VG Düsseldorf, Az.: 14 L 72/16, Beschluss vom 24.02.2016
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der am 00.00.1975 geborene Antragsteller wehrt sich gegen eine Ordnungsverfügung, mit der ihm die Fahrerlaubnis für alle ihm erteilten Klassen entzogen wurde.
Bei dem Antragsteller sind die nachfolgend tabellarisch aufgelisteten punkterelevanten Ereignisse vorgefallen. Die Spalte „Punkte insg.“ gibt den vom Gericht errechneten Gesamtpunktestand wieder. Hinsichtlich der einzelnen Zuwiderhandlungen und anderen Ereignisse wird auf die Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
…………….
Die Antragsgegnerin sprach gegenüber dem Antragsteller mit Schreiben vom 30.01.2015 eine Ermahnung nach § 4 Abs. 5 Nr. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG n.F.) aus. Zugleich wies sie ihn auf die Möglichkeit der freiwilligen Teilnahme an einem Fahreignungsseminar und der Möglichkeit der Punktereduzierung hin. Von dieser Möglichkeit machte der Antragsteller keinen Gebrauch.
Aufgrund der Taten vom 22.01.2015 und vom 25.06.2015 verwarnte die Antragsgegnerin den Antragsteller unter dem 06.10.2015 gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nummer 2 StVG n.F. und stellte den Punktestand mit 6 Punkten zum Zeitpunkt des zuletzt bekanntgewordenen Verkehrsverstoßes fest.
Nach der Tat vom 08.11.2014, rechtskräftig am 13.10.2015 und der Antragsgegnerin am 09.11.2015 zur Kenntnis gebracht, ergab sich ein Gesamtpunktestand von 8 Punkten.
Unter dem 09.11.2015 hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller schriftlich zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis an. Er trug vor, dass der Punktestand nach § 4 Abs. 6 Satz 3 Nr. 2 StVG n.F. auf 7 Punkte zu reduzieren sei, weil die Tat vom 08.11.2014 vor der Verwarnung am 06.10.2015 begangen worden sei.
Mit Ordnungsverfügung vom 09.12.2015, mittels Postzustellungsurkunde zugestellt am 12.12.2015, entzog die Antragsgegnerin dem Antragsteller gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 3 StVG n.F. die Fahrerlaubnis. Sie forderte ihn auf, seinen Führerschein innerhalb von 1 Woche nach Zustellung der Ordnungsverfügung abzugeben. Für den Fall, dass er dieser Verpflichtung nicht nachkomme, drohte sie ihm die Einziehung des Führerscheins unter Anwendung unmittelbaren Zwangs an. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, zulasten des Antragstellers seien 8 Punkte im Fahreignungsregister eingetragen. Es sei daher von seiner Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen auszugehen. Nach dem neuen Fahreignungssystem sei für das Ergreifen von Maßnahmen nicht mehr das Tattagprinzip, sondern die Kenntnis der Behörde von den Verkehrsverstößen relevant
Der Antragsteller hat am 12.01.2016 Klage erhoben und einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Er wiederholt zur Begründung seine Ausführungen im Verwaltungsverfahren und führt ergänzend aus, dass das Abstellen auf die Kenntnis der Behörde zu einem Verstoß gegen den Allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG führe, da der Fahrerlaubnisinhaber weder einen Einfluss darauf hat, wann die Bußgeldbehörde einen Bußgeldbescheid erlasse noch, wann das Rechtsmittelgericht entscheide und das Ergebnis dem Kraftfahrtbundesamt mitteile.
Der Antragsteller beantragt, die aufschiebende Wirkung seiner Klage (14 K 194/16) gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 09.12.2015 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzulehnen.
Sie wiederholt im Wesentlichen die Ausführungen in ihrer Ordnungsverfügung und verweist ergänzend auf die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 27.04.2015 – 16 B 226/15).
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Gemäß § 4 Abs. 9 des Straßenverkehrsgesetzes in der ab dem 05.12.2014 geltenden Fassung (StVG n. F.) hat eine Anfechtungsklage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß Abs. 5 S. 1 Nr. 3 StVG n. F. keine aufschiebende Wirkung. Die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) käme nur dann in Betracht, wenn die Anordnung der Behörde offensichtlich rechtswidrig wäre oder wenn aus anderen Gründen ein überwiegendes Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung anzuerkennen wäre. Beides ist nicht der Fall.
Bedenken gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 09.12.2015 sind nicht ersichtlich. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 StVG n. F.. Nach dieser Vorschrift hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich 8 oder mehr Punkte nach dem Punktesystem ergeben, denn dann gilt der Betroffene als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist in Verfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO grundsätzlich der Zeitpunkt der (letzten) Behördenentscheidung, hier also der 09.12.2015.
Die Bewertung der Ordnungswidrigkeiten nach dem Punktesystem ergibt sich aus der obenstehenden Tabelle. Die von der Antragsgegnerin verfügte Entziehung der Fahrerlaubnis war gemäß § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 StVG n. F. zwingend. Irgendein Ermessen, welches der Antragsgegnerin die Möglichkeit eingeräumt hätte, von der Entziehung abzusehen, war ihr nicht eingeräumt. Gemäß § 4 Abs. 5 S. 4 StVG n. F. ist die Antragsgegnerin bei Maßnahmen nach Satz 1 an die rechtskräftige Entscheidung über die Straftat oder Ordnungswidrigkeit gebunden.
Insbesondere ergab sich nach der Tat vom 08.11.2014, rechtskräftig am 13.10.2015, der Gesamtpunktestand von 8 Punkten. Denn die Antragsgegnerin hat von dieser Tat erst am 09.11.2015 Kenntnis erlangt. Nach § 4 Abs. 6 Satz 4 StVG in der ab dem 5. Dezember 2014 geltenden Fassung kommt es auch entscheidend auf diesen Zeitpunkt an. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber die Berücksichtigung des Tattagprinzips ausgeschlossen. Anders als bei dem Entstehen der Punkte soll nun dieses Prinzip für das Ergreifen von Maßnahmen keine Bedeutung mehr haben,
vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 27. April 2015 – 16 B 226/15 -, juris.
Diese Regelung unterliegt auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, sofern die Kenntnisnahme der Fahrerlaubnisbehörde den Grundsätzen der Rechtssicherheit und der Willkürfreiheit unterliegt. Dabei ist die Annahme wesentlich, dass der betroffene Fahrerlaubnisinhaber nicht ohne Weiteres schutzbedürftig ist. Denn er hat die verkehrsrechtlichen Sanktionen aufgrund eigenen Fehlverhaltens verwirkt, so dass Umstände, die für eine administrative Erleichterung sprechen können, die gesetzgeberische Wertung grundsätzlich rechtfertigen können,
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. April 2015, a.a.O.; OVG NRW, Beschluss vom 7. Oktober 2015 – 16 B 554/15 – juris.
Da hier allerdings kein Fall einer Verzögerung bei der Informationsübermittlung vorliegt, die eventuell zur Vermeidung rechtsstaatswidriger Zufallsergebnisse eine entsprechende Anwendung des § 4 Abs. 6 Satz 3 StVG n.F. ermöglichen könnte, bleibt es vorliegend bei dem Punktestand von 8 Punkten
Vgl. hierzu: OVG NRW, Beschluss vom 7. Oktober 2015, a.a.O..
Die Verpflichtung zur Führerscheinabgabe ergab sich aus § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG n. F.. Ein Ermessen wird der Behörde insoweit nicht eingeräumt. Die mit der Fahrerlaubnisentziehung verbundene Zwangsmittelandrohung war gemäß §§ 57 Abs. 1 Nr. 2, 60, 63 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes – VwVG – rechtmäßig.
Schließlich sind auch keine sonstigen Gründe ersichtlich, die trotz der offensichtlichen Rechtmäßigkeit der Verfügung vom 09.12.2015 für ein Überwiegen des Aufschubinteresses des Antragstellers sprechen. Vielmehr überwiegt das Interesse an größtmöglicher Sicherheit des Straßenverkehrs hier das Aufschubinteresse des Antragstellers auch deshalb, weil die Verkehrsverstöße des Antragstellers für seine fehlende Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen sprechen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung ist nach §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 und Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) erfolgt. Sie berücksichtigt, dass nach gefestigter Rechtsprechung des zuständigen Senats des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen in Hauptsachenverfahren für eine Fahrerlaubnisentziehung ein Streitwert von 5.000,00 Euro anzusetzen ist. Dieser Wert war für das einstweilige Rechtsschutzverfahren auf die Hälfte zu reduzieren.