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Fahrerlaubnisentziehung – Cannabiskonsum bei ungeklärtem Konsummuster

VG Würzburg – Az.: W 6 S 18.630 – Beschluss vom 11.06.2018

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die 1999 geborene Antragstellerin wendet sich gegen den angeordneten Sofortvollzug des Entzugs ihrer Fahrerlaubnis der Klasse B.

1.

Das Landratsamt Aschaffenburg (künftig: Landratsamt) wurde in einer Mitteilung der Kriminalpolizeiinspektion Aschaffenburg vom 11. April 2017 darüber in Kenntnis gesetzt, dass bei der Antragstellerin bei einer Personenkontrolle am 7. Dezember 2016 im Schöntalpark Aschaffenburg 6,54 g (netto) Marihuana nebst Crusher und Longpapers sichergestellt wurden.

Mit Urteil des Amtsgerichts Aschaffenburg vom 14. Juni 2017 (Az.: 310 Ds 212 Js 3836/17 jug) wurde die Antragstellerin wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in vier Fällen unter anderem zu einer Geldstrafe verurteilt. Ihr wurde die Weisung erteilt, drogenfrei zu leben und ein Drogenscreening auf ihre Kosten durchführen zu lassen. Ausweislich der Feststellungen des Strafurteils verkaufte die Antragstellerin seit Oktober 2016 bis zum 7. Dezember 2016 im Auftrag ihres Bekannten, der in größerem Umfang mit Betäubungsmitteln Handel trieb, insgesamt mindestens vier Mal jeweils ca. 7 g Marihuana an dieselbe Person. Das Kaufgeld gab die Antragstellerin an ihren Bekannten direkt weiter und erhielt für ihre Dienste beim Absatz der Betäubungsmittel jeweils 1 bis 2 g Cannabis zum Eigenkonsum.

Infolgedessen forderte das Landratsamt die Antragstellerin mit Schreiben vom 2. August 2017 auf, gemäß § 14 Abs. 1 FeV bis spätestens 23. Oktober 2017 ein ärztliches Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung beizubringen. Dabei sollte folgende Frage geklärt werden: „Ist das Konsumverhalten der Betroffenen als einmalige, gelegentliche oder regel- und gewohnheitsmäßige Einnahme von Cannabis zu bezeichnen?“. Die Antragstellerin wurde darauf hingewiesen, dass im Falle der Nichtbeibringung auf ihre Nichteignung geschlossen werden könne (§ 11 Abs. 8 FeV) und die Fahrerlaubnis zu entziehen wäre.

Die Antragstellerin erklärte sich mit Schreiben vom 21. August 2017 mit der Begutachtung durch TÜV Süd Live Service GmbH in Aschaffenburg (nachfolgend: TÜV Süd) einverstanden. Der TÜV Süd sandte mit Schreiben vom 9. November 2017 die Fahrerlaubnisunterlagen zurück. Sodann forderte das Landratsamt die Antragstellerin auf, das ärztliche Gutachten vorzulegen.

2.

Am 23. November 2017 sprach die Antragstellerin beim Landratsamt vor und teilte mit, dass es im erstellten ärztlichen Gutachten mehrere Ungereimtheiten gäbe. So werde zum Beispiel ein Blutdruck angegeben, obwohl gar nicht gemessen worden sei; in der zweiten Urinprobe seien Cannabinoide festgestellt worden, im abschließenden Satz werde jedoch geschrieben, dass in beiden Urinproben keine Drogen nachgewiesen worden seien. Das Landratsamt gab daraufhin der Antragstellerin bis zum 1. Dezember 2017 die Gelegenheit, Rücksprache mit dem TÜV Süd zu nehmen, um diese Unklarheiten zu beseitigen. Nachdem in der Folge weder das geforderte ärztliche Gutachten noch irgendeine Mitteilung im Nachgang zur Vorsprache am 23. November 2017 vorgelegt wurden, wurde die Antragstellerin mit Schreiben vom 6. Dezember 2017 zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis angehört.

Mit Schreiben vom 12. Dezember 2017 zeigte der damalige Bevollmächtigte der Antragstellerin seine Vertretung an. Es wurde ausgeführt, dass das vom TÜV Süd erstellte Gutachten fehlerhaft sei, insbesondere werde in dem Gutachten angegeben, dass eine ärztliche Untersuchung durchgeführt worden sei, was nach Angaben der Antragstellerin tatsächlich nicht der Fall gewesen sei. Des Weiteren habe die Antragstellerin mitgeteilt, dass der Urin, welcher zur Untersuchung in ein entsprechendes Labor versandt werden sollte, offensichtlich habe umgefüllt werden müssen, da kein geeignetes Gefäß zum Transport für die Abnahme der Probe verwendet worden sei. Die Antragstellerin habe gegenüber dem TÜV Süd auf die Unklarheiten und Unstimmigkeiten im ärztlichen Gutachten hingewiesen, eine adäquate Änderung bzw. neue Begutachtung sei allerdings nicht erfolgt, sodass sich die Antragstellerin entschlossen habe, bei einem anderen Unternehmen die ärztliche Begutachtung erneut durchzuführen. Das Landratsamt werde gebeten, die Akten der Antragstellerin der TÜV Hessen GmbH … (künftig: TÜV Hessen) zu übersenden. Die Probleme, die bei der ersten Begutachtung aufgetreten seien, lägen nicht im Verantwortungsbereich der Antragstellerin, so dass um eine weitere Fristverlängerung gebeten werde.

Mit Schreiben vom 19. Dezember 2017 an den damaligen Bevollmächtigten der Antragstellerin verwies das Landratsamt auf die Begutachtungsanforderung vom 2. August 2017 und gab aufgrund der vorgetragenen Probleme bei der Begutachtung der Antragstellerin nochmals die Möglichkeit, sich einer Zweitbegutachtung zu unterziehen. Auf die Entziehung der Fahrerlaubnis bei nicht oder nicht rechtzeitiger Beibringung des Gutachtens wurde hingewiesen. Die Frist für die Vorlage des ärztlichen Gutachtens wurde auf den 29. Januar 2018 festgelegt, welche zunächst bis zum 20. Februar 2018 und letztlich bis zum 13. März 2018 verlängert wurde. Mit Schreiben vom 9. März 2018 übersandte der TÜV Hessen die Fahrerlaubnisunterlagen dem Landratsamt zurück.

3.

Mit Schreiben vom 12. März 2018 trug der damalige Bevollmächtigte der Antragstellerin vor, dass zwar zwischenzeitlich das in Auftrag gegebene Gutachten durch den TÜV Hessen erstellt worden sei, jedoch weise auch dieses Gutachten Fehler auf. Verschiedene Angaben, die die Antragstellerin im Rahmen der Exploration getätigt habe, seien unzutreffend im Gutachten dargestellt, sodass nunmehr erneut um Korrektur des Gutachtens beim TÜV Hessen gebeten werden müsse. Es wurde gebeten, die Frist zur Vorlage des Gutachtens um zwei weitere Wochen zu verlängern.

Eine weitere Fristverlängerung wurde vom Landratsamt mit Schreiben vom 19. März 2018 abgelehnt und gleichzeitig zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis angehört. Daraufhin wurde vom Bevollmächtigten mit Schreiben vom 5. April 2018 das ärztliche Gutachten des TÜV Süd zum Begutachtungstermin vom 27. September 2017 vom 9. November 2017 (Absendedatum) übersandt und ausgeführt, dass die Fragestellung aus der Anordnung des Landratsamtes negativ beantwortet werde, sodass die Voraussetzungen für einen Entzug der Fahrerlaubnis nicht gegeben seien.

Ausweislich der Beantwortung der Fragestellung kommt die begutachtende Ärztin in dem Gutachten vom 9. November 2017 zu dem Ergebnis, dass das Konsumverhalten der Antragstellerin als auch aktiv ausgeübte mindestens gelegentliche Einnahme von Cannabis zu bezeichnen sei, wobei die Problemtiefe aufgrund der mangelnden Offenheit von der Antragstellerin in Bezug auf ihr Konsumverhalten nicht sicher eingestuft werden könne. Aus dem ärztlichen Untersuchungsgespräch geht hervor, dass die Antragstellerin im Oktober 2016 erstmals und dann ein bis zweimal wöchentlich je einen Joint in Zusammenhang mit ihrem Exfreund geraucht habe. Dies sei bis zum Delikttag im Dezember 2016 so gegangen, seither verzichte sie auf Drogen. Die toxikologischen Befunde der zwei Urinproben seien im Hinblick auf die erste Untersuchung negativ, im zweiten Urinscreening am 27. September 2017 seien Cannabinoide nachgewiesen worden. Jedoch kommt das Gutachten zu dem Zwischenergebnis, dass an „keinem der beiden Untersuchungstage“ Drogenrückstände im Urin nachgewiesen worden seien. In der späteren Bewertung der Befunde spricht das Gutachten wiederum davon, dass bei der zweiten Urinanalyse das Cannabis Abbauprodukt THC-COOH gefunden worden sei, was für einen aktuellen Konsum von Cannabinoiden spreche und den Angaben der Antragstellerin widerspreche.

4.

Mit Bescheid vom 3. Mai 2018 entzog das Landratsamt der Antragstellerin die Fahrerlaubnis (Nr. 1) und ordnete an, den am 18. Januar 2017 vom Landratsamt Aschaffenburg unter der Führerscheinnummer … ausgehändigten Führerschein unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche nach Zustellung des Bescheides abzuliefern (Nr. 2). Die sofortige Vollziehbarkeit der Ziffern 1 und 2 wurde angeordnet (Nr. 3) und für den Fall dass die Antragstellerin der Aufforderung in Ziffer 2 nicht fristgerecht nachkommt, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 200,00 EUR angedroht (Nr. 4). Der Antragstellerin wurden die Kosten des Verfahrens auferlegt (Nrn. 5 und 6).

Zur Begründung führte das Landratsamt im Wesentlichen aus, dass mit der Mitteilung der Kriminalinspektion Aschaffenburg vom 11. April 2017 sowie nach dem Urteil des Amtsgerichts Aschaffenburg vom 14. Juni 2017 Tatsachen bekannt geworden seien, die Bedenken an der Fahreignung der Antragstellerin begründeten. Infolgedessen sei die Antragstellerin mit Verfügung vom 2. August 2017 erstmals gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV aufgefordert worden, ein ärztliches Gutachten einer amtlichen Begutachtungsstelle für Fahreignung vorzulegen, welches zunächst das Konsummuster der Antragstellerin klären sollte. Bei der Ermessensentscheidung sei berücksichtigt worden, dass von Betäubungsmittelkonsumenten erhebliche Gefahren für den Straßenverkehr ausgingen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei gewahrt worden. Zweck der Anordnung sei es gewesen, zu klären, ob die Antragstellerin trotz des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln und einem Konsum von Betäubungsmitteln in der Vergangenheit, nicht auch jetzt Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes einnehme und damit den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen gerecht werde. Die Aufforderung zur Vorlage eines ärztlichen Gutachtens zur Überprüfung ihrer Fahreignung sei geeignet, um diese Feststellung treffen zu können, denn nur so könne geklärt werden, ob sie weiterhin Cannabisprodukte einnehme und in welcher Konsumweise dies geschehe. Die Anordnung stelle das mildeste Mittel zur Aufklärung der Sachlage dar und sei damit auch erforderlich. Hinsichtlich der Interessenabwägung sei die Anordnung auch angemessen. Auch wenn die Frist verstrichen gewesen sei, sei der Antragstellerin eine zweite Begutachtung ermöglicht worden, was mit Verfügung vom 19. Dezember 2017 angeordnet worden sei. Das Zweitgutachten sei nicht bis zum 13. März 2018 vorgelegt worden, lediglich das anfängliche Gutachten sei vorgelegt worden. Nach vorläufiger Prüfung wäre dies überdies als negativ zu bewerten. Es dürfe daher von der Nichteignung der Antragstellerin gemäß § 11 Abs. 8 FeV ausgegangen werden. Auf die Möglichkeit dieser Schlussfolgerung sei sie bereits in der ursprünglichen Anordnung hingewiesen worden. Im Interesse der Verkehrssicherheit sei die Behörde daher verpflichtet, die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ein Fahrerlaubnisinhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweise, ein Ermessen stehe dabei nicht zu (§ 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV). Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen würden, dass im vorliegenden Fall abweichend von den Vorgaben des § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV zu entscheiden wäre, lägen nicht vor bzw. seien nicht vorgebracht. Die Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheins ergebe sich aus § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG und § 47 Abs. 1 FeV. Die sofortige Vollziehbarkeit werde gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO im öffentlichen Interesse für sofort vollziehbar erklärt. Der Schutz von Leben und Gesundheit der Verkehrsteilnehmer, welche im besonderen öffentlichen Interesse lägen, lasse es auch unter Berücksichtigung des umfassenden effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes sowie des Rechts auf allgemeine Handlungsfreiheit nicht zu, die Ausnutzung sämtlicher Rechtsbehelfe abzuwarten. Aus der Verantwortlichkeit der Verkehrsbehörde für sie Sicherheit im Straßenverkehr halte es das Landratsamt für notwendig, dass der Entzug der Fahrerlaubnis bereits ab Zustellung des Bescheides wirke. Die Androhung des Zwangsgeldes beruhe auf Art. 29, 30 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Nr. 1, 31 und 36 VwZVG.

Der Bescheid wurde dem damaligen Bevollmächtigten der Antragstellerin am 8. Mai 2018 zugestellt.

5.

Gegen diesen Bescheid ließ die Antragstellerin durch ihren damaligen Bevollmächtigten am 14. Mai 2018 Klage erheben (Az.: W 6 K 18.629) und zugleich im vorliegenden Verfahren des Eilrechtsschutzes beantragen, die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage wiederherzustellen.

Der Antrag wurde zuerst nicht begründet.

Mit Schreiben vom 15. Mai 2018 zeigte der jetzige Bevollmächtigte der Antragstellerin seine Vertretung an. Mit Schreiben vom 16. Mai 2018 führte der Bevollmächtigte der Antragstellerin zur Begründung aus, dass die Entziehung rechtswidrig sei, da die Entziehungsvoraussetzungen nicht vorlägen. Mehr als ein gelegentlicher Konsum von Cannabis sei nicht nachgewiesen, bei dem im Rahmen des ärztlichen Gutachtens gemessenen THC-COOH-Wert sei zudem nicht klar, ob dieser von einem Konsum vor oder nach Zugang der Aufforderung zu Begutachtung stamme. Soweit die Gutachterstelle von einem regelmäßigen Konsum spreche, gebe das die Anamnese nicht her. Der Gutachter widerspreche sich selbst, wenn er im Gutachten von einem Konsum von ein bis zweimal die Woche im Jahre 2016 spreche, und dann zur Schlussfolgerung komme, es habe ein regelmäßiger Konsum vorgelegen. Ein gelegentlicher Konsum von Cannabis ohne Zusammenhang mit dem Führen von Kraftfahrzeugen sei erlaubnisrechtlich nicht zu beanstanden. Zusatztatsachen fehlenden Trennungsvermögens lägen nicht vor. Soweit sich der Antragsgegner formal auf die Nichtvorlage des Gutachtens berufen wolle, sei darauf hinzuweisen, dass bereits die Anordnung des Gutachtens rechtswidrig gewesen sei. Selbst ein nachgewiesener gelegentlicher Konsum von Cannabis ohne Zusammenhang und Verknüpfung mit der Teilnahme am Straßenverkehr und ohne das Hinzutreten weiterer Umstände rechtfertigt keine Aufforderung, sich einem Drogenscreening zu unterziehen oder sich fachärztlich untersuchen zu lassen. Soweit auf die Verurteilung wegen Handeltreibens hingewiesen werde, indiziere das nicht den Konsum. Es hätten keine aussagekräftigen und hinreichend konkreten Anzeichen für den Verdacht bestanden, dass die Antragstellerin regelmäßig Cannabis konsumiert habe. Es läge kein hinreichend konkretisierter Verdacht auf einen regelmäßigen Konsum von Cannabis vor, so dass die Antragstellerin das Gutachten nicht habe vorlegen müssen. Es werde angeboten, das Zweitgutachten vorzulegen, welches nicht mehr als einen gelegentlichen Konsum von Cannabis nachweise. Folglich sei die Antragstellerin geeignet, Kraftfahrzeuge zu führen.

Der Antragsgegner, vertreten durch das Landratsamt Aschaffenburg, beantragte, den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung wurden im Wesentlichen die Ausführungen des verfahrensgegenständlichen Bescheids wiedergegeben. Aufgrund der Tatsache, dass das erste Gutachten negativ ausgefallen sei und das zweite Gutachten nicht vorgelegt worden sei, dürfte von der Nichteignung der Antragstellerin ausgegangen werden. Deshalb sei die Fahrerlaubnis entzogen worden, der Sofortvollzug sei ausreichend begründet.

6.

Mit Schreiben vom 15. Mai 2018, eingegangen beim Landratsamt am 16. Mai 2018, gab die Antragstellerin ihren Führerschein ab.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte verwiesen.

II.

Der Antrag ist teilweise unzulässig. Soweit der Antrag zulässig ist, ist er unbegründet.

1.

Soweit sich der Antrag gegen die in Nr. 4 des Bescheides vom 3. Mai 2018 verfügte Zwangsgeldandrohung gerichtet ist, ist er unzulässig. Dieser kraft Gesetzes sofort vollziehbare Ausspruch (Art. 21a VwZVG) hat sich durch die Abgabe des Führerscheins mit Schreiben der Antragstellerin persönlich vom 15. Mai 2018 erledigt. Nach der Abgabe des Führerscheins kann das angedrohte Zwangsgeld nach Art. 37 Abs. 4 Satz 1 VwZVG nicht mehr beigetrieben werden. Der Antragsgegner hat auch nicht zu erkennen gegeben, dass er das angedrohte Zwangsgeld gleichwohl vollstrecken wolle. Aus der Nr. 4 des streitgegenständlichen Bescheides ergibt sich für die Antragstellerin keine Beschwer mehr (vgl. BayVGH, B.v. 7.1.2014 – 11 CS 13.2427, 11 C 13.2428 – juris; B.v. 29.10.2009 – 11 CS 09.1968 – juris; B.v. 12.3.2007 – 11 CS 06.2028 – juris).

2.

Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Nummern 1 und 2 des Bescheides vom 3. Mai 2018 ist zulässig und statthaft, aber unbegründet.

Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis (Nr. 1 des Bescheides) sowie gegen die Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheins (Nr. 2 des Bescheides) entfällt im vorliegenden Fall, weil die Behörde gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung angeordnet hat.

Im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO prüft das Gericht, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind. Im Übrigen trifft es eine eigene Abwägungsentscheidung anhand der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO normierten Kriterien. Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts und der Rechtsverletzung des Antragstellers auszugehen ist. Jedenfalls hat das Gericht die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs bei seiner Entscheidung mit zu berücksichtigen, soweit diese sich bereits übersehen lassen. Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vollkommen offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen.

An der formellen Rechtmäßigkeit der Anordnung des Sofortvollzugs bestehen keine Zweifel. Insbesondere hat der Antragsgegner die Anordnung der sofortigen Vollziehung in ausreichender Weise gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet.

Eine summarische Prüfung der Hauptsache, wie sie im Sofortverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO erforderlich und ausreichend ist, ergibt, dass der Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Die Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 11 Abs. 8 FeV wegen Nichtvorlage des geforderten ärztlichen Gutachtens (Gutachtensaufforderung vom 19.12.2017) war nach summarischer Prüfung rechtmäßig.

2.1.

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i. V. m. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Gemäß Nr. 9.2 der Anlage 4 zur FeV kann Cannabis-Konsum unter bestimmten Voraussetzungen zum Ausschluss der Fahreignung führen. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 46 Abs. 3 FeV). Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV ordnet die Fahrerlaubnisbehörde die Vorlage eines ärztlichen Gutachtens an, wenn Tatsachen die Annahme begründen, dass Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes vorliegt. Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, so darf sie bei ihrer Entscheidung gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung des Betroffenen schließen. Voraussetzung ist allerdings insoweit, dass die Untersuchungsanordnung rechtmäßig ist und die Weigerung ohne ausreichenden Grund erfolgt (BVerwG, U.v. 9.6.2005 – 3 C 25/04 – DAR 2005, 581; BayVGH, B.v. 25.6.2008 – 11 ZB 08.1123 – juris).

Die behördlicherseits vorgegebene Fragestellung in der Gutachtensanordnung muss insbesondere den sich aus § 11 Abs. 6 Satz 1 FeV ergebenden Anforderungen gerecht werden. Der Betroffene soll sich für den Fall der Rechtmäßigkeit der Gutachtensanordnung auch darüber schlüssig werden können, ob er die mit einer Begutachtung regelmäßig verbundenen Eingriffe in sein Persönlichkeitsrecht und/oder sein Recht auf körperliche Unversehrtheit hinnehmen oder sich – mit der Gefahr, seine Fahrerlaubnis entzogen zu bekommen – einer entsprechenden Begutachtung verweigern will. Vor diesem Hintergrund und im Hinblick darauf, dass eine Gutachtensanordnung nicht isoliert mit Rechtsmitteln angegriffen werden kann, kann auf die strikte Einhaltung der vom Verordnungsgeber für die Rechtmäßigkeit einer solchen Anordnung aufgestellten formalen Voraussetzungen nicht verzichtet werden (vgl. BayVGH, B.v. 27.11.2012 – 11 ZB 12.1596 – ZfSch 2013, 177). In materieller Hinsicht setzt die Rechtmäßigkeit der Anordnung der Untersuchung vor allem voraus, dass sie den Grundsätzen der Anlassbezogenheit und Verhältnismäßigkeit genügt (vgl. BayVGH, B.v. 11.2.2008 – 11 C 08.1030 – juris).

2.2.

Die Antragstellerin wurde laut der Mitteilung der Kriminalpolizeiinspektion Aschaffenburg vom 11. April 2017 mit 6,54 g (netto) Marihuana aufgegriffen. Ausweislich der Feststellungen des Strafurteils vom 14. Juni 2017 im Zeitraum vom Oktober bis Dezember 2016 hat die Antragstellerin darüber hinaus in mindestens vier nachgewiesenen Fällen 1 bis 2 g Marihuana zum Eigenkonsum von einem Bekannten, der in größerem Umfang Handel mit Betäubungsmitteln betrieb, für das Weiterverkaufen seiner Ware erhalten. Aufgrund dieser feststehenden Tatsachen, die die Annahme begründen, dass Betäubungsmittelkonsum vorliegt, musste der Antragsgegner gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens anordnen, um bei dem hier jedenfalls in der Vergangenheit aktenkundig vorliegendem Cannabiskonsum das Konsummuster (einmalig, gelegentlich, regelmäßig) der Antragstellerin zu klären (BayVGH, B.v. 25.10.2012 – 11 ZB 12.1975). Zwar nennt die Gutachtensanordnung vom 2. August 2017 als Rechtsgrundlage nur den § 14 Abs. 1 FeV, welcher verschiedene Fallvarianten umfasst. Die Behörde muss nicht die Rechtsgrundlage nennen, doch wenn sie es tut, muss diese zutreffend sein Gutachten (Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. 2017, § 11 FeV Rn. 44). Vorliegend ist keine falsche Rechtsgrundlage genannt, die Zweifel über Anlass und Umfang der Begutachtung geben könnte. Es ergibt sich aus dem klaren Bezug auf die Anlass gebenden Tatsachen und der – auch optischen – Hervorhebung des Eigenkonsums der Antragstellerin klar der Bezug zu § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV. Konsequenterweise spricht der Entziehungsbescheid später zutreffend vom § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV. Die im Bescheid enthaltenen Ermessensausführungen gehen deshalb ins Leere, da es sich bei dieser Vorschrift um eine gebundene Entscheidung handelt.

Entgegen des Vorbringens ihres Bevollmächtigten lagen bei der Antragstellerin ausreichend Anknüpfungstatsachen vor. Die geforderten Anknüpfungstatsachen sind vorliegend in dem Umstand zu sehen, dass die Antragstellerin vier Mal nachweislich Cannabis zum Eigenkonsum und als Entlohnung für ihre (Weiter-)Verkaufstätigkeit erhalten hat. Bei lebensnaher Einschätzung spricht dies für den Konsum dieser Droge. Überdies wurde die Antragstellerin am 7. Dezember 2016 nicht nur mit den 6,54 g Marihuana aufgegriffen, sondern sie hatte auch einen Crusher, d.h. ein Gerät zum Zerkleinern von Kräutern, sowie Longpapers dabei. Auch dies indiziert den Konsum von Cannabis. Ausweislich dieser Tatsachen war davon auszugehen, dass es sich bei der Antragstellerin auch nicht mehr nur um eine Probierkonsumentin handelt, jedoch war das Konsumverhalten ungeklärt, sodass die Behörde zu Recht das Konsummuster der Angeklagten weiter aufklären musste.

Alle sonstigen Voraussetzungen wurden in der Gutachtensanordnung vom 2. August 2017 eingehalten.

2.3.

Nach den Einlassungen der Antragstellerin war das auf diese erste Gutachtensanordnung hin erstellte Gutachten jedoch widersprüchlich und mit Ungereimtheiten versetzt, sodass zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner die Beibringung eines neuen Gutachtens vereinbart wurde. Diese Vereinbarung wurde im Schreiben des Landratsamtes vom 19. Dezember 2017, unter Verweis auf die ursprüngliche Anforderung vom 2. August 2017 und die nach wie vor zu klärende Frage nach dem Konsummuster der Antragstellerin festgehalten. Insbesondere wurde die Antragstellerin in diesem Schreiben erneut über die Möglichkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis belehrt. Die Annahme der Nichteignung gemäß § 11 Abs. 8 FeV setzt voraus, dass der Betroffene bei der Anordnung der Gutachtensbeibringung nachweislich auf die Folgen einer Nichtvorlage des Gutachtens hingewiesen wurde. Dies gilt auch, wenn die Beibringung des Gutachtens nicht nach § 11 Abs. 6 FeV formell angeordnet, sondern zwischen dem Betroffenen und der Behörde vereinbart wurde, denn auch dann handelt es sich um ein gefordertes Gutachten (Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. 2017, § 11 FeV Rn. 56). Nachdem die Antragstellerin das Gutachten ohne ausreichenden Grund nicht vorgelegt hat, durfte die Behörde gemäß § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung schließen. Die Ausführungen ihres damaligen Bevollmächtigten, auch das zweite Gutachten enthalte Fehler, ist insoweit nicht ausreichend, insbesondere kann dies mangels Vorlage des zweiten Gutachtens nicht nachvollzogen werden. Bei grundloser Weigerung wird die Annahme fehlender Eignung nicht schon durch die nachträglich erklärte Bereitschaft zur Gutachtensbeibringung, sondern nur durch ein positives Gutachten ausgeräumt (Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. 2017, § 11 FeV Rn. 54). Soweit im gerichtlichen Verfahren nunmehr angeboten wurde, das zweite Gutachten vorzulegen, ist darauf hinzuweisen, dass der entscheidungserhebliche Beurteilungszeitpunkt bei einer Anfechtungsklage – wie hier – der Erlass der angefochtenen Entscheidung vom 3. Mai 2018 ist.

Die nachträgliche Vorlage des auf die erste Anforderung vom 2. August 2017 hin erstellten Gutachtens ändert an der Rechtmäßigkeit der Entziehung gemäß § 11 Abs. 8 FeV nichts, da dieses (erste) Gutachten die Frage nach dem Konsummuster der Antragstellerin nicht abschließend beantworten kann und die zu klärende Frage weiterhin offenbleibt. Aufgrund der vorhandenen inhaltlichen Widersprüche, insbesondere dahingehend, ob zum Begutachtungszeitpunkt aufgrund einer positiven Testung ein Cannabis-Konsum belastbar vorgelegen hat, liefert es keine verwertbaren Ergebnisse, die von der Fahrerlaubnisbehörde ggf. vor der Entziehungsentscheidung zu berücksichtigen gewesen wären.

Der Einwand, es gebe keine Hinweise auf fehlendes Trennungsvermögen, greift nicht durch. Da aufgrund der aktenkundigen Umstände nicht auszuschließen war, dass die Antragstellerin auch eine regelmäßige Cannabiskonsumentin war bzw. ist, durfte der Antragsgegner die Vorlage eines ärztlichen Gutachtens zur Klärung des Konsumverhaltens anordnen. Nachdem das erste Gutachten widersprüchlich und zur Klärung der behördlichen Fragestellung ungeeignet war, wurde unter denselben Voraussetzungen eine erneute Gutachtensanordnung erlassen. Da die Antragstellerin das zu Recht geforderte Gutachten nicht beibrachte, durfte die Fahrerlaubnisbehörde auf ihre Nichteignung schließen, § 11 Abs. 8 FeV.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

4.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 63 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 sowie 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013, da vorliegend nur die Fahrerlaubnisklasse B streitwertrelevant ist. Insgesamt ergibt sich so ein Streitwert von 5.000,00 EUR, der für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren war, so dass 2.500,00 EUR festzusetzen waren.

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