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Fahrerlaubnisentziehung – Fahrradfahrt mit 2,3 Promille nicht nachgewiesen

VG Würzburg – Az.: W 6 S 21.343 – Beschluss vom 07.04.2021

I. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen Ziffer 1 und 2 des Bescheids des Landratsamts Miltenberg vom 25. Februar 2021 wird wiederhergestellt.

II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Der Streitwert wird auf 15.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der 1972 geborene Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen A, B, CE und DE.

1.

Ausweislich der Mitteilung der Polizeiinspektion Obernburg am Main vom 29. November 2020 wurde der Antragsteller am 3. November 2020 um 17:39 Uhr von einer Streifenbesatzung schlafend im Grünstreifen stark alkoholisiert angetroffen. Zuvor war von dem Zeugen P. per Notruf ein betrunkener Fahrradfahrer gemeldet worden, der auf der Straße von seinem Fahrrad gekippt sei. Der zweite vor Ort vernommene Zeuge M. schilderte gegenüber der Polizei, dass er den Fahrradfahrer vor sich auf der Straße festgestellt habe und ihm, als dieser umgekippt sei, geholfen und auf die Polizei gewartet habe. Der Antragsteller wurde auf die Polizeiwache gebracht. Die um 18:27 Uhr beim Antragsteller durchgeführte Blutentnahme ergab eine Blutalkoholkonzentration in Höhe von 2,30 Promille.

Unter Bezugnahme auf diesen Sachverhalt forderte das Landratsamts Miltenberg (nachfolgend: Landratsamt) den Antragsteller wegen bestehender Eignungsbedenken hinsichtlich des Führens fahrerlaubnisfreier sowie fahrerlaubnispflichtiger Fahrzeuge auf, gemäß § 3 Abs. 2 FeV i.V.m. § 13 Nr. 2 Buchst. c FeV ein medizinisch-psychologisches Gutachten vorzulegen. Zu klären sei dabei Folgendes: „Ist zu erwarten, dass der Antragsteller auch zukünftig das Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen (z.B. Mofas, Fahrräder) und einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher trennen wird und liegen als Folge des missbräuchlichen Alkoholkonsums Beeinträchtigungen vor, die das sichere Führen eines fahrerlaubnisfreien Fahrzeugs infrage stellen? Kann einer durch das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge evtl. vom Antragsteller ausgehende Gefahr ggf. durch eine Beschränkung oder durch Auflagen (z.B. zeitlich, örtlich oder sachlich eingeschränktes Verbot) begegnet werden? Ist die Trunkenheitsfahrt mit dem fahrerlaubnisfreien Fahrzeug (Fahrrad) Ausdruck eines Kontrollverlustes, der genauso zu einer Verkehrsteilnahme mit einem fahrerlaubnispflichtigen Kraftfahrzeug der Klassen A/B/CE/DE führen kann?“

Mit Schreiben vom 8. Dezember 2020 zeigte der Bevollmächtigte des Antragstellers seine Vertretung an und teilte mit, dass der Antragsteller die geforderte Begutachtung bei der TÜV Süd Life Service GmbH in Aschaffenburg (TÜV Süd) vornehmen werde.

Am 28. Januar 2021 wurde das Fahreignungsgutachten des TÜV Süd vom 19. Januar 2021 übermittelt. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass beim Antragsteller keine körperlichen, jedoch Hinweise auf geistige Beeinträchtigungen vorlägen (nicht ausreichende Leistungstestergebnisse), die möglicherweise mit einem unkontrollierten Konsum von Alkohol in Zusammenhang gebracht werden könnten. Es sei zu erwarten, dass der Antragsteller auch zukünftig das Führen von fahrerlaubnisfreien Kraftfahrzeugen und einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher trennen werde und es lägen als mögliche Folge eines missbräuchlichen Alkoholkonsums Beeinträchtigungen vor, die das sichere Führen eines fahrerlaubnisfreien Fahrzeugs infrage stellten. Einer durch das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge evtl. ausgehenden Gefahr könne nicht ggf. durch eine Beschränkung oder durch Auflagen begegnet werden. Die Trunkenheitsfahrt mit dem fahrerlaubnisfreien Fahrzeug (Fahrrad) sei als Ausdruck eines Kontrollverlustes zu bewerten, der genauso zu einer Verkehrsteilnahme mit einem fahrerlaubnispflichtigen Kraftfahrzeug der Klassen A/B/CE/DE führen könne.

Mit Schriftsatz vom 25. Januar 2021 ließ der Antragsteller hierzu vortragen, dass die subjektiven psychologischen Einschätzungen der Begutachtungsstelle, dass beim Antragsteller von einem problematischen Alkoholtrinkverhalten auszugehen sei, nicht überzeugten. Der Antragsteller habe im Gespräch ausreichend nachvollziehbar Stellung bezogen und es sei darauf hinzuweisen, dass die medizinischen Feststellungen keinerlei Hinweise auf einen Alkoholkonsum im Übermaß gehabt hätten.

Fahrerlaubnisentziehung – Fahrradfahrt mit 2,3 Promille nicht nachgewiesen
(Symbolfoto: RossHelen/Shutterstock.com)

Nach vorheriger Anhörung entzog das Landratsamt dem Antragsteller mit kostenpflichtigem Bescheid vom 25. Februar 2021 die Fahrerlaubnis aller Klassen und untersagte ihm das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge (Nr. 1). Der Antragsteller wurde aufgefordert, den am 23. August 2019 ausgestellten Führerschein, Führerscheinnummer ……, unverzüglich, spätestens innerhalb von fünf Tagen nach Zustellung des Bescheids abzugeben (Nr. 2) und für den Fall der Zuwiderhandlung die Wegnahme des Führerscheins durch die Polizei angedroht (Nr. 3). Die Ziffern 1 und 2 wurden für sofort vollziehbar erklärt. Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgebracht, dem Antragsteller sei gemäß § 3 Abs. 1 StVG und § 46 Abs. 1 FeV die Fahrerlaubnis zu entziehen gewesen, da er als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen sei. Rechtsgrundlage für die Untersagung des Führens von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen sei § 3 Abs. 1 FeV, gemäß § 3 Abs. 2 FeV fänden §§ 11 bis 14 FeV entsprechende Anwendung. Nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV habe vorliegend zwingend eine medizinisch-psychologische Untersuchung angeordnet werden müssen, da der Antragsteller am 3. November 2020 mit 2,30 Promille als Fahrradfahrer am Straßenverkehr teilgenommen habe. Das vorgelegte Gutachten, welches schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei sei, sei negativ gewesen. Der Antragsteller sei derzeit noch nicht in der Lage, sein Verhalten in Bezug auf die Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr zu ändern. Darüber hinaus rechtfertigten die festgestellten Hinweise auf Leistungsmängel im Bereich der Fähigkeit zur selektiven Aufmerksamkeit und Konzentration weitere Bedenken an der Fahreignung, denen jedoch vor dem Hintergrund der Gesamtbefundlage nicht weiter nachzugehen gewesen sei. Die Pflicht zur Abgabe des Führerscheins folge aus § 3 Abs. 3 Satz 3 StVG und § 47 Abs. 1 FeV, die Androhung unmittelbaren Zwangs beruhe auf Art. 29, 34 und 36 VwZVG. Die sofortige Vollziehbarkeit liege im öffentlichen Interesse gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO. Das Landratsamt als Gefahrenabwehrbehörde müsse die Verkehrsgemeinschaft vor ungeeigneten Kraftfahrern – wie hier dem Antragsteller – schützen. Das Interesse der Allgemeinheit an der Sicherheit des Straßenverkehrs und der aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ableitbare Auftrag zum Schutz vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben überwögen das Interesse des Antragstellers, die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Versagung zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge erst mit Eintritt der Bestandskraft und damit ggf. nach Durchlaufen des Rechtswegs wirksam werden zu lassen. Der Bescheid wurde dem Bevollmächtigten des Antragstellers am 2. März 2021 zugestellt.

Hiergegen ließ der Antragsteller am 10. März 2021 Widerspruch erheben, über den noch nicht entschieden ist, und zugleich im vorliegenden Eilverfahren beantragen, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 10. März 2021 gegen die Ziffern 1 und 2 des Bescheids vom 25. Februar 2021 wiederherzustellen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, der Bescheid sei rechtswidrig und verletze den Antragsteller in seinen Rechten. Zudem bestehe kein überwiegendes öffentliches Interesse am sofortigen Vollzug der ohnehin rechtswidrigen Verfügungen. So ergebe sich aus dem vorgelegten Gutachten schon nicht, dass der Antragsteller zum Führen von Fahrzeugen im öffentlichen Verkehrsraum ungeeignet sei. Die medizinische Begutachtung sei unauffällig geblieben, die ermittelten Befunde, insbesondere die alkoholspezifischen Laborparameter, lägen durchgängig im Normbereich. Im Gutachten werde festgestellt, dass keine medizinischen Nachweise dafür vorlägen, dass der Antragsteller alkoholabhängig sei. Des Weiteren könne der Vorfall vom 3. November 2020 nicht als Anlass genommen werden, dem Antragsteller die Eignung abzusprechen. So sei eine erstmalige Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad für sich genommen kein Anlass zu der Annahme, dass der Antragsteller wieder ein Fahrzeug unter erheblichem Alkoholeinfluss führen werde. In Anbetracht der Verschiedenartigkeit der Betriebsgefahren, die von einem Fahrrad und einem Kraftfahrzeug ausgingen, könne § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV nicht für die Teilnahme mit fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen am Straßenverkehr schematisch angewandt werden. Unabhängig davon sei nicht erwiesen, dass der Antragsteller mit dem Fahrrad tatsächlich gefahren sei, da er angebe, sich an den Vorfall nicht mehr wesentlich zu erinnern. Es gebe nach der Akte einen Zeugen, der keine eindeutigen Angaben darüber mache, ob der Antragsteller gefahren oder gelaufen und das Fahrrad neben sich geschoben habe. Gegen den Strafbefehl des Amtsgerichts Obernburg am Main vom 28. Januar 2021 sei unbeschränkt Einspruch eingelegt worden, eine rechtskräftige Verurteilung liege nicht vor. Der Antragsteller habe seinen Führerschein seit über 30 Jahren und sei seit über 7,5 Jahren als Berufskraftfahrer tätig. Die wirtschaftliche Existenz des Antragstellers sei mit dem Führerschein verbunden.

Der Antragsgegner, vertreten durch das Landratsamt Miltenberg, beantragte, den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung wurde zunächst auf die Gründe des verfahrensgegenständlichen Bescheids verwiesen und darüber hinaus ausgeführt, der Antragsteller sei von einem der beiden Zeugen gesehen worden, wie er mit dem Fahrrad fahrend am Straßenverkehr teilgenommen haben. Er sei von links nach rechts geschwankt und dann gestürzt. Die Verkehrsteilnahme mit einem fahrerlaubnisfreien Fahrzeug und einer Blutalkoholkonzentration von 2,3 Promille sei unstrittig. Die Sperrwirkung des § 3 Abs. 3 StVG greife vorliegend nicht, da ein Fahrrad kein Kraftfahrzeug sei und deshalb nach § 69 Abs. 1 StGB eine Fahrerlaubnisentziehung durch das Strafgericht nicht in Betracht komme.

Aus einem in der Behördenakte enthaltenen Aktenvermerk der Polizeiinspektion Obernburg am Main vom 20. März 2021 ergibt sich, dass die Polizei die beiden Zeugen des Tatgeschehens vom 3. November 2020 auf Veranlassung des Landratsamts erneut zu dem Vorfall befragt hatte. Der Zeuge P. gab dabei an, er habe den Antragsteller mitten auf der Fahrbahn gesehen, dieser habe das Fahrrad neben sich gehabt und sei mitsamt diesem einfach umgefallen; ob der Antragsteller zuvor tatsächlich auf dem Fahrrad gefahren sei, könne er nicht sagen. Der Zeuge M. gab an, er könne sicher sagen, dass der Antragsteller vor ihm gefahren und zweifelsfrei auf dem Fahrrad gesessen sei. Er habe eine unsichere Fahrweise an den Tag gelegt, sei nach links und rechts geschwankt, bis er schließlich vom Fahrrad gefallen sei und dann mitten auf der Straße gelegen habe. Der Zeuge M. habe dann zusammen mit dem Zeugen P. den Antragsteller von der Straße getragen und vor Ort bis zum Eintreffen der Straße gewartet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte verwiesen.

II.

Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung hat vollumfänglich Erfolg.

Der Antrag ist zulässig, insbesondere ist er statthaft. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis sowie die Versagung des Führens von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen (Nr. 1 des Bescheides) sowie gegen die Verpflichtung zur Ablieferung (Nr. 2) entfällt vorliegend, weil die Behörde gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung angeordnet hat.

Der Antrag ist auch begründet, denn es bestehen erhebliche Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Ziffern 1 und Ziffer 2 des verfahrensgegenständlichen Bescheids vom 25. Februar 2021. Grundsätzlich ist der maßgebliche Beurteilungszeitpunkt die letzte behördliche Entscheidung. Da vorliegend das Widerspruchsverfahren noch offen ist, kommt es auf den Sach- und Streitstand zum Entscheidungszeitpunkt des Gerichts an.

Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht prüft, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind. Im Übrigen trifft es eine eigene Abwägungsentscheidung anhand der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO normierten Kriterien. Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts und der Rechtsverletzung des Antragstellers auszugehen ist. Jedenfalls hat das Gericht die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs bei seiner Entscheidung mit zu berücksichtigen, soweit diese sich bereits übersehen lassen. Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vollkommen offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen.

1.

Der Antragsgegner hat die Anordnung der sofortigen Vollziehung in ausreichender Weise gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet. Die Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs im streitgegenständlichen Bescheid genügt den lediglich formell-rechtlichen Anforderungen. Sie zeigt, dass sich der Antragsgegner des Ausnahmecharakters der Vollzugsanordnung bewusst war und enthält die Erwägungen, die er für die Anordnung des Sofortvollzugs als maßgeblich angesehen hat. Dass in einer Vielzahl ähnlich gelagerter Fälle betreffend die Ungeeignetheit von Kraftfahrern das Erlassinteresse regelmäßig mit dem Vollzugsinteresse identisch ist und die fahrerlaubnisrechtliche Anordnung der sofortigen Vollziehung ähnlich begründet wird, ändert an deren Einzelfallbezogenheit nichts (vgl. etwa BayVGH, B.v. 16.11.2016 – 11 CS 16.1957 – juris; B.v. 15.6.2016 – 11 CS 16.879 – juris).

2.

Eine summarische Prüfung der Hauptsache, wie sie im Sofortverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO erforderlich und ausreichend ist, ergibt jedoch, dass das Widerspruchsverfahren zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt voraussichtlich Erfolg haben wird. Es bestehen schon erhebliche Zweifel daran, ob der Antragsteller tatsächlich ein Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr geführt hat, sodass offen ist, ob der Antragsteller überhaupt wegen Alkoholmissbrauchs als ungeeignet i.S.v. § 46 Abs. 1 i.V.m. Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV angesehen werden kann (2.2.). Da für das Bestehen der tatbestandlichen Voraussetzungen die Darlegungs- und Beweislast die Behörde trifft, kann sie sich im Falle der Nichterweislichkeit der Trunkenheitsfahrt nicht darauf stützen. Nachdem der Gutachter die Trunkenheitsfahrt als feststehend angesehen und sie zur Grundlage seiner Untersuchung gemacht hat, führt dies im Übrigen zu einer Nichtverwertbarkeit des vorgelegten Gutachtens des TÜV Süd vom 19. Januar 2021 (2.3.). Unabhängig davon kann diesem Gutachten nicht in plausibler und nachvollziehbarer Weise eine feststehende Nichteignung des Antragstellers zum Führen von fahrerlaubnispflichtigen und fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen entnommen werden (2.4.).

2.1.

Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 FeV. Erweist sich danach der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, hat ihm die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen. Dies gilt insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist (§ 46 Abs. 1 Satz 2 FeV). § 3 Abs. 1 FeV bestimmt, dass die Straßenverkehrsbehörde das Führen von Fahrzeugen oder Tieren zu untersagen, zu beschränken oder die erforderlichen Auflagen anzuordnen hat, wenn jemand sich als ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet hierzu erweist. Die Ungeeignetheit zum Führen von Fahrzeugen bestimmt sich hierbei nach den Vorschriften, die auch für das Führen fahrerlaubnispflichtiger Kraftfahrzeuge gelten, nämlich nach § 3 Abs. 1, § 2 Abs. 4 StVG und § 46 Abs. 1, § 11 Abs. 1 FeV. Dies erscheint auch sachgerecht, denn es geht beim Führen fahrerlaubnisfreier ebenso wie beim Führen fahrerlaubnispflichtiger Fahrzeuge um eine Teilnahme am Straßenverkehr und die dafür erforderliche Umsicht, Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit. Das Gefährdungspotential, welches hierbei, etwa durch unerwartete Reaktionen oder unkontrolliertes Fahrverhalten auf der Fahrbahn, von dem ungeeigneten Fahrer eines fahrerlaubnisfreien Fahrzeugs ausgehen kann, rechtfertigt es, an die Fahreignung diesen Maßstab anzulegen (vgl. BayVGH, B.v. 27.3.2006 – 11 ZB 06.41 – juris).

Nach Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV ist zum Führen von Fahrzeugen nicht geeignet, wer Alkohol missbräuchlich konsumiert. Dies ist dann der Fall, wenn das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden können. Nach Beendigung des Missbrauchs ist die Fahreignung dann wieder gegeben (Nr. 8.2 der Anlage 4 zur FeV), wenn die Änderung des Trinkverhaltens gefestigt ist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 – 14 FeV entsprechende Anwendung.

2.2.

Es steht vorliegend bereits nicht zweifelsfrei fest, dass der Antragsteller ein Fahrzeug im Straßenverkehr unter Einfluss eines die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsums geführt hat. Damit ist schon nicht erwiesen, dass beim Antragsteller ein Alkoholmissbrauch im fahrerlaubnisrechtlichen Sinne vorliegt, der Fahreignungszweifel der Behörde begründen konnte. Damit ist gerade nicht zweifelsfrei erwiesen, dass der Antragsteller am 3. November 2020 einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum und das Führen eines Fahrzeugs (hier: Fahrrad) nicht trennen konnte. Aber nur für einen solchen Sachverhalt gibt § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV der Behörde auf, den Betroffenen zur Beibringung eines medizinisch-psychologisches Gutachten zu verpflichten. Die tatbestandlichen Voraussetzungen, nämlich dass ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr geführt wurde, müssen nachweislich feststehen. Das Führen eines Fahrrads liegt vor, wenn sich Fahrrad und Fahrer zusammen bewegen und mit beiden Füßen der Bodenkontakt gelöst ist (Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, FeV, § 13 Rn. 23). Aus den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen lässt sich dies nicht eindeutig feststellen.

Der Antragsteller lässt vortragen, dass er sich nicht wesentlich an den Vorfall erinnern könne und gab beim Untersuchungsgespräch am 11. Januar 2021 beim TÜV Süd lediglich an, er habe das Rad nach dem Alkoholkonsum nach Hause geschoben, ihm sei schlecht gewesen und er sei dann bewusstlos geworden (Gutachten v. 19.1.2021, S. 7 und 13). Aus der Kurzmitteilung der Polizei vom 29. November 2020 ergibt sich ebenso wenig eindeutig, dass der Antragsteller tatsächlich mit seinem Fahrrad gefahren ist: der Zeuge P. meldete einen betrunkenen Fahrradfahrer, der von seinem Fahrrad gekippt sei; der Zeuge M. gab gegenüber der Polizei an, er habe den Radfahrer vor sich „auf der Straße festgestellt“, als dieser umgekippt sei, habe er angehalten und ihm geholfen. Nach diesen Aussagen könnte der Antragsteller auf der Straße nur gestanden haben, neben dem Rad gegangen oder möglicherweise auch gefahren sein. Die von der Polizei nachträglich am 20. März 2021 eingeholten Aussagen der beiden Zeugen widersprechen sich: so will der Zeuge P. den Antragsteller „mit dem Fahrrad neben sich“ gesehen haben, der „dann mitsamt diesem einfach umgefallen“ sei; ob der Antragsteller tatsächlich zuvor mit dem Fahrrad gefahren sei, könne er nicht genau sagen. Dagegen gibt der Zeuge M. an, er könne „ganz sicher“ sagen, dass der Antragsteller vor ihm „zweifelsfrei auf seinem Fahrrad“ gefahren, „schließlich vom Fahrrad“ gefallen sei und habe dann „mitten auf der Straße“ gelegen. Diese zwei Zeugenaussagen lassen sich nicht in Einklang bringen, da sie sich widersprechen. So will der eine Zeuge den Antragsteller neben seinem Fahrrad stehend und dann umfallen gesehen haben, während der andere Zeuge den Antragsteller schwankend auf dem Fahrrad fahrend und dann vom Fahrrad fallen gesehen haben will. Hinzu kommt, dass die nachträgliche Befragung durch die Polizei mehr als vier Monate später erfolgte, was für einen eingeschränkten Aussagegehalt spricht.

Die widersprüchlichen Angaben der beiden Zeugen bieten vor dem Hintergrund der Einlassungen des Antragstellers hierzu gerade keinen hinreichend gesicherten Beweis dafür, dass der Antragsteller mit einem Fahrzeug am Straßenverkehr teilgenommen hat. Damit bleibt gegenwärtig offen, ob aufgrund des Vorfalls vom 3. November 2020 beim Antragsteller tatsächlich von einem Alkoholmissbrauch im fahrerlaubnisrechtlichem Sinne gemäß Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV ausgegangen werden kann. Für das Vorliegen der Voraussetzungen für die Nichteignung ist der Antragsgegner darlegungs- und beweispflichtig. Nach dem oben Gesagten kann vorliegend nicht ausgeschlossen werden, dass der Antragsteller tatsächlich sein Fahrrad lediglich neben sich hergeschoben hat und damit schon keine Teilnahme am Straßenverkehr vorlag und damit auch kein Alkoholmissbrauch im Sinne von Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV, der Fahreignungszweifel wecken könnte.

2.3.

Die Nichteignung des Antragstellers kann auch nicht auf das vorgelegte Gutachten des TÜV Süd vom 19. Januar 2021 gestützt werden. Ungeachtet der Tatsache, dass die Gutachter ihrer Bewertung die – nicht erwiesene – Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad zugrunde legen, tragen die übrigen Feststellungen des Gutachtens den Schluss auf die Nichteinigung nicht.

Da der Antragsteller das von der Behörde geforderte Gutachten beigebracht hat, kommt es auf die Rechtmäßigkeit der Gutachtensanordnung grundsätzlich nicht an. Nach ständiger Rechtsprechung kann ein Fahreignungsgutachten unabhängig davon, ob die Anordnung gerechtfertigt war, verwertet werden (vgl. BVerwG, U.v. 28.6.2012 – 3 C 30.11 – NJW 2012, 3669 = juris Rn. 23; U.v. 28.4.2010 – 3 C 2.10 – BVerwGE 137, 10 Rn. 27 ff.; BayVGH, U.v. 8.8.2016 – 11 B 16.595 – juris Rn. 24 m.w.N.; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 11 FeV Rn. 26). Wie jedoch bereits oben ausgeführt (2.2.), ist das Gericht nicht zweifelsfrei davon überzeugt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV vorgelegen haben.

Beruht die Beurteilung der Fahrerlaubnisbehörde auf einem vorliegenden Gutachten, so muss dieses Gutachten unter Zugrundelegung der Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung vom 27. Januar 2014 (Begutachtungs-Leitlinien, VkBl. S. 110; Stand: 31.12.2019, die nach § 11 Abs. 5 FeV i.V.m. Anlage 4a Grundlage für die Beurteilung der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen sind) und der Beurteilungskriterien schlüssig und nachvollziehbar sein. Ist das Gutachten fehlerhaft, wird es nicht ausreichend korrigiert und trägt es daher den Schluss der Fahrungeeignetheit letztlich nicht, ist der Fahrerlaubnisentziehungsbescheid, der auf der Grundlage eines fehlerhaften Gutachtens ergangen ist, aufzuheben. (vgl. BayVGH, U.v. 18.10.2016   – 11 ZB 16.1493 – BeckRS 2016, 54886).

Aufgrund einer unzutreffenden Aufgabestellung konnten die Gutachter schon kein ordnungsgemäßes Gutachten erstellen. Es kann vorliegend nicht zweifelsfrei angenommen werden, dass der Antragsteller mit dem Fahrrad tatsächlich am Straßenverkehr teilgenommen hat. Jedoch haben die Gutachter diesen Umstand als gesichert feststehend zur Grundlage der Untersuchung gemacht (vgl. Gutachten v. 19.1.2021, S. 3 ff.: berücksichtigte Sachverhalte, Bewertung der Vorgeschichte und Voraussetzungen für eine günstige Prognose). So drehte sich sowohl das medizinische, als auch das psychologische Untersuchungsgespräch um die Verkehrsteilnahme mit einem Fahrrad in alkoholisiertem Zustand (vgl. a.a.O., S. 7 und S. 12 – 13). Daher hat sich dieser Umstand zwangsläufig auf das Ergebnis der Beurteilung ausgewirkt, die infolgedessen nicht verwertbar ist.

2.4.

Ungeachtet seiner Nichtverwertbarkeit – d.h. selbst bei unterstellter Richtigkeit der Grundannahme einer Trunkenheitsfahrt – trägt das Gutachten vom 19. Januar 2021 jedoch nicht die Annahme, dass der Antragsteller ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist.

Die Frage, ob befürchtet werden muss, dass eine Person, die mit hoher Alkoholkonzentration ein Fahrrad im Straßenverkehr geführt hat, künftig im Zustand alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit auch ein Kraftfahrzeug lenken wird, beantwortet sich anhand der vom Bundesverwaltungsgericht in der Entscheidung vom 21. Mai 2008 (3 C 32/07 – juris) dargestellten Grundsätze. Aus dieser Entscheidung ergibt sich, dass die Forderung, ein Fahrerlaubnisinhaber müsse die Anforderungen der Nr. 8.2 der Anlage 4 zur FeV erfüllen, nicht erst dann erhoben werden darf, wenn der Betroffene nachweislich bereits Alkoholmissbrauch im Sinne der Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV betrieben hat. Vielmehr genügt es, dass prognostisch damit zu rechnen ist, er könnte unter relevantem Alkoholeinfluss als Kraftfahrer im Straßenverkehr in Erscheinung treten. Denn die Eignung einer Person zum Führen von Kraftfahrzeugen wegen Alkoholmissbrauchs ist bereits dann zu verneinen, wenn nach der zurückliegenden Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad und ihren Begleitumständen sowie nach dem bisherigen und dem zu erwartenden Umgang des Betroffenen mit Alkohol die Gefahr besteht, dass er künftig auch ein Kraftfahrzeug unter unzulässigem Alkoholeinfluss führen wird. Werden ein chronisch überhöhter Alkoholkonsum, eine damit einhergehende Alkoholgewöhnung und die Unfähigkeit einer realistischen Einschätzung des Eigenalkoholpegels sowie die daraus bei einer Teilnahme am Straßenverkehr drohenden Gefahren festgestellt, setzt die Bejahung einer Kraftfahreignung regelmäßig eine gefestigte Änderung des Trinkverhaltens voraus (so auch BayVGH, B.v. 19.8.2009 – 11 CS 09.1411 – juris).

Um zu klären, ob bei einer Person, die nur als Fahrradfahrer alkoholisiert am Straßenverkehr teilgenommen hat, die Gefahr künftiger Verstöße gegen das fahrerlaubnisrechtliche Trennungsgebot besteht, müssen im Rahmen einer medizinisch-psychologischen Begutachtung deshalb zum einen die Umstände der in der Vergangenheit zu verzeichnenden Trunkenheitsfahrt, zum anderen die Vorgeschichte und die Entwicklung des Trinkverhaltens des Betroffenen sowie schließlich sein Persönlichkeitsbild näher aufgeklärt und bewertet werden. Insoweit kommt es darauf an, ob die Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad Ausdruck eines Kontrollverlustes war, der genauso gut zu einer Verkehrsteilnahme mit einem Kraftfahrzeug führen kann. Nur wenn diese Kriterien festgestellt sind, kann vom Betroffenen die Änderung seines Trinkverhaltens gefordert werden, die auch hinreichend stabil sein muss (BayVGH, B.v. 14.4.2009 – 11 CS 08.3428 – juris; B.v. 19.8.2009 – 11 CS 09.1411 – juris; NdsOVG, B.v. 16.10.2011 – 12 ME/11 – juris).

Diesen Anforderungen wird das Gutachten des TÜV Süd vom 19. Januar 2021 nicht gerecht. Die Bewertungen des Gutachters erschöpfen sich lediglich in der Abschätzung der beim Antragsteller vorliegenden Alkoholgefährdung und sprechen allgemein von einer Trunkenheitsfahrt. Jedoch geht aus dem Gutachten an keiner Stelle hervor, dass die Fahrt des Antragstellers mit dem Fahrrad Ausdruck eines Kontrollverlusts war, der auch zu einer Verkehrsteilnahme mit einem Kraftfahrzeug führen kann. Zwar stellen die Gutachter in ihrer Beantwortung der Fragestellung fest, dass die Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad als Ausdruck eines Kontrollverlustes zu bewerten sei, der genauso zu einer Verkehrsteilnahme mit einem fahrerlaubnispflichtigen Fahrzeug führen könne (S. 16 des Gutachtens). Allerdings geht aus den Bewertungen der Befunde im Gutachten nicht nachvollziehbar hervor, wie die Gutachter zu diesem Schluss gelangen, vielmehr bleibt es bei der apodiktischen Feststellung und die entscheidende Frage, ob und ggf. aus welchen Gründen aus der Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad darauf geschlossen werden kann und darf, der Antragsteller werde voraussichtlich zukünftig auch mit einem Kraftfahrzeug betrunken am Straßenverkehr teilnehmen, wird im Gutachten nicht erörtert. Das Gutachten differenziert an keiner Stelle zwischen der Teilnahme am Straßenverkehr mit einem Fahrrad und mit einem erlaubnispflichtigen Kraftfahrzeug. Dahingehende Darlegungen, mindestens aber die nachvollziehbar begründete Prognose, dass es beim Betroffenen in Zukunft zu einem Kontrollverlust in Bezug auf das Gebot kommen wird, zwischen der Aufnahme von Alkohol und dem Führen von Kraftfahrzeugen zu trennen, sind aber unverzichtbar, um bei einer Person, die bisher nicht wegen eines Verstoßes gegen das fahrerlaubnisrechtliche Trennungsgebot in Erscheinung getreten ist, die Notwendigkeit einer gefestigten Änderung des Trinkverhaltens darzutun. Denn die Rechtsordnung verwehrt es auch dem Inhaber einer Fahrerlaubnis grundsätzlich nicht, dem Alkohol – selbst in nicht mehr sozialüblichem Maß – zuzusprechen. Es muss lediglich gewährleistet sein, dass er so lange zuverlässig von der motorisierten Teilnahme am Straßenverkehr Abstand nimmt, als die Aufnahme dieses Rauschmittels Auswirkungen auf seine Fahrtüchtigkeit zeitigen kann, und dass der Alkoholkonsum bei ihm zu keinen Beeinträchtigungen der verkehrsrelevanten körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit geführt hat (BayVGH, B.v. 14.4.2009 – 11 CS 08.3428 – juris).

Gleiches gilt für die Feststellungen hinsichtlich des Führens von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen im Straßenverkehr. Das Gutachten des TÜV Süd vom 19. Januar 2021 legt seiner Beurteilung zwar die angenommene Alkoholfahrt des Antragstellers mit dem Fahrrad vom 3. November 2020 zugrunde. Darüber hinaus setzt sich das Gutachten bei seiner Bewertung nicht in erkennbarer Weise damit auseinander, dass es sich um eine Alkoholfahrt mit dem Fahrrad und nicht mit einem Kraftfahrzeug gehandelt haben soll und welche Bedeutung die Benutzung des Verkehrsmittels Fahrrad für die Entscheidung des Antragstellers, spontan Alkohol zu konsumieren, gespielt hat. Es bleibt offen, inwieweit das von den Gutachtern festgestellte problematische Trinkverhalten für eine etwaige Verkehrsteilnahme mit einem fahrerlaubnisfreien Fahrzeug am Straßenverkehr in Zukunft erneut relevant werden könnte. Dies gilt umso mehr, als es sich bei dem Verbot, fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge im Straßenverkehr zu führen, um einen Dauerverwaltungsakt handelt, der von der Behörde fortlaufend auf seine Richtigkeit geprüft werden muss. Es ist nicht erkennbar, dass sich die Gutachter prognostisch mit der Frage auseinandergesetzt haben, ob der Antragsteller auch in Zukunft Gefahr läuft, mit einem Fahrrad im Straßenverkehr auffällig zu werden. Die bloße Feststellung eines problematischen Trinkverhaltens ist hierfür jedenfalls nicht ausreichend.

2.5.

Demnach erweisen sich zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts die Entziehung der Fahrerlaubnis sowie das Verbot, fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr zu führen, bei summarischer Prüfung als rechtswidrig.

Die Rechtswidrigkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis schlägt auch auf die Aufforderung zur Abgabe des Führerscheins durch (§ 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, § 47 Abs. 1 Satz 1 FeV), weshalb die Nr. 2 des Bescheides des Landratsamts vom 25. Februar 2021 nach summarischer Prüfung ebenfalls rechtswidrig ist.

2.6.

Auch eine zusätzliche, von den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs losgelöste gerichtliche Abwägung des Vollzugs- und Suspensivinteresses ergibt ein überwiegendes Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs. Auch wenn das Gutachten im Ergebnis negativ war, trägt es nach dem oben Gesagten diesen Schluss nicht. Die Nichteignung des Antragstellers zum Führen von Fahrzeugen steht derzeit nicht fest. Auch wenn das Gericht nicht übersieht, dass der Antragsteller im Rahmen der psycho-physischen Leistungstestung die Voraussetzungen nicht erfüllt hat, begründet dies lediglich weiteren Aufklärungsbedarf durch die Behörde und rechtfertigt derzeit nicht, dem Antragsteller die Fahrerlaubnis vorzuenthalten und ihm das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge zu untersagen.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

4.

Die Festsetzung des Streitwerts erfolgt nach § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 63 Abs. 2 GKG i.V.m. Nrn. 46.1, 46.3, 46.4, 46.6 und 46.14 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Für die Höhe des Streitwerts ist hier der Entzug der Fahrerlaubnis der Klassen A, B, CE und DE sowie das Verbot des Fahrens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge maßgeblich. Letzteres ist ebenso wie die Klassen A und B mit dem Auffangstreitwert zu bewerten; die Klassen CE und DE sind mit dem 1,5-fachen Auffangstreitwert anzusetzen. Nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs war der volle Streitwert von 30.000,00 EUR im Sofortverfahren zu halbieren, so dass letztlich 15.000,00 EUR festzusetzen waren.

 

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