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Fahrerlaubnisentziehung bei regelmäßigem Konsum von medizinischem Cannabis

VG Bayreuth – Az.: B 1 S 18.1140 – Beschluss vom 07.12.2018

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert wird auf 5.000,– EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der am ….1986 geborene Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen A und B.

Dem Antragsteller wurde am 25.10.2002 vom Landratsamt … eine Fahrerlaubnis der Klasse A1 erteilt, die am 16.02.2004 auf die Klasse B, am 14.05.2004 auf die Klasse A2 und am 14.05.2006 auf die Klasse A erweitert wurde. Am 06.06.2018 erhielt der Antragsteller vom Landratsamt … einen Ersatzführerschein aufgrund des Verlustes der alten Führerscheinkarte. Am 23.04.2018 ging beim Landratsamt …ein Antrag auf Erweiterung der Fahrerlaubnis auf die Klasse BE ein. Diesem waren als Anlagen mehrere ärztliche Bescheinigungen beigefügt (Bl. 119 ff. der Behördenakte). Weiterhin vorgelegt wurden ein Bewährungsbeschluss sowie ein Urteil des Amtsgerichts … vom 27.03.2018 (Bl. 127 ff. der Behördenakte).

Mit Schreiben vom 27.04.2018 wandte sich das Landratsamt …an den Antragsteller und wies darauf hin, dass der Antragsteller unter anderem eine ärztliche Bescheinigung des Herrn Dr. K. vom 15.05.2014 vorgelegt habe. Dieser Bescheinigung könne die Diagnose depressive Störung als mittelgradige Episode (F32.1G) entnommen werden. Weiterhin habe er ein rechtskräftiges Urteil vom 04.04.2018 vorgelegt, aus dem hervorgehe, dass er schuldig des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und des Führens eines Kraftfahrzeugs unter Einwirkung eines berauschenden Mittels sei. Außerdem gehe aus dem Urteil hervor, dass er aufgrund einer ADHS-Erkrankung dazu gekommen sei, Cannabis zu konsumieren. Der Antragsteller werde zu seiner Entlastung zunächst gebeten, bis spätestens 11.05.2018 ein aktuelles fachärztliches Attest vorzulegen, aus dem hervorgehe, dass bezüglich der Depression ein stabiler psychischer Zustand vorliege und die ADHS-Erkrankung behandelt werde. Weiterhin sei auszuführen, ob trotz der Erkrankung aus fachlicher Sicht die Fahreignung gegeben sei. Der Antrag des Antragstellers auf Ersatzausstellung nach vorangegangenem Verlust des Führerscheins werde bearbeitet. Der Antrag auf Erweiterung der Fahrerlaubnis werde derzeit zurückgestellt, da erst seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen geklärt werden müsse.

Der Antragsteller übersandte dem Landratsamt… am 11.05.2018 per E-Mail die Fotografie eines Attests des Dr. med. B. vom 09.05.2018. Dieses enthält die Diagnosen ADHS und Schmerzsymptomatik. Der Antragsteller habe im Oktober bei der Krankenkasse einen Antrag über die Verordnung von Cannabis gestellt. Der Antrag bei der Krankenkasse laufe noch, obwohl eine Entscheidung längstens in drei bis fünf Wochen kommen müsste. Es seien alle Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft. Der Antragsteller sei unter der medikamentösen Therapie voll reaktionsfähig und fahrtauglich.

Das Landratsamt … teilte dem Antragsteller unter dem 15.05.2018 mit, dass das Attest vom 09.05.2018 keinesfalls ausreichend sei, um die entstandenen Zweifel des Amtes restlos auszuräumen. Ihm werde nochmals die Gelegenheit eingeräumt, bis spätestens 25.05.2018 eine Stellungnahme der behandelnden Fachärzte im Original vorzulegen. Hinsichtlich der ADHS-Erkrankung und der Schmerzsymptomatik müssten vom behandelnden Facharzt ergänzend bestimmte (im Schreiben genannte) Fragen beantwortet werden.

Der Antragsteller legt daraufhin eine Bescheinigung des Dr. med. B. vom 04.06.2018 vor, aus der u.a. die in der Vergangenheit eingenommenen Medikamente aufgeführt wurden. In Bezug auf die Depression wurde ausgeführt, dass ein stabiler Zustand vorliege und keine Suizidalität gegeben sei. Nach der an diesem Tag erfolgten Untersuchung sei die Fahreignung gegeben.

Fahrerlaubnisentziehung bei regelmäßigem Konsum von medizinischem Cannabis
(Symbolfoto: SD_FlowerPower/Shutterstock.com)

Mit Schreiben vom 11.06.2018 wandte sich das Landratsamt … erneut an den Antragsteller und führte aus, es habe von der Verkehrspolizeiinspektion … eine Mitteilung erhalten, wonach er am 04.07.2017 gegen 00:15 Uhr unter der Wirkung berauschender Mittel ein Kraftfahrzeug geführt habe. Weiterhin habe er 98,91 g Marihuana mit sich geführt. Es sei eine Blutentnahme veranlasst worden. Nach einem Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin im Universitätsklinikum … vom 21.07.2017 habe in seinem Blut vom 04.07.2017 um 01:05 Uhr THC in einer Konzentration von 6,3 ng/ml und THC-COOH in einer Konzentration von 81,0 ng/ml nachgewiesen werden können. Aufgrund des festgestellten THC-Wertes von 6,3 ng/ml stehe fest, dass der Antragsteller den Konsum der Drogen nicht von der Verkehrsteilnahme habe trennen können. Der Wert von 1,0 ng/ml sei von ihm überschritten worden. Die Fahrerlaubnisbehörde könne die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens verlangen, wenn gelegentliche Einnahme von Cannabis vorliege und weitere Tatsachen Zweifel an der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen begründeten (§ 14 Abs. 1 Satz 3 der Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV). Dies sei beim Antragsteller aufgrund des gelegentlichen Konsums von Cannabis, des festgestellten THC-Wertes und dem weiteren Besitz von 98,91 g Marihuana der Fall. Zur Abklärung des künftigen Trennungsvermögens halte es das Landratsamt …für erforderlich, dass sich der Antragsteller einer Untersuchung unterziehe (wird näher ausgeführt). Das Landratsamt habe erhebliche Zweifel an der grundsätzlichen Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen und halte die Beantwortung folgender Frage im Gutachten für erforderlich:

„Ist aufgrund der Fahrt unter Cannabiseinfluss am 04.07.2017 nicht zu erwarten, dass Herr … zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Einfluss von Cannabis oder dessen Nachwirkungen führen wird (Fähigkeit zum Trennen von Konsum und Verkehrsteilnahme)?“

Durch das Gutachten sei nicht zu klären, ob der Antragsteller seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen wiedererlangt habe, sondern ob er derzeit zum Führen von Kraftfahrzeugen noch geeignet sei. Ein Abstinenznachweis sei daher nicht erforderlich.

Mit Erklärung vom 17.08.2018 bat der Antragsteller darum, die Unterlagen an den TÜV … zu übersenden. Dies erfolgte mit Schreiben des Landratsamts …vom selben Tag.

Der Antragsteller legte dem Landratsamt … das Gutachten vom 25.09.2018 (Absendedatum) am 01.10.2018 vor. Aus dem medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachten geht im Wesentlichen das Folgende hervor:

Bezüglich des ärztlichen Untersuchungsgesprächs wird zur Krankheitsvorgeschichte ausgeführt, der Antragsteller habe angegeben, in ärztlicher Behandlung bei diversen Ärzten zu stehen bzw. gestanden zu haben, zuletzt bei einer Schmerztherapeutin (Fachärztin für Anästhesie) und seinem Hausarzt wegen seit langem bestehender Schmerzen des Bewegungsapparats, Migräne seit der Schulzeit und wegen ADHS, das früher mit stimulierenden Substanzen wie Ritalin und Amphetamin behandelt worden sei und starke unerwünschte Nebenwirkungen verursacht habe. Er nehme folgendes Medikament dreimal täglich ein: Dronabinol Tropfen, rauche aber auch seit kurzer Zeit auf Privatrezept verordnete Cannabisblüten (07/2018) morgens und tagsüber nach Bedarf. Früher habe er im Jahr 2014 etwa ein halbes Jahr lang das Antidepressivum Mirtazapin eingenommen.

Zum Drogen- und Alkoholkonsum habe der Antragsteller berichtet, ab 2001 zunächst gelegentlich Cannabis geraucht zu haben, nach einem Jahr dann fast täglich oder auch täglich. Bis auf einen Auslandsaufenthalt im Jahr 2014, bei dem er über längere Monate kein Cannabis konsumierte und es ihm damit nicht gut gegangen sei, habe er bis vor einigen Monaten Cannabis geraucht. Dann habe er erstmalig cannabishaltige Tropfen (Dronabinol) verordnet bekommen, die er dreimal täglich zu sich nehme. Die Wirkung sei jedoch nicht so komplex wie das vorab gerauchte Cannabis. Der Antragsteller habe seinen Arzt gebeten, Cannabisblüten ausprobieren zu dürfen. Seit kurzer Zeit bekomme er diese auf Privatrezept verordnet (seit 24.07.2018). Er rauche sie schon ab dem Morgen und tagsüber nach Bedarf. Andere illegale Drogen habe er nicht genommen. Alkohol habe er begleitend zum jeweiligen Cannabiskonsum keinen getrunken. Sein Alkoholkonsum sei selten und dann geringfügig.

Als toxikologischer Befund wird ausgewiesen, dass die Urinprobe des Antragstellers bei normal konzentriertem Urin den Nachweis einer der untersuchten Substanzen ergeben habe: Cannabinoide positiv mit >100 ng/ml THC-COOH (<5 ng/ml).

In Bezug auf das psychologische Untersuchungsgespräch ist ausgeführt, dass der Antragsteller zu den konsumierten Substanzen angegeben habe, dass er Ritalin und Amphetaminsulfate eingenommen habe. Ab dem 15. Lebensjahr habe er Cannabis geraucht, dieses auch als Tee und Öl verwendet. Kräutermischungen oder Badesalze habe er nicht probiert, auch keine Pilze. Der Antragsteller habe ab dem Alter von etwa acht Jahren Ritalin eingenommen. Schmerzen habe er seit dem 16. Lebensjahr. Er habe geraucht und starke Nebenwirkungen erlebt, dann habe er über den Freundeskreis Cannabis kennengelernt. Es habe einen Konflikt mit den Amphetaminsulfaten gegeben und der Antragsteller habe Herzrhythmusstörungen erlebt. Er habe dann nur Marihuana probieren wollen. Ein paar Wochen später habe er täglich gekifft, über einen ganzen Tag ein bis zwei Gramm in Joints. Er habe schon vor der Schule gekifft, um sich für die Schule zu konzentrieren. Dann habe er täglich drei bis fünf Joints geraucht, je nach Verfügbarkeit. Ab 2002 habe er täglich Marihuana geraucht, das sei zehn Jahre lang so gegangen, täglich bis zu fünf Joints. Alkohol sei nie sein Fall gewesen. Beim Oktoberfest habe er eine Maß Bier getrunken, dann sei ihm schlecht geworden. Ab 2012 habe sich sein Konsum gesteigert und er habe täglich zwei bis drei Gramm Marihuana geraucht, bis zu sechs Joints. Er habe ganztags gearbeitet und morgens, mittags und nach der Arbeit gekifft. Er sei mit dem Auto zur Arbeit gefahren, täglich 35 Kilometer. Sonst hätte er mit den öffentlichen Verkehrsmitteln die dreifache Zeit gebraucht. Er habe auch zu Kunden fahren müssen mit dem Privatauto und mit Firmenfahrzeugen. Für ihn sei Cannabis ein Konzentrationsmittel und er sei ganztags unter Cannabiseinfluss gestanden seit seinem 16. Lebensjahr.

Auf Nachfrage zum Drogenverzicht habe der Antragsteller angegeben, er sei hibbelig geworden, extrem geladen. Er habe sich nicht konzentrieren können und habe Stimmungsschwankungen gehabt. Der Antragsteller habe in Deutschland einen Job angefangen und dem gerecht werden müssen. Dann habe er seine Medizin genommen, Cannabis sei für ihn Medizin, er habe ab 2015 wieder Blüten geraucht, zwei bis drei Gramm pro Tag. Alkohol habe er mal zu einer Hochzeit getrunken, alle paar Monate zwei Radler. Er habe weiter täglich gekifft, das sei bis heute so. Er rauche bis heute täglich zwei bis drei Gramm Cannabis.

Zu der Fahrt im Jahr 2017 habe der Antragsteller angegeben, er habe zu einer Baustelle in Ulm gemusst und sei über München gefahren. Auf dem Weg nach …habe er tanken müssen und die Polizei sei hinter ihm gewesen. Er habe auch in der Tasche Marihuana gehabt. Der Antragsteller sei regelmäßig unter Cannabiseinfluss gefahren und da hätten sie ein Gewächshaus privat abtransportiert. Auf Nachfrage zu Fahrten mit dem Kfz habe er angegeben, er sei täglich gefahren für Besorgungen, Arzttermine oder zum Jobcenter. Er wohne jetzt auf dem Land, da seien öffentliche Verkehrsmittel schlecht, damit könne man nicht agieren. Auf Frage, wie er nach der Kontrolle mit Drogen umgegangen sei, habe er angegeben, er habe täglich weiter konsumiert und rauche auch aktuell zwei bis drei Gramm täglich. Aber inzwischen bekomme er die Droge ärztlich über die Schmerztherapie verordnet. Seit Mai 2018 sei das Cannabis verordnet, der Antrag habe lange gedauert. Auf Nachfrage zur Dosierung habe er erklärt, er habe vom Dronabinol erst drei Dosierungen zu 0,5 g genommen und das auf bis zu achtmal 0,2 g gesteigert, das wirke dezenter. Er nehme das Cannabis als medizinische Alltagsbewältigung – der Richter habe die Eigenmedikation erkannt. Auf Nachfrage habe der Antragsteller erklärt, der Antrag für die Cannabisblüten sei gestellt. Er wolle weiter zum Jobcenter fahren, zu Arztterminen, zum Einkaufen auf dem Land. Er wolle im Beruf Fuß fassen. Er habe eine andere Therapie ausprobiert, aber nur das Cannabis schlage nachhaltig an.

Auf Frage zur Teilnahme am Straßenverkehr habe er angegeben, seine Reaktionsfähigkeit sei ja getestet worden. Er nehme Cannabis seit dem 16. Lebensjahr und mache damit alle Actionsportarten. Bei Ausfallerscheinungen würde er das Fahren unterlassen. Danach gefragt, wie er Beeinträchtigungen erkenne, habe er angegeben, zum Beispiel Kreislaufprobleme oder zu starke Verspannungen, wenn er dann zum Beispiel den Schulterblick nicht machen könne. Auf Frage, wie er sich dann verhalte, habe er angegeben, mit den zeitlichen Abständen, dass der Pegel gleichgehalten werde, dass keine Peaks entstünden. Der Antragsteller lebe auf dem Land, weil er die Reizüberflutung in der Stadt nicht mehr vertrage. Danach gefragt, wie er verhindere, dass er beeinträchtigt Auto fahre, habe er angegeben, er sei ja für den Reaktionstest hier gewesen, bei ihm gebe es keine Ausfallerscheinungen, bei ihm sei das Medizin.

Betreffend die Bewertung der Befunde führt das Gutachten aus, es handle sich um einen langjährigen, in 2014 unterbrochenen, zunächst gelegentlichen, dann regelmäßigen inhalativen und nun in der Form des ärztlich verordneten Medikaments Dronabinol oralen und Cannabisblüten wieder inhalativen Cannabiskonsum. Ein Trennvermögen zwischen Cannabiskonsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs sei hier demzufolge nicht gegeben. Es sei anzunehmen, dass der Antragsteller auch unter Einfluss des zentral wirksamen Wirkstoffs THC ein Kraftfahrzeug geführt habe bzw. führen werde. Auch eine gleichbleibende Konzentration dessen im Blut sei bei der inhalativen Applikation durch Blüten nicht sicher gewährleistet. Der als gelegentlich angegebene Alkoholkonsum sei, auch bei ärztlich verordnetem, regelmäßigem Cannabiskonsum, als weitere zentralwirksame Substanz unerwünscht und kritisch zu sehen. Ob die geschilderten Symptome nach Abbruch des Konsums im Sinne eines Entzugs oder nur eines ADHS zu werten seien, bleibe unklar. Weiterhin sei beim angegebenen Schmerzsyndrom eine ausführliche fachärztliche Dokumentation über die eventuelle Ausschöpfung sämtlicher Therapiemöglichkeiten (medikamentös, physiotherapeutisch, etc.) im Sinne einer tiefergehenden Abklärung hier im Rahmen eines verkehrsmedizinischen Gutachtens anzustreben und wünschenswert amtlich anzuordnen. Die Fahreignung werde derzeit medizinisch nicht befürwortet. Die Überprüfung der Leistungsmöglichkeiten habe keine verkehrsbedeutsamen Beeinträchtigungen ergeben. Die vom Antragsteller in den Tests gezeigten Leistungen genügten gerade, um sich mit einem Fahrzeug der beantragten Klasse B verkehrsgerecht verhalten zu können. In der Untersuchung hätten zwar ausreichende Befunde erhoben werden können, sie seien zur Beantwortung der behördlichen Fragestellung im Sinne einer günstigen Verhaltensprognose jedoch nicht ausreichend verwertbar. Beim Antragsteller lägen keinerlei Anhaltspunkte vor, mit welchen anderen psychoaktiv wirkenden Medikamenten sein Cannabiskonsum kombiniert worden sei; strikte Alkoholkarenz zum Ausschluss von Kreuzreaktionen sei ebenfalls nicht gegeben. Der Antragsteller habe keine wirksamen Vermeidungsstrategien beschrieben, mit denen er über den Substanzeinfluss hinausgehende Beeinträchtigungen bei der Verkehrsteilnahme verhindern könne. Bei ihm liege langjährig ein suchtnahes Konsummuster vor, so dass die medizinische Indikation der Cannabisverordnung in Frage zu stellen sei. Die Befunde sprächen dafür, dass beim Antragsteller von einem deutlich fortgeschrittenen Drogenmissbrauch bereits vor der THC-Verordnung ausgegangen werden könne. Der Antragsteller habe hierzu ausreichend offen geschildert, dass er langjährig täglich und intensiv die Substanz THC konsumiert habe und er die Substanz als Selbstmedikation benutzt habe. Er habe den Konsum weiter gesteigert, um berufliche Anforderungen zu kompensieren. Er habe eine Konsumpause beschrieben, in der er deutliche Entzugssymptome erlebt habe. Der Antragsteller habe seit langem keinen Versuch unternommen, die Wirkung eines längerfristigen Drogenverzichts zu erfahren und dann zu differenzieren, ob er beispielsweise eine Bedarfsmedikation benötige. Er habe offen eingeräumt, dass er ebenso langjährig regelmäßig unter Cannabiseinfluss am Straßenverkehr teilnehme. Die Lernerfahrung des Antragstellers zeige eine massiv verfestigte Kopplung an die Drogenwirkung. Er habe nicht reflektiert, ob er die Fahrten antreten und wie er weitere Beeinträchtigungen ausschließen könne. Vielmehr habe er geschildert, dass in einem Therapieversuch eine weitere Verknüpfung mit stark wirksamen Medikamenten erfolgt sei. Es lägen keinerlei medizinische Befunde über die Kombination und Dosierung der wechselwirkenden Substanzen vor. Aktuell seien auch keine Befunde bei Konsum in der fraglichen Zeit vor dieser Untersuchung gegeben. Der Antragsteller zeige sich hierzu wenig kritisch und postuliere für sich einen Zustand ohne Ausfallerscheinungen oder Beeinträchtigungen durch Substanzeinfluss. Er fordere für sich eine weiterhin regelmäßige Teilnahme am Straßenverkehr ein. Der Antragsteller habe aber mögliche weitere Einschränkungen seiner Aufmerksamkeitsleistung oder Reaktionsfähigkeit durch Dosisschwankungen nicht hinterfragt und verfüge auch nicht über tragfähige Handlungsalternativen. Er habe langjährig die Substanz THC missbräuchlich illegal konsumiert. Die Indikation für die Medikation bleibe eher unklar, eine sorgfältige medizinische Dokumentation fehle, ebenso wie die Abklärung von Kombinationen mit weiteren psychoaktiven Substanzen/Medikamenten. Die Lerngeschichte des Antragstellers verknüpfe die Drogenwirkung im Sinne der Fahreignung ungünstig mit einem Zustand der Dauerberuhigung und damit Herabsetzung unter anderem der Reaktionsfähigkeit. Ein verantwortlicher Umgang des Antragstellers mit den Auswirkungen der Substanzwirkung sei in der Vergangenheit nicht gegeben gewesen und sei aktuell mit dem nahtlosen Ersatz durch die Medikation nicht erkennbar. Er verfüge nicht über die Fähigkeit, die Teilnahme am Straßenverkehr einerseits vom Substanzeinfluss zu trennen oder andererseits zu differenzieren, wann er bei weiteren Beeinträchtigungen die Verkehrsteilnahme vermeiden müsse.

Wegen der Fahrt unter Cannabiseinfluss am 04.07.2017 sei zu erwarten, dass der Antragsteller zukünftig ein Kraftfahrzeug unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln/Cannabis oder dessen Nachwirkungen führen werde (keine Fähigkeit zum Trennen von Konsum und Verkehrsteilnahme). Der Antragsteller erfülle aufgrund der Ausprägung der Befunde die Voraussetzungen für die Teilnahme an einem Kurs sowie der Herstellung der Kraftfahreignung (§ 70 FeV) nicht.

Mit Schreiben vom 01.10.2018 hörte das Landratsamt … den Antragsteller daraufhin zur beabsichtigten Entziehung seiner Fahrerlaubnis an. Mit E-Mail vom 09.10.2018 legte der Antragsteller „Einspruch“ gegen den Entzug der Fahrerlaubnis beim Landratsamt ein. Er erkenne die Interpretation des psychologischen Gutachtens nicht an. Es habe ihm im Vorfeld keiner sagen können, wie die MPU in dem besonderen Fall einer Cannabisschmerztherapie und ADHS-Therapie aussehe. Der Reaktionstest sei bestanden worden. Außerdem beziehe er sich auf eine Entscheidung des OVG Saarlouis (B.v. 03.09.2018 – Az. 1 B 221/18). Seinen Führerschein der Klasse BE brauche er zum Aufnehmen einer neuen Existenz nach der Genesung.

Mit Bescheid des Landratsamts … vom 10.10.2018 wurde dem Antragsteller die Fahrerlaubnis entzogen (Nr. 1). Der vom Landratsamt … am 06.06.2018 ausgestellte Führerschein der Klassen A + B werde eingezogen (Nr. 2). Sollte der Führerschein nicht innerhalb von fünf Tagen nach Zustellung dieses Bescheids eingeliefert werden, werde die Polizei zur Einziehung des Führerscheins unter Anwendung unmittelbaren Zwangs angewiesen (Nr. 3). Die sofortige Vollziehbarkeit der Nr. 1 und 2 des Bescheids wurde angeordnet (Nr. 4).

Zur Begründung dieser Entscheidung führte das Landratsamt aus, dass die Fahrerlaubnis gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV entzogen werden müsse, wenn sich jemand als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweise. Nach den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung sei derjenige, der Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes nehme oder von ihnen abhängig sei, nicht in der Lage, den gestellten Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen beider Gruppen gerecht zu werden. Wer regelmäßig (täglich oder gewohnheitsmäßig) Cannabis konsumiere, sei in der Regel nicht in der Lage, den gestellten Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen beider Gruppen gerecht zu werden. Ausnahmen seien nur in seltenen Fällen möglich, wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit gegeben sei, dass Konsum und Fahren getrennt würden und wenn keine Leistungsmängel vorlägen. Wer gelegentlich Cannabis konsumiere, sei in der Lage, den gestellten Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen beider Gruppen gerecht zu werden, wenn er Konsum und Fahren trennen könne, wenn kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen und wenn keine Störung der Persönlichkeit und kein Kontrollverlust vorlägen. Der Antragsteller habe unter der Wirkung von THC ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr geführt. Seinen eigenen Angaben zufolge sei von einem mindestens gelegentlichen Konsum von Cannabis auszugehen. Nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV sei jedoch derjenige ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, der gelegentlich Cannabis konsumiere und den Konsum und das Fahren nicht wirksam trennen könne. Das Landratsamt …habe nach pflichtgemäßem Ermessen die Vorlage eines Gutachtens eines medizinisch-psychologischen Instituts angefordert (wird ausgeführt). Es sei klargestellt worden, dass es sich beim Antragsteller bereits vor der THC-Verordnung (Privatrezept über Bedrocan-Cannabisblüten erst seit 24.07.2018; dieses sei dem Amt erst mit Vorlage des MPU-Gutachtens bekannt geworden) um einen deutlich fortgeschrittenen Drogenmissbrauch mit suchtnahem Konsummuster handle, so dass die nunmehrige Cannabisverordnung in Frage zu stellen sei. Aber auch im verhaltenswissenschaftlichen Bereich habe sich der Antragsteller nicht entlasten können.

Das Gutachten begründe das negative Untersuchungsergebnis klar und ausführlich und sei daher für das Amt auch schlüssig und nachvollziehbar. Zum Einwand des Antragstellers, dass keine Suchterscheinungen vorlägen, sondern es sich um das Auftreten des Krankheitsbildes handle, werde ausgeführt, es sei keinesfalls auszuschließen, dass es sich um deutlich erlebte Entzugserscheinungen handle. Hinsichtlich des bestandenen Reaktionstests werde angemerkt, dass die gezeigten Leistungen laut dem Gutachten „gerade genügen“ würden. Die Ergebnisse allein ließen aber keine Verhaltensprognose zu. Vielmehr habe sich der Antragsteller weder im medizinischen noch im verhaltenswissenschaftlichen Bereich ausreichend entlasten können. Die „Dauermedikation bezüglich ADHS seit Kindesalter“ und die „aktive Schmerztherapie“ seien nicht der Anordnungsgrund für die medizinisch-psychologische Untersuchung gewesen, sondern die aktenkundige Verkehrsteilnahme unter (illegalem) Cannabiseinfluss. Die ärztliche Bescheinigung über die Fahrtauglichkeit liege nur bezüglich der früheren Medikation (nicht mit Cannabis) vor. Einem medizinisch-psychologischen Gutachten sei eine bei weitem höhere Aussagekraft beizumessen als einem einfachen Attest eines Mediziners ohne verkehrsmedizinische Qualifikation. Die vom Antragsteller angeführte Gerichtsentscheidung sei im vorliegenden Fall nicht einschlägig.

Letztlich hätten auch die privaten und wirtschaftlichen Interessen des Antragstellers weit hinter den Belangen der allgemeinen Verkehrssicherheit zurückzustehen. Die sofortige Vollziehbarkeit des Bescheids sei gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO im öffentlichen Interesse angeordnet worden. Das durch den Betäubungsmittelkonsumenten verursachte Verkehrsrisiko ergebe sich zum einen durch den akuten Rauschzustand bei der Einnahme, dann aber auch durch unvorhersehbare Wirkungsverläufe mit psychotischen Reaktionen, Angstzuständen, verlängerten Rauschverläufen und durch Kombinationsrisiken bei polyvalenten Konsummustern. Auch nach dem Rausch sei, zum Beispiel in Folge von Entzugserscheinungen bei maximaler Konzentration des Denkens auf die Neubeschaffung der Droge, ein normgerechtes Verhalten im Straßenverkehr nicht zu erwarten (wird weiter ausgeführt). Auf die weitere Begründung des Bescheids wird Bezug genommen.

Der Antragsteller gab seinen Führerschein am 16.10.2018 beim Landratsamt ab. Mit Schreiben vom 08.11.2018 an das Landratsamt … legte der Antragsteller Widerspruch gegen den Bescheid vom 10.10.2018 ein.

Mit Schriftsatz vom 08.11.2018 – bei Gericht eingegangen am 09.11.2018 – erhob der Antragsteller „Eilklage zur Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung“. Die Klageerhebung diene nur der Fristwahrung, eine ausführliche Begründung werde nachgereicht. Ein Klageverfahren wird bei Gericht unter dem Az. B 1 K 18.1141 geführt.

Mit Schriftsatz vom 20.11.2018 führte der Antragsteller zur Begründung im Wesentlichen noch aus, dass er seit dem 07.09.2017 von Frau Dr. F. und nun seit Anfang Mai 2018 von Herrn Dr. B. mit medizinischen Cannabis behandelt werde. Es sei nur logisch, dass er als Patient immer einen gewissen Wirkstoffpegel im Blut haben werde. Dies sei Sinn der Therapie. Nach § 24a Abs. 2 Satz 1 und 2 StVG handle ordnungswidrig, wer unter der Rauschwirkung von den in der Anlage der StVO genannten Substanzen ein Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr führe. Dies gelte ausweislich § 24a Abs. 2 Satz 3 StVG nicht für Patienten. Die Gegenseite ignoriere die medizinische Notwendigkeit völlig. Dies trage den Besonderheiten des Einzelfalles nicht Rechnung. Es sei nicht nachvollziehbar, warum nach nunmehr über einem Jahr der sofortige Vollzug der Fahrerlaubnisentziehung angeordnet werde. Da der Antragsteller in der Zwischenzeit optimal auf die Therapie eingestellt sei, gelte für ihn § 24a Abs. 2 Satz 3 StVG. Eine Untersuchung nach der Anlage 5.2 FeV, bezogen auf Anlage 4 Nr. 9.6.2 FeV, stehe aktuell noch aus.

Mit Schriftsatz vom 12.11.2018 hat das Landratsamt … die Behördenakte vorgelegt und beantragt, den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen.

Der Antragsteller habe mit Fax vom 08.11.2018 Widerspruch beim Landratsamt …eingelegt. Dieses stelle das Widerspruchsverfahren bis zu einer Entscheidung über den Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO zunächst zurück. Ergänzend zur Begründung des Bescheids werde darauf hingewiesen, dass beim Amt aufgrund einer Fahrt unter THC-Einfluss am 04.07.2017 ganz erhebliche Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers entstanden seien. Er habe dabei auch noch 98,91 g Marihuana mit sich geführt. Die Substanz sei illegal beschafft worden, was auch die Entscheidung des Amtsgerichts… belege. Nach dem Untersuchungsergebnis des TÜV … sei bekannt geworden, dass dem Antragsteller erstmals am 24.07.2018 – und somit nach Anordnung des Eignungsgutachtens – Cannabisblüten verordnet worden seien. Dieser Umstand sei von den Gutachtern bei der Erstellung des Gutachtens auch zur Kenntnis genommen und gewürdigt worden. Trotzdem seien sie zu dem eindeutigen Ergebnis gekommen, dass der Antragsteller derzeit nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet sei, da er nicht über die Fähigkeit verfüge, die Teilnahme am Straßenverkehr einerseits vom Substanzeinfluss zu trennen oder andererseits zu differenzieren, wann er bei weiteren Beeinträchtigungen die Verkehrsteilnahme vermeiden müsse. Der Sofortvollzug sei nach Ansicht des Amtes ausreichend begründet worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakte ergänzend Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO analog).

II.

1. Der zulässige Antrag bleibt in der Sache ohne Erfolg.

a) Bei sachdienlicher Auslegung nach § 122 Abs. 1, § 88 VwGO begehrt der Antragsteller die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines am 08.11.2018 per Telefax beim Landratsamt …eingelegten Widerspruchs. Das im Fahrerlaubnisrecht bestehende fakultative Widerspruchsverfahren (vgl. Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AGVwGO) begründet nicht die Möglichkeit, gleichzeitig Klage und Widerspruch einzulegen, sondern führt zu einem entsprechenden Wahlrecht des Betroffenen. Dieses Wahlrecht hat der Antragsteller vorliegend mit seinem (ausweislich der entsprechenden Kopfzeilen der Telefaxe) sieben Minuten vor Klageerhebung an das Landratsamt … übersandten Schriftsatz dahingehend ausgeübt, dass er das behördliche Widerspruchsverfahren durchzuführen beabsichtigt. Soweit das Gericht neben dem hiesigen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zusätzlich ein Klageverfahren (Az.: B 1 K 18.1141) angelegt hat – so war der Schriftsatz des Antragstellers vom 08.11.2018 an das Gericht zu verstehen und im Übrigen auch ausdrücklich als „Klage“ bezeichnet –, kann gegenüber dem Antragsteller nur angeregt werden, seine Klage zurückzunehmen und in der Hauptsache das behördliche Widerspruchsverfahren zu durchlaufen.

b) Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit genügt den formellen Anforderungen nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs reicht es bei einer Fahrerlaubnisentziehung aus, die für den Fall typische Interessenlage aufzuzeigen; die Darlegung besonderer zusätzlicher Gründe für die Erforderlichkeit der sofortigen Vollziehung ist nicht geboten (so z.B. BayVGH, B.v. 10.10.2011 – 11 CS 11.1963; B.v. 24.08.2010 – 11 CS 10.1139; B.v. 25.05.2010 – 11 CS 10.227; VGH BW, B.v. 24.01.2012 – 10 S 3175/11 – juris). Dem werden die Ausführungen in der Begründung des Bescheides gerecht. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht bei der Entscheidung über einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO eine eigenständige Interessenabwägung vorzunehmen.

c) Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. anordnen. Bei der Entscheidung hat das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen, bei der entsprechend § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung abzuwägen ist. Dabei sind insbesondere die überschaubaren Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Lässt sich schon bei summarischer Prüfung eindeutig feststellen, dass der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist und den Betroffenen in seinen Rechten verletzt, so dass der Widerspruch mit Sicherheit Erfolg haben wird, kann kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung dieses Verwaltungsakts bestehen. Andererseits ist für eine Interessenabwägung, die zugunsten des Antragstellers ausgeht, im Regelfall kein Raum, wenn keine Erfolgsaussichten in der Hauptsache bestehen. Erscheint der Ausgang des Hauptsachverfahrens offen, hat eine reine Interessenabwägung stattzufinden (vgl. z.B. VG Augsburg, B.v. 21.09.2018 – Au 7 S 18.1338 – juris Rn. 36; Kopp/Schenke, VwGO, 22. Auflage 2016, § 80 Rn. 152 ff.). Maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (st.Rspr., vgl. z.B. BayVGH, U.v. 10.04.2018 – 11 BV 18.259 – juris Rn. 18; BVerwG, U.v. 23.10.2014 – 3 C 3.13 – juris Rn. 13).

Im vorliegenden Fall sind die Erfolgsaussichten des Widerspruchs gegen den Bescheid des Landratsamts …vom 10.10.2018 als offen anzusehen. Denn das Landratsamt … ist im Ausgangspunkt zwar völlig zu Recht davon ausgegangen, dass die Fahrt des Antragstellers am 04.07.2017 unter dem Einfluss von Cannabis Eignungszweifel aufgeworfen hat und dass bei einem (damals angenommenen) gelegentlichen Konsum von Cannabis gem. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV die Fahreignung nur gegeben ist, wenn (u.a.) das sog. Trennungsvermögen vorliegt. Im Einklang mit der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. BayVGH, U.v. 25.04.2017 – 11 BV 17.33 – juris) wurde insoweit die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet. Im Zuge der Eignungsbegutachtung hat sich sodann jedoch herausgestellt, dass beim Antragsteller in der Vergangenheit ein im fahrerlaubnisrechtlichen Sinne regelmäßiger – d.h. täglicher oder fast täglicher – Konsum von Cannabis vorgelegen hat, der die Fahreignung ausschließt (vgl. Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV). Andererseits ist hierdurch auch bekannt geworden, dass die Cannabisprodukte nunmehr aufgrund einer ärztlichen Verordnung eingenommen werden. Demzufolge spricht hier einiges dafür, dass jedenfalls jetzt die Nr. 9.6 der Anlage 4 zur FeV (Dauerbehandlung mit Arzneimitteln) einschlägig ist. Sowohl hinsichtlich der Voraussetzungen als auch von den Rechtsfolgen her zu trennen sind nämlich die ärztlich verordnete Einnahme eines betäubungsmittelhaltigen Arzneimittels und die eigenmächtige Einnahme einer illegal beschafften Droge (vgl. hierzu VGH BW, B.v. 31.01.2017 – 10 S 1503/16 – juris Rn. 9 sowie VG München, B.v. 07.09.2016 – M 26 S 16.3079 – juris Rn. 30, jeweils m.w.N.).

Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens wird daher insbesondere zu klären sein, ob sich die Betäubungsmitteleinnahme des Antragstellers hier im Rahmen der ärztlichen Verordnung bewegt. Denn ein die Fahreignung ausschließender Medikamentenmissbrauch i.S.d. Nr. 9.4 der Anlage 4 zur FeV liegt beispielsweise dann vor, wenn von einem verordneten Arzneimittel in „übertherapeutischem“ Umfang Gebrauch gemacht wird (vgl. BayVGH, B.v. 18.04.2011 – 11 C 10.3167, 11 CS 10.3168 – juris Rn. 24 m.w.N.). Sofern dies nicht der Fall ist, ist in Bezug auf die Fahreignung des Antragstellers eine Einzelfallprüfung der psychophysischen Leistungsfähigkeit nach Nr. 9.6.2 der Anlage 4 zur FeV angezeigt. Dabei ist bei Patienten, die – wie vorliegend der Antragsteller – im Vorfeld der ärztlich verordneten Cannabismedikation gegen das StVG oder die FeV im Zusammenhang mit Cannabis verstoßen haben, auch zu prüfen, ob weiterhin Cannabismissbrauch besteht. Die Überprüfung der Leistungsführigkeit erfordert eine entsprechende Begutachtung durch einen Verkehrspsychologen. Hierbei stehen im Vordergrund Fragen der (Langzeit-)Vigilanz, Risikowahrnehmung und Reaktion auf Risiken, die eine Fahrverhaltensbeobachtung erforderlich machen. Ein ärztliches Gutachten wird – sofern die Fahreignungszweifel nicht anderweitig vollständig ausgeräumt sind – zur Frage der diagnostizierten Grunderkrankung mit deren Auswirkungen auf die Fahreignung sowie zur Indikation und zum Verlauf der Therapie erforderlich sein. In diesem Zusammenhang ist vor allem und neben anderen Fragen zu klären, ob sich der betreffende Patient entsprechend „compliant“ und „adhärent“ verhält (vgl. zum Ganzen Schubert/Huetten/Reimann/Graw/Schneider/Stephan [Hrsg.], Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, Kommentar, 3. Auflage 2018, Anm. 3.14.2, S. 318 f., unter Nennung der einschlägigen Fragestellungen für eine Begutachtung).

Zu den vorstehend aufgeworfenen Fragestellungen verhält sich das vorliegende Fahreignungsgutachten – da es unter einem anderen Gesichtspunkt gefordert worden ist – nicht oder nur am Rande. Dementsprechend stellt es keine taugliche Basis dar, aufgrund derer (ohne weitere Ermittlungen) auf eine Fahrungeeignetheit des Antragstellers geschlossen werden kann. Es kann auch nicht pauschal darauf verwiesen werden, dass der Antragsteller zu einem Zeitpunkt in der Vergangenheit seine Fahreignung wegen regelmäßigen Cannabiskonsums verloren hat, da sich die Sachlage aufgrund der nunmehrigen Verschreibung erheblich geändert hat und nunmehr jedenfalls weiterer Aufklärungsbedarf besteht. Klärungsbedürftig ist, ob das Konsumverhalten des Antragstellers hier tatsächlich an Nr. 9.6.2 der Anlage 4 zur FeV zu messen ist (v.a. in Abgrenzung zu einem etwaigen Medikamentenmissbrauch, s.o.) und, bejahendenfalls, ob er bei Anlegung dieser Maßstäbe fahrgeeignet ist oder nicht.

d) Die somit vorzunehmende Interessenabwägung geht hier – auch und gerade im Lichte des aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG abzuleitenden staatlichen Schutzauftrages – zu Lasten des Antragstellers aus. Denn es spricht gegenwärtig Überwiegendes dagegen, dem Antragsteller einstweilen, d.h. bis zur Entscheidung über den Widerspruch, die Verkehrsteilnahme zu gestatten. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass er – mag er es in dieser Form auch nicht weiter fortsetzen – durch den täglichen oder fast täglichen Konsum von (wohlgemerkt: illegal beschafftem) Cannabis in der Vergangenheit seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen verloren hat (Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV) und jedenfalls eine positive Eignungsbegutachtung zum momentanen Zeitpunkt noch nicht vorliegt. Weiter spricht gegen ihn der Umstand, dass er eigenen Angaben zufolge unter dem Einfluss von Cannabis und ohne jedwedes Unrechtsbewusstsein regelmäßig am Straßenverkehr teilgenommen hat (S. 12 des Fahreignungsgutachtens). Soweit sich der Antragsteller darauf berufen hat, seine Leistungen genügten den zu stellenden Anforderungen, kann er hieraus für sich nichts Günstiges herleiten. Denn im Rahmen der Interessenabwägung ist auch zu berücksichtigen, dass die in den Tests gezeigten Leistungen „gerade“ genügen, um sich mit einem Kraftfahrzeug der Klasse B verkehrsgerecht zu bewegen (S. 15 des Fahreignungsgutachtens). Gegen das Überwiegen des Aufschubinteresses des Antragstellers spricht es ferner, dass eine gleichbleibende Konzentration des Wirkstoffes THC im Blut bei der Applikation durch Cannabisblüten nicht sicher gewährleistet ist (S. 15 des Fahreignungsgutachtens) und dass der Antragsteller nach dem Ergebnis der Begutachtung nicht über die Fähigkeit verfügt, die Teilnahme am Straßenverkehr einerseits vom Substanzeinfluss zu trennen oder andererseits zu differenzieren, wann er bei weiteren Beeinträchtigungen die Verkehrsteilnahme vermeiden muss (S. 18 des Fahreignungsgutachtens). Dies ist auch bei der Einnahme von ärztlich verordneten Cannabisprodukten von Bedeutung.

2. Nach alledem ist der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung basiert auf § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5, 46.1 und 46.3 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.

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