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Fahrerlaubnisentziehung bei einmaligem Cannabiskonsum

Oberverwaltungsgericht -Anhalt – Az.: 3 M 257/18 – Beschluss vom 05.07.2018

Gründe

I. Die zulässige Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Halle – 7. Kammer – vom 14. Mai 2018 ist unbegründet. Die von dem Antragsteller vorgebrachten Einwände, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen die Abänderung des Beschlusses nicht.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruches vom 15. April 2018 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 4. April 2018 wiederherzustellen, zu Recht abgelehnt.

Gemäß § 3 Abs. 1 StVG und §§ 46 Abs. 1, 11 Abs. 7 Fahrerlaubnisverordnung – FeV – hat die Fahrerlaubnisbehörde dem Inhaber einer Fahrerlaubnis, der sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist, die Fahrerlaubnis zu entziehen. Das gilt nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere dann, wenn Erkrankungen oder Mängel nach der Anlage 4 vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis ist nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 die Fahreignung (nur) dann gegeben, wenn zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Fahren getrennt wird, kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen stattfindet sowie keine Störung der Persönlichkeit und kein Kontrollverlust vorliegen.

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass sich die streitgegenständliche Fahrerlaubnisentziehung bei summarischer Prüfung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i. V. m. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV als rechtmäßig erweist, weil der Antragsteller gelegentlich Cannabis konsumiert und den Konsum sowie das Führen eines Kraftfahrzeugs nicht getrennt hat.

Soweit der Kläger zunächst unter Berufung auf obergerichtliche Rechtsprechung (Hess. VGH, Beschluss vom 24. September 2008 – 2 B 1365/08 -; OVG Nds., Beschluss vom 10. Februar 2009 – 12 ME 361/08 -; BayVGH, Beschluss vom 16. Dezember 2015 – 11 CS 15.2377 -, alle juris) einwendet, dass erst ab einem THC-Carbonsäure-Wert (THC-COOH) von 100 bis 150 ng/ml ein mangelndes Trennungsvermögen angenommen werden könne und beim Antragsteller dieser Wert mit 75 ng/ml nicht erreicht sei, verkennt er, dass der in Bezug genommene THC-COOH Wert für die Frage des fehlenden Trennungsvermögens nicht von maßgebender Bedeutung ist, sondern Anhalt dafür bietet, in welcher Häufigkeit Cannabis konsumiert wurde. Das Vermögen, zwischen Konsum und Fahren zu trennen, wird – wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat – anhand des Tetrahydrocannabinol (THC) – Wertes gemessen. Ab einem THC-Wert von 1,0 ng/ml Blutserum fehlt es an diesem, weil nach Einschätzungen aus der Fachwissenschaft ab diesem Wert nicht mehr sicher ausgeschlossen werden kann, dass die Möglichkeit einer cannabisbedingten Beeinträchtigung der Fahrsicherheit besteht (vgl. u. a. BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 3 C 3.13 -, juris Rn. 28 ff.; OVG LSA, Beschluss vom 6. September 2017 – 3 M 171/17 -, juris Rn. 4 ff.). Der Antragsteller hat mit einem THC-Wert von 7,6 ng/ml ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr geführt, so dass das erforderliche Trennungsvermögen offensichtlich nicht gegeben war.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist das Verwaltungsgericht in rechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass es sich bei dem Antragsteller um einen gelegentlichen Cannabiskonsumenten handelt und nicht nur ein einmaliger – lediglich die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens rechtfertigender – „Probierkonsum“ vorliegt.

Dies ergibt sich aus dem beim Antragsteller ausweislich des Ergebnisberichtes des Universitätsklinikums Halle (Saale) vom 8. März 2018 festgestellten THC-COOH-Wert von 75 ng/ml, seinem Erklärungsverhalten sowie dem Umstand, dass ein Zusammentreffen von erstmaligem Cannabiskonsum, anschließender Verkehrsteilnahme und entsprechendem Auffallen im Rahmen einer polizeilichen Kontrolle trotz der nur geringen Dichte der Verkehrsüberwachung durch die Polizei kaum ernsthaft in Betracht zu ziehen ist (vgl. OVG RP, Beschluss vom 1. März 2018 – 10 B 10008/18 -, juris Rn. 2 [m. w. N.]; BayVGH, Beschluss vom 4. April 2017 – 11 CS 17.364 -, juris Rn. 16 [m. w. N.]; OVG NRW, Beschluss vom 4. Dezember 2017 – 16 B 390/17 -, juris Rn. 5 ff.). Bei einer – wie hier behaupteten – konsumnahen Blutentnahme (Konsum: 6. Februar 2018 gegen 4:00 Uhr, Blutabnahme: 6. Februar 2018, 8:05 Uhr) erlaubt zwar ein THC-COOH-Wert unter 100 ng/ml keinen sicheren Rückschluss auf einen gelegentlichen Cannabiskonsum. Ein solcher Konsum ist aber bei dem hier festgestellten THC-COOH-Wert von 75 ng/ml auch nicht ausgeschlossen. Vielmehr ist von einem gelegentlichen Cannabiskonsum auch dann auszugehen, wenn der Kraftfahrer nicht substantiiert und glaubhaft darlegt, er habe erstmals Cannabis eingenommen (vgl. hierzu im Einzelnen: OVG RP, Beschluss vom 1. März 2018, a. a. O., Rn. 5 [m. w. N.]; OVG NRW, Beschluss vom 4. Dezember 2017, a. a. O., Rn. 5; BayVGH, Beschluss vom 4. April 2017, a. a. O., Rn. 16 ). Dies ist vorliegend der Fall.

Zwar ist – wie der Antragsteller zutreffend darstellt – die Fahrerlaubnisbehörde für das Bestehen einer Fahrungeeignetheit beweispflichtig. Jedoch setzt das Eingreifen von Beweislastregeln voraus, dass der Betroffene zuvor seiner Mitwirkungspflicht bei der Sachverhaltsermittlung nachgekommen ist. Hierzu gehört es bei einem Fahrerlaubnisinhaber, der – wie hier – jedenfalls einmal unter Cannabiseinfluss am Straßenverkehr teilgenommen hat und sich auf einen einmaligen, experimentellen Konsum ohne Wiederholungsgefahr beruft, die Schilderung der näheren Umstände dieses Konsums in substantiierter widerspruchsfreier und inhaltlich nachvollziehbarer Weise. Denn eine solche Schilderung ist nur ihm als dem unmittelbaren Beteiligten möglich. Sie ist dem Fahrerlaubnisinhaber trotz der eigenen Grundrechtsbetroffenheit auch zumutbar, da ihm im Fahrerlaubnisrecht als Teil des Gefahrenabwehrrechts wegen des hohen Ranges der Verkehrssicherheit ein Aussageverweigerungsrecht nicht zusteht (vgl. zum Ganzen: OVG RP, Beschluss vom 1. März 2018, a. a. O., Rn. 5). Hiervon ausgehend war eine weitere Sachverhaltsermittlung des Antragsgegners – entgegen der Auffassung des Antragstellers – auch nicht angezeigt. Denn das Vorbringen des Antragstellers beschränkte sich im verwaltungsbehördlichen – wie auch im erstinstanzlichen – Verfahren allein darauf, einmalig in seinem Leben, nämlich einige Stunden vor dem Zeitpunkt der polizeilichen Kontrolle, Cannabis konsumiert zu haben und lässt damit die notwendige, Sachverhaltsermittlungspflichten auslösende Substanz vermissen.

Zu der erwartbaren Darstellung gehört vielmehr die Erläuterung, welche äußeren Umstände den drogenauffällig Gewordenen gerade zu diesem Zeitpunkt dazu veranlasst haben, erstmalig Cannabis zu versuchen, vor allem aber auch, was den Betreffenden nach diesem Konsum dazu bewegt hat, trotz der behaupteten Unerfahrenheit mit dem Verlauf eines Cannabisrausches schon relativ bald nach dem Konsum wieder ein Kraftfahrzeug zu führen. Denn der Grund für die Mitwirkungsobliegenheit des mit Cannabis auffällig gewordenen Kraftfahrzeugführers liegt – wie bereits dargestellt – darin, dass es ausgesprochen unwahrscheinlich ist, dass ein mit den Wirkungen der Droge noch unerfahrener Erstkonsument bereits wenige Stunden nach dem Konsum wieder ein Kraftfahrzeug führt und dann auch noch trotz der geringen Dichte der polizeilichen Verkehrsüberwachung in eine Verkehrskontrolle gerät (vgl. zum Ganzen: OVG NRW, Beschluss vom 4. Dezember 2017, a. a. O., Rn. 7).

Auch das Beschwerdevorbringen lässt eine substantiierte und glaubhafte Darstellung des vom Antragsteller behaupteten Erstkonsums vermissen. Zwar ergänzt der Antragsteller seinen bisheriges Vorbringen dahingehend, dass der einmalige Konsum am 6. Februar 2018 gegen 4:00 Uhr morgens in seiner Wohnung stattgefunden habe. Denn ein Bekannter habe ihm Cannabis in Form vom „Cheddar“ angeboten, wobei die orange Farbe und damit neuartige Form ihn neugierig gemacht und veranlasst habe, mehrere Züge zusammen mit Tabak zu inhalieren. Es soll bei diesem einmaligen Konsumakt geblieben sein, weil die Wirkung aus seiner Sicht sehr stark gewesen sei. Hiermit wird der Antragsteller seiner Erklärungsobliegenheit erneut nicht gerecht. Neben der fehlenden Glaubhaftmachung seines Vorbringens ist schon nicht ohne Weiteres nachvollziehbar, dass bei Cannabis in gängiger Farbgebung ein Konsum durch den Antragsteller bisher ausgeschlossen gewesen sei, jedoch die neuartige orange Färbung ihn hierzu animiert haben soll, obgleich sein Fahrantritt offensichtlich unmittelbar bevorstand. Der Antragsteller zeigt zudem nicht auf, was ihn kurz (ca. drei Stunden) nach diesem beschriebenen Konsum dazu veranlasst haben soll, ein Kraftfahrzeug zu führen, obgleich er mit dem Verlauf eines Cannabisrausches keine Erfahrung besitzen will.

Nach alledem kann auch dahinstehen, ob dem Antragsteller ein zweiter Konsumakt nachgewiesen ist. Denn die Berufung auf die fehlende Nachweisbarkeit eines über den nachgewiesen einmaligen Gebrauch von Cannabis hinausgehenden weiteren Konsumvorganges genügt vorliegend nicht, um den bestehenden Verdacht eines mehr als einmaligen Cannabiskonsums auszuräumen. Vielmehr ist in einem Akt der Beweiswürdigung regelmäßig die Annahme gerechtfertigt, dass – wie hier – ohne substantiierte Darlegung des Gegenteiles nicht von einem einmaligen Konsum ausgegangen werden muss (vgl. zum Ganzen: BayVGH, Beschluss vom 4. April 2017, a. a. O., Rn. 16 f.)

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

III. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nrn. 46.2, 46.3 und 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und entspricht der verwaltungsgerichtlichen Festsetzung.

IV. Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG.

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