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Fahrerlaubnisentziehung – Fristverlängerung für Vorlage angefordertes Fahreignungsgutachten

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof – Az.: 11 CS 19.2069 – Beschluss vom 29.11.2019

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert wird auf 7.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen 1, 1a, 1b, 3, 4 und 5 (alt), die ihm in den Jahren 1983 (Klasse 1b), 1985 (Klasse 1) und 1986 (Klasse 3) erteilt wurde.

Die Polizeiinspektion Weißenhorn teilte dem Landratsamt Günzburg (im Folgenden: Landratsamt) mit Schreiben vom 13. Dezember 2014 mit, der Antragsteller habe am 15. Oktober 2014 mit einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von 0,62 Promille mit einem Kraftfahrzeug am Straßenverkehr teilgenommen.

Die Polizeiinspektion Krumbach teilte dem Landratsamt mit Schreiben vom 28. Februar 2017 mit, der Antragsteller habe am 28. Februar 2017 mit einer Atemalkoholkonzentration (AAK) von 0,26 mg/l ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr geführt.

Daraufhin forderte das Landratsamt den Antragsteller mit Schreiben vom 2. März 2017 auf, bis 16. Mai 2017 ein Fahreignungsgutachten nach § 13 Satz 1 Nr. 2b FeV beizubringen. Mit einem ersten Gutachten war der Antragsteller nicht einverstanden. Daraufhin gestattete das Landratsamt, dass er ein weiteres Gutachten einholt. Nach mehrfacher Fristverlängerung legte der Antragsteller ein Gutachten der Avus GmbH Buchloe vom 11. Dezember 2017 vor, mit dem festgestellt wurde, er könne das Führen von Kraftfahrzeugen und einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher trennen.

Das Landratsamt entzog ihm deshalb mit Bescheid vom 10. April 2018 sofort vollziehbar die Fahrerlaubnis. Das Verwaltungsgericht Augsburg stellte mit Beschluss vom 25. Mai 2018 (Au 7 S 18.693) die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen diesen Bescheid wieder her, da das Gutachten nicht nachvollziehbar sei. Die dagegen erhobene Beschwerde des Antragsgegners hat der Senat mit Beschluss vom 7. August 2018 (11 CS 18.1270) zurückgewiesen.

Daraufhin nahm das Landratsamt den Bescheid vom 10. April 2018 mit Bescheid vom 10. September 2018 zurück und forderte den Antragsteller mit Schreiben vom 20. September 2018 erneut nach § 13 Satz 1 Nr. 2b FeV auf, bis 11. Dezember 2018 ein Eignungsgutachten vorzulegen. Am 12. November 2018 ging die vom Antragsteller unterzeichnete Erklärung beim Landratsamt ein, dass er die pima-mpu GmbH beauftragen wolle. Daraufhin versandte das Landratsamt die Akten am 12. November 2018 und verlängerte am 12. Dezember 2018 die Frist zur Beibringung des Gutachtens bis zum 29. März 2019, da der Antragsteller geltend machte, er sei an der Hand operiert worden und könne deshalb keinen Reaktionstest absolvieren.

Am 28. März 2019 beantragte der Antragsteller unter Vorlage einer aktuellen Krankmeldung, die Vorlagefrist bis 30. Juni 2019 zu verlängern. Er habe krankheitsbedingt den für 19. März 2019 vorgesehenen Begutachtungstermin bei der pima-mpu GmbH absagen müssen. Aus der übersandten Krankmeldung ergibt sich, dass der Antragsteller an einer Somatisierungsstörung (ICD 10: F45.0), Unwohlsein und Ermüdung (ICD 10: R53) leide. Mit Schreiben vom 1. April 2019 lehnte das Landratsamt eine weitere Fristverlängerung zur Vorlage des Gutachtens ab und hörte den Antragsteller zur Entziehung seiner Fahrerlaubnis an.

Daraufhin legte der Antragsteller ein hausärztliches Attest vom 13. April 2019 vor, aus dem sich ergibt, dass er am 16. März 2019 ein psychisches Trauma erlitten habe und auf Grund seiner psychischen Dekompensation seit 16. März 2019 arbeits-, verhandlungs- und prüfungsunfähig sei. Zudem legte er noch eine Bestätigung einer Praxis für Verkehrspsychotherapie vom 14. März 2019 vor, aus der hervorgeht, dass er durch acht Einzelsitzungen sein Verhalten im Straßenverkehr aufgearbeitet habe und über Trennvermögen verfüge.

Das Landratsamt forderte den Hausarzt auf, die genauen Diagnosen und den Zeitraum anzugeben, wann eine medizinisch-psychologische Begutachtung erfolgen könne. Der Hausarzt teilte am 23. April 2019 mit, der Antragsteller leide an einem Überlastungssyndrom bei familiärer Problematik und sei in psychologischer Behandlung. Eine medizinisch-psychologische Begutachtung sollte Ende Mai möglich sein. Der behandelnde Psychologe attestierte am 29. April 2019, dass sich beim Antragsteller schwerwiegende depressiv-psychosomatische und körperlich akute Probleme zeigten, da er durch eine unerwartete, schwere Trennungssituation massiv dekompensiert sei. Auf Grund des psychischen Zusammenbruchs habe er den Termin zur MPU nicht wahrnehmen können, eine Verschiebung um drei bis sechs Monate sei dringend empfehlenswert.

Daraufhin ordnete das Landratsamt am 13. Mai 2019 die Vorlage eines fachärztlichen Gutachtens bis 23. Juli 2019 an. Es sei zu klären, ob beim Antragsteller eine Erkrankung nach Nr. 7 der Anlage 4 zur FeV vorliege und er trotz der Erkrankung die körperlichen und geistigen Anforderungen an das sichere Führen von Kraftfahrzeugen erfülle. Beigefügt war eine Auflistung der Begutachtungsstellen für Fahreignung im Umkreis. Zudem wies das Landratsamt darauf hin, dass die Aufforderung zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens bestehen bleibe. Innerhalb einer Woche solle der Antragsteller mitteilen, bei welcher Begutachtungsstelle er die Untersuchung absolvieren wolle. Mit Schreiben vom 27. Mai 2019 erklärte sich der Antragsteller mit einer Begutachtung durch die Avus GmbH in Buchloe einverstanden. Das Landratsamt übersandte die Akten am 3. Juni 2019 an die Avus GmbH. Mit Schreiben vom 18. Juni 2019 schickte die Avus GmbH die Akten zurück und teilte mit, es sei wegen Befangenheit nicht möglich, einen Gutachtensauftrag für den Antragsteller anzunehmen. Das Landratsamt forderte den Antragsteller deshalb mit einer E-Mail an seinen Prozessbevollmächtigten am 26. Juni 2019 auf, zeitnah eine neue Begutachtungsstelle zu benennen. Am 19. Juli 2019 teilte der Antragsteller mit, er sei mit einer Begutachtung durch die TÜV SÜD Life Service GmbH einverstanden und beantragte die Verlängerung der Vorlagefrist bis zum 30. September 2019. Es habe so lange gedauert, da zuerst der Prozessbevollmächtigte und dann der Antragsteller im Urlaub gewesen seien.

Mit Schreiben vom 23. Juli 2019, ausgelaufen am 23. Juli 2019, gemäß Empfangsbekenntnis am 30. Juli 2019 vom Prozessvertreter des Antragstellers empfangen, hörte das Landratsamt den Antragsteller zur Entziehung seiner Fahrerlaubnis an, da kein Gutachten eines Facharztes bei einer Begutachtungsstelle für Fahreignung vorgelegt worden sei. Es wurde Gelegenheit gegeben, bis zum 31. Juli 2019 Stellung zu nehmen. Mit E-Mail vom 30. Juli 2019 beschwerte sich der Prozessvertreter, die Anhörungsfrist von einem sei Tag zu kurz und die Frist zur Vorlage eines Gutachtens sei auch erst am 23. Juli 2019 abgelaufen. Diese Frist hätte auch verlängert werden müssen. Eine Fristverlängerung für die Äußerung zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis beantragte er nicht.

Mit Bescheid vom 14. August 2019 entzog das Landratsamt dem Antragsteller die Fahrerlaubnis wegen Nichtvorlage eines Eignungsgutachtens und ordnete unter Androhung eines Zwangsgelds die unverzügliche Vorlage des Führerscheins sowie die sofortige Vollziehung an. Es könne nach § 11 Abs. 8 FeV auf die Ungeeignetheit des Antragstellers geschlossen werden, da er das zu Recht angeordnete ärztliche Gutachten nicht fristgerecht vorgelegt habe. Am 22. August 2019 gab der Antragsteller seinen Führerschein ab.

Über die Klage gegen den Bescheid vom 14. August 2019 (Au 7 K 19.1294) hat das Verwaltungsgericht Augsburg nach Aktenlage noch nicht entschieden. Den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 18. September 2019 abgelehnt. Das rechtmäßig angeordnete ärztliche Gutachten sei nicht fristgerecht vorgelegt worden. Die Vorlagefrist sei ausreichend bemessen und eine (weitere) Verlängerung nicht notwendig gewesen. Der Antragsteller habe sich nicht ernsthaft bemüht, sich begutachten zu lassen. Die Interessenabwägung falle zu seinen Lasten aus.

 

Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde, der der Antragsgegner entgegentritt. Der Antragsteller macht geltend, die Anordnung zur Vorlage eines ärztlichen Gutachtens sei rechtswidrig gewesen. Den durch den Hausarzt erstellten und vorgelegten Diagnosen könne kein Hinweis auf eine Manie oder schwere Depression entnommen werden. Zur Glaubhaftmachung legte er ein Attest des Hausarztes vom 15. Oktober 2019 vor. Auch das Attest des Psychologen vom 29. April 2019 sei nicht geeignet, Zweifel an seiner Fahrgeeignetheit hervorzurufen. Zur Glaubhaftmachung legte er ein Attest des Psychologen vom 16. Oktober 2019 vor. Das erstinstanzliche Gericht habe einfach aufgrund angeblicher eigener Sachkunde auf das eventuelle Vorliegen einer Manie oder schweren Depression geschlossen. Die Frist zur Vorlage eines ärztlichen Gutachtens von neun Wochen sei zwar grundsätzlich angemessen, es müssten aber die Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden. Hier sei zu beachten, dass die zuerst benannte Avus GmbH die Erstellung eines Gutachtens abgelehnt habe. Damit habe der Antragsteller nicht rechnen müssen und er habe die dadurch hervorgerufene Verzögerung nicht zu vertreten. Die Behörde habe das Verfahren auch nicht zügig betrieben, da schon Mitte April bekannt gewesen sei, welche Diagnosen hinsichtlich des Antragsteller vorlagen, die Begutachtung aber erst Mitte Mai angeordnet worden sei. Im Übrigen hätte der Antragsgegner die Begutachtungsstelle auch selbst bestimmen können, dann hätte eine schnellere Klärung herbeigeführt werden können. Demgegenüber habe der Antragsgegner gefordert, dass der Antragsteller ein Formular ausfüllen und zurücksenden müsse. Das Verwaltungsgericht werfe dem Antragsteller vor, er habe sich nicht hinreichend um eine Begutachtung bemüht. Nachdem die Begutachtungsstelle aber nicht direkt von ihm, sondern vom Antragsgegner beauftragt werde, sei es ihm überhaupt nicht möglich gewesen, sich mehr zu bemühen. Selbst wenn er unmittelbar nach dem 26. Juni 2019 das Formular zurückgesandt hätte, wäre es nicht möglich gewesen, bis zum 23. Juli 2019 ein Gutachten beizubringen. Auch dann hätte eine Fristverlängerung gewährt werden müssen. Der Antragsgegner habe aber das am 19. Juli 2019 übermittelte Formular überhaupt nicht weitergeleitet. Solange der Antragsgegner das Gutachten nicht in Auftrag gebe, könne er dem Antragsteller nicht vorwerfen, dass er es nicht vorgelegt habe. Die Avus GmbH habe auch den Vorschuss erst am 17. Juli 2019 zurückbezahlt. Er sei nicht verpflichtet, mehrere Vorschüsse gleichzeitig zu bezahlen. In der Ermessenserwägung sei auch zu berücksichtigen, dass er seit dem 28. Februar 2017 im Straßenverkehr nicht mehr auffällig geworden sei. Im Übrigen sei die Anhörungsfrist von einem Tag viel zu kurz bemessen gewesen. Das Anhörungsschreiben hätte auch, so wie die vorherigen Schreiben, direkt an den Antragsteller und nicht nur an seinen Prozessvertreter versandt werden müssen. Darüber hinaus sei die Beibringungsfrist zum Zeitpunkt der Anhörung noch nicht abgelaufen gewesen. Die Interessenabwägung müsse daher zu Gunsten des Antragstellers ausfallen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern oder aufzuheben wäre.

1. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses zuletzt geändert durch Gesetz vom 8. April 2019 (BGBl I S. 430), und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Verordnung vom 4. Juli 2019 (BGBl I S. 1056), hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 3 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 FeV). Nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn er sich weigert, sich untersuchen zu lassen, oder wenn er das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Der Schluss aus der Nichtvorlage eines angeforderten Fahreignungsgutachtens auf die fehlende Fahreignung ist gerechtfertigt, wenn die Anordnung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – NJW 2017, 1765 Rn. 19 m.w.N.).

Bedenken gegen die körperliche und geistige Fahreignung bestehen nach § 11 Abs. 2 Satz 2 FeV insbesondere, wenn Tatsachen bekannt werden, die auf eine Erkrankung oder einen Mangel nach Anlage 4 oder 5 zur FeV hinweisen. Nicht erforderlich ist also, dass eine solche Erkrankung oder ein solcher Mangel bereits feststeht. Allerdings darf die Beibringung des Gutachtens nur aufgrund konkreter Tatsachen, nicht auf einen bloßen Verdacht „ins Blaue hinein“ bzw. auf Mutmaßungen, Werturteile, Behauptungen oder dergleichen hin verlangt werden (vgl. BVerwG, U.v. 5.7.2001 – 3 C 13.01 – NJW 2002, 78 = juris Rn. 26; BayVGH, B.v. 3.9.2015 – 11 CS 15.1505 – juris Rn. 13; Siegmund in Freymann/Wellner jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 11 FeV Rn. 36). Ob die der Behörde vorliegenden Tatsachen ausreichen, ist nach den gesamten Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen. Hieran gemessen ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die ärztlichen Atteste vom 23. und 29. April 2019 eine hinreichend belastbare Tatsachengrundlage für die Gutachtensanordnung vom 13. Mai 2019 boten. Insbesondere der Diplom-Psychologe attestierte schwerwiegende depressiv-psychosomatische Probleme, durch die der Antragsteller massiv dekompensiert habe und drei bis sechs Monate nicht in der Lage sei, eine medizinisch-psychologische Untersuchung wegen seiner Alkoholdelikte zu absolvieren. Daraus ergeben sich ohne weiteres Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller an einer die Fahreignung ausschließenden Erkrankung nach Nr. 7.5.1 der Anlage 4 zur FeV leidet. Die vorgelegten aktuellen Atteste der behandelnden Ärzte, nach denen die psychische Erkrankung weitgehend abgeklungen zu sein scheint, können keine Berücksichtigung finden, da auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung abzustellen ist. Mangels Einleitung eines Widerspruchsverfahrens kommt es hier auf den Zeitpunkt des Bescheiderlass am 14. August 2019 an.

Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil der Antragsteller nicht ordnungsgemäß dazu angehört worden wäre. Nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG ist vor Erlass eines Verwaltungsakts, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Dies ist hier mit Schreiben des Landratsamts vom 23. Juli 2019 geschehen. Zwar trifft es zu, dass die bis zum 31. Juli 2019 gesetzte Frist zur Äußerung, die angesichts des Geschehensablaufs grundsätzlich angemessen war, schon fast abgelaufen war, da der Prozessbevollmächtigte das Schreiben erst am 30. Juli 2019 erhalten hat. Er hat aber weder innerhalb noch nach Ablauf der Frist um eine Fristverlängerung nach Art. 31 Abs. 7 Satz 1 und 2 BayVwVfG nachgesucht, die ihm wohl zu gewähren gewesen wäre (vgl. Kallerhof/Stamm in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl. 2018, § 31 Rn. 51). Darüber hinaus hat er auch innerhalb der zwei Wochen, die der Antragsgegner bis zum Erlass des Bescheids noch abgewartet hat, keine Stellungnahme abgegeben. Selbst wenn die Frist zu kurz bemessen gewesen wäre, könnte der Antragsteller deshalb nicht gemäß Art. 46 BayVwVfG die Aufhebung des Verwaltungsakts fordern, denn er hatte zum einen noch ausreichend Zeit, sich zu äußern, und hat diese Möglichkeit nicht wahrgenommen. Zum anderen ist bei einer Entscheidung, die keinen Ermessensspielraum eröffnet – was bei einer Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 11 Abs. 8 FeV der Fall ist – ein Einfluss auf die Entscheidung durch die Verletzung von Verfahrensbestimmungen ausgeschlossen (vgl. Schwarz in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2016, § 46 VwVfG Rn. 26).

Die Auffassung des Antragstellers, das Landratsamt hätte selbst eine Begutachtungsstelle beauftragen können, geht fehl. Nach § 11 Abs. 6 Satz 5 FeV erfolgt die Untersuchung auf Grund eines Auftrags durch den Betroffenen. Aus diesem Grund obliegt es auch dem Fahrerlaubnisinhaber, sich eine Begutachtungsstelle auszusuchen und diese zu beauftragen und dies der Fahrerlaubnisbehörde nach § 11 Abs. 6 Satz 3 FeV mitzuteilen. Die Fahrerlaubnisbehörde muss dann nach § 11 Abs. 6 Satz 4 FeV der ausgewählten Stelle die Akten und die Fragestellung übermitteln. Diese Umstände waren dem Antragsteller auch bekannt, denn im Jahr 2017 hat er selbst mitgeteilt, dass er als Auftraggeber und Kostenträger der Begutachtung die Beseitigung von Mängeln eines Gutachtens gefordert habe (Bl. 16 der Behördenakte). Woraus sich ergeben soll, dass die Fahrerlaubnisbehörde einfach eine Begutachtungsstelle bestimmen und beauftragen könnte, hat der Antragsteller auch weder dargelegt noch ist dies sonst ersichtlich.

Des Weiteren kann offen bleiben, ob das Landratsamt vor dem Entzug der Fahrerlaubnis die Frist zur Vorlage des ärztlichen Gutachtens über den 23. Juli 2019 hinaus hätte verlängern müssen, denn die auf § 11 Abs. 8 FeV gestützte Entziehung der Fahrerlaubnis erweist sich schon wegen der nicht fristgerechten Vorlage des wegen der beiden Alkoholdelikte rechtmäßig angeordneten medizinisch-psychologischen Gutachtens im Straßenverkehr als rechtmäßig. Das Landratsamt hatte die diesbezügliche Frist zuletzt sehr großzügig bis 29. März 2019 verlängert und den Antragsteller dann zur Entziehung seiner Fahrerlaubnis angehört. Bis heute hat er aber kein entsprechendes medizinisch-psychologisches Gutachten vorgelegt. Der Antragsteller hat sich nach Absage des Termins vom 19. März 2019 auch zu keiner Zeit um einen neuen Begutachtungstermin bemüht, obwohl selbst der behandelnde Psychologe davon ausging, dass eine Begutachtung ab Ende Mai wieder möglich sein werde. Es war auch nicht erforderlich, ihm die Vorlagefrist hinsichtlich des medizinisch-psychologischen Gutachtens weiter zu verlängern, denn Gründe dafür sind nicht ersichtlich. Es erscheint schon fraglich, ob die Anfang 2019 vorgebrachten Gründe überhaupt die Verlängerung der Vorlagefrist hinsichtlich der medizinisch-psychologischen Begutachtung erforderten.

Die Frage, ob ein angefochtener Bescheid materiell rechtmäßig ist, richtet sich, sofern höherrangiges oder spezielleres Recht nichts Abweichendes vorgibt, nach dem Recht, das geeignet ist, seinen Spruch zu tragen. Erweist sich dieser aus anderen als den angegebenen Rechtsgründen als rechtmäßig, ohne dass diese anderen Rechtsgründe wesentliche Änderungen des Spruchs erfordern würden, dann ist der Verwaltungsakt im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht rechtswidrig (BVerwG, U.v. 19.8.1988 – 8 C 29/87 – BVerwGE 80, 96; BayVGH, U.v. 20.10.2017 – 11 B 17.1080 – juris Rn. 36 f.; B.v. 23.6.2016 – 11 CS 16.907 – juris Rn. 23 ff.). Daher kann ein auf § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV gestützter Bescheid, der einem Betroffenen die Fahrerlaubnis wegen Nichtbeibringung eines angeordneten Gutachtens entzieht, auf einer anderen Rechtsgrundlage rechtmäßig und daher aufrechtzuerhalten sein, wenn die Nichteignung des Betroffenen zum maßgeblichen Zeitpunkt feststeht (vgl. zu § 11 Abs. 7 FeV: BayVGH, B.v. 3.5.2017 – 11 CS 17.312 – juris Rn. 24 f.). Gleiches muss gelten, wenn zu Recht die Beibringung mehrerer Gutachten aus unterschiedlichen Gründen angeordnet worden ist und eines davon nicht fristgerecht beigebracht wurde.

Im Übrigen spricht auch vieles dafür, dass die Ablehnung der Fristverlängerung rechtmäßig war. Bei einer Verlängerung behördlicher Fristen handelt es sich um eine Ermessensentscheidung (Kallerhof/Stamm a.a.O. Rn. 51; Pautsch/Hoffmann, VwVfG, 1. Aufl. 2016, § 31 Rn 26;), die an Stelle der nur bei gesetzlichen Fristen möglichen Wiedereinsetzung tritt (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 31 Rn. 39a). Die Voraussetzungen, unter denen eine Fristverlängerung erfolgt, dürfen daher nicht strenger sein als bei der Wiedereinsetzung nach Art. 32 BayVwVfG (Pautsch/Hoffmann a.a.O. Rn. 26). Bei der Ausübung des Ermessens ist insbesondere zu berücksichtigen, ob es unbillig wäre, die durch den Fristablauf eingetretene Rechtsfolge bestehen zu lassen. Hier hat das Landratsamt über den Fristverlängerungsantrag nicht ausdrücklich entschieden, sondern im Rahmen des Entziehungsbescheids ausgeführt, dass angesichts der zahlreichen Fristverlängerungsanträge, die jeweils erst sehr kurz vor Fristablauf gestellt worden seien, eine Verzögerungsabsicht angenommen werde. Zwar trifft es zu, dass den Antragsteller kein Verschulden an der Ablehnung der Gutachtenserstellung durch die Avus GmbH Buchloe trifft. Gleichwohl hat er es zu vertreten, dass er erst kurz vor Ablauf der Frist eine neue Begutachtungsstelle benannt hat und damit eine erhebliche Verlängerung der Vorlagefrist hätte erfolgen müssen, obwohl das Landratsamt ihn schon mit E-Mail vom 26. Juni 2019 erneut aufgefordert hatte, eine andere Begutachtungsstelle zu benennen. Er ist dieser Forderung erst nach Ablauf von mehr als drei Wochen und vier Tage vor Ablauf der Frist nachgekommen ist, ohne dafür nachvollziehbare Gründe anzugeben. Weder hat er hinreichend dargelegt, in welchem Zeitraum sich der Bevollmächtigte im Urlaub befunden hat und zu welchem Zeitpunkt der Prozessbevollmächtigte die E-Mail vom 26. Juni 2019, die offensichtlich beim Landratsamt keine Abwesenheitsnotiz hervorgerufen hat, und mit der die zeitnahe Mitteilung einer anderen Begutachtungsstelle gefordert worden ist, an ihn weitergeleitet hat, noch ist ersichtlich wann sich der Antragsteller selbst im Urlaub befunden hat, ob er dort auch keine E-Mails empfangen konnte und deshalb nicht in der Lage gewesen wäre, seinen Prozessbevollmächtigen zu beauftragen, eine andere Begutachtungsstelle zu benennen. Der Eindruck des Landratsamts und des Verwaltungsgerichts, dass die Gutachtenserstellung bewusst verzögert werden sollte, erscheint angesichts des Geschehensablaufs naheliegend.

2. Selbst bei offenen Erfolgsaussichten in der Hauptsache müsste die Interessenabwägung im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO zu Lasten des Antragstellers ausfallen. Er hat wegen seiner Alkoholdelikte nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV zwingend ein medizinisch-psychologisches Gutachten vorzulegen, was bisher nicht erfolgt ist.

3. Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.

4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1, Nr. 46.2, 46.3 und 46.5 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, Anh. § 164 Rn. 14).

5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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