrift in verfassungskonformer Auslegung um einen Richtervorbehalt zu ergänzen (vgl. BVerfG B.v. 3.4.1979 – 1 BvR 994/76 – BVerfGE 51, 97; BVerfG B.v. 17.3.2009 – 2 BvR 1940/05 – NJW 2009, 2516).

Der Antrag ist auch begründet, denn die Voraussetzungen für die Erteilung der richterlichen Gestattung, die Wohnung des Antragsgegners zum Zwecke der Sicherstellung seines Führerscheins zu durchsuchen, liegen vor.

Bei der Anordnung in Nr. 2 des Bescheids vom 29. November 2011, den Führerschein unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche nach Zustellung des Bescheids bei der Fahrerlaubnisbehörde des Landratsamts abzugeben, handelt es sich um einen Verwaltungsakt, der der Vollstreckung mit den Mitteln des Verwaltungszwangs zugänglich ist. Die Pflicht zur Ablieferung des Führerscheins ist im Sinne von Art. 19 VwZVG vollziehbar, da dieser Verwaltungsakt nach Aktenlage bestandskräftig geworden ist.

Der Antragsgegner ist dem Rechtsbefehl gemäß Nr. 2 des Bescheids vom 29. November 2011 bisher nicht nachgekommen (Art. 19 Abs. 2 VwZVG). Der unmittelbare Zwang wurde mit Bescheid des Landratsamts vom 9. Januar 2012 ordnungsgemäß angedroht. Nachdem der Antragsgegner seinen Führerschein nicht abgeliefert hat, ist damit zu rechnen, dass er ihn weiterhin dazu nutzt, den Anschein zu erwecken, dass er eine gültige Fahrerlaubnis besitzt. Die Gefahr, dass der Antragsgegner, der gemäß § 11 Abs. 8 Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen gilt, weil er ein vom Landratsamt zu Recht gefordertes Fahreignungsgutachten nicht beigebracht hat, weiterhin Kraftfahrzeuge führt, kann durch die Einziehung seines Führerscheins zumindest verringert werden.

Die Durchsuchung der Wohnung des Antragsgegners zum Zwecke des Auffindens des herauszugebenden Führerscheins ist nicht unverhältnismäßig. Ein Mittel, das weniger in seine Rechte eingreift aber gleichermaßen geeignet wäre, den Zweck der Maßnahme – das Auffinden und Sicherstellen des Führerscheins – zu ermöglichen, ist nicht erkennbar. Wiederholte Versuche der Polizei, den Antragsgegner anzutreffen und zur Herausgabe des Führerscheins zu bewegen, sind erfolglos geblieben. Angesichts des hohen Gefährdungspotentials, das vom Antragsgegner ausgeht, wenn er ungehindert am Straßenverkehr teilnimmt, wird das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung durch eine kurzzeitige Durchsuchung nicht unverhältnismäßig eingeschränkt, zumal der Antragsgegner einer Durchsuchung durch die freiwillige Herausgabe seines Führerscheins zuvorkommen kann.

Weil die richterliche Prüfung einer Wohnungsdurchsuchung die Einhaltung der rechtlichen Grundlagen nicht für unabsehbare Zeit gewährleisten kann, ist die Durchsuchungsanordnung zu befristen.

Da der Vollstreckungserfolg möglicherweise gefährdet wäre, wenn der Beschluss dem Antragsgegner vor der Durchsuchung zugestellt würde, ist die in Nummer III. des Tenors ausgesprochene Regelung sinnvoll, die Behörde mit der Zustellung des Beschlusses an den Antragsgegner zu beauftragen (§ 173 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – i.V.m. § 168 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO – analog).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

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