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Fahrerlaubnisentziehung – Fahreignungszweifel wegen Hypertonie und Diabetes mellitus

VG München – Az.: M 26 S 19.4315 – Beschluss vom 17.10.2019

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Der Streitwert wird auf 6.250 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der 1938 geborene Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die sofortige Vollziehung der Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen A, BE und T (Gruppe 1).

Der Antragsteller verursachte als Fahrer eines PKW am … November 2018 auf der Bundesstraße … einen Unfall, in dem er beim Linksabbiegen einen herannahenden PKW passieren ließ, den hinter diesem fahrenden Kradfahrer aber übersah und mit diesem zusammenstieß. Das hierzu eingeleitete Strafverfahren wurde nach § 153 a Abs. 1 StPO eingestellt.

Daraufhin forderte ihn die Fahrerlaubnisbehörde mit Schreiben vom 1. April 2019 zunächst zur Vorlage von Attesten des behandelnden Arztes auf, die zu etwaigen die Fahreignung in Frage stellenden Erkrankungen des Antragstellers Stellung nehmen sollten. Dem dazu vorgelegten Attest des behandelnden Arztes Dr. A… vom … April 2019 ist zu entnehmen, dass der Antragsteller an arterieller Hypertonie und Diabetes mellitus erkrankt ist. Eine Medikation bestehe nicht. Der Antragsteller verzichtete aufgrund eines augenärztlichen Zeugnisses vom … April 2019 freiwillig auf seine Fahrerlaubnis der Gruppe 2.

Mit Schreiben vom 30. April 2019 forderte die Fahrerlaubnisbehörde den Antragsteller zur Beibringung eines ärztlichen Gutachtens eines Arztes in einer amtlichen anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung bis spätestens 9. Juli 2019 auf, weil sie Zweifel an seiner gesundheitlichen Eignung habe.

Der Antragsteller verweigerte daraufhin zunächst telefonisch wegen finanzieller Gründe die angeordnete Begutachtung und kündigte die Übersendung weiterer ärztlicher Atteste an. In der Folge gingen Unterlagen der Arztpraxis B… ein, wonach beim Antragsteller, der dort in hausärztlicher Betreuung stehe, weder Diabetes mellitus noch Hypertonie bestehe. Daraufhin verweigerte der Antragsteller unter Hinweis auf diese Atteste die Begutachtung trotz Fristverlängerung.

Mit Bescheid des Antragsgegners vom 7. August 2019, zugestellt am 9. August 2019, wurde nach entsprechender Anhörung dem Antragsteller die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen aller Klassen entzogen (Nr. 1) und der Antragsteller unter Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von EUR 1.000,– (Nr. 3) aufgefordert, seinen Führerschein beim Antragsgegner abzuliefern (Nr. 2 ). Die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2. des Bescheids wurde angeordnet (Nr. 4). Der Antragssteller gab seinen Führerschein daraufhin beim Antragsgegner ab.

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die fehlende Eignung des Antragstellers aufgrund der Nichtvorlage des zu Recht aufgrund der entstandenen Fahreignungszweifel geforderten Gutachtens feststehe.

Mit Schriftsatz vom 22. August 2019, eingegangen bei Gericht am 26. August 2019, ließ der Antragsteller hiergegen Klage erheben und beantragt gleichzeitig im vorliegenden Verfahren, die sofortige Vollziehung der Nummer 1 und 2 des Entziehungsbescheides des Antragsgegners vom 7.8.2019 aufzuheben.

Zur Begründung wird ausgeführt, weder der Unfall noch das vorgelegte Attest von Herrn Dr. A… vom … April 2019 könnten Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers begründen. Der Unfall könne jedem jederzeit so passieren und habe nichts mit einer Erkrankung des Antragstellers zu tun. Aus dem Attest ergäbe sich gerade nicht, dass der Antragsteller unter Hypertonie oder Diabetes mellitus leide. Der Antragsgegner habe deshalb eine Gutachtensbeibringung ins Blaue hinein willkürlich angeordnet. Das werde durch die Berichte der Ärzte B… bestätigt, wodurch der Antragsteller den Nachweis geführt habe, dass die vom Antragsgegner behaupteten Erkrankungen bei ihm nicht vorlägen.

Der Entzug sei offenbar im Übrigen nicht dringlich, da zwischen Bekanntwerden des Unfalls und Ergehen des Entziehungsbescheids acht Monate lägen, die ohne Gefährdung des Straßenverkehrs durch den Antragsteller verstrichen seien.

Der Antragsgegner beantragt, den Antrag abzulehnen.

Der Rechtsstreit wurde mit Beschluss vom 16. Oktober zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten wird verwiesen auf die Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren sowie im Klageverfahren M 26 K 19.4314 sowie auf die vorgelegten Behördenakten.

II.

Der Antrag hat keinen Erfolg.

Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – ist zulässig, aber unbegründet.

1. Der Antrag ist entsprechend §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO auszulegen als Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 22. August 2019 gegen die in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids vom 7. August 2019 enthaltene Entziehung der Fahrerlaubnis sowie Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage hinsichtlich der in Nr. 2 des Bescheids enthaltenen, fristmäßig konkretisierten Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheins (§ 47 Abs. 1 Satz 1 Fahrerlaubnisverordnung – FeV; BayVGH, B.v. 22.9.2015 – 11 CS 15.1447 – juris).

2. Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung in Nr. 4 des Bescheids vom 7. August 2019 genügt den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.

Nach dieser Vorschrift ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Dabei hat die Behörde unter Würdigung des jeweiligen Einzelfalls darzulegen, warum sie abweichend vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung, die Widerspruch und Klage grundsätzlich zukommt, die sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes angeordnet hat. An den Inhalt der Begründung sind dabei allerdings keine zu hohen Anforderungen zu stellen (Schmidt in: Eyermann, VwGO – Verwaltungsgerichtsordnung, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 43).

Dem genügt die ersichtlich auf den vorliegenden Einzelfall abstellende Begründung unter Ziffer IV. auf den Seiten 5 und 6 im Bescheid. Die Fahrerlaubnisbehörde hat dargelegt, warum sie konkret im Fall des Antragstellers im Interesse der Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs die sofortige Vollziehung anordnet. Im Übrigen ergibt sich das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung im Bereich des Sicherheitsrechts regelmäßig – so auch hier – gerade aus den Gesichtspunkten, die für den Erlass des Verwaltungsakts selbst maßgebend waren.

3. Hinsichtlich der in Nr. 4 des Bescheids vom 7. August 2019 angeordneten sofortigen Vollziehung war die aufschiebende Wirkung der Klage vom 22. August 2019 bzgl. der Nrn. 1 und 2 nicht wiederherzustellen.

Gemäß § 80 Abs. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt zum einen, wenn die Behörde nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten angeordnet hat. Die aufschiebende Wirkung entfällt auch dann, wenn dies gesetzlich angeordnet ist (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 – 3 VwGO).

3.1 Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 – 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen, im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind insbesondere die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens dagegen nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer Interessensabwägung.

3.2 Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall war der Antrag abzulehnen, weil sich die in Nr. 1 des Bescheids vom 7. August 2019 enthaltene Entziehung der Fahrerlaubnis aller Klassen des Antragstellers nach der hier gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung als rechtmäßig darstellt und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt, so dass die hiergegen erhobene Anfechtungsklage voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist wegen der unmittelbaren Klageerhebung derjenige der Zustellung des streitgegenständlichen Bescheids vom 7. August an den Antragsteller am 9. August 2019 (BayVGH, B.v. 4.12.2012 – 11 ZB 12.2667 – juris –; BayVGH, B.v. 10.11.2009 – 11 CS 09.2426 – juris).

Mit dieser Maßgabe nimmt das Gericht zunächst vollumfänglich Bezug auf die ausführlichen Gründe des Bescheids vom 7. August 2019 und macht sich diese zur Begründung der vorliegenden Entscheidung zu Eigen (§ 117 Abs. 5 VwGO).

3.3 Im Hinblick auf die Klage- und Antragsbegründung wird noch folgendes ausgeführt:

3.3.1 Im vom Antragsteller im Verwaltungsverfahren zitierten Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vom 9. Oktober 2018 – 11 CS 18.1897 – juris, den die Klagebegründung inhaltlich aufnimmt, indem sie eine Gutachtensanordnung ins Blaue hinein behauptet, ist folgendes (Rn. 13) ausgeführt:

„Bedenken gegen die körperliche und geistige Fahreignung bestehen nach § 11 Abs. 2 Satz 2 FeV dann, wenn Tatsachen bekannt werden, die auf eine Erkrankung oder einen Mangel nach Anlage 4 oder 5 zur FeV hinweisen. Nicht erforderlich ist also, dass eine solche Erkrankung oder ein solcher Mangel bereits feststeht. Allerdings darf die Beibringung des Gutachtens nur aufgrund konkreter Tatsachen, nicht auf einen bloßen Verdacht „ins Blaue hinein“ bzw. auf Mutmaßungen, Werturteile, Behauptungen oder dergleichen hin verlangt werden (vgl. BVerwG, U.v. 5.7.2001 – 3 C 13.01 – NJW 2002, 78 = juris Rn. 26; Siegmund in Freymann/Wellner jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 11 FeV Rn. 36). Ob die der Behörde vorliegenden Tatsachen ausreichen, ist nach den gesamten Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen. Gleiches gilt für den genauen Grad der Konkretisierung, die die von der Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 11 Abs. 6 Satz 1 und 2 FeV festzulegende und mitzuteilende Fragestellung aufweisen muss (BVerwG, B.v. 5.2.2015 – 3 B 16.14 – BayVBl 2015, 421; BayVGH, B.v. 3.9.2015 – 11 CS 15.1505 – juris Rn. 13).“

Gemessen an diesen Maßstäben trifft im vorliegenden Fall der Vorwurf, die Fahrerlaubnisbehörde habe eine Beibringung auf Verdacht „ins Blaue hinein“ verlangt, nicht zu. Sie konnte sich vielmehr einmal auf den vom Antragsteller verursachten Unfall und zum zweiten auch auf das vom Antragsteller vorgelegte Attest des Herrn Dr. A… vom … April 2019 als objektive Zweifel an der Fahreignung begründende Tatsachen stützen. In diesem Attest, das zwar die behördlich gestellten Fragen zum Gesundheitszustand des Antragstellers nicht zufriedenstellend beantwortet, wird ihm aber jedenfalls eine arterielle Hypertonie mit einem maximalen Wert von 181/87 bescheinigt. Der Ausdruck „grenzwertig“ hinter der Diagnose soll angesichts des Mittelwerts der Langzeitmessung von 135/65 wohl bedeuten, dass es sich um einen erhöhten Blutdruck an der Grenze zum Normalbereich handelt. Angesichts der Vorgaben in Nr. 4.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung, wonach bei erhöhtem Blutdruck mit zerebraler Symptomatik und/oder Sehstörungen keine Eignung oder bedingte Eignung für die Klassen der Gruppe 1 vorliegt, bei Blutdruckwerten von mehr als 180 mmHG systolisch und/oder mehr als 110 mmHG diastolisch (nur) „in der Regel“ eine Eignung zu bejahen ist, ergaben sich ausreichende Anhaltspunkte für eine ärztliche Eignungsbegutachtung des Antragstellers, der bei einer aktuellen 24-Stunden-Blutdruckmessung einen Maximalwert von 181 mmHG systolisch erreicht hatte.

Fahrerlaubnisentziehung - Fahreignungszweifel wegen Hypertonie und Diabetes mellitus
(Symbolfoto: Von eggeegg/Shutterstock.com)

Auch bietet das ärztliche Attest vom … April 2019 tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Diabeteserkrankung beim Antragsteller. Ihm wird Diabetes mellitus Typ 2b mit einer HbA1c 6,7 % bescheinigt, wobei das Datum …01.2014 hinter dieser Diagnose wohl bedeuten soll, dass der Diabetes erstmals zu diesem Zeitpunkt festgestellt worden ist. Dabei weist der Blutzuckergehalt von 6,7 % den Antragsteller jedenfalls als Diabetiker aus.

Die Aussagen des genannten Attests widersprechen zwar denen des älteren Attests desselben Arztes vom … September 2018. Das zeigt aber lediglich, wie unzuverlässig Aussagen des behandelnden Hausarztes in Bezug auf fahreignungsrelevante Erkrankungen von Betroffenen sein können und macht die Notwendigkeit einer Begutachtung auch im vorliegenden Falle umso deutlicher.

Die kurzen, unvollständigen und begründungslosen, dadurch mehr Fragen offen lassenden als beantwortenden Unterlagen der Arztpraxis B… waren nicht geeignet, die Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers unter dem Aspekt einer Diabeteserkrankung und einer Hypertonie auszuräumen. Deshalb gab es für den Antragsgegner in dieser Situation kein milderes Mittel, als an der Begutachtung des Antragstellers durch ein ärztliches Gutachten eines Arztes einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung festzuhalten.

3.3.2 Die Vorgaben der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (B. V. 3.5.2017-11 CS 17.312 – juris Rn. 16 ff.) zum verhältnismäßigen Vorgehen bezüglich einer Diabeteserkrankung hat der Antragsgegner nach Auffassung des Gerichts beachtet. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof führt insoweit (a.a.O. Rn 19 f.) aus:

Bei der Prüfung der Frage, ob die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens hinsichtlich einer Erkrankung anzuordnen ist, die wie Diabetes mellitus in einer Mehrzahl oder Vielzahl der Fälle eine Fahrungeeignetheit nicht begründet, gebietet der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass sich die Fahrerlaubnisbehörde vorher Kenntnisse über Tatsachen verschafft, die ausreichende Anhaltspunkte dafür begründen können, dass eine Ungeeignetheit nach den Nrn. 5.1 bis 5.3 der Anlage 4 zur FeV vorliegen könnte. Solche Tatsachen können vom Betroffenen erfragt werden, zumal eine Anhörung vor Erlass der Gutachtensbeibringungsanordnung entsprechend Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG ohnehin geboten sein dürfte. Dabei kann auch Gelegenheit gegeben werden, ärztliche Bescheinigungen (Laborergebnisse) und Atteste der behandelnden Ärzte vorzulegen. Nach den Begutachtungsleitlinien (Seite 37) soll insbesondere auch geklärt werden, wie viele fremdhilfebedürftige Hypoglykämien in den vergangenen zwölf Monaten zu verzeichnen waren, ob der Patient Unterzuckerungen erkennt und hierauf adäquat reagieren kann, ob bzw. in welchem Umfang der Patient selbst Kontrollmessungen vornimmt, ob der Patient über die besonderen Risiken einer Unterzuckerung im Straßenverkehr aufgeklärt und informiert ist, ob der Patient seinen Stoffwechselverlauf dokumentiert und ob bzw. durch welche Maßnahmen der Patient im Umgang mit seiner Diabeteserkrankung hinreichend geschult ist. Viele dieser Informationen können nur vom Patienten selbst und von seinen behandelnden Ärzten erfragt und bestätigt werden. Das kann die Fahrerlaubnisbehörde zunächst selbst aufklären. Einer Begutachtung bedarf es hierfür noch nicht.

Wird eine solche Vorabklärung vorgenommen, kann sich, da die Mehrzahl der Menschen mit Diabetes fahrgeeignet ist, ergeben, dass eine weitere ärztliche Untersuchung und ein ärztliches Gutachten nicht erforderlich sind. Unabhängig von der (hohen) Zahl der Erkrankungen an Diabetes mellitus wäre es daher unverhältnismäßig, allein auf Grund dieser Diagnose sogleich die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens anzuordnen. Eine solche Notwendigkeit ergibt sich nur, wenn der Betroffene nicht hinreichend mitwirkt oder wenn aufgrund seiner Auskünfte und der vorgelegten ärztlichen Atteste noch Bedenken bestehen oder Zweifel an der Richtigkeit der vom Betroffenen gegebenen Auskünfte oder der von den behandelnden Ärzten ausgestellten Atteste bestehen. Ggf. kann zur Beurteilung dieser Frage, ob noch Zweifel verbleiben, auch das Gesundheitsamt bzw. die Gesundheitsabteilung der Behörde eingeschaltet werden.

Im vorliegenden Fall ist die Fahrerlaubnisbehörde gerade in diesem Sinne vorgegangen, indem sie vor Ergehen der Gutachtensaufforderung mit Schreiben vom 1. April 2019 den Antragsteller zunächst aufgefordert hat, eine Bestätigung des behandelnden Arztes zur Aufklärung von die Fahreignung in Frage stellenden Erkrankungen vorzulegen. Nachdem Resultat dieser Aufklärungsmaßnahme im Vorfeld der Gutachtensanordnung das Attest von Dr. A… vom … April 2019 war, welches tatsächliche Anhaltspunkte für Zweifel an den beiden fahreignungsrelevanten Erkrankungen enthielt, durfte die Fahrerlaubnisbehörde im Anschluss daran und ohne Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ein ärztliches Fahreignungsgutachten verlangen. Zur weiteren Aufklärungsmaßnahmen war sie – auch angesichts der grundsätzlich gebotenen Verfahrensbeschleunigung im Interesse der zu schützenden Rechtsgüter anderer Verkehrsteilnehmer- nicht verpflichtet.

3.3.3 An das zuletzt Gesagte anknüpfend begegnet auch die Verfahrensdauer im vorliegenden Fall keinen rechtlichen Bedenken. Hier liegt schon objektiv gesehen keine überlange Dauer des Verfahrens vor, wobei festzuhalten ist, dass ein Gutteil der verstrichenen Zeit bis zum Entzug der Fahrerlaubnis auf dem Verhalten des Antragstellers beruht, dem auf seine Forderung hin zur Begutachtung eine (moderate) Fristverlängerung eingeräumt wurde.

3.4 Da somit die sofortige Vollziehung der Entziehung der Fahrerlaubnis der summarischen gerichtlichen Überprüfung standhält, verbleibt es auch bei der in Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids enthaltenen Verpflichtung, den Führerschein abzuliefern. Diese – im Bescheid hinsichtlich der Frist konkretisierte – Verpflichtung ergibt sich aus § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG i.V.m. § 47 Abs. 1 Sätze 1 und 2 FeV.

4. Rechtliche Bedenken gegen die in der Nr. 5 des Bescheids enthaltenen Festsetzungen zu den Kosten des Verwaltungsverfahrens wurden weder vorgetragen, noch sind solche sonst ersichtlich.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

6. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes – GKG – i.V.m. den Empfehlungen in den Nrn. 1.5 sowie 46.1, 46.3 und 46.9 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, Anh. § 164 Rn. 14).

 

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