Das Verwaltungsgericht Köln hat eine Fahrerlaubnisentziehung für rechtswidrig erklärt, weil die Behörde nicht ausreichend begründet hatte, warum sie in diesem Fall vom Fahreignungs-Bewertungssystem mit Punkten abgewichen war. Die Entziehung der Fahrerlaubnis war somit unzulässig, da sie einen erheblichen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen darstellte.
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Übersicht
- ✔ Das Wichtigste in Kürze
- Fahrerlaubnisentzug: Gericht stoppt unrechtmäßige Maßnahme
- Der Fall vor dem Verwaltungsgericht Köln im Detail
- ✔ FAQ zum Thema: Rechtliche Aspekte bei Fahrerlaubnisentzug
- Was bedeutet einstweiliger Rechtsschutz im Zusammenhang mit der Fahrerlaubnisentziehung?
- Wie kann man gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis vorgehen?
- Welche Rolle spielt das medizinisch-psychologische Gutachten bei der Fahrerlaubnisentziehung?
- Was sind die rechtlichen Voraussetzungen für eine Fahrerlaubnisentziehung?
- In welchen Fällen wird von den standardisierten Bewertungssystemen wie dem Punktesystem abgewichen?
- Welche rechtlichen Folgen hat eine rechtswidrige Fahrerlaubnisentziehung?
- § Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- ➜ Das vorliegende Urteil vom Verwaltungsgericht Köln
✔ Das Wichtigste in Kürze
- Die Voraussetzungen für die angeordnete Fahrerlaubnisentziehung lagen nicht vor.
- Eine bloße Gutachtenanordnung zur Klärung von Eignungszweifeln genügt nicht für einen Fahrerlaubnisentzug.
- Die Begutachtungsanordnung erfüllte nicht die rechtlichen Voraussetzungen.
- Es fehlte eine ausreichende Begründung, warum der Fall aus dem Fahreignungs-Bewertungssystem mit Punkten herausfiel.
- Die Verhältnismäßigkeit der Gutachtenanordnung wurde nicht hinreichend geprüft.
- Das Punktesystem soll Mehrfachtäter rehabilitieren, bevor Maßnahmen wie eine Begutachtung ergriffen werden.
- Eine Abweichung vom Punktesystem ist nur in begründeten Ausnahmefällen möglich.
- Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht durch eine Begutachtung erfordert strenge Anforderungen.
- Die Anordnung muss anlassbezogen und nachvollziehbar begründet sein.
Fahrerlaubnisentzug: Gericht stoppt unrechtmäßige Maßnahme
Das Führen eines Kraftfahrzeugs ist in unserer Gesellschaft von zentraler Bedeutung, denn es ermöglicht uns die Mobilität, die für viele Bereiche des täglichen Lebens unerlässlich ist. Allerdings bringt die Teilnahme am Straßenverkehr auch große Verantwortung mit sich. Die Fahrerlaubnis ist daher an bestimmte Voraussetzungen geknüpft, die sicherstellen sollen, dass Fahrzeugführer die notwendige körperliche und geistige Eignung besitzen, um andere Verkehrsteilnehmer nicht zu gefährden.
In Fällen, in denen Zweifel an der Fahreignung aufkommen, kann die Behörde die Entziehung der Fahrerlaubnis prüfen. Hierbei ist jedoch ein sorgfältiger Interessenausgleich vonnöten, da ein solcher Schritt schwerwiegende Folgen für den Betroffenen haben kann. Das Gesetz sieht daher Möglichkeiten des vorläufigen Rechtsschutzes vor, um eine ausgewogene Entscheidung zu treffen.
Wie sich die Rechtslage im konkreten Fall darstellt und welche Aspekte dabei zu berücksichtigen sind, soll im Folgenden anhand eines aktuellen Gerichtsurteils näher beleuchtet werden.
Der Fall vor dem Verwaltungsgericht Köln im Detail
Gericht stoppt rechtswidrigen Fahrerlaubnisentzug
Im vorliegenden Fall befasste sich das Verwaltungsgericht Köln mit der Rechtmäßigkeit einer Fahrerlaubnisentziehung und dem damit verbundenen einstweiligen Rechtsschutz. Die Antragsgegnerin, also die zuständige Fahrerlaubnisbehörde, hatte dem Antragsteller die Fahrerlaubnis entzogen, da sie ihn für ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen hielt. Die Behörde begründete ihre Entscheidung damit, dass der Antragsteller ein gefordertes Gutachten zur Klärung von Eignungszweifeln nicht fristgerecht beigebracht hatte. Dieses Gutachten war im Zusammenhang mit Verkehrsverstößen des Antragstellers angeordnet worden.
Mangelhafte Begutachtungsanordnung: Fehlende Gründe für Abweichung vom Punktesystem
Das Verwaltungsgericht Köln stellte in seinem Beschluss klar, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtswidrig war und gab dem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung statt. Das Gericht argumentierte, dass die Anordnung, ein Gutachten beizubringen, nicht den rechtlichen Anforderungen entsprach. Die Behörde habe nicht ausreichend begründet, warum sie in diesem Fall vom Fahreignungs-Bewertungssystem mit Punkten abgewichen sei.
Fahreignungs-Bewertungssystem versus Gutachtenanordnung: Interessenabwägung im Fokus
Laut Gericht ist das Fahreignungs-Bewertungssystem mit Punkten ein zentrales Instrument zum Schutz der Verkehrssicherheit. Es ermöglicht eine abgestufte Reaktion auf Verkehrsverstöße und soll Betroffenen die Chance geben, durch Aufbauseminare und verkehrspsychologische Beratung ihre Fahreignung wiederzuerlangen. Erst wenn dieses System nicht ausreicht, um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten, kann die Behörde weitergehende Maßnahmen wie eine medizinisch-psychologische Untersuchung anordnen.
Eingriff in das Persönlichkeitsrecht erfordert besondere Rechtfertigung
Das Gericht betonte, dass die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens einen erheblichen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen darstellt. Dieser Eingriff sei nur gerechtfertigt, wenn die Behörde im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte dafür vorbringen könne, dass der Betroffene ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist und eine Besserung seines Verkehrsverhaltens nicht zu erwarten sei. Im vorliegenden Fall habe die Behörde diese Anforderungen nicht erfüllt. ihre Argumentation, dass eine weniger belastende Maßnahme mit Blick auf das Verkehrssicherheitsinteresse nicht in Betracht komme, reichte dem Gericht nicht aus. Die Behörde habe insbesondere nicht berücksichtigt, dass der Antragsteller zu diesem Zeitpunkt die Punkteschwelle von acht Punkten noch nicht erreicht hatte.
✔ FAQ zum Thema: Rechtliche Aspekte bei Fahrerlaubnisentzug
Was bedeutet einstweiliger Rechtsschutz im Zusammenhang mit der Fahrerlaubnisentziehung?
Der einstweilige Rechtsschutz im Zusammenhang mit der Fahrerlaubnisentziehung bezieht sich auf die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a der Strafprozessordnung (StPO).
Diese vorläufige Maßnahme kann vom Richter angeordnet werden, wenn dringende Gründe für die Annahme vorliegen, dass die Fahrerlaubnis später im Hauptverfahren endgültig entzogen wird (§ 69 StGB).
Die vorläufige Entziehung dient dazu, die Sicherheit des Straßenverkehrs vor einer möglichen Gefährdung durch den Beschuldigten zu schützen, bis im Hauptverfahren über den endgültigen Entzug entschieden wird.
Der einstweilige Rechtsschutz ermöglicht es dem Betroffenen, gegen die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis Beschwerde einzulegen und so seine Rechte vorübergehend zu wahren.
Die vorläufige Entziehung ist aufzuheben, wenn ihr Grund weggefallen ist oder wenn im Urteil die Fahrerlaubnis nicht endgültig entzogen wird.
Für Inhaber einer ausländischen Fahrerlaubnis gelten teilweise Sonderregelungen hinsichtlich der Wirkung und Vollstreckung der vorläufigen Entziehung.
Wie kann man gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis vorgehen?
Gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis haben Betroffene mehrere rechtliche Möglichkeiten, sich zu wehren:
Widerspruch einlegen
Innerhalb eines Monats nach Erhalt des Bescheids über die Fahrerlaubnisentziehung kann Widerspruch bei der zuständigen Behörde eingelegt werden . Die Behörde muss den Fall dann nochmal überprüfen.
Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung
Gegen die sofortige Vollziehung der Entziehung kann ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt werden . Das Gericht wägt dann die Interessen ab und kann die Vollziehung bis zur Entscheidung aussetzen.
Anfechtungsklage erheben
Wird der Widerspruch zurückgewiesen, kann innerhalb eines Monats Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht erhoben werden (§§ 42, 113 VwGO) . Das Gericht prüft dann die Rechtmäßigkeit der Entziehung.
Einstweilige Anordnung beantragen
Parallel zur Anfechtungsklage kann eine einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO beantragt werden, um die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen . Voraussetzung ist, dass die Interessenabwägung zugunsten des Betroffenen ausfällt.
Die Gerichte wägen bei einstweiligem Rechtsschutz die Interessen des Betroffenen an der Aufrechterhaltung der Fahrerlaubnis gegen die öffentlichen Sicherheitsinteressen ab . Letztere wiegen oft schwerer, insbesondere bei Gefährdungsdelikten oder fehlender Fahreignung.
Zusammengefasst haben Betroffene also mehrere Rechtsbehelfsmöglichkeiten, um sich gegen die Fahrerlaubnisentziehung zur Wehr zu setzen. Ein Fachanwalt für Verkehrsrecht kann die Erfolgsaussichten einschätzen und beraten.
Welche Rolle spielt das medizinisch-psychologische Gutachten bei der Fahrerlaubnisentziehung?
Das medizinisch-psychologische Gutachten (MPU) spielt eine entscheidende Rolle bei der Fahrerlaubnisentziehung und deren Wiedererteilung.
Es dient dazu, die Fahreignung des Betroffenen zu überprüfen, wenn erhebliche Zweifel daran bestehen. Die Fahrerlaubnisbehörde ordnet die Vorlage eines solchen Gutachtens an, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind:
- Bei wiederholten oder schweren Verkehrsverstößen wie Trunkenheitsfahrten ab 1,6 Promille oder Drogenkonsum
- Bei Straftaten im Zusammenhang mit Fahren unter Alkohol- oder Drogeneinfluss
- Bei Anzeichen für Suchterkrankungen oder psychische Auffälligkeiten
- Zur Vorbereitung der Entscheidung über die Entziehung oder Neuerteilung der Fahrerlaubnis
Das MPU-Gutachten wird von anerkannten Begutachtungsstellen erstellt. Es besteht aus einer medizinischen Untersuchung, Leistungstests und einem ausführlichen psychologischen Gespräch.
Verweigert der Betroffene die MPU, darf die Behörde auf seine Nichteignung schließen und die Fahrerlaubnis entziehen. Fällt das Gutachten positiv aus, ist dies eine wichtige Voraussetzung für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis nach Ablauf der Sperrfrist.
Somit hat das medizinisch-psychologische Gutachten eine zentrale Bedeutung, um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten und die Fahreignung nach Auffälligkeiten zu überprüfen.
Was sind die rechtlichen Voraussetzungen für eine Fahrerlaubnisentziehung?
Die rechtlichen Voraussetzungen für eine Fahrerlaubnisentziehung sind in § 69 des Strafgesetzbuches (StGB) geregelt. Es gibt zwei Tatbestände:
- Indiztaten (§ 69 Abs. 1 StGB): Die Fahrerlaubnis kann entzogen werden, wenn das Fahrzeug im Zusammenhang mit einer im Straßenverkehr begangenen Straftat benutzt wurde. Beispiele sind Unfallflucht, Gefährdung des Straßenverkehrs oder verbotene Kraftfahrzeugrennen.
- Katalogtaten (§ 69 Abs. 2 StGB): Hier sind bestimmte Straftaten aufgelistet, die eine Fahrerlaubnisentziehung rechtfertigen können, wie z.B. Trunkenheit im Verkehr ab 1,1 Promille, Fahren ohne Fahrerlaubnis oder Drogenkonsum im Zusammenhang mit dem Fahren.
Zentrale Voraussetzung ist in beiden Fällen, dass das Gericht auf Grundlage der Tat zu der Überzeugung gelangt, der Betroffene sei ungeeignet oder nicht mehr geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen.
Die Fahrerlaubnisentziehung ist keine Strafe, sondern eine Maßregel der Besserung und Sicherung (§ 61 Nr. 5 StGB). Ihr Zweck ist der Schutz der Allgemeinheit vor Gefahren im Straßenverkehr und die Verhinderung weiterer Straftaten durch den Täter.
Nach einer Entziehung wird zwingend eine Sperrfrist von 6 Monaten bis 5 Jahren für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis festgelegt (§ 69a StGB).
In welchen Fällen wird von den standardisierten Bewertungssystemen wie dem Punktesystem abgewichen?
Es gibt einige Fälle, in denen von den standardisierten Bewertungssystemen wie dem Punktesystem abgewichen werden kann:
- Schwere oder wiederholte Verstöße: Bei besonders schwerwiegenden oder gehäuften Verkehrsverstößen, die eine erhebliche Gefahr für die Verkehrssicherheit darstellen, kann die Fahrerlaubnisbehörde von der reinen Punktebewertung abweichen. Beispiele sind Trunkenheitsfahrten ab 1,6 Promille, Fahren unter Drogen- oder Medikamenteneinfluss oder massive oder wiederholte Geschwindigkeitsüberschreitungen.
- Eignungszweifel: Wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, dass der Betroffene nicht mehr geeignet ist, ein Kraftfahrzeug zu führen (z.B. Suchterkrankungen, psychische Auffälligkeiten), kann die Behörde die Fahrerlaubnis entziehen, unabhängig von der Punktezahl. In solchen Fällen wird oft ein medizinisch-psychologisches Gutachten (MPU) angeordnet.
- Schwere Straftaten: Bei besonders schweren Straftaten im Zusammenhang mit dem Fahren eines Kraftfahrzeugs (z.B. Tötungsdelikte durch Fahrlässigkeit) kann das Gericht unmittelbar die Entziehung der Fahrerlaubnis anordnen, ohne auf das Punktesystem zurückzugreifen.
- Ausländische Fahrerlaubnis: Für Inhaber einer ausländischen Fahrerlaubnis gelten teilweise Sonderregelungen hinsichtlich der Wirkung und Vollstreckung von Fahrerlaubnisentziehungen und Sperren. Die Behörden müssen hier fallspezifisch entscheiden.
Zentral ist, dass die Behörden in besonders schweren Fällen von den standardisierten Verfahren abweichen können, um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten. Der Schutz der Allgemeinheit vor Gefahren im Straßenverkehr hat hier Vorrang vor formalen Bewertungssystemen.
Welche rechtlichen Folgen hat eine rechtswidrige Fahrerlaubnisentziehung?
Eine rechtswidrige Fahrerlaubnisentziehung kann folgende rechtliche Folgen haben:
- Aufhebung der Entziehung: Wenn die Fahrerlaubnisentziehung als rechtswidrig eingestuft wird, muss sie aufgehoben werden. Der Betroffene erhält seine Fahrerlaubnis zurück.
- Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung: Wurde die Fahrerlaubnis bereits vorläufig entzogen, kann durch die Feststellung der Rechtswidrigkeit die aufschiebende Wirkung wiederhergestellt werden. Der Führerschein muss bis zur endgültigen Entscheidung wieder ausgehändigt werden.
- Rücknahme für die Vergangenheit: In bestimmten Fällen kann eine rechtswidrig erteilte Fahrerlaubnis auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden, wenn die Behörde zum Zeitpunkt der Erteilung bereits von Eignungsmängeln hätte ausgehen müssen (§ 48 VwVfG).
- Amtshaftungsansprüche: Dem Betroffenen können durch die rechtswidrige Entziehung Vermögensschäden entstanden sein (z.B. Verdienstausfall). Er kann dann Amtshaftungsansprüche gegen die handelnde Behörde geltend machen.
- Disziplinarmaßnahmen: Sollte die Rechtswidrigkeit auf ein Fehlverhalten von Amtsträgern zurückzuführen sein, können gegen diese arbeits- oder disziplinarrechtliche Maßnahmen ergriffen werden.
Zentral ist, dass eine rechtswidrige Fahrerlaubnisentziehung rückgängig gemacht werden muss. Der Betroffene kann seine Fahrerlaubnis zurückerhalten und gegebenenfalls Schadensersatzansprüche geltend machen. Ein fachkundiger Anwalt kann hier die rechtlichen Schritte einleiten.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO: Ermöglicht dem Gericht, die aufschiebende Wirkung einer Klage wiederherzustellen, wenn die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes ausgesetzt werden soll. Im analysierten Fall hat das Gericht entschieden, die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers wiederherzustellen, da die Entziehung der Fahrerlaubnis als rechtswidrig angesehen wurde.
- § 3 Abs. 1 StVG und § 46 FeV: Regeln die Voraussetzungen für die Entziehung einer Fahrerlaubnis durch die Fahrerlaubnisbehörde. In diesem Fall war der Antragsteller laut Gerichtsurteil fälschlicherweise als ungeeignet zum Führen von Fahrzeugen klassifiziert worden, da die materiellen Voraussetzungen für eine solche Entziehung nicht vorlagen.
- § 11 Abs. 3 Satz 1 FeV: Bestimmt, unter welchen Bedingungen die Fahrerlaubnisbehörde die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anordnen kann. Im vorliegenden Fall wurde diese Regelung zitiert, da die Anordnung zur Beibringung eines solchen Gutachtens als rechtswidrig eingestuft wurde, weil sie nicht den rechtlichen Anforderungen entsprach und nicht verhältnismäßig war.
- Art. 19 Abs. 4 GG: Garantiert wirksamen Rechtsschutz bei Rechtsverletzungen durch die öffentliche Gewalt. Dieser Artikel wurde herangezogen, um zu betonen, dass die rechtswidrige Gutachtenanordnung deshalb inzident im Rahmen der Klage gegen die Fahrerlaubnisentziehung geprüft werden konnte.
- § 4 StVG: Definiert das Fahreignungs-Bewertungssystem, das Punkte für Verkehrsverstöße vergibt und festlegt, wann Maßnahmen gegen Fahrerlaubnisinhaber ergriffen werden müssen. In diesem Fall wurde festgestellt, dass die Antragsgegnerin ohne ausreichenden Grund von diesem System abgewichen war, was zur rechtswidrigen Entziehung der Fahrerlaubnis führte.
- Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG: Schützt das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das durch die Anordnung zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens erheblich beeinträchtigt wurde. Die Anordnung war nicht gerechtfertigt, da keine hinreichende Gefahr bestand, die eine solche Maßnahme notwendig gemacht hätte.
➜ Das vorliegende Urteil vom Verwaltungsgericht Köln
VG Köln – Az.: 6 L 2267/23 – Beschluss vom 16.02.2024
1. Die aufschiebende Wirkung der Klage 6 K 6270/23 gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 20.10.2023 wird hinsichtlich der Fahrerlaubnisentziehung wiederhergestellt.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage 6 K 6270/23 gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 20.10.2023 hinsichtlich der Fahrerlaubnisentziehung wiederherzustellen, hat Erfolg. Der zulässige Antrag ist begründet.
Der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Fall 2 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gerichtete Antrag ist statthaft, weil die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers hier durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung in der Entziehungsverfügung der Antragsgegnerin vom 20.10.2023 (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) entfallen ist.
Die im Rahmen eines Verfahrens gemäß § 80 Abs. 5 VwGO sodann vorzunehmende Interessenabwägung fällt zugunsten des Antragstellers aus. Im Fall der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsaktes nach § 80 Abs. 2 VwGO kann das Gericht nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherstellen bzw. anordnen, wenn das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung vorrangig ist. Ein überwiegendes Aussetzungsinteresse ist gegeben, wenn der Rechtsbehelf mit erheblicher Wahrscheinlichkeit Erfolg haben wird, das heißt, wenn die angefochtene Verfügung offensichtlich rechtswidrig ist. Hingegen setzt sich das gegenläufige Vollzugsinteresse durch, wenn die angefochtene Ordnungsverfügung als offensichtlich rechtmäßig anzusehen ist und darüber hinaus ein besonderes öffentliches Interesse an ihrer Umsetzung vor Abschluss des Rechtsschutzverfahrens in der Hauptsache besteht.
Der Rechtsbehelf des Antragstellers wird mit erheblicher Wahrscheinlichkeit Erfolg haben. Als Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis kommt § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV in Betracht. Nach diesen Bestimmungen ist die Fahrerlaubnisbehörde verpflichtet, eine Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn der Inhaber sich als zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet erweist.
Die materiellen Voraussetzungen für die mit Verfügung vom 20.10.2023 ausgesprochene Fahrerlaubnisentziehung liegen nicht vor. Ungeeignet ist u. a. derjenige, der die notwendigen körperlichen oder geistigen Voraussetzungen nicht erfüllt (vgl. § 2 Abs. 4 Satz 1 StVG). Dies ist nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere der Fall, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 FeV vorliegen, welche die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausschließen.
Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist der Antragsteller nicht gemäß § 46 Abs. 3, § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen. Danach darf die Fahrerlaubnisbehörde u. a. dann auf die Nichteignung eines Betroffenen schließen, wenn dieser ein von ihr zur Aufklärung von Eignungszweifeln gefordertes Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Das setzt allerdings voraus, dass die Anordnung der Gutachtenbeibringung rechtmäßig ist,
BVerwG, Urteil vom 09.06.2005 – 3 C 25.04 -, juris, Rn. 19,
und für die nicht fristgerechte Beibringung kein ausreichender Grund besteht,
OVG NRW, Beschluss vom 22.11.2001 – 19 B 817/01 -, juris, Rn. 4.
Diese Voraussetzungen sind nach summarischer Prüfung nicht erfüllt, weil sich die Anordnung vom 14.07.2023 als materiell rechtswidrig erweist. Da eine Gutachtenanordnung nicht selbstständig anfechtbar ist, sondern nur im Rahmen eines Rechtsbehelfsverfahrens gegen eine daran anknüpfende Fahrerlaubnisentziehung oder sonstige in Rechte des Betroffenen eingreifende Maßnahme der Fahrerlaubnisbehörde inzident auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden kann, ist es ein Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG), strenge Anforderungen zu stellen. Die Begutachtungsanordnung muss im Wesentlichen aus sich heraus verständlich sein. Für den Betroffenen muss ausgehend von der für die jeweilige Fallgestaltung in Betracht kommenden Befugnisnorm in der Fahrerlaubnis-Verordnung erkennbar sein, was der Anlass für die angeordnete Untersuchung ist und ob die in ihr verlautbarten Gründe die behördlichen Bedenken an der Kraftfahreignung zu rechtfertigen vermögen. Denn nur auf der Grundlage dieser Information kann er sachgerecht einschätzen, ob er sich trotz der mit einer Untersuchung verbundenen Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts und der Kostenbelastung der Begutachtung stellen oder die mit der Verweigerung der Begutachtung verbundenen Risiken eingehen möchte.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 05.02.2015 – 3 B 16.14 -, juris, Rn. 8; OVG NRW, Beschlüsse vom 07.02.2013 – 16 E 1257/12 -, juris, Rn. 4 f., und vom 10.09.2014 – 16 B 912/14 -, juris, Rn. 6 f., jeweils m. w. N.
Die Begutachtungsanordnung vom 14.07.2023 ist in materieller Hinsicht rechtswidrig. Sie erfüllt nicht die Voraussetzungen der als Rechtsgrundlage in Betracht kommenden und von der Antragsgegnerin am Ende der Anordnung ohne weitere Differenzierung oder Subsumtion aufgezählten Regelungen in § 46 Abs. 3, § 11 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 4, 5 oder 6 FeV. Gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 FeV kann die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung (medizinisch-psychologisches Gutachten) zur Klärung von Eignungszweifeln für die Zwecke nach § 11 Abs. 1 und 2 FeV u. a. angeordnet werden bei einem erheblichen Verstoß oder wiederholten Verstößen gegen verkehrsrechtliche Vorschriften (Nr. 4), bei einer erheblichen Straftat, die im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr steht, oder bei Straftaten, die im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr stehen (Nr. 5) oder bei einer erheblichen Straftat, die im Zusammenhang mit der Kraftfahreignung steht, insbesondere wenn Anhaltspunkte für ein hohes Aggressionspotenzial bestehen oder die erhebliche Straftat unter Nutzung eines Fahrzeugs begangen wurde (Nr. 6).
Vorliegend kann dahinstehen, ob die Tatbestandsvoraussetzungen einer der wiedergebebenen, von der Antragsgegnerin nicht näher geprüften Rechtsgrundlagen für eine Gutachtenanordnung erfüllt wären. Denn selbst wenn man dies unterstellt, hat die Antragsgegnerin jedenfalls das dann eröffnete Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt. Die Entscheidung über eine Gutachtenanordnung nach § 11 Abs. 3 Satz 1 FeV steht im pflichtgemäßem Ermessen (vgl. § 40 VwVfG) der Antragsgegnerin. Dies bringt bereits der Wortlaut der Regelung mit dem Wort „kann“ zum Ausdruck, mit dem der Behörde regelmäßig – wie auch hier – auf der Rechtsfolgenseite ein Ermessen eingeräumt wird. Die behördliche Ermessensausübung unterliegt gemäß § 114 Satz 1 VwGO der Kontrolle durch die Verwaltungsgerichte. Die Anordnung der Untersuchung muss in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise ausgeübt werden; insbesondere muss sie anlassbezogen und verhältnismäßig sein sowie das Vorgehen ausreichend und zutreffend begründen. Dabei ist entscheidend, ob die Umstände, die der Behörde Anlass für die Anordnung gegeben haben, einen Fahreignungsmangel des betreffenden Fahrerlaubnisinhabers als naheliegend erscheinen lassen.
Darüber hinaus ist zu bedenken, dass die Regelung des § 11 Abs. 3 Satz 1 FeV in einem Spannungsverhältnis zu § 4 StVG steht. Danach hat nämlich die Fahrerlaubnisbehörde zum Schutz vor den Gefahren, die von wiederholt gegen Verkehrsvorschriften verstoßenden Fahrzeugführern ausgehen, die in § 4 Abs. 5, 1 StVG genannten Maßnahmen des Punktesystems zu ergreifen. Das Punktesystem beinhaltet die Bewertung von Verkehrszuwiderhandlungen (Straftaten und Ordnungswidrigkeiten) mit einer nach Art und Schwere der Verstöße festgelegten Punktzahl und das Ergreifen abgestufter Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde bei Erreichen oder Überschreiten bestimmter Punkteschwellen. Es bezweckt eine Vereinheitlichung der Behandlung von Mehrfachtätern und soll dem Betroffenen Gelegenheit geben, aufgetretene Mängel durch Aufbauseminare und verkehrspsychologische Beratung möglichst frühzeitig zu beseitigen. Das abgestufte und transparente System rechtfertigt die Annahme, dass Personen, die acht Punkte oder mehr erreicht haben, als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen sind. Aus dem Punktesystem ergibt sich aber auch, dass der Gesetzgeber bewusst die weitere Straßenverkehrsteilnahme von Kraftfahrern mit nicht unerheblichen Eintragungen von Zuwiderhandlungen in Kauf genommen hat; auch diesen soll die Fahrerlaubnis im Regelfall nicht entzogen werden, bevor ihnen die gesetzlich vorgesehenen Angebote und Hilfestellungen unterbreitet worden sind.
Vgl. OVG Saarland, Beschluss vom 21.06.2023 – 1 B 18/23 -, juris, Rn. 20.
Von der Spezialität des Punktesystems darf nur abgewichen werden, wenn dies die Verkehrssicherheit und damit die Sicherheit der anderen Verkehrsteilnehmer gebieten. Denn das Punktesystem findet gemäß § 4 Abs. 1 Satz 3 StVG keine Anwendung, wenn sich die Notwendigkeit früherer oder anderer die Fahreignung betreffender Maßnahmen aufgrund anderer Vorschriften, insbesondere der Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 StVG, ergibt. Das Punktesystem hat keinen Exklusivcharakter in dem Sinne, dass mit Punkten im Verkehrszentralregister bewertete Verstöße nur zu Maßnahmen nach § 4 Abs. 3 StVG führen dürften. Damit ist im öffentlichen Interesse sichergestellt, dass ungeeignete Kraftfahrer schon vor Erreichen von acht Punkten im Fahreignungsregister von der Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr wirksam ausgeschlossen werden können oder besondere Eignungszweifel durch weitergehende Maßnahmen, wie z. B. eine medizinisch-psychologische Untersuchung, sofort geklärt werden können. Ein Verlassen des Punktesystems auf der Grundlage des § 4 Abs. 1 Satz 3 StVG muss aber die Ausnahme bleiben und vom Vorliegen besonderer Gründe abhängen. Entscheidend ist demzufolge, ob frühere oder andere Maßnahmen als die des Punktesystems notwendig sind. Das Tatbestandsmerkmal der Notwendigkeit in § 4 Abs. 1 Satz 3 StVG ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, bei dessen Ausfüllung der Straßenverkehrsbehörde kein Beurteilungsspielraum eingeräumt ist. Die Anordnung, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, greift in erheblicher Weise in das Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) des Betroffenen ein; ein solcher Eingriff ist nur gerechtfertigt, wenn er zur Abwehr einer bei realistischer Einschätzung tatsächlich bestehenden Gefahr notwendig ist, d. h. wenn eine hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Betroffenen ein entsprechendes Verhalten im Straßenverkehr zeigt. In diesem Sinne sind Maßnahmen notwendig, wenn der Fahrerlaubnisinhaber als möglicherweise fahrungeeignet angesehen werden kann, obwohl ihm die Hilfestellungen des § 4 Abs. 3 StVG nicht angeboten worden sind und obwohl er die Schwelle von acht Punkten noch nicht erreicht hat. Dazu müssen Umstände vorliegen, die den Schluss darauf zulassen, dass der Kraftfahrer auch dann nicht zu verkehrsordnungsmäßigem Verhalten zurückfindet, wenn er die präventiven Maßnahmen nach dem Punktesystem durchlaufen hat. Es muss alles dafürsprechen, dass er ungeeignet ist, am motorisierten Straßenverkehr teilzunehmen und keine Aussicht auf Besserung seines Verkehrsverhaltens besteht. Ausschlaggebend sind die Umstände des Einzelfalls, die nur in eng begrenzten, besonders gelagerten Ausnahmefällen vorliegen. Die Fahrerlaubnisbehörde muss hier im Einzelnen unter Auswertung aller konkreten Umstände sehr präzise begründen, warum sie es aus besonderen Gründen im Einzelfall, der sich erheblich vom Normalfall anderer Verkehrsteilnehmer mit Eintragungen im Fahrerlaubnisregister abheben muss, aufgrund einer Würdigung der Gesamtpersönlichkeit des Kraftfahrers oder wegen der Art, der Häufigkeit oder des konkreten Hergangs der Verkehrsordnungswidrigkeiten etwa für unerlässlich hält, die Fahreignungsbedenken sofort durch eine medizinisch-psychologische Untersuchung zu klären, ohne dem Betroffenen die Chance zu belassen, zuvor die abgestuften Hilfsangebote des § 4 Abs. 5 StVG wahrzunehmen. Besteht die andere Maßnahme im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 StVG in der Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens, die, wie dargelegt, als reine Verfahrenshandlung nicht isoliert mit Rechtsmitteln angreifbar ist, muss sich aus der Begründung der Anordnung ergeben, warum die Behörde vom Punktesystem abweicht (§ 11 Abs. 6 Satz 2 FeV).
Vgl. OVG Saarland, Beschluss vom 21.06.2023, a. a. O., Rn. 22 ff.
Dies ist vorliegend nicht der Fall. Zwar lässt sich der Begutachtungsanordnung der Antragsgegnerin vom 14.07.2023 entnehmen, dass sie auch ohne die Subsumtion unter die Tatbestandsvoraussetzungen (einer) der von ihr angegebenen Rechtsgrundlagen (§ 11 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 4 – 6 FeV) von einer Ermessenseröffnung ausgegangen ist. Sie kam im Rahmen ihrer Ermessensausübung zu dem Ergebnis, dass ihre Anordnung verhältnismäßig sei, weil eine den Antragsteller weniger belastende Maßnahme mit Blick auf das Interesse der Allgemeinheit an der Sicherheit im Straßenverkehr nicht in Betracht komme. Sie hat jedoch außer Acht gelassen, dass nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem mit Punkten bewertete Verkehrsverstöße grundsätzlich noch keine Eignungsüberprüfung auslösen (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 3 StVG). Es fehlen Ermessenserwägungen zu besonderen Gründen, aufgrund derer es die Antragsgegnerin im Einzelfall für unerlässlich hielt, die Fahreignungsbedenken sofort durch eine medizinisch-psychologische Untersuchung zu klären, ohne dem Antragsteller die Chance zu belassen, zuvor die abgestuften Hilfsangebote des § 4 Abs. 5 StVG wahrzunehmen. Das Fahreignungs-Bewertungssystem mit Punkten und die diesem zugrundeliegenden Regelungen werden in der Anordnungsbegründung nicht einmal erwähnt. Die pauschale Feststellung, dass eine weniger belastende Maßnahme mit Blick auf das Verkehrssicherheitsinteresse nicht in Betracht komme, genügt den dargelegten Anforderungen nicht.
Eine etwaige Ergänzung oder Korrektur der Begutachtungsanordnung wäre für die Beurteilung der darauf gestützten Entziehungsverfügung allenfalls relevant gewesen, wenn sie vor deren Erlass erfolgt wäre,
vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 11.04.2019 – 3 C 14.17 -, juris, Rn. 11; BayVGH, Beschluss vom 29.09.2021 – 11 CS 21.2064 -, juris, Rn. 25.
Die von der Antragsgegnerin während des Gerichtsverfahrens mitgeteilte Unterrichtung des Kraftfahrtbundesamtes vom 20.11.2023 über die zwischenzeitlich zulasten des Antragstellers erfolgte Eintragung von acht Punkten im Fahreignungsregister ändert nichts an der hier entscheidungserheblichen Rechtswidrigkeit der Gutachtenanordnung vom 14.07.2023.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Der gemäß § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG festgesetzte Streitwert entspricht in Anlehnung an Ziffern 1.5, 46.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit der Hälfte des Betrags, der im Hauptsacheverfahren anzusetzen ist.