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Fahrerlaubnisentziehung bei Diabetes mellitus Typ I

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof – Az.: 11 CS 21.3020 – Beschluss vom 08.02.2022

I. Die Beschwerde wird verworfen, soweit sie unzulässig ist, und im Übrigen zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.750,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen A79, A1, AM, B, BE und L.

Der Antragsteller leidet seit 1985 an einem Diabetes mellitus Typ I und weiteren (Folge-)Erkrankungen. Nach einem durch eine Hypoglykämie verursachten Verkehrsunfall im Mai 2017 verzichtete er auf seine Fahrerlaubnis, soweit sie Kraftfahrzeuge der Gruppe 2 betraf. Gemäß den ihm erteilten Auflagen legte er bis Sommer 2019 in regelmäßigen Abständen Bescheinigungen des ihn behandelnden Arztes vor.

Im April 2021 wurde dem Landratsamt Main-Spessart bekannt, dass eine Zeugin (Polizeibeamtin) am 27. März 2021 eine sehr unsichere und auffällige Fahrweise des Antragstellers beobachtet und dies bei der Polizei angezeigt hatte. Sein Fahrzeug sei immer wieder mit dem linken Reifen über die Mittellinie der Fahrspur (Bundesstraße) gekommen und habe ständig geschlingert. Der Antragsteller habe aus nicht nachvollziehbaren Gründen von 80 km/h auf 120 km/h beschleunigt und wieder auf 80 km/h gebremst. Bei der unmittelbar anschließenden Verkehrskontrolle durch die Zeugin habe er einen verwirrten Eindruck gemacht, den Grund der Kontrolle nicht nachvollziehen können und sich wenig einsichtig gezeigt. Ein Atemalkoholtest ergab einen Wert von 0,00 mg/l.

Unter Bezugnahme auf diesen Vorfall und das Verfahren zur Überprüfung seiner Fahreignung aus dem Jahr 2017 forderte das Landratsamt den Antragsteller mit Schreiben vom 29. April 2021 auf, ein fachärztliches Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung (§ 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 FeV) zur Klärung der Fragen vorzulegen, ob bei ihm eine Krankheit vorliege, insbesondere eine altersbedingte Krankheit nach Nr. 4, 5 und 6 der Anlage 4 zur FeV, die gegenwärtig seine Fahreignung ausschließe, ob er den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 gerecht werden könne und ob weitere Untersuchungen, z.B. psychologische Tests des Leistungsvermögens, erforderlich seien.

Mit Formularerklärung vom 6. Mai 2021 erklärte sich der Antragsteller mit einer Begutachtung einverstanden, legte in der Folge jedoch trotz mehrmals verlängerter Beibringungsfrist kein Gutachten vor. Mit Schreiben vom 23. September 2021 ließ er durch seinen Bevollmächtigten die Übersendung der Akte an eine andere Begutachtungsstelle beantragen, was das Landratsamt ablehnte. Mit anwaltlichem Schreiben vom 29. September 2021 beantragte der Antragsteller die Übersendung der Unterlagen an eine weitere Begutachtungsstelle.

Mit Bescheid vom 29. September 2021 entzog das Landratsamt dem Antragsteller die Fahrerlaubnis und gab ihm unter Androhung eines Zwangsgeldes auf, seinen Führerschein umgehend, spätestens innerhalb einer Woche nach Zustellung des Bescheids, abzugeben. Außerdem ordnete es den Sofortvollzug dieser Verfügungen an.

Gegen den Bescheid ließ der Antragsteller am 28. Oktober 2021 Widerspruch einlegen, dem ein aktuelles Zeugnis über eine augenärztliche Untersuchung beigefügt war.

Am selben Tag ließ er auch Klage zum Verwaltungsgericht Würzburg erheben und beantragen, ihm vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren.

Dies lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 25. November 2021 ab. Bei sachgerechter Auslegung begehre der Antragsteller die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs. Bei fakultativem Widerspruchsverfahren sei dieses vorrangig zu betreiben, wenn zusätzlich Klage erhoben werde, jedenfalls dann, wenn zuerst Widerspruch eingelegt worden sei. Der Bevollmächtigte des Antragstellers habe telefonisch bestätigt, dass ein weiteres Eilverfahren hinsichtlich der erhobenen Klage nicht beabsichtigt gewesen sei. Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO sei unbegründet. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Widerspruchsbehörde dem Antragsteller im Hinblick auf seine erklärte Bereitschaft, sich begutachten zu lassen, eine nochmalige Begutachtung ermögliche. Auch im Rahmen der Abwägung der gegenseitigen Interessen bei noch offenem Widerspruchsverfahren sei keine Entscheidung zu seinen Gunsten zu treffen. Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung genüge den formell-rechtlichen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Der Widerspruch werde mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg haben. Der Antragsteller habe das zu Recht angeordnete ärztliche Gutachten ohne ausreichenden Grund nicht beigebracht. Deshalb sei nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf eine fehlende Fahreignung zu schließen gewesen. Der Vorfall vom 27. März 2021 sei ein hinreichender Anlass für die Beibringungsanordnung gewesen. Nachdem die auffällige Fahrweise des Antragstellers nicht auf Alkohol- oder Drogenkonsum hätte zurückgeführt werden können und er in der Vergangenheit bereits im Zusammenhang mit einer Diabeteserkrankung verkehrsauffällig geworden sei, habe die Polizei gesundheitliche Einschränkungen vermutet. Dem Bestreiten des jüngsten Vorfalls sei kein durchgreifendes Gewicht beizumessen. Die polizeilichen Erkenntnisse hätten auf den ausführlichen und eindeutigen Angaben einer Polizeibeamtin beruht, die dem Antragsteller in ihrem Fahrzeug über längere Zeit gefolgt sei. Belastungstendenzen seien nicht erkennbar. Unter Berücksichtigung der vormaligen Überprüfung der Fahreignung im Jahr 2017 genüge ein einfaches Bestreiten der festgestellten Verkehrsauffälligkeiten nicht. In Anbetracht der vom Landratsamt über zwei Jahre hinweg angeforderten ärztlichen Atteste hätten vor Erlass der Begutachtungsanordnung auch keine weiteren ärztlichen Atteste angefordert werden müssen. Nach den in dem vorangegangenen Verfahren gewonnenen Erkenntnissen habe die Annahme nahegelegen, dass wiederum die Diabeteserkrankung und eventuelle Folgeerkrankungen den festgestellten Auffälligkeiten zugrunde gelegen hätten. Dem Antragsteller sei auch bekannt gewesen, dass das Landratsamt bei neuerlichen Zweifeln seine Fahreignung erneut prüfen müsse. Die Fragestellung in der Gutachtensanordnung sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit zu beanstanden. Nr. 5 der Anlage 4 zur FeV sei einschlägig. Der Antragsteller leide an Diabetes mellitus Typ I, der ständiger diabetologischer Überwachung bedürfe. An der Einhaltung der ihm erteilten Auflagen habe nach dem Vorfall vom 27. März 2021 gezweifelt werden müssen. Es sei nicht zu beanstanden, dass das Landratsamt auch nach Erkrankungen der Nr. 4 (Herz- und Gefäßkrankheiten) und Nr. 6 (Krankheiten des Nervensystems) gefragt habe. Soweit hierbei insbesondere auf eine altersbedingte Erkrankung des im Jahr 1955 geborenen Antragstellers abgestellt werde, begreife das Gericht dies vorrangig vor dem Hintergrund der bereits seit 1985 bestehenden Diabeteserkrankung. Auch die Fristsetzung sei angemessen gewesen. Es hätten keine Anhaltspunkte dafür bestanden, dass es dem Antragsteller nicht möglich gewesen wäre, das Gutachten fristgerecht beizubringen. Den Verzögerungen infolge der Akteneinsicht durch den Bevollmächtigten habe das Landratsamt durch eine erste Fristverlängerung Rechnung getragen. Die zunächst ausgewählte Begutachtungsstelle habe auf die Frage, bis wann die Begutachtung abgeschlossen sei, ohne Stellungnahme die Fahrerlaubnisunterlagen zurückgesandt. Dieses Vorgehen spreche erfahrungsgemäß dafür, dass der Begutachtungsprozess abgebrochen worden sei oder das Gutachten nicht den erwünschten Inhalt gehabt habe. Die Bitte des Antragstellers, die Akten an zwei weitere Begutachtungsstellen zu übermitteln, stelle keinen hinreichenden Grund für eine weitere Fristverlängerung dar. Die vorgelegten ärztlichen Unterlagen hätten keine Aussagekraft hinsichtlich des aktuellen Stands der Erkrankung des Antragstellers und seiner Fahreignung. Die Bescheinigung eines ausreichenden Sehvermögens ersetze nicht eine umfassende ärztliche Begutachtung der Diabeteserkrankung und ihrer Folgen. Das im gerichtlichen Verfahren vorgelegte ärztliche Attest vom 1. Dezember 2020 lasse das Krankheitsbild des Antragstellers erheblich verschlechtert erscheinen. Im Rahmen einer allgemeinen Interessenabwägung komme eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen nur dann in Betracht, wenn hinreichend gewichtige Gründe dafür sprächen, dass der Betroffene nicht bzw. nicht mehr fahrungeeignet sei, und sich abschätzen lasse, dass das von ihm ausgehende Gefahrenpotenzial nicht nennenswert über dem des Durchschnitts anderer motorisierter Verkehrsteilnehmer liege. Solche Gründe seien hier nicht ersichtlich. Vielmehr sei die Fahreignung des Antragstellers ungeklärt. Trotz der erklärten Bereitschaft, sich begutachten zu lassen, sei zu sehen, dass sich sein Gesundheitszustand nach dem ärztlichen Attest vom 1. Dezember 2020 verschlechtert habe. Insbesondere würden neben einer Vielzahl von Folgeerkrankungen „Probleme im Umgang mit Therapieanforderungen im Alltag (F 54)“ und „Non Compliance (Z 91.1)“ bescheinigt. Im Rahmen der Anamnese werde ausgeführt, dass es bereits zu 34 Hypoglykämien im Aufzeichnungszeitraum mit einer durchschnittlichen Dauer von 111 Minuten gekommen sei. Der Verlauf über Nacht sei sehr wechselhaft zwischen hypoglykämisch und deutlich überhöht.

Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 6. Dezember 2021 nahm der Antragsteller seinen Widerspruch zurück.

Mit seiner Beschwerde, der der Antragsgegner entgegentritt, trägt der Antragsteller vor, er nehme seit 47 Jahren am Straßenverkehr teil und habe sich allen Weisungen der Fahrerlaubnisbehörde unterworfen, insbesondere nach dem Verkehrsunfall vom 23. Mai 2017. Außerdem habe er auf die Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Gruppe 2 verzichtet. Auf der Fahrt am 27. März 2021 habe er kräftig niesen müssen, wodurch es zu einem Abbremsen des Fahrzeugs und danach wieder zu einer Beschleunigung gekommen sei, möglicherweise auch zu einer ungewollten Ausweichbewegung. Andere Verkehrsteilnehmer seien dadurch nicht gefährdet gewesen. Dieses einmalige Fahrverhalten sei weder alkohol- noch krankheitsbedingt, sondern einem Augenblicksverhalten geschuldet gewesen. Die Beibringungsanordnung sei weder anlassbezogen noch verhältnismäßig noch hinreichend bestimmt gewesen. Der Vorfall vom 27. März 2021 habe keinen hinreichenden Anlass geboten. Bis dahin habe sich der Antragsteller im Verkehr völlig unauffällig verhalten und sich strikt an die behördlichen Weisungen gehalten. Ein plötzliches Niesen könne keine Zweifel an der Fahreignung begründen. Das Landratsamt habe ihn nie nach der Ursache des Fahrverhaltens gefragt, sondern sofort die Begutachtung angeordnet. Das starke Bremsen und Beschleunigen stelle keine Auffälligkeit im Straßenverkehr dar und habe keinen Krankheitswert. Es handle sich um einen Reflex, der sich kurzfristig auf das Fahrverhalten ausgewirkt habe, ohne einen Verkehrsteilnehmer zu gefährden. Der Antragsteller habe daher gegenüber der Polizei angeben dürfen, keine Auffälligkeiten bemerkt zu haben, nachdem er sich – vom Landratsamt nicht bestritten – stets an die behördlichen Weisungen gehalten habe. Weder die Polizei noch die Behörde sei auf seine besondere Situation eingegangen. Die Beibringungsanordnung sei auch nicht verhältnismäßig, weil er den ihm erteilten Auflagen jederzeit nachgekommen sei und der Vorfall vom 27. März 2021 nicht auf einer krankheitsbedingten Verkehrsauffälligkeit beruhe. Er sei gleichwohl bereit gewesen, sich begutachten zu lassen. Der Sachbearbeiter habe jedoch seinen Verweis an eine andere Begutachtungsstelle barsch zurückgewiesen. Die Vorlage eines solchen Gutachtens hätte Aufklärung gebracht und die von der Behörde behaupteten Eignungszweifel vollständig ausgeschlossen. Nun sei der Antragsteller, der quasi auf dem Land wohne, völlig hilflos, weil er dort für jede Besorgung immer einen Pkw benötige. Er müsse nun kostenintensive Taxifahrten in Anspruch nehmen. Im Rahmen einer gegenseitigen Interessenabwägung spreche zu seinen Gunsten, dass er nach Ansicht des Antragsgegners stets fahrgeeignet gewesen sei, sich den Auflagen unterworfen habe und von ihm keine Gefahr ausgehe, die über der durchschnittlichen Gefahr liege, die von anderen motorisierten Verkehrsteilnehmern ausgehe. Seine Auflagentreue zeige, dass er die Gefahren kenne, die von seiner Diabeteserkrankung ausgingen und sich hierauf einstelle. Welche Gefahr er für andere Verkehrsteilnehmer darstelle, sei nicht ansatzweise dargelegt worden. Das Verlangen, nunmehr ein ärztliches Gutachten in dem geforderten Umfang vorzulegen, sei völlig überzogen und nicht gerechtfertigt.

Mit Schreiben vom 4. Februar 2022 zeigte der Prozessbevollmächtigte an, dass er den Antragsteller in der Angelegenheit nicht mehr anwaltlich vertrete.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Soweit sie auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gerichtet ist, geht der Antrag vom 21. Dezember 2021 ins Leere, weil ein Widerspruch, dessen aufschiebende Wirkung angeordnet werden könnte, nach dessen Rücknahme durch Schriftsatz vom 6. Dezember 2021 nicht mehr vorhanden ist. Insoweit ist die Beschwerde unzulässig.

Die im Schreiben vom 4. Februar 2022 enthaltene Mandatsniederlegung ändert an der Zulässigkeit der Beschwerde nichts. Wegen des bestehenden Anwaltszwangs (§ 67 Abs. 4 Satz 1 bis 3 und 7 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 3 bis 7 VwGO) wird sie dem Antragsgegner und dem Gericht gegenüber gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 87 Abs. 1 ZPO erst rechtswirksam, wenn die Bestellung eines anderen vertretungsbefugten Rechtsanwalts angezeigt wird. Da sich für den Antragsteller bislang kein neuer Bevollmächtigter bestellt hat, gilt der bisherige Prozessbevollmächtigte gegenüber dem Gericht weiterhin als bestellt (vgl. Toussaint in MK zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 87 Rn. 7, 10; Weth in Musielak/Voith, ZPO, 18. Aufl. 2021, § 87 Rn. 5 f.). Da die Prozessvollmacht im Außenverhältnis ex nunc erlischt (Piekenbrock in BeckOK ZPO, Stand 1.12.2021, § 87 Rn. 12), bleiben die bisherigen Prozesshandlungen wirksam.

Soweit der Antragsteller darüber hinaus nach zweckgerechter Auslegung (§§ 88, 122 Abs. 1 VwGO) seines Antrags die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Nummern 1 und 2 des angefochtenen Bescheids begehrt, ist die Beschwerde jedenfalls unbegründet.

Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern oder aufzuheben wäre.

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. April 2021 (BGBl I S. 822), und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), im maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. April 2021 (BGBl I S. 822), hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 46 Abs. 3 FeV). Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 FeV kann die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens, unter anderem ein Gutachten eines Arztes einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle (§ 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 FeV), anordnen, wenn Tatsachen bekannt werden, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung des Fahrerlaubnisinhabers begründen. Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er das geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung geschlossen werden. Der Schluss auf die Nichteignung ist allerdings nur zulässig, wenn die Anordnung der Begutachtung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – BVerwGE 156, 293 = juris Rn. 19).

Die ausführliche und glaubhafte Zeugenaussage einer Polizeibeamtin über die Fahrweise des Antragstellers am 27. März 2021 hat vor dem Hintergrund seiner dem Landratsamt aufgrund ärztlicher Bescheinigungen bereits bekannten Erkrankungen und des im Jahr 2017 durchgeführte Verfahrens zur Überprüfung seiner Fahreignung einen hinreichenden Anlass begründet, gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 und 2, Satz 3 Nr. 5 FeV ein ärztliches Gutachten einer amtlichen Begutachtungsstelle von ihm zu fordern.

Soweit der Antragsteller die Richtigkeit der Zeugenaussage bestreitet, ist schon fraglich, ob er hiermit den Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügt, die eine Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs und damit eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses voraussetzen (vgl. BayVGH, B.v. 14.9.2021 – 11 CS 21.1965 – juris Rn. 13 m.w.N.; B.v. 9.7.2018 – 9 CE 18.1033 – juris Rn. 13; Guckelberger in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 146 Rn. 76 ff.; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 146 Rn. 22a f.). Die Gründe, die das Verwaltungsgericht für die Glaubhaftigkeit der schriftlichen Zeugenaussage anführt, hat der Antragsteller nicht angegriffen. Darüber hinaus ist seine Erklärung (Niesen während der Fahrt), mit der er mittelbar einräumt, dass die Zeugin am 27. März 2021 doch Fahrauffälligkeiten wahrgenommen haben könnte, nicht glaubhaft. Sie steht zum einen im Gegensatz zum bisherigen Vortrag, wonach an seiner Fahrweise nichts auffällig gewesen sei. Zudem erklärt ein einmaliges Niesen nicht eine schlingernde Fahrweise, die sich über rund zehn Kilometer hingezogen hat. Zum andern hat der Antragsteller diese Erklärung erstmals im Beschwerdeverfahren abgegeben, obwohl es entgegen seiner Auffassung nahegelegen hätte, dies sofort mitzuteilen, als ihn die Polizeibeamtin auf dem Parkplatz auf seine Fahrweise angesprochen hat. Es widerspricht jeder Lebenserfahrung, dass ein Betroffener diesen ihn ausschließlich entlastenden Umstand in dieser Situation verschweigt.

Es kann auch dahinstehen, ob die Einwände gegen die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen den Darlegungsanforderungen genügen. Denn die Ausführungen, mit denen das Verwaltungsgericht eine behördliche Verpflichtung zur Fristverlängerung abgelehnt hat, um dem Antragsteller Gelegenheit zur Einholung eines Gutachtens einer anderen Begutachtungsstelle zu geben (Beschluss, S. 23), sind nicht zu beanstanden. Dasselbe gilt für die Erwägungen, mit denen das Gericht seine privaten Interessen an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs für nachrangig erachtet hat (Beschluss, S. 25 f.). Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO hierauf Bezug genommen.

Damit war die Beschwerde mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, 2 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1, Nr. 46.2 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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