Einstweiliger Rechtschutz gegen Fahrerlaubnisentziehung
Das Gericht hat den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis abgelehnt. Der Antragsteller hatte acht Punkte im Fahreignungsregister erreicht, was zur Entziehung der Fahrerlaubnis führte. Das Gericht erachtete die Entziehung als rechtmäßig, da die gesetzlichen Bestimmungen erfüllt waren.
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✔ Das Wichtigste in Kürze
Die zentralen Punkte aus dem Urteil:
- Der Antragsteller hatte acht Punkte im Fahreignungsregister erreicht, was zur Entziehung seiner Fahrerlaubnis führte.
- Das Gericht stellte fest, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG rechtmäßig war.
- Die Summe der Punkte im Fahreignungsregister wurde retrospektiv zum Zeitpunkt der letzten relevanten Verkehrsordnungswidrigkeit ermittelt.
- Das Gericht betonte, dass die Verwarnung nach sechs Punkten nicht gesetzlich vorgeschrieben ist und die Behörde nach eigenem Ermessen handeln kann.
- Der Antragsteller argumentierte, dass er auf seine Fahrerlaubnis angewiesen sei, aber das Gericht entschied, dass das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit Vorrang hatte.
- Das Gericht lehnte den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ab und erlaubte die Fortsetzung der Fahrerlaubnisentziehung.
- Der Antragsteller hatte die Möglichkeit, im Hauptsacheverfahren gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis vorzugehen.
Fahrerlaubnisentziehung und Einstweiliger Rechtschutz im Verkehrsrecht
In der Welt des Verkehrsrechts spielt die Fahrerlaubnisentziehung eine zentrale Rolle, besonders wenn es um die Ahndung von Verkehrsordnungswidrigkeiten geht. Dieses Thema berührt grundlegende Fragen der Verkehrssicherheit und der persönlichen Mobilität. Wenn Fahrer durch wiederholte Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung auffallen, sieht sich die Fahrerlaubnisbehörde oft gezwungen, die Fahrerlaubnis zu entziehen. Dies geschieht in der Regel nach einem Punktesystem, bei dem ab einer bestimmten Punktzahl im Fahreignungsregister die Entziehung der Fahrerlaubnis unausweichlich wird.
Ein weiteres wesentliches Element in diesem Kontext ist der einstweilige Rechtsschutz. Dieser ermöglicht es Betroffenen, gegen die sofortige Vollziehbarkeit einer Fahrerlaubnisentziehung vorzugehen. Die Frage, die sich hier stellt, ist, inwieweit individuelle Umstände und Interessen des Fahrers, wie berufliche Abhängigkeiten oder persönliche Mobilitätsbedürfnisse, gegenüber den Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit und den Bestimmungen des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) abgewogen werden.
Im Folgenden wird ein konkreter Fall beleuchtet, in dem ein Antragsteller gegen die Aufforderung zur Fahrerlaubnisabgabe vorgeht und sich damit in den Bereich des einstweiligen Rechtsschutzes begibt. Erfahren Sie, wie das Gericht in diesem spezifischen Fall entschieden hat, und entdecken Sie die Feinheiten und Komplexitäten, die bei der Entscheidung über Fahrerlaubnisentziehungen in Betracht gezogen werden müssen.
Fahrerlaubnisentzug nach mehreren Verkehrsverstößen: Einblicke in das aktuelle Urteil
Im vorliegenden Fall geht es um die Entziehung der Fahrerlaubnis eines Antragstellers, der sich gegen diese Maßnahme zur Wehr setzt. Im Beschluss vom 26. April 2023 (Az.: 4 L 87/23) hat das Verwaltungsgericht Berlin den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zurückgewiesen und die Gründe hierfür detailliert erläutert.
Die Vorgeschichte: Entzug der Fahrerlaubnis
Der Antragsteller erhielt am 3. Mai 2016 seine Fahrerlaubnis für die Klassen AM, B und L. Zwischen dem 2. Juli 2016 und dem 19. Oktober 2021 beging er insgesamt sechs Geschwindigkeitsübertretungen, die zu neun Punkten im Fahreignungsregister führten. Während seiner Probezeit nahm er an einem Aufbauseminar für Fahranfänger teil. Darüber hinaus erhielt er Ermahnungen und Verwarnungen von den zuständigen Behörden.
Am 18. Oktober 2022 wurde dem Antragsteller die Fahrerlaubnis entzogen, er wurde aufgefordert, seinen Führerschein innerhalb von fünf Tagen abzugeben, und es wurde eine Gebühr von 222,18 Euro festgelegt. Die Entziehung erfolgte aufgrund des Erreichens von acht Punkten im Fahreignungsregister, was die Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zur Folge hatte.
Die Argumente des Antragstellers
Der Antragsteller legte Widerspruch gegen den Bescheid ein, der jedoch am 14. Februar 2023 zurückgewiesen wurde. Er argumentierte, dass der siebte Punkt bereits am 30. November 2021 gespeichert wurde, er jedoch erst am 12. August 2022 verwarnt wurde. Er behauptet, dass eine rechtzeitige Verwarnung ihn davon abgehalten hätte, weitere Verkehrsordnungswidrigkeiten zu begehen. Die Unterlassung der Verwarnung hätte auch eine Reduktion des Punktestandes zur Folge, was ihm die Möglichkeit gegeben hätte, sein Verhalten zu ändern. Darüber hinaus betonte er seine berufliche Abhängigkeit von der Fahrerlaubnis als Fußballspieler des FC.
Die Entscheidung des Gerichts
Das Verwaltungsgericht Berlin lehnte den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ab, da die Entziehung der Fahrerlaubnis bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig angesehen wurde. Gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) gilt ein Fahrerlaubnisinhaber als ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeuges, wenn die Summe der im Fahreignungsregister eingetragenen Punkte acht oder mehr beträgt. Zum Zeitpunkt der letzten Ordnungswidrigkeit hatte der Antragsteller bereits acht Punkte erreicht.
Die Entscheidung des Gerichts berücksichtigte somit die gesetzlichen Vorgaben und sah keine ausreichenden Gründe, die gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis sprachen.
Fazit
Das vorliegende Urteil bestätigt die Rechtmäßigkeit des Entzugs der Fahrerlaubnis aufgrund des Erreichens einer bestimmten Anzahl von Punkten im Fahreignungsregister. Trotz der Argumente des Antragstellers entschied das Gericht, dass die Entziehung gerechtfertigt ist. Dieser Fall unterstreicht die Bedeutung der Einhaltung von Verkehrsvorschriften und die Konsequenzen bei wiederholten Verkehrsverstößen.
✔ Wichtige Begriffe kurz erklärt
Auf welchen rechtlichen Grundlagen kann die Fahrerlaubnisentziehung als rechtmäßig angesehen werden?
Die Entziehung der Fahrerlaubnis in Deutschland kann auf verschiedenen rechtlichen Grundlagen beruhen.
Eine der Hauptgrundlagen ist das Strafgesetzbuch (StGB). Gemäß § 69 StGB kann die Fahrerlaubnis entzogen werden, wenn dringende Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass der Beschuldigte zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Dies kann beispielsweise bei Trunkenheit im Straßenverkehr der Fall sein.
Eine weitere wichtige rechtliche Grundlage ist das Straßenverkehrsgesetz (StVG). Nach § 3 StVG muss die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis entziehen, wenn sich jemand als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn der Inhaber der Fahrerlaubnis ein medizinisches oder psychologisches Gutachten, das seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bestätigen soll, nicht vorlegt.
Darüber hinaus kann die Fahrerlaubnis auch aufgrund von Verstößen gegen die Fahrerlaubnisverordnung (FeV) entzogen werden. Nach § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV ist eine Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen, wenn sich der Inhaber der Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist.
Schließlich kann die Fahrerlaubnis auch vorläufig entzogen werden, wenn die hohe Wahrscheinlichkeit der Untauglichkeit des Fahrzeugführers für die Teilnahme am Straßenverkehr besteht. Dies ist in § 111a der Strafprozessordnung (StPO) geregelt.
Die genannten Gesetze und Verordnungen bilden die rechtliche Grundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis in Deutschland. Sie stellen sicher, dass nur Personen, die geeignet und befähigt sind, ein Kraftfahrzeug zu führen, eine Fahrerlaubnis besitzen.
Übersicht
VG Berlin – Az.: 4 L 87/23 – Beschluss vom 26.04.2023
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,- Euro festgesetzt
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis.
Der Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt am Main – Ordnungsamt – erteilte dem 6… geborenen Antragsteller am 3. Mai 2016 eine Fahrerlaubnis für die Klassen AM, B und L. Im Zeitraum vom 2. Juli 2016 bis 19. Oktober 2021 beging der Antragsteller sechs Geschwindigkeitsübertretungen, für welche insgesamt neun Punkte im Fahreignungsregister eingetragen wurden. Während der Probezeit absolvierte er ein Aufbauseminar für Fahranfänger. Für Einzelheiten wird auf die Aufstellung des Antragsgegners, Bl. 99 des Verwaltungsvorgangs, verwiesen. Mit Schreiben vom 22. März 2019 wurde der Antragsteller vom Landrat des Kreises Wesel – Fachdienst Straßenverkehr – ermahnt, mit Schreiben vom 10. August 2022 vom Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (im Folgenden: LABO) verwarnt. Ferner wies das LABO in der Verwarnung darauf hin, dass dem Antragsteller, sofern er durch weitere im Fahreignungsregister einzutragende Zuwiderhandlungen einen Stand von acht oder mehr Punkten erreichen sollte, die Fahrerlaubnis mit einer sechsmonatigen Sperrfrist für die Wiedererteilung entzogen würde. Unter dem 27. September 2022 teilte das LABO dem Antragsteller mit, dass zwar für die Verkehrsordnungswidrigkeit am 2. Juli 2016 (wegen Zeitablauf) ein Punkt getilgt werde, er nunmehr aber aufgrund der neuen Verkehrsordnungswidrigkeit am 19. Oktober 2021 mit acht Punkten im Fahreignungsregister belastet und die Behörde daher verpflichtet sei, die Fahrerlaubnis zu entziehen. Sie gab ihm hierzu Gelegenheit zur Stellungnahme.
Mit Bescheid vom 18. Oktober 2022 entzog das LABO dem Antragsteller sodann die Fahrerlaubnis (Ziff. 1), forderte ihn zur Abgabe des Führerscheins binnen fünf Tagen auf (Ziff. 3) und setzte eine Gebühr in Höhe von 222,18 Euro fest (Ziff. 4). Außerdem wies es darauf hin, dass die Entziehung kraft Gesetzes sofort vollziehbar sei und daher Widerspruch und Klage keine aufschiebende Wirkung haben (Ziff. 2). Zur Begründung führte es aus, mit Erreichen von acht Punkten im Fahreignungsregister sei die Nichteignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen eingetreten und die Entziehung der Fahrerlaubnis ohne Ermessensspielraum anzuordnen.
Hiergegen erhob der Antragsteller am 4. November 2022 ohne weitere Begründung Widerspruch. Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Februar 2023, zugestellt am 17. Februar 2023, wies die Behörde den Widerspruch zurück (Ziff. 1) und setzte Gebühren und Auslagen i.H.v. 222,21 Euro fest (Ziff 2.). Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus: Der Antragsteller habe sich weder Ermahnung noch Verwarnung zur Warnung gereichen lassen und sein Verhalten geändert. Er stelle durch seine beharrlichen Verkehrsverstöße eine Gefahr für sich und andere Verkehrsteilnehmende dar. Da er nunmehr acht Punkte im Fahreignungsregister angesammelt habe, sei ihm nach der zwingenden gesetzlichen Wertung die Fahrerlaubnis zu entziehen. Am 28. November 2022 gab der Vater des Antragstellers den Führerschein des Antragstellers in dessen Auftrag bei der Polizei Berlin ab.
Gegen Ausgangs- und Widerspruchsbescheid erhob der Antragsteller am 17. März 2023 Klage und verfolgt sein Begehren mit seinem zugleich erhobenen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes weiter. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, dass der siebte Punkt bereits am 30. November 2021 gespeichert, er jedoch erst am 12. August 2022 verwarnt worden sei. In Anbetracht der Häufigkeit der Verstöße wäre bereits eine Verwarnung nach dem sechsten Punkt erforderlich gewesen. Wäre er rechtzeitig verwarnt worden, hätte er keine weiteren Verkehrsordnungswidrigkeiten mehr begangen. Die Unterlassung der Verwarnung müsse auch eine Reduktion des Punktestandes zur Folge haben, da der Antragsteller nur so überhaupt Gelegenheit erhalte, die Veränderung seines Verhaltens unter Beweis stellen zu können. Auch könne er dann ein Fahreignungsseminar besuchen. Als angestellter Fußballer des Fußballvereins FC sei er auf seine Fahrerlaubnis angewiesen, um täglich zu seiner sechs Kilometer entfernten Trainingsstätte und alle zwei Wochen nach Berlin pendeln zu können. Als Person des öffentlichen Interesses sei ihm die Nutzung des öffentlichen Fern- und Nahverkehrs nicht zuzumuten. Daher stelle die Entziehung auch ein Eingriff in seine Berufsfreiheit aus Art. 12 des Grundgesetzes dar.
Er beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage (Q…) gegen den Bescheid des Landesamts für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten vom 18. Oktober 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Februar 2022 anzuordnen und den Antragsgegner zu verpflichten, den Führerschein herauszugeben, hilfsweise den Führerschein neu auszustellen.
Der Antragsgegner beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
Er hält an seinen Bescheiden fest. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus: Der Antragsteller habe am 21. Juli 2021 eine Verkehrsordnungswidrigkeit begangen, welche erst am 30. November 2021 im Fahreignungsregister eingetragen worden sei. Da der Antragsteller bereits am 19. Oktober 2021 eine weitere Verkehrsordnungswidrigkeit begangen habe, hätte auch eine Verwarnung unmittelbar nach Eintragung der vorherigen Verkehrsordnungswidrigkeit keine Verhaltensänderung mehr bewirken können. Auch hätte der Antragsteller die Folgen seines Verhaltens bedenken müssen, sodass er sich nicht auf eine Unverhältnismäßigkeit der Entziehungsentscheidung berufen könne. Der Antragsteller habe bereits während der Probezeit ein Aufbauseminar absolvieren müssen und zwei Fahrverbote seien gegen ihn verhängt worden. All dies habe nicht zu einer Verhaltensänderung geführt; er sei gleichwohl weiterhin mit Geschwindigkeitsübertretungen aufgefallen. Daher sei es fernliegend, dass er sich von einer Verwarnung hätte beeindrucken lassen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Antragsgegners, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind, Bezug genommen.
II.
Der Antrag des Antragstellers, über den im Einverständnis der Beteiligten der Berichterstatter (§ 87a Abs. 2 und 3 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO) entscheidet, hat keinen Erfolg.
Der Antrag ist in Bezug auf Ziffer 1. des Bescheids vom 18. Oktober 2022 gemäß § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO zulässig, insbesondere nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO statthaft, weil nach § 4 Abs. 9 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die hier ausgesprochene Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung haben.
Er ist aber insoweit unbegründet. Die angegriffene Entziehung der Fahrerlaubnis erweist sich bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig, so dass auch unter Berücksichtigung der jeweils betroffenen Interessen das Gericht im Rahmen seiner Ermessensentscheidung von einer Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung absieht.
Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG. Danach gilt ein Fahrerlaubnisinhaber als ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeuges und die Fahrerlaubnisbehörde hat die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn die Summe der im Fahreignungsregister eingetragenen Punkte acht oder mehr Punkte beträgt. Maßgeblicher Zeitpunkt zur Ermittlung des Punktestandes ist gemäß § 4 Abs. 5 Satz 5 StVG der Zeitpunkt der Begehung der letzten zur Ergreifung der Maßnahme führenden Straftat oder Ordnungswidrigkeit. Danach ist die Entziehung der Fahrerlaubnis materiell rechtmäßig. Legt man die Regelungen in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3, Abs. 5 Satz 5 StVG zugrunde, hatte der Antragsteller am 19. Oktober 2021, dem Tag der letzten geahndeten Ordnungswidrigkeit, acht Punkte erreicht. Wegen der Einzelheiten wird auf die Begründung des Bescheids vom 18. Oktober 2022 verwiesen, die sich das Gericht zu eigen macht (vgl. § 117 Abs. 5 VwGO in entsprechender Anwendung).
Der Berücksichtigung der Tat am 21. Juli 2021 steht nicht entgegen, dass diese erst am 30. November 2021 und damit nach der Tat am 19. Oktober 2021 (welche zum achten Punkt führte) im Fahreignungsregister eingetragen wurde. Gem. § 4 Abs. 5 Satz 5 StVG ist für das Ergreifen der Maßnahmen nach Satz 1 auf den Punktestand abzustellen, der sich zum Zeitpunkt der Begehung der letzten zur Ergreifung der Maßnahme führenden Straftat oder Ordnungswidrigkeit ergeben hat. Es ist demnach retrospektiv zu beurteilen, ob am Tattag acht Punkte einzutragen gewesen wären. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Regelung gerade im Interesse der Verkehrssicherheit dem nach altem Recht möglichen Ausblenden von Taten und Punkten entgegenwirken (Buchardt, in: Münchner Kommentar zum StVR, 1. Auflage 2016, § 4 Rn. 27). Daher genügt es, wenn wie hier am Tattag der nachfolgenden Verkehrsordnungswidrigkeit Rechtskraft bezüglich der vorherigen Tat eingetreten war (vgl. Dronkovic, in: Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 3. Auflage 2021, §4 StVG Rn. 15).
Der Berücksichtigung von acht Punkten steht ebenso nicht entgegen, dass bereits zum Zeitpunkt der Verwarnung am 10. August 2022 acht Punkte eingetragen waren. Für die Rechtmäßigkeit einer Entziehung gem. § 4 Abs. 5 Satz 1 StVG ist mithin (allein) entscheidend, dass der Behörde acht Punkte bekannt sind. Für die Rechtmäßigkeit des Entziehungsbescheids ist es unerheblich, wenn die Fahrerlaubnisbehörde auf der vorangegangenen Stufe versehentlich nur sieben statt tatsächlich bekannter acht Punkte mitgeteilt hat und ihr zwischen der Verwarnung und der Entziehung lediglich ein weiterer Punkt bekannt geworden ist. Die Verwarnung begründet beim Adressaten weder ein schutzwürdiges Vertrauen hinsichtlich des darin angegebenen Punktestands noch bindet sie die Fahrerlaubnisbehörde beim Erlass des Fahrerlaubnisentziehungsbescheids (vgl. auch zur Unterrichtung gem. § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG a.F.: BVerwG, Beschluss vom 15. Dezember 2006 – BVerwG 3 B 49.06 – juris, Rn. 5). Der in der Verwarnung mitgeteilte Punktestand gibt auch nicht in jedem Fall den Punktestand wieder, der sich aus den zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Verwarnung begangenen Verkehrsverstößen tatsächlich ergibt. So können etwa – wie hier – Punkte, die sich zwar wegen der rechtskräftigen Ahndung der Straftat oder Ordnungswidrigkeit bereits gem. § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG ergeben haben, aber mangels Mitteilung durch das Kraftfahrt-Bundesamt gem. § 4 Abs. 8 StVG noch nicht zur Kenntnis der Fahrerlaubnisbehörde gelangt sind, für die Verwarnung nicht berücksichtigt werden. Gleichwohl werden diese Punkte nach Kenntniserlangung durch die Fahrerlaubnisbehörde Anlass für die Fahrerlaubnisentziehung. Dass der Fahrerlaubnisinhaber also trotz der in § 4 Abs. 5 StVG der Fahrerlaubnisentziehung zwingend vorgeschalteten Maßnahmen nicht zwangsläufig zuverlässig über seinen Punktestand informiert ist, ist nach der Systematik der Vorschrift hinzunehmen (OVG Hamburg, Beschluss vom 8. Januar 2018 – 4 Bs 94/17 – juris, Rn. 16). Eine solche Auslegung entspricht auch dem Zweck der Rechtsänderungen zum neuen Fahreignungs-Bewertungssystem. Der Gesetzgeber wollte sich für das ab 1. Mai 2014 geltende neue System mit den Erwägungen zur Punkteentstehung und zum Tattagprinzip bewusst vom vorherigen System absetzen (BT-Drs. 18/2775, S. 9). Es soll nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem nicht mehr darauf ankommen, dass eine Maßnahme den Betroffenen vor der Begehung weiterer Verstöße erreicht und ihm die Möglichkeit zur Verhaltensänderung einräumt, bevor es zu weiteren Maßnahmen kommen darf. Vielmehr kommt es unter Verkehrssicherheitsgesichtspunkten und für das Ziel, die Allgemeinheit vor ungeeigneten Fahrern zu schützen, auf die Effektivität des Fahreignungs-Bewertungssystems an (BT-Drs. 18/2775, S. 9f.). Insbesondere bei Konstellationen, in denen in kurzer Zeit wiederholt und schwer gegen Verkehrsregeln verstoßen wurde, was ein besonderes Risiko für die Verkehrssicherheit bedeutet, soll nach Ansicht des Gesetzgebers in Abwägung mit dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit nicht über bestimmte Verkehrsverstöße hinweggesehen werden (vgl. BT-Drs. 18/2775, S. 10). Daher sperrt eine Maßnahme nicht die Verwertung von zunächst unberücksichtigt gebliebenen Verstößen bei der darauffolgenden Entziehung (vgl. VGH München, Beschluss vom 23. Mai 2016 – 11 CS 16.585, 11 CS 16.553 – juris, Rn. 16). Es kommt somit entgegen der Auffassung des Antragstellers gar nicht darauf an, ob die Verwarnung noch Anlass zur Verhaltensänderung geben konnte.
Die Fahrerlaubnisbehörde hat auch die stufenweisen Maßnahmen des § 4 Abs. 5 Satz 1 StVG ordnungsgemäß durchgeführt. Danach ist bei einem Punktestand von vier oder fünf Punkten der Inhaber einer Fahrerlaubnis schriftlich zu ermahnen (Nr. 1), bei sechs oder sieben Punkten schriftlich zu verwarnen (Nr. 2) und bei acht oder mehr Punkten gilt er als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen und die Fahrerlaubnis ist zu entziehen (Nr. 3). Dabei darf eine Verwarnung oder Entziehung erst erfolgen, wenn die Maßnahme der jeweils davor liegenden Stufe ergriffen worden ist (vgl. § 4 Abs. 6 Satz 1 StVG).
Hier hat die Fahrerlaubnisbehörde die Maßnahmen vor der Entziehung ordnungsgemäß durchgeführt. Der Landrat des Kreises Wesel – Fachdienst Straßenverkehr – ermahnte ihn mit Schreiben vom 13. März 2019, nachdem er einen Punktestand von fünf Punkten erreicht hatte. Sodann verwarnte das LABO ihn mit Schreiben vom 10. August 2022. Rechtsfehler zu Ungunsten des Antragstellers bei der Ermittlung dieser Punktestände oder sonstige Fehler dieser beiden Schreiben sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Eine Rechtspflicht zur Verwarnung nach sechs Punkten besteht nicht. Vielmehr steht es nach dem Gesetzeswortlaut der Behörde frei, nach sechs oder sieben Punkten zu verwarnen.
Da es sich bei § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG um eine gebundene Entscheidung handelt, verbleibt für die vom Antragsteller begehrte Prüfung der Verhältnismäßigkeit kein Raum. Im Übrigen wäre auch nicht nachvollziehbar, wieso es einem angestellten Fußballspieler einer Mannschaft der vierten Liga nicht zumutbar sein soll, den öffentlichen Nah- und Fernverkehr zu nutzen. Für den täglichen Arbeitsweg von sechs Kilometern kann er als Profisportler auf das Fahrrad verwiesen werden. Diese Argumente des Antragstellers sind auch nicht geeignet ein Überwiegen des Aussetzungsinteresses gegenüber dem Vollzugsinteresses zu begründen. In Anbetracht der Vielzahl von erheblichen gleichartigen Verkehrsverstößen gebietet das hohe Schutzgut der Verkehrssicherheit und der Schutz von Leib und Leben der anderen Verkehrsteilnehmenden den einstweiligen Vollzug bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens. Da der Antragsteller sein Verhalten trotz der vielfältigen Sanktionen für seine Geschwindigkeitsübertretungen nicht geändert und er sich daher als ungeeignet zur Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr erwiesen hat, muss sein Interesse an einer Fortbewegung im eigenen Kraftfahrzeug hinter das Interesse der Allgemeinheit zurückzutreten.
Der Antrag ist in Bezug auf die Aufforderung zur Abgabe des Führerscheins in Ziffer 3. des Bescheids vom 18. Oktober 2022 unzulässig, da es dem Antragsteller an einem qualifizierten Rechtsschutzbedürfnis mangelt. Zwar fehlt es in Bezug auf Ziffer 3. des Bescheids vom 18. Oktober 2022 an der Anordnung der sofortigen Vollziehung, da sich § 4 Abs. 9 StVG nach dem eindeutigen Wortlaut nicht auf die Aufforderung zur Abgabe des Führerscheins erstreckt (VG Berlin, Beschluss vom 22. November 2018 – VG 4 L 366.18 – juris, Rn. 19; VG Koblenz, Beschluss vom 1. Dezember 2020 – 4 L 1078/20.KO – juris, Rn. 5; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 9. Oktober 2020 – 9 L 727/20 – juris, Rn. 5; gleiches gilt auch für § 47 Abs. 1 Satz 2 der Fahrerlaubnisverordnung: OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. März 2007 – OVG 1 S 31.07 – juris, Rn. 5ff.), sodass der Klage insoweit aufschiebende Wirkung zukommt. Gleichwohl kann der Antragsteller kein schützenswertes Interesse an der Rückgabe seines Führerscheins geltend machen. Beim Führerschein handelt es sich gem. § 2 Abs. 1 Satz 3 StVG lediglich um die amtliche Bescheinigung der Fahrerlaubnis. Der Antragsteller ist nicht mehr im Besitz der Fahrerlaubnis, er darf demnach gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 StVG keine Kraftfahrzeuge auf öffentlichen Straßen führen. Der Führerschein verkörpert daher eine unzutreffende Berechtigung des Antragstellers; er suggeriert ein Recht, welches dem Antragsteller nicht mehr zusteht. Am Besitz einer unzutreffenden Bescheinigung kann kein rechtlich schützenswertes Interesse bestehen. Aus den gleichen Erwägungen besteht auch kein Anspruch nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO auf Rückgabe des Führerscheins.
Soweit sich der Antrag gegen die Gebühren- und Abgabenfestsetzungen in Ziffer 4. des Bescheids vom 18. Oktober 2022 und Ziffer 2. den Widerspruchsbescheids vom 14. Februar 2023 wendet, ist der Antrag unzulässig, da der Antragsteller keinen gem. § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO erforderlichen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.