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Fahrerlaubnisentziehung bei bipolarer Störung

VG Bayreuth – Az.: B 1 S 18.724 – Beschluss vom 15.08.2018

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert wird auf 6.250,– EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die am ….1957 geborene Antragstellerin begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung ihrer Fahrerlaubnis der Klasse 3 (alt).

Am 27.03.2017 ging beim Landratsamt … eine Kurzmitteilung der Polizeiinspektion … vom 18.03.2017 ein, mit der um die Überprüfung der Fahrtauglichkeit der Antragstellerin gebeten wurde. Diese sei mit ihrem Pkw verunfallt. Seit ihrer Entlassung aus dem Klinikum … befinde sie sich zur Behandlung in der Psychiatrie …. Der Grund der Behandlung sei nicht bekannt.

Das Landratsamt … lud die Antragstellerin daraufhin mit Schreiben vom 28.03.2017 zur Vorsprache im Landratsamt vor. Ausweislich eines Aktenvermerks vom 07.04.2017 habe die Antragstellerin hierbei angegeben, dass sie einfach so von der Straße abgekommen sei, nicht etwa aufgrund gesundheitlicher Probleme. Auf Nachfrage zu ihrem Aufenthalt in der Psychiatrie in … habe sie erklärt, dass sie sich danach Gedanken gemacht hätte. Sie sei mehrere Wochen in der Psychiatrie gewesen. Außerdem sei sie in regelmäßiger ärztlicher Behandlung bei einem Arzt in … aufgrund von Depressionen, sie nehme auch Tabletten. Die Antragstellerin habe auf den Unterzeichner des Vermerks einen psychisch leicht labilen Eindruck gemacht. Ihr wurde bis zum 05.05.2017 Zeit gegeben, einen ärztlichen Bericht ihres behandelnden Arztes vorzulegen. Wenn durch diesen die Fahreignungsbedenken nicht ausgeräumt werden könnten, sei ein ärztliches Gutachten erforderlich.

Daraufhin legte die Antragstellerin dem Landratsamt ein fachärztliches Attest des Facharztes für Neurologie sowie für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. med. F. vom 15.05.2017 vor. Danach befinde sich die Antragstellerin seit dem 07.05.2009 in dessen ambulanter nervenärztlicher Behandlung, vorerst letzter Behandlungstermin sei der 15.05.2017 gewesen. Diagnose sei eine bipolare affektive Störung (ICD-10: F31.3G). Laut Untersuchungsbefund vom 15.05.2017 habe sich das Zustandsbild der Antragstellerin mittlerweile insoweit stabilisiert, dass diese wieder in der Lage sei, mit einem Kfz am Straßenverkehr teilzunehmen. Voraussetzung sei, dass die verordnete Medikation von der Antragstellerin zuverlässig eingenommen werde.

Mit Schreiben vom 20.06.2017 wurde die Antragstellerin zur Klärung der Eignungszweifel bzw. Fahrerlaubnisvoraussetzungen aufgefordert, sich gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 1 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) i.V.m. Anlage 4 zur FeV einer Fahreignungsbegutachtung zu unterziehen und bis spätestens 21.08.2017 ein ärztliches Gutachten eines Facharztes mit verkehrsmedizinischer Qualifikation der Fachrichtung Psychiatrie vorzulegen. Der Gutachter habe zu folgenden Fragen Stellung zu nehmen:

  • Ist Frau … trotz des Vorliegens einer Erkrankung (bipolare affektive Störung), die nach Anlage 4 zur FeV die Fahreignung in Frage stelle, in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppen 1 und 2 (Fahrerlaubnisklasse 3) gerecht zu werden?
  • Kann ggf. durch Auflagen oder Beschränkungen eine bedingte Eignung hergestellt werden?
  • Wird die Durchführung von Testverfahren im Rahmen einer medizinisch-psychologischen Begutachtung einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung zur Prüfung der kognitiven Leistungsfähigkeit für notwendig gehalten?
  • Ist eine Nachuntersuchung/Nachbegutachtung oder sind Nachuntersuchungen/Nachbegutachtungen erforderlich? Wenn ja, in welchen zeitlichen Abständen?

Zur Begründung der Begutachtungsaufforderung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das fachärztliche Attest vom 15.05.2017 ergeben habe, dass die Antragstellerin an einer bipolaren affektiven Störung erkrankt sei. Damit hätten jedoch die Eignungsbedenken nicht ausgeräumt werden können. Die Antragstellerin wurde darauf hingewiesen, dass das Landratsamt bei einer Weigerung der Untersuchung oder einer nicht fristgerecht erfolgenden Vorlage des Gutachtens gemäß § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen werde.

Mit Erklärung vom 02.08.2017 benannte die Antragstellerin als Facharzt mit verkehrsmedizinischer Qualifikation Frau Dipl. med. L., …. Mit Schreiben des Landratsamts … vom 07.08.2017 wurde dieser daraufhin die Fahrerlaubnisakte übersandt.

Fahrerlaubnisentziehung bei bipolarer Störung
(Symbolfoto: Ground Picture/Shutterstock.com)

Die benannte Fachärztin teilte der Antragstellerin mit Schreiben vom 21.08.2017 mit, dass sie gebeten werde, sich am 06.09.2017 um 09:00 Uhr im dortigen Gutachteninstitut einzufinden. Das Schreiben wurde nachrichtlich auch an das Landratsamt … übersandt, wo es am 23.08.2018 einging.

Da die Antragstellerin dem Landratsamt … das geforderte Gutachten nicht fristgerecht vorgelegt hatte, gab dieses der Antragstellerin mit Schreiben vom 23.08.2017 die Gelegenheit, bis spätestens 01.09.2017 auf ihre Fahrerlaubnis zu verzichten. Die Antragstellerin wandte sich mit Schreiben vom 26.08.2017 an das Landratsamt und warf die Frage auf, mit welcher Begründung die Überprüfung ihrer Fahrerlaubnis veranlasst worden sei. Sie werde einen Termin mit einer Untersuchungsstelle so lange nicht vereinbaren, bis ihr von einer entscheidungsbefugten Dienststelle schriftlich mitgeteilt werde, wie dieser Beschluss zustande komme.

Nachdem der Bevollmächtigte der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 07.12.2017 die Vertretung der Antragstellerin angezeigt hatte, teilte er mit Schriftsatz vom 15.12.2017 mit, dass die Antragstellerin inzwischen eine entsprechende Untersuchung durch das Institut für neurologische psychiatrische Begutachtung in … habe durchführen lassen, dessen Inhalte allerdings nicht vollumfänglich geteilt würden. Es werde deshalb die Auffassung vertreten, dass dringend eine Nachuntersuchung/Nachbegutachtung erforderlich sei und diese in zeitlichen Abständen von acht Monaten sinnvoll erschienen. Darüber hinaus würden durch Auflagen oder Beschränkungen Maßregeln getroffen werden können, wenn von einer bedingten Eignung ausgegangen würde. Dies wurde mit E-Mail des Landratsamts … vom 18.12.2017 beantwortet.

Mit Bescheid vom 21.12.2017 wurde der Antragstellerin die vom Landratsamt … erteilte Fahrerlaubnis der Klasse 3 entzogen (Ziff. 1). Der Führerschein sei innerhalb von sieben Tagen nach Zustellung des Bescheids beim Landratsamt abzugeben (Ziff. 2). Der Bescheid wurde in den Ziff. 1 und 2 für sofort vollziehbar erklärt (Ziff. 3). Für den Fall, dass die in Ziff. 2 genannte Verpflichtung nicht fristgerecht erfüllt werde, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 750,00 EUR angedroht (Ziff. 4).

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Fahrerlaubnisbehörde habe gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 1 FeV i.V.m. Anlage 4 zur FeV die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens angeordnet. Von dieser Möglichkeit sei nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens Gebrauch gemacht worden, weil der mehrwöchige Klinikaufenthalt, die Einlassungen der Antragstellerin und das ärztliche Attest erhebliche Bedenken bezüglich der Fahreignung aufgeworfen hätten. Die Mitwirkung an der Erstellung und die Vorlage der zu Recht geforderten Gutachten über die Fahreignung gehören zu den Pflichten eines jeden Fahrerlaubnisinhabers. Dieser müsse seinen Teil dazu beitragen, etwaige Zweifel an der Geeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen aufklären zu lassen. Die Verwaltungsbehörde sei alleine nicht in der Lage, alle die Eignung betreffenden Fragen ohne die Einschaltung von Sachverständigen zu beurteilen. Da das geforderte Gutachten nicht vorgelegt worden sei, sei das Landratsamt gemäß § 11 Abs. 8 FeV berechtigt, von der Nichteignung der Antragstellerin auszugehen und ihr die Fahrerlaubnis zu entziehen. Der Führerschein sei nach § 3 Abs. 2 Satz 3 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) i.V.m. § 47 Abs. 1 Satz 1 FeV unverzüglich dem Landratsamt … vorzulegen. Auf die weitere Begründung des Bescheids wird Bezug genommen.

Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten ließ die Antragstellerin gegen diesen Bescheid am 28.12.2017 Widerspruch einlegen.

Nachdem die Antragstellerin mit weiterem Bescheid des Landratsamts … vom 08.01.2018 unter erneuter Zwangsmittelandrohung aufgefordert worden war, ihren Führerschein abzugeben, ging dieser am 15.01.2018 beim Landratsamt … ein.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11.06.2018, auf den Bezug genommen wird, hat die Regierung von Oberfranken den Widerspruch zurückgewiesen. Eine Begründung des Widerspruchs war seitens der Antragstellerin zuvor nicht erfolgt.

Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 16.07.2018 erhob die Antragstellerin Klage gegen den Bescheid des Landratsamts … vom 21.12.2017 in der Form des Widerspruchsbescheids vom 11.06.2018, die unter dem Aktenzeichen B 1 K 18.725 geführt wird und über die noch nicht entschieden wurde. Zugleich wurde mit Schriftsatz vom 16.07.2018 um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht und beantragt:

Die aufschiebende Wirkung der Klage wird angeordnet.

Die Begründung bleibe einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten, der binnen dreiwöchiger Frist vorgelegt werde.

Mit Schreiben des Gerichts vom 17.07.2018 wurde der Bevollmächtigte der Antragstellerin aufgefordert, den Antrag umgehend, spätestens bis 27.07.2018, zu begründen. Mit Schreiben vom 27.07.2018 beantragte der Bevollmächtigte der Antragstellerin unter Angabe des Aktenzeichens des Klageverfahrens, die „Klagebegründungsfrist“ bis zum 02.08.2018 zu verlängern. Eine entsprechende Fristverlängerung wurde gewährt. Daraufhin beantragte der Bevollmächtigte der Antragstellerin unter dem 02.08.2018 erneut, die „Klagebegründungsfrist“ bis zum 30.08.2018 zu verlängern. Mit Schreiben des Gerichts vom 06.08.2018 wurde ihm daraufhin mitgeteilt, dass das Gericht beabsichtige, spätestens am 17.08.2018 über den vorliegenden Eilantrag zu entscheiden und dass ein längeres Zuwarten nicht mehr hingenommen werden könne. Die Antragstellerseite erhielt die Gelegenheit, sich bis spätestens 14.08.2018 (Eingang bei Gericht) zum Verfahren zu äußern und den Antrag zu begründen. Mit Schriftsatz vom 07.08.2018 teilte der Bevollmächtigte der Antragstellerin sodann (erneut) mit, dass das zuständige Sekretariat sich in der Zeit vom 10.08.2018 bis einschließlich 24.08.2018 urlaubsbedingt büroabwesend befinde. Es werde deshalb gebeten, die am 14.08.2018 auslaufende Frist bis zum 27.08.2018 zu verlängern.

Die Regierung von Oberfranken hat die Widerspruchsakte mit Schriftsatz vom 27.07.2018 vorgelegt. Die Aktenvorlage durch das Landratsamt … erfolgte am 07.08.2018; eine Äußerung des Antragsgegners zum Verfahren ist bislang nicht erfolgt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten ergänzend Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO analog).

II.

1. Der vorliegende Antrag, der bei Auslegung nach § 122 Abs. 1, § 88 VwGO darauf gerichtet ist, die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die für sofort vollziehbar erklärte Fahrerlaubnisentziehung gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 2 VwGO wiederherzustellen, bleibt in der Sache ohne Erfolg.

a) Vorab bleibt festzustellen, dass das Gericht nicht gehalten war, dem Bevollmächtigten der Antragstellerin die (zuletzt) beantragte Fristverlängerung bis zum 27.08.2018 zu gewähren. Wie bereits mit Schreiben des Gerichts vom 06.08.2018 ausgeführt worden ist, kann ein längeres Zuwarten im hiesigen Eilverfahren nicht mehr hingenommen werden. Im Übrigen ist nicht nachzuvollziehen, weshalb eine Abwesenheit des Sekretariats des Bevollmächtigten eine derartige Fristverlängerung rechtfertigen sollte. Nötigenfalls muss dieser entsprechende Schriftsätze eigenhändig verfassen und deren Versand selbst bewirken. Darüber hinaus obliegt es ihm, für eine ordnungsgemäße Kanzleiorganisation zu sorgen und erforderlichenfalls Urlaubsvertretungen in Anspruch zu nehmen, wenn eine Mandatswahrnehmung in Eilverfahren sonst nicht möglich ist. Das dilatorische Verhalten der Antragstellerseite, die bereits den Widerspruch nicht begründet hatte, bietet jedenfalls keinen Anlass, eine Entscheidung über den vorliegenden Eilantrag noch länger zurückzustellen. Das Gericht hat auch keinen Grund gesehen, den Fristverlängerungsantrag vom 07.08.2018 gesondert zu verbescheiden, da er lediglich eine Wiederholung des Antrags vom 02.08.2018 darstellt, der mit Schreiben des Gerichts vom 06.08.2018 hinreichend beantwortet worden ist.

b) Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. anordnen. Bei der Entscheidung hat das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen, bei der entsprechend § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung abzuwägen ist. Dabei sind auch die überschaubaren Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Demzufolge überwiegt hier das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der Fahrerlaubnisentziehung gegenüber dem Aufschubinteresse der Antragstellerin, da der Bescheid des Landratsamts … vom 21.12.2017, in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Oberfranken vom 11.06.2018, im Hauptsacheverfahren aller Voraussicht nach als rechtmäßig wird bestätigt werden können.

In der Sache selbst folgt das Gericht der zutreffenden Begründung des Ausgangs- und Widerspruchsbescheids und sieht insoweit von einer gesonderten Darstellung der Gründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO analog). Ergänzend hierzu ist noch auszuführen was folgt:

aa) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die Eignung des Fahrerlaubnisinhabers zum Führen von Kraftfahrzeugen begründen, finden gemäß § 46 Abs. 3 FeV die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung. Nach der hier einschlägigen Norm des § 11 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 Nr. 1 FeV kann die Beibringung eines Gutachtens eines für die Fragestellung zuständigen Facharztes mit verkehrsmedizinischer Qualifikation zur Klärung von Eignungszweifeln angeordnet werden, wenn Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung bestehen, insbesondere wenn Tatsachen bekannt werden, die auf eine Erkrankung oder einen Mangel nach Anlage 4 oder 5 hinweisen. Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, so darf sie bei ihrer Entscheidung gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung des Betroffenen schließen. Der Fahrerlaubnisbehörde steht dabei kein Ermessen zu. Der Schluss auf die Nichteignung ist aber nur dann zulässig, wenn die Anordnung des Gutachtens formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist, und der Fahrerlaubnisinhaber auf die Rechtsfolgen des § 11 Abs. 8 FeV in der Gutachtensaufforderung hingewiesen wurde. Die Frist muss zudem so bemessen sein, dass dem Betroffenen die Gutachtensbeibringung möglich und zumutbar ist (BVerwG, U.v. 09.06.2005 – 3 C 25.04 – DAR 2005, 581; BayVGH, B.v. 25.06.2008 – 11 ZB 08.1123 – juris; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 11 FeV Rn. 51 f.).

bb) Vorliegend besteht kein Zweifel daran, dass das Landratsamt von der Antragstellerin zu Recht die Vorlage eines ärztlichen Gutachtens verlangt hat. Die Begutachtungsaufforderung erweist sich als rechtmäßig; insbesondere war sie anlassbezogen und verhältnismäßig. Wie sich aus der Vorsprache der Antragstellerin bei der Fahrerlaubnisbehörde ergibt (vgl. den Vermerk vom 07.04.2017, Bl. 7 der Behördenakte), war die Antragstellerin nach dem hier anlassgebenden Unfall vom 10.02.2017 mehrere Wochen in der Psychiatrie und zuvor bereits in … wegen Depressionen in regelmäßiger ärztlicher Behandlung. Das sodann vorgelegte fachärztliche Attest vom 15.05.2017 (Bl. 9 der Behördenakte) weist dann als Diagnose eine „Bipolare affektive Störung (ICD-10: F31.3G)“ aus; eine Behandlung wegen der Depression finde schon seit dem Jahr 2009 statt. Nachdem affektive Psychosen, wie Nr. 7.5 der Anlage 4 zur FeV zeigt, durchaus fahreignungsrelevant sind, durfte das Landratsamt hier nach § 11 Abs. 2 FeV die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens verlangen, um die Frage zu klären, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die Antragstellerin trotz Vorliegens ihrer Erkrankung fahrgeeignet ist.

cc) Das genannte fachärztliche Attest vom 15.05.2018 hatte diese Zweifel im Vorfeld der Begutachtungsaufforderung nicht ausgeräumt. Dergleichen wäre nur dann anzunehmen, wenn keinerlei Restzweifel hinsichtlich der Fahreignung mehr verblieben und die ursprünglichen Bedenken – auch für einen medizinisch und psychologisch geschulten Laien – eindeutig widerlegt wären (vgl. BayVGH, B.v. 24.03.2016 – 11 CS 16.260 – juris Rn. 13). Davon kann vorliegend in Bezug auf das Attest vom 15.05.2017, und auch sonst, keine Rede sein. Betreffend eine Teilnahme der Antragstellerin am Straßenverkehr wird hierin lediglich (recht pauschal) angegeben, dass sich das Zustandsbild der Antragstellerin insoweit stabilisiert habe, dass sie wieder in der Lage sei, mit einem Kraftfahrzeug am Straßenverkehr teilzunehmen, unter der Voraussetzung, dass die verordnete Medikation zuverlässig eingenommen wird. Näher erläutert wird dies nicht. Es finden sich auch keine Angaben zum ärztlicherseits zugrunde gelegten Sachverhalt, zu den angelegten Maßstäben oder dazu, welche konkreten Medikamente die Antragstellerin in welcher Dosierung einnimmt (wobei auch nicht ausgeschlossen erscheint, dass diese einen Einfluss auf die Fahrgeeignetheit haben können).

Dementsprechend konnte das Attest die aufgekommenen Zweifel nicht – erst recht nicht in gleichem Maße wie ein Fahreignungsgutachten (zu dessen Anforderungen vgl. Anlage 4a zur FeV) – beseitigen, wobei der ärztliche Gutachter im Übrigen auch nicht zugleich der behandelnde Arzt sein dürfte (§ 11 Abs. 2 Satz 5 FeV). Es ist auch nicht ersichtlich oder vorgetragen, dass Herr Dr. F. über eine verkehrsmedizinische Qualifikation i.S.v. § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 FeV verfügt.

dd) Die Antragstellerin hat zudem weder gegenüber der Ausgangsbehörde noch gegenüber der Widerspruchsbehörde oder im gerichtlichen Verfahren Anhaltspunkte vorgebracht, die die Rechtmäßigkeit der Begutachtungsaufforderung in Zweifel ziehen können. Soweit geltend gemacht wurde, dass die Inhalte der (stattgefundenen) Untersuchung „nicht vollumfänglich geteilt“ würden (Schriftsatz vom 15.12.2017, Bl. 36 der Behördenakte), spricht dies weder gegen die Rechtmäßigkeit der Aufforderung selbst, noch entschuldigt es die Nichtvorlage des Gutachtens. Beruft sich der Betroffene darauf, dass das erstellte Gutachten mangelhaft sei, muss er es dennoch der Fahrerlaubnisbehörde vorlegen, damit diese in die Lage versetzt wird, zu prüfen, ob der Vorwurf berechtigt ist oder nicht (Koehl in Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 2. Auflage 2017, § 11 FeV Rn. 113). Das Gericht schließt sich auch der in der E-Mail vom 18.12.2017 (Bl. 37 der Behördenakte) vom Landratsamt gegenüber dem Bevollmächtigten der Antragstellerin geäußerten Auffassung an, dass die Vorschläge im Schriftsatz vom 15.12.2017 (Nachuntersuchung und/oder Auflagen oder Bedingungen im Falle der Annahme bedingter Eignung) nicht nachvollziehbar sind.

ee) Weiterhin war auch die Frist zur Vorlage des Gutachtens ausreichend bemessen. Diesbezüglich hat die Widerspruchsbehörde völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass das Landratsamt … die Frist zur Vorlage des Gutachtens unter Berücksichtigung des Einzelfalls mehrfach und insgesamt in ausreichendem Umfang verlängert hat, bevor es auf die Fahrungeeignetheit der Antragstellerin geschlossen hat (vgl. hierzu die Ausführungen auf S. 7 des Widerspruchsbescheids). Die Antragstellerin hat auch keine Gründe vorgetragen, die darauf schließen ließen, dass ihr die (fristgerechte) Vorlage aus anderen Gründen unmöglich gewesen wäre, zumal eine Begutachtung am 06.09.2017 tatsächlich stattgefunden und das Gutachten ihr auch vor Erlass des Entziehungsbescheids vorgelegen hatte. Auf die Rechtsfolge des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV war die Antragstellerin in der Begutachtungsaufforderung vom 20.06.2017 hingewiesen worden (§ 11 Abs. 8 Satz 2 FeV).

ff) Schließlich begegnet die Anordnung der sofortigen Vollziehung auch im Hinblick auf das formelle Begründungserfordernis nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO keinen Bedenken. Nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs reicht es bei einer Fahrerlaubnisentziehung aus, die für den Fall typische Interessenlage aufzuzeigen; die Darlegung besonderer zusätzlicher Gründe für die Erforderlichkeit der sofortigen Vollziehung ist nicht geboten (so z.B. BayVGH, B.v. 10.10.2011 – 11 CS 11.1963; B.v. 24.08.2010 – 11 CS 10.1139; B.v. 25.05.2010 – 11 CS 10.227; VGH BW, B.v. 24.01.2012 – 10 S 3175/11 – juris). Dem werden die Ausführungen in der Begründung des Bescheides gerecht. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht bei der Entscheidung über einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO eine eigenständige Interessenabwägung vorzunehmen, bei der vorliegend das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Fahrerlaubnisentzugs schwerer zu gewichten ist als das private Interesse der Antragstellerin, vorerst weiter am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen zu dürfen (vgl. BayVGH, B.v. 15.06.2009 – 11 CS 09.373 – juris).

2. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abgelehnt. Die Höhe des Streitwerts richtet sich nach § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG in Verbindung mit Nrn. 1.5, 46.2, 46.3 und 46.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (s. NVwZ-Beilage 2013, 57).

 

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