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Fahrerlaubnisentziehung bei Trunkenheitsfahrt mit Fahrrad

Fahrerlaubnisentzug nach Trunkenheitsfahrt mit Fahrrad auf Fußweg bleibt bestehen.

Das Verwaltungsgericht Magdeburg hat entschieden, dass der Entzug der Fahrerlaubnis eines Antragstellers nach einer Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad auf einem Fußweg gerechtfertigt ist. Der Antragsteller hatte argumentiert, dass er glaubte, einen Fußweg und keinen kombinierten Fuß- und Radweg benutzt zu haben und daher nicht am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen habe. Das Gericht wies diese Argumentation jedoch zurück und begründete dies damit, dass die Benutzung eines öffentlichen Fußweges von der Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr umfasst ist. Zudem sei die Anordnung zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens aufgrund einer festgestellten Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr nicht zu beanstanden. Auch die Gleichsetzung einer Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad auf einem gemeinsamen Fuß- und Radweg mit der Trunkenheitsfahrt mit einem Kfz sei gerechtfertigt, da die Teilnahme am Straßenverkehr in erheblich alkoholisiertem Zustand mit jedem Fahrzeug eine gravierende Gefahr darstelle. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt – Az.: 3 M 65/22 – Beschluss vom 15.08.2022

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Magdeburg – 1. Kammer – vom 16. Juni 2022 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Fahrerlaubnisentziehung bei Trunkenheitsfahrt mit Fahrrad
(Symbolfoto: Travelpixs/Shutterstock.com)

I. Die zulässige Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Magdeburg – 1. Kammer – vom 16. Juni 2022 ist unbegründet. Mit dem Beschluss hat das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 15. Februar 2022, mit dem unter Anordnung des Sofortvollzugs dem Antragsteller die Fahrerlaubnis der ihm erteilten Klassen (AM, A1, A, B, L) entzogen wurde, abgelehnt. Die vom Antragsteller vorgebrachten Einwände, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen die Abänderung des Beschlusses nicht.

1. Der Antragsteller wendet gegen die erstinstanzliche Entscheidung im Wesentlichen ein, dass entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts die Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens materiell rechtswidrig sei, weil er – der Antragsteller – in seiner Wahrnehmung davon ausgegangen sei, bei der Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad am 15. August 2021 (BAK 1,85 Promille) einen Fußweg anstelle eines gemeinsamen Fuß- und Radweges benutzt zu haben, so dass er nicht am öffentlichen Verkehr teilgenommen habe. Dies sei auch keine Schutzbehauptung und werde durch den Ausgang des gegen ihn nach § 316 StGB eingeleiteten Strafverfahrens, welches eingestellt worden sei, bestätigt.

Dieses Vorbringen verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg.

Nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV ist zur Klärung von Eignungszweifeln bei Alkoholproblematik ein medizinisch-psychologisches Gutachten anzuordnen, wenn der Betreffende ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille und mehr geführt hat. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist die Anordnung zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden, weil auch die (verbotswidrige) Benutzung eines öffentlichen (für den Fahrradverkehr nicht freigegebenen) Fußweges von der Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr umfasst ist (vgl. Beschlussabdruck S. 5 [2. Absatz]). Selbst wenn zugunsten des Antragstellers zu unterstellen wäre, dass er im Glauben gehandelt habe, einen Fußweg anstelle eines gemeinsamen Fuß- und Radweges zu benutzen, hätte er ein Fahrzeug – hier: Fahrrad – im (öffentlichen) Straßenverkehr geführt. Öffentlicher Straßenverkehr findet u.a. auf allen Verkehrsflächen statt, die nach dem Wegerecht des Bundes und der Länder oder der Kommunen dem allgemeinen Verkehr gewidmet sind, z.B. Straßen, Plätze, Brücken, Fußwege (Görlinger in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl. [Stand: 01.12.2021], § 316 StGB Rn. 25), und die damit für den Verkehr (als Fußgänger oder Führer eines motorisierten und per Muskelkraft angetriebenen Fahrzeugs) einer unbestimmten, nicht genau abgegrenzten Öffentlichkeit zugänglich sind. Ob die öffentliche Verkehrsfläche in der durch die Verkehrsvorschriften vorgeschriebenen Art und Weise benutzt wird, ist für die Zuordnung der Verkehrsfläche zum Straßenverkehr ohne rechtliche Relevanz (so bereits im Ergebnis: Beschluss des Senats vom 25. Juni 2021 – 3 M 120/21 – juris Rn. 10).

Damit käme allenfalls das Vorliegen eines (direkten) Verbotsirrtums in Betracht, weil der Antragsteller vorgibt, die inhaltliche Reichweite der Verbotsnorm des § 316 StGB (Trunkenheit im Straßenverkehr) zu verkennen und sein Tun für erlaubt zu halten (vgl. Schaefer in: Leipold/Tsambikakis/Zöller, Anwaltkommentar StGB, 3. Aufl. 2020, § 17 StGB Rn. 2). Hinsichtlich des Antragstellers, der die Fahrerlaubnisprüfung absolviert hat, ist jedoch von einer Vermeidbarkeit des Irrtums auszugehen, so dass ihm schuldhaftes Handeln gleichwohl entgegenzuhalten ist (vgl. § 17 Satz 1 StGB). Die Berufung auf eine fahrlässige Rechtsunkenntnis scheidet aus (vgl. Schaefer in: Leipold/Tsambikakis/Zöller, a.a.O., § 17 StGB Rn. 1).

Die Einstellung des gegen den Antragsteller wegen einer Trunkenheitsfahrt eingeleiteten Strafverfahrens rechtfertigt keine andere Bewertung. Die Bindungswirkung des § 3 Abs. 4 StVG für den in einem Strafverfahren festgestellten Sachverhalt zugunsten eines Fahrerlaubnisinhabers geht nur von einem Urteil, von einem Strafbefehl oder von einer gerichtlichen Entscheidung aus, durch welche die Eröffnung des Hauptverfahrens oder der Antrag auf Erlass eines Strafbefehls abgelehnt wird. Die Einstellung des Strafverfahrens verbietet es indes nicht, Feststellungen über Tatsachen, die einen Straftatbestand erfüllen, in Verfahren mit anderer Zielsetzung (hier: die Klärung von Eignungszweifeln zum Schutz anderer Verkehrsteilnehmer) in dem für die dortige Entscheidung erforderlichen Umfang als Grundlage für die daran anknüpfenden außerstrafrechtlichen Rechtsfolgen zu verwerten (vgl. Beschluss des Senats vom 25. Juni 2021, a.a.O. Rn. 6 unter Verweis auf: BayVGH, Beschluss vom 7. Januar 2020 – 11 CS 19.2237 – juris Rn. 15, zur Verfahrenseinstellung nach § 153a StPO). Die Verwaltungsbehörde kann sich dabei auf dieselben Beweismittel stützen wie das Strafgericht und ist an dessen Bewertung nicht gebunden (vgl. Beschluss des Senats vom 25. Juni 2021, a.a.O. Rn. 6 unter Verweis auf: BayVGH, Beschluss vom 2. September 2016 – 11 ZB 16.1359 – juris Rn. 20). Dessen ungeachtet zeigt die Beschwerde auch nicht auf, auf welcher Rechtsgrundlage die Verfahrenseinstellung beruhte bzw. welche Gründe für diese ausschlaggebend gewesen sein sollen.

2. Soweit der Antragsteller ohne weitere Begründung der Sache nach geltend macht, dass die in der Fahrerlaubnisverordnung angelegte Gleichsetzung einer Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad auf einem gemeinsamen Fuß- und Radweg mit der Trunkenheitsfahrt mit einem Kfz nicht angebracht und unverhältnismäßig sei, fehlt es an der erforderlichen Auseinandersetzung mit der erstinstanzlichen Entscheidung (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 20. Juni 2013 – 3 B 102.12 – juris) zutreffend ausgeführt, dass unter § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV auch die erstmalige Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad fällt. Die Teilnahme am Straßenverkehr in erheblich alkoholisiertem Zustand stellt mit jedem Fahrzeug – so auch mit einem Fahrrad auf einem Fuß- oder gemeinsamen Fuß- und Radweg – eine gravierende Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs dar. Da eine festgestellte Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr den Verdacht eines die Fahreignung ausschließenden Alkoholmissbrauchs begründet, muss schon aus Gründen der Gefahrenabwehr den Eignungszweifeln nachgegangen werden, gleichgültig welches Fahrzeug geführt worden ist. Die Grundrechte des Betroffenen finden ihre Grenzen in den Rechten Dritter, insbesondere in dem Recht der übrigen Verkehrsteilnehmer auf Leben und körperliche Unversehrtheit, die zu schützen der Staat aufgerufen ist (vgl. Beschlussabdruck S. 4 [letzter Absatz]).

Sollte die Beschwerde zudem darauf abzielen, dass es sich angesichts der konkreten Umstände der Tat (Trunkenheitsfahrt mit Fahrrad auf gemeinsamen Fuß- und Radweg in dem Glauben, einen Fußweg zu befahren) nur um eine geringfügige, die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nicht rechtfertige Gefährdung gehandelt habe, berücksichtigt sie nicht, dass der Fahrerlaubnisbehörde nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV kein Ermessen zukommt. Ihr Eingreifen ist damit auch unter dem Gesichtspunkt des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht auf Fälle beschränkt, in denen sich aus den konkreten Umständen des Einzelfalls eine naheliegende und schwerwiegende, an die Risiken bei auffällig gewordenen Fahrerlaubnisinhabern heranreichende Gefährdung des öffentlichen Straßenverkehrs durch den Radfahrer herleiten lässt (zum Ganzen: Beschluss des Senats vom 25. Juni 2021, a.a.O. Rn. 12 unter Verweis auf ThürOVG, Beschluss vom 9. Mai 2021 – 2 SO 596/11 – juris Rn. 8).

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

III. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG. Der Senat folgt der erstinstanzlichen Entscheidung.

IV. Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG.

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