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Fahrerlaubnisentziehung – behandelnder Psychiater hat Zweifel an Fahreignung

VG Bremen – Az.: 5 V 2094/19 – Beschluss vom 17.01.2020

Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 24.09.2019 (Az.: 5 K 2093/19) wird wiederhergestellt.

Im Übrigen werden die Anträge abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Der Streitwert wird zum Zwecke der Kostenberechnung auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Entziehung ihrer Fahrerlaubnis.

Sie ist Inhaberin einer Fahrerlaubnis der Klasse 3. Mit Schreiben vom 31.05.2018 wandte sich das Sozialgericht Bremen an die Antragsgegnerin und wies darauf hin, dass es in einem vorliegenden Gerichtsverfahren durch Einholung von Arztberichten Kenntnis davon erlangt habe, dass der behandelnde Psychiater der Antragstellerin Zweifel an ihrer Fähigkeit habe, ein Fahrzeug zu führen.

Auf eine Nachfrage der Antragsgegnerin zu den genaueren Umständen antwortete das Sozialgericht mit Schreiben vom 26.07.2018, dass sämtliche Unterlagen derzeit zur Erstellung eines Gutachtens benötigt würden. Die Antragstellerin möge (auch aus Datenschutzgründen) direkt angeschrieben werden.

Mit Schreiben vom 03.04.2019 wurde die Antragstellerin von der Antragsgegnerin über die durch das Sozialgericht mitgeteilten Eignungszweifel unterrichtet. Sie wurde darum gebeten, kurzfristig bis zum 10.05.2019 bei ihr vorzusprechen. Zu dem zu vereinbarenden Termin sollte ein aktuelles Attest des behandelnden Psychiaters über die Diagnose und die aktuelle Medikation mitgebracht werden. Es wurde mitgeteilt, dass im Anschluss an das Gespräch ein kostenpflichtiges Eignungsüberprüfungsverfahren nicht ausgeschlossen werden könne.

Nachdem eine entsprechende Vorsprache nicht stattgefunden hatte, wurde die Antragstellerin mit Schreiben vom 20.05.2019 aufgefordert, ein fachärztliches Gutachten vorzulegen. Es sollten folgende Fragen beantwortet werden:

„Liegt bei dem/der Untersuchten eine Erkrankung im psychischen Bereich vor, die nach Anlage 4 Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) die Fahreignung in Frage stellt?

Ist der/die Untersuchte in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Klasse(n) 3 (BE, C1E) gerecht zu werden?“

Es wurde eine Frist zur Vorlage bis zum 09.08.2019 gesetzt. Für den Fall der Nichtvorlage wurde die Entziehung der Fahrerlaubnis angekündigt. Es müsse unterstellt werden, dass die bestehenden Eignungsmängel derart gravierend seien, dass sie sich jederzeit bei der Teilnahme im Straßenverkehr auswirken könnten, ohne dass die Antragstellerin dies krankheitsbedingt verhindern könne. Zudem seien der Antragsgegnerin die konkreten Eignungsmängel aufgrund der fehlenden Mitwirkung der Antragstellerin nicht bekannt. Zur Begründung wurde auf die Mitteilung des Sozialgerichts und die nicht erfolgte Vorsprache verwiesen. Daraus ergäben sich erhebliche Bedenken hinsichtlich der gesundheitlichen Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen. Zur Vorbereitung einer Entscheidung über einen Entzug der Fahrerlaubnis sei die Vorlage eines ärztlichen Gutachtens erforderlich. Diese sei nach den bekannten Umständen ein geeignetes und verhältnismäßiges Mittel zur Ausräumung der Bedenken.

Nachdem innerhalb der gesetzten Frist keine Gutachtenvorlage erfolgt war, wurde der Antragstellerin der Entzug der Fahrerlaubnis mit Schreiben vom 21.08.2019 schriftlich angekündigt und ihr dabei Gelegenheit zur Äußerung bis zum 04.09.2019 gegeben. Daraufhin sprach sie – ausweislich eines Aktenvermerks vom 30.08.2019 – am 26.08.2019 bei der Antragsgegnerin vor. Die Vorlage eines fachärztlichen Gutachtens sei ihr bisher nicht möglich gewesen. Auch bis zum 04.09.2018 werde dies nicht möglich sein. Ihre Bitte um eine weitere Fristverlängerung wurde abgelehnt.

Mit Verfügung vom 09.09.2019 entzog das Bürgeramt Bremen – Fahrerlaubnisse – der Antragstellerin die Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen (Ziffer 1) und gab ihr auf, ihren Führerschein spätestens am dritten Tag nach Zustellung der Verfügung abzuliefern und drohte für den Fall der Nichtbefolgung ein Zwangsgeld in Höhe von 250,- Euro an (Ziffer 2). Die sofortige Vollziehung der Verfügung wurde angeordnet (Ziffer 3). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass aufgrund der nicht fristgerechten Beibringung des angeforderten Gutachtens von ihrer Nichteignung auszugehen sei. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei notwendig, um bei Kontrollen den Anschein einer bestehenden Fahrerlaubnis zu vermeiden und den Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer zu gewährleisten.

Am 16.09.2019 gab die Antragstellerin ihren Führerschein bei der Antragsgegnerin ab.

Fahrerlaubnisentziehung - behandelnder Psychiater hat Zweifel an Fahreignung
(Symbolfoto: Chinnapong/Shutterstock.com)

Am 24.09.2019 hat die Antragstellerin gegen die Verfügung vom 09.09.2019 Klage erhoben (Az.: 5 K 2093/19) und zugleich um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Der Entzug der Fahrerlaubnis sei rechtswidrig. Der Antragsgegnerin seien durch das Sozialgericht keine konkreten belastbaren Tatsachen bekannt gemacht worden, die Zweifel an ihrer Fahreignung begründeten. Hinzu komme, dass eine etwaige Schweigepflichtentbindung hinsichtlich eines solchen Psychiaters nicht den Umfang gehabt habe, dass Informationen aus einer Behandlung hätten kommuniziert werden dürfen. Zudem habe sich die Antragsgegnerin erst rund neun Monate nach dem Schreiben des Sozialgerichts an sie gewandt. Tatsachen, die der Annahme einer Fahreignung entgegenstünden, seien auch durch die Antragsgegnerin nicht zu Tage gefördert worden. Sie handle ins „Blaue hinein“. Dies sei sowohl hinsichtlich Anordnung der Vorlage eines Gutachtens als auch in der Folge hinsichtlich der Entziehung der Fahrerlaubnis unzulässig. Eine vermeintliche Mitteilung eines Arztes, der angeblich pauschale Zweifel an der Eignung formuliert habe, reiche nicht aus. Sie sei seit 2013 bei einer Diplom-Psychologin in psychotherapeutischer Behandlung. Aus deren Sicht bestünden keinerlei Bedenken an der Fahreignung. Ein entsprechender Befundbericht vom 12.09.2019 wurde vorgelegt.

Die Antragstellerin beantragt,

1. die sofortige Vollziehung der Verfügung der Antragsgegnerin vom 09.09.2019 auszusetzen und die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen;

2. der Antragsgegnerin aufzugeben, den von ihr abgelieferten Führerschein unverzüglich wieder an sie zurückzugeben und ihr für den Fall der Unbrauchbarmachung einen neuen Führerschein mit den bisher erteilten Klassen auszustellen.

Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung verweist sie auf den angegriffenen Bescheid und vertieft die dortige Argumentation. Insbesondere habe sie wegen gesundheitlicher Eignungsbedenken und aus der nicht fristgerechten Vorlage des geforderten fachärztlichen Gutachtens gemäß

§ 11 Abs. 8 FeV auf die Ungeeignetheit schließen dürfen. Die Anforderung des fachärztlichen Gutachtens hätten den Vorgaben des § 11 Abs. 6 FeV entsprochen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorgangs und die Gerichtsakte Bezug genommen.

II.

Der Antrag zu 1. ist zulässig und begründet, der Antrag zu 2. ist indes unzulässig.

1. Der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag zu 1. hat Erfolg.

Der Antrag ist nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO als Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung statthaft. Die von der Antragstellerin erhobene Klage hat durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung seitens der Antragsgegnerin nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO keine aufschiebende Wirkung.

Der Antrag ist auch begründet. Zwar ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Sie genügt insbesondere den Anforderungen, die nach § 80 Abs. 3 VwGO an die Begründung einer solchen Anordnung zu stellen sind. In der Sache überwiegt aber das private Interesse der Antragstellerin, von der sofortigen Vollziehung einstweilen bis zu einer Klärung der Rechtmäßigkeit der Verfügung im Hauptsacheverfahren verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung.

a. Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise wiederherstellen, wobei es eine eigene Abwägungsentscheidung trifft. Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsaktes gegen das Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs abzuwägen. Maßgebliches Kriterium bei der vorzunehmenden Interessenabwägung sind zunächst die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache. Erweist sich der angefochtene Verwaltungsakt bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, überwiegt regelmäßig das private Aussetzungsinteresse das gegenläufige öffentliche Vollziehungsinteresse. Stellt sich der Verwaltungsakt als offensichtlich rechtmäßig dar, bedarf es grundsätzlich auch bei Vorliegen eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes eines besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung. Lässt sich hingegen bei summarischer Überprüfung eine Offensichtlichkeitsbeurteilung nicht treffen, kommt es entscheidend auf eine Abwägung zwischen den für eine sofortige Vollziehung sprechenden Interessen einerseits und dem Interesse des Betroffenen an einer Aussetzung der Vollziehung bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren andererseits an. Bei der Abwägung fällt der Rechtsschutzanspruch des Bürgers umso stärker ins Gewicht, je schwerer die ihm auferlegte Belastung ist und je mehr die Maßnahme der Exekutive Unabänderliches bewirkt (BVerfG, Kammerbeschl. v. 29.05.2015 – 2 BvR 869/15 –, juris Rn. 12). Geltung und Inhalt dieser Leitlinien sind nicht davon abhängig, ob der Sofortvollzug eines Verwaltungsaktes einer gesetzlichen (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO) oder einer behördlichen Anordnung (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) entspringt (BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 10.10.2003 – 1 BvR 2025/03 –, juris Rn. 19).

Im vorliegenden Fall ergibt die im Eilverfahren allein erforderliche summarische Überprüfung, dass der angegriffene Bescheid mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig ist. Ihre hiergegen gerichtete Klage hat eine überwiegende Aussicht auf Erfolg. Die gebotene Interessenabwägung geht vor diesem Hintergrund zu Gunsten der Antragstellerin aus.

b. Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 FeV. Danach ist demjenigen die Fahrerlaubnis zu entziehen, der sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegen. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 3 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 FeV). Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 FeV kann die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens durch den Bewerber anordnen, wenn Tatsachen bekannt werden, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung des Fahrerlaubnisbewerbers begründen. Solche Bedenken bestehen nach § 11 Abs. 2 Satz 2 FeV insbesondere, wenn Tatsachen bekannt werden, die auf eine Erkrankung oder einen Mangel nach Anlage 4 oder 5 zur FeV hinweisen. Nicht erforderlich ist, dass eine solche Erkrankung oder ein solcher Mangel bereits feststeht. Allerdings darf die Beibringung des Gutachtens nur aufgrund konkreter Tatsachen, nicht auf einen bloßen Verdacht „ins Blaue hinein“ bzw. auf Mutmaßungen, Werturteile, Behauptungen oder dergleichen hin verlangt werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.07.2001 – 3 C 13.01 –, juris Rn. 26; BayVGH, Beschl. v. 03.09.2015 – 11 CS 15.1505 –, juris Rn. 13). Ob die der Behörde vorliegenden Tatsachen ausreichen, ist nach den gesamten Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen (BayVGH, Beschl. v. 10.04.2019 – 11 CS 18.2334 –, juris Rn. 18). Es genügt ein „Anfangsverdacht“ (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.07.2001 – 3 C 13.01 –, juris Rn. 22; Urt. v. 14.11.2013 – 3 C 32.12 –, juris Rn. 17), also – wie es in § 152 Abs. 2 StPO umschrieben wird – das Bestehen zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte (BayVGH, Beschl. v. 30.01.2019 – 11 C 18.1532 –, juris Rn. 15). In Bezug auf Erkrankungen genügt es, wenn eine in der Überschrift eines Kapitels der Anlage 4 zur FeV genannte Erkrankung diagnostiziert wird (BayVGH, Beschl. v. 03.05.2017 – 11 CS 17.312 –, juris Rn. 16). Maßgeblicher Zeitpunkt der Beurteilung der Gutachtensanordnung ist deren Erlass (BVerwG, Urt. v. 17.11.2016 – 3 C 20/15 –, juris Rn. 14; BayVGH, Beschl. v. 11.02.2019 – 11 CS 18.1808 –, juris Rn. 22).

Nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn er sich weigert, sich untersuchen zu lassen, oder wenn er das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Der Schluss aus der Nichtvorlage eines angeforderten Fahreignungsgutachtens auf die fehlende Fahreignung ist gerechtfertigt, wenn die Anordnung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war (stRspr, vgl. BVerwG, Urt. v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 –, juris Rn. 19 m.w.N.).

(1) Vorliegend durfte die Antragsgegnerin zum Zeitpunkt des Erlasses der Aufforderung zur Beibringung eines Gutachtens aufgrund des Hinweises des Sozialgerichts im Ausgangspunkt von ausreichend konkreten Tatsachen ausgehen, um Bedenken gegen die Fahreignung im Sinne von § 11 Abs. 2 Satz 2 FeV anzunehmen. Es war dafür ausreichend, dass ein behandelnder Psychiater Zweifel an der Fahreignung sah, wovon angesichts der Mitteilung des Sozialgerichts auszugehen war. Dass die tatsächlichen Feststellungen, die sich aus der Mitteilung des Sozialgerichts ergaben, für sich gesehen nicht ausreichen mögen, um zu der gesicherten Erkenntnis zu kommen, eine Fahreignung sei nicht gegeben, bedeutet nicht, dass sie nicht geeignet waren, Anlass zu aufklärungsbedürftigen Zweifeln an der Fahreignung zu geben. Hätte die fehlende Fahreignung schon festgestanden, wären Aufklärungsmaßnahme nicht mehr erforderlich gewesen und damit gemäß § 11 Abs. 7 FeV unzulässig gewesen.

(2) Es kann offenbleiben, ob die gewählte Fragestellung, insbesondere ohne nähere Bezeichnung der in Betracht kommenden psychischen Erkrankung(en), den an sie zu stellenden Bestimmtheitsanforderungen genügte.

Hinsichtlich des genauen Grades der Konkretisierung, die die von der Fahrerlaubnisbehörde festzulegende und mitzuteilende Fragestellung aufweisen muss, kommt es auf die besonderen Umstände jedes Einzelfalls an (BVerwG, Beschl. v. 05.02.2015 – 3 B 16.14 –, juris Rn. 9; BayVGH, Beschl. v. 10.04.2019 – 11 CS 18.2334 –, juris Rn. 18 m.w.N.). § 11 Abs. 6 Satz 1 FeV verpflichtet die Fahrerlaubnisbehörde, die durch ein Fahreignungsgutachten zu klärende Frage „unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles“ festzulegen. Diese bindende rechtliche Vorgabe, die ihrerseits Ausdruck des im Verfassungsrecht (Art. 20 Abs. 3 GG) wurzelnden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist, schließt es insbesondere aus, die Fragestellung so auszugestalten, dass die mit der Begutachtung betraute Person oder Stelle hierdurch ermächtigt wird, die Gesamtheit der in der Anlage 4 zur FeV erwähnten Krankheitsbilder zum Gegenstand der Untersuchung zu machen (BayVGH, Beschl. v. 15.11.2010 – 11 C 10.2329 –, juris Rn. 37). Allerdings ist nach den maßgebenden Umständen des Einzelfalls auch nicht in jedem Fall die Angabe der entsprechenden Nummer oder Unternummer der Anlage 4 erforderlich. Dies kann insbesondere dann entbehrlich sein, wenn sich die vom Gutachter zu klärende Frage mit hinreichender Deutlichkeit den Gründen entnehmen lässt, mit denen die Behörde ihre Eignungsbedenken dargelegt hat (BVerwG, Beschl. v. 05.02.2015 – 3 B 16.14 – juris Rn. 9; BayVGH, Beschl. v. 19.03.2019 – 11 CS 19.387 –, juris Rn. 17). Zudem wird die Fragestellung wohl umso weniger konkret sein dürfen, umso weniger die Behörde – gerade im Fall einer fehlenden Mitwirkung des Betroffenen – zu einer weiteren Konkretisierung in der Lage ist. Sie ist insofern lediglich verpflichtet, den Untersuchungsgegenstand so weit wie möglich zu konkretisieren (vgl. BayVGH, Beschl. v. 19.06.2019 – 11 CS 19.936 –, juris Rn. 26). Insofern kann von der Fahrerlaubnisbehörde nicht stets verlangt werden, bereits im Rahmen der Gutachtensanforderung genau die Nummer(n) der Anlage 4 zur FeV festzulegen, deren Tatbestandsvoraussetzungen durch das Gutachten geklärt werden sollen. Denn die verdachtsbegründenden Umstände können so unspezifisch sein, dass eine hinreichend genaue Zuordnung in diesem Verfahrensstadium u. U. (noch) nicht möglich ist (BayVGH, Beschl. v. 15.11.2010 – 11 C 10.2329 –, juris Rn. 37).

Im vorliegenden Fall war offensichtlich nur klärungsbedürftig, ob die Antragstellerin an psychischen Störungen i.S.d. Nummer 7 der Anlage 4 der FeV leidet. Insofern hat die Antragsgegnerin zutreffend im ersten Satz ihrer Fragstellung die Begutachtung auf Erkrankungen im psychischen Bereich beschränkt, die nach Anlage 4 der FeV die Fahreignung in Frage stellen können. Dass die Nennung der Nummer der Anlage hier unterblieb, ist unschädlich. Gegen eine hinreichende Konkretisierung könnte vorliegend aber sprechen, dass ggfs. nicht alle Mittel ausgeschöpft waren, um eine weitere Eingrenzung der Frage herbeizuführen. Jedenfalls enthält die Beibringungsaufforderung keine spezifischen Erwägungen dazu, warum im hiesigen Fall weitere Ermittlungen zur genaueren Klärung der zu stellenden Frage unmöglich oder aussichtslos gewesen sein sollten (dazu auch unten). Daneben erscheint es zumindest nicht unproblematisch, dass im zweiten Satz der Fragestellung unspezifisch danach gefragt wird, ob „[…] der/die Untersuchte in der Lage [ist], den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Klasse(n) 3 (BE, C1E) gerecht zu werden?“ Insofern erscheint es zweifelhaft, ob dieser Teil der Fragestellung hinreichend auf den vorherigen Satz und damit ggfs. vorliegende psychische Erkrankungen als Grund für eine mögliche Ungeeignetheit bezogen ist.

(3) Die Begutachtungsaufforderung erweist sich als rechtswidrig, weil sie unverhältnismäßig war (aa.) und nicht den Anforderungen entspricht, die hinsichtlich der Ermessenserwägungen an sie zu stellen waren (bb.).

aa. Die Anordnung einer Beibringung eines ärztlichen Gutachtens muss verhältnismäßig sein (BVerwG, Beschl. v. 05.02.2015 – 3 B 16/14 –, juris Rn. 8; VG Frankfurt (Oder), Beschl. v. 08.08.2019 – 2 L 78/19 –, juris Rn. 20). Dabei kann es der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebieten, dass sich die Fahrerlaubnisbehörde vor der Aufforderung zu einer Begutachtung anderweitig genauere Kenntnisse über Tatsachen verschafft, die ausreichende Anhaltspunkte dafür begründen können, dass eine Ungeeignetheit vorliegen könnte. Ob dies der Fall ist, muss im Einzelfall beurteilt werden. Hierbei spielt es u.a. eine Rolle, welche Kenntnisse die Behörde bereits von der Erkrankung hat, um was für eine Erkrankung es sich handelt – insbesondere ob bei dieser regelmäßig auf eine Nichteignung zu schließen ist –, und welche Nachforschungsmaßnahmen die Behörde bereits angestellt hat. Ggf. kann etwa zur Beurteilung, ob noch Zweifel verbleiben, auch das Gesundheitsamt bzw. die Gesundheitsabteilung der Behörde eingeschaltet werden (vgl. BayVGH, Beschl. v. 03.05.2017 – 11 CS 17.312 –, juris Rn. 19 f.).

Ausgehend davon hätte die Antragsgegnerin im hiesigen Fall weitere Nachforschungen anstellen müssen, bevor sie zum nicht unerheblich in die Rechte der Antragstellerin eingreifenden Mittel der Aufforderung zu einer medizinischen Begutachtung greift. Dabei war zum einen zu berücksichtigen, dass psychische Erkrankungen nicht generell eine Fahrungeeignetheit begründen, sondern vielmehr in einer Mehrzahl oder Vielzahl der Fälle gerade nicht zu dieser führen dürften. Bei den unter Nr. 7 aufgeführten psychischen Störungen ist bezogen auf die Fahrerlaubnisklasse B zumeist eine Fahreignung nur dann grundsätzlich ausgeschlossen, wenn diese akut oder schwer sind. Auch aus den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung ergibt sich nichts Anderes (vgl. dort Ziff. 3.12 ff.). Vor diesem Hintergrund war auch zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin keine näheren Kenntnisse von der Erkrankung oder deren Schwere hatte. Zudem ist in die Betrachtung einzustellen, dass zum Zeitpunkt der ersten Kontaktaufnahme zur Antragstellerin mit dem Schreiben vom 03.04.2019 seit der Mitteilung des Sozialgerichts, bei der zudem unklar geblieben war, auf welchen Zeitpunkt sich die dort genannten Arztbriefe bezogen, bereits rund zehn Monate vergangen waren. Der Erlass der Begutachtungsaufforderung erfolgte sogar erst fast ein Jahr nach der Mitteilung. Angesichts dieses Zeitablaufs konnte bereits nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass überhaupt noch eine Erkrankung vorliegt. In einer solchen Situation gebietet der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass sich die Fahrerlaubnisbehörde insbesondere durch eine weitere Befragung des Betroffenen zunächst genauere Kenntnisse von den Tatsachen verschafft, welche die Zweifel an der Fahreignung begründen. Dabei kann Gelegenheit gegeben werden, ärztliche Bescheinigungen und Atteste der behandelnden Ärzte vorzulegen. Insofern könnte insbesondere geklärt werden, ob und welche Erkrankung vorliegt, ggfs. auch, in welchem Schweregrad. Diese Informationen können vom Betroffenen selbst bzw. von den behandelnden Ärzten erfragt und bestätigt werden. Das kann die Fahrerlaubnisbehörde zunächst selbst aufklären. Einer Begutachtung bedarf es hierfür noch nicht.

Die von der Antragsgegnerin durchgeführten Nachforschungsversuche waren nicht ausreichend. Zwar kann sich die Notwendigkeit einer Begutachtung auch dann ergeben, wenn der Betroffene nicht hinreichend mitwirkt oder wenn aufgrund seiner Auskünfte und der vorgelegten ärztlichen Atteste noch Bedenken bestehen oder Zweifel an der Richtigkeit der vom Betroffenen gegebenen Auskünfte oder der von den behandelnden Ärzten ausgestellten Atteste bestehen (vgl. BayVGH, Beschl. v. 03.05.2017 – 11 CS 17.312 –, juris Rn. 20). Allein, dass die Antragsgegnerin vom Sozialgericht keine weiteren Informationen erhielt und dass die Antragstellerin auf das Schreiben der Antragsgegnerin vom 03.04.2019 nicht reagierte, rechtfertigte die direkte Anordnung der Begutachtung aber nicht. Zum einen machte das Schreiben vom 03.04.2019 in keiner Weise die möglichen Konsequenzen einer fehlenden Mitwirkung deutlich. Nur für den Fall, dass ein Gespräch stattfände, wurde angekündigt, dass dann eine kostenpflichtige Eignungsprüfung nicht ausgeschlossen werden könne. Dass sich die Antragstellerin auch dann einer Mitwirkung verweigert hätte, wenn ihr die möglichen Konsequenzen dargelegt worden wären, konnte daher zum Zeitpunkt des Erlasses der Begutachtungsaufforderung nicht angenommen werden. Zum anderen ist angesichts des bereits eingetretenen Zeitablaufs zwischen der Mitteilung des Sozialgerichts und dem ersten Anschreiben an die Antragstellerin auch nicht ersichtlich, warum eine wiederholte Nachfrage nicht geboten gewesen sein sollte.

Angesichts der dargestellten Umstände des Einzelfalls war es zum Zeitpunkt des Erlasses der Begutachtungsaufforderung nicht fernliegend, dass eine weitere Vorabklärung ergeben hätte, dass eine ärztliche Untersuchung und ein ärztliches Gutachten nicht erforderlich sind. Es war daher unverhältnismäßig, allein auf Grund der durch das Sozialgericht mitgeteilten Informationen die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens anzuordnen.

bb. Die in der Gutachtenanordnung enthaltenen Ermessenserwägungen entsprechen nicht den an sie zu stellenden Anforderungen.

(1) Das Gericht ist der Ansicht, dass es im Rahmen der Aufforderung zur Beibringung eines ärztlichen Gutachtens nach § 11 Abs. 2 FeV grundsätzlich der Betätigung eines Ermessens und auch der Darlegung der entsprechenden Erwägungen bedarf (siehe zu anderen Ansichten: BayVGH, Beschl. v. 28.01.2019 – 11 C 18.2530 –, juris Rn. 17 ff.). Dass die Anforderung eines ärztlichen Gutachtens im Ermessen der Fahrerlaubnisbehörde steht, ergibt sich schon aus dem Wortlaut von § 11 Abs. 2 Satz 1 FeV („kann … angeordnet werden“). Es wird bestätigt durch den Vergleich dieser Regelung mit § 13 FeV (Klärung von Eignungszweifeln bei Alkoholproblematik) und § 14 FeV (Klärung von Eignungszweifeln im Hinblick auf Betäubungsmittel und Arzneimittel), wo die Anforderung eines ärztlichen oder medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachtens bindend vorgegeben ist („ordnet an“; „ist anzuordnen“, vgl. BVerwG, Urt. v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 –, LS 2, juris Rn. 35).

Die Ermessenserwägungen sind – zumindest, wenn weitere Mittel zur Ausräumung der Eignungszweifel in Betracht kommen und sie zum Erlass einer Beibringensaufforderung führen – in der an den Betroffenen gerichteten Aufforderung zur Beibringung eines Fahreignungsgutachtens offenzulegen, damit dem Sinn und Zweck der in § 11 Abs. 6 FeV angeordneten Mitteilungspflichten Genüge getan ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.11.2016 – 3 C 20/15 –, juris Rn. 36). So verlangt auch das Bundesverwaltungsgericht bei noch verwertbaren, aber bereits länger zurückliegenden Verkehrsverstößen im Rahmen der Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV „im Rahmen der nach § 11 Abs. 2 und 3 FeV zu treffenden Ermessensentscheidung“ eine Ermessensbetätigung dahingehend, ob diese Zuwiderhandlungen nach wie vor die Anforderung eines Gutachtens rechtfertigen oder ob verbleibende Eignungszweifel auch durch andere geeignete Beweismittel ausgeräumt werden können (BVerwG, ebd., LS 2). Insbesondere, wenn medizinische Fragen Eignungszweifel begründen, ist nicht per se ausgeschlossen, dass diese durch andere geeignete Beweismittel ausgeräumt werden können (vgl. BayVGH, Beschl. v. 28.01.2019 – 11 C 18.2530 –, juris Rn. 2; vgl. auch Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. 2017, § 11 FeV Rn. 24). Die Begründungspflicht gilt grundsätzlich auch, wenn vor dem Erlass der Beibringungsaufforderung andere Ermittlungen nicht unbedingt notwendig waren (vgl. BayVGH, Beschl. v. 28.01.2019 – 11 C 18.2530 –, juris Rn. 21).

Welchen Umfang die darzulegende Begründung haben muss, kann nicht pauschal bestimmt werden, sondern nur anhand des vorliegenden Einzelfalls. Es hängt insbesondere davon ab, ob andere Ermittlungsmaßnahmen realistischer Weise in Betracht kommen oder aber aus dem bisherigen Geschehen heraus bereits ersichtlich wird, dass diese aussichtslos oder ungeeignet sind. So wäre etwa in Fällen, in denen die Behörde den Betroffenen wiederholt unter Nennung der zu erwartenden Folgen einer Verweigerung zur Mitwirkung aufgefordert hat, keine vertieften Ausführungen dazu nötig, warum nunmehr auf das Mittel der Begutachtungsaufforderung zurückgegriffen wird. Hingegen sind solche Ausführungen etwa dann angezeigt, wenn – wie hier – bereits die Verhältnismäßigkeit der Beibringungsaufforderung nicht ohne weiteres erkennbar ist.

(2) Ermessenserwägungen, welche eine hinreichende Auseinandersetzung mit dem Einzelfall erkennen lassen und so die Antragstellerin in die Lage versetzt hätten, sich darüber im Klaren zu werden, ob sie der Aufforderung nachkommen muss oder nicht, enthält diese nicht. Es wurde lediglich ausgeführt, dass eine solche Vorlage zur Vorbereitung einer Entscheidung über den Entzug der Fahrerlaubnis „erforderlich“ und „nach den bekannten Umständen“ ein geeignetes und verhältnismäßiges Mittel sei. Ausführungen zu anderen in Betracht kommenden Aufklärungsmitteln, insbesondere bezüglich der Art und Schwere einer etwaigen Erkrankung, sind nicht vorhanden.

Dabei erscheint es nicht fernliegend, dass vorliegend zur Klärung der Frage, ob es überhaupt einer Begutachtung bedarf und auch zur nähren Eingrenzung der zu stellenden Begutachtungsfrage ohne einen unverhältnismäßigen Aufwand noch relevante Informationen ermittelbar gewesen wären (vgl. oben). Insbesondere angesichts des langen Zeitablaufs zwischen der Mitteilung des Sozialgerichts, dem ersten Anschreiben an die Antragstellerin und schließlich dem Erlass der Beibringungsaufforderung wäre eine Auseinandersetzung mit der Frage notwendig gewesen, ob die Mitteilung des Sozialgerichts nach wie vor die Anforderung eines Gutachtens rechtfertigte oder ob die Eignungszweifel auch durch andere geeignete Beweismittel hätten ausgeräumt werden können (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 –, LS 2, juris Rn. 34 ff.). Der Verweis auf „die bekannten Umstände“ und die Wiedergabe des Sachverhalts genügte hierfür nicht. Es lag nicht fern, zumindest zu erwägen, ob nicht etwa (mit Zustimmung der Antragstellerin) eine Kontaktaufnahme zum behandelnden Psychiater möglich gewesen wäre, um von diesem einen Bericht anzufordern oder aber die Antragstellerin anderweitig erneut zur Mitwirkung aufzufordern. Ein solches Unterfangen musste zum Zeitpunkt des Erlasses der Beibringungsaufforderung auch nicht von vorneherein aussichtslos erscheinen (vgl. oben).

(4) Ist die Anordnung der Beibringung eines ärztlichen Gutachtens – wie hier – rechtswidrig, ist der Schluss auf die Nichteignung des Betroffenen nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV aufgrund der fehlenden Beibringung unzulässig. Daraus ergibt sich jedoch noch nicht, dass der Bescheid über die Entziehung der Fahrerlaubnis in solchen Fällen stets rechtswidrig ist.

Ob ein angefochtener Bescheid materiell rechtmäßig ist, richtet sich nach dem Recht, welches geeignet ist, die getroffene Regelung zu tragen. Erweist sie sich aus anderen als den angegebenen Rechtsgründen als rechtmäßig, ohne dass diese anderen Rechtsgründe wesentliche Änderungen des Regelungsgehalts erfordern würden, dann ist der Verwaltungsakt im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht rechtswidrig (BVerwG, Urt. v. 19.08.1988 – 8 C 29/87 –, juris Rn. 13; BayVGH, Beschl. v. 03.05.2017 – 11 CS 17.312 –, juris Rn. 25). Daher kann ein auf § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV gestützter Bescheid, der einem Betroffenen die Fahrerlaubnis wegen Nichtbeibringung eines angeordneten Gutachtens entzieht, auf der Grundlage der Vorschrift des § 11 Abs. 7 FeV rechtmäßig und aufrechtzuerhalten sein, wenn die Nichteignung des Betroffenen zum maßgeblichen Zeitpunkt feststeht. § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV und § 11 Abs. 7 FeV sind keine Ermessensvorschriften, sondern zwingendes Recht. Die Rechtsgrundlagen sind daher insoweit austauschbar (BayVGH, ebd.). Zudem muss ein Bescheid, der ohne ausreichende Tatsachengrundlage ergeht, aber bezüglich dessen sich später herausstellt, dass die Voraussetzungen für den Erlass des Bescheids bereits zum Erlasszeitpunkt vorlagen, wenn es sich um zwingende Rechtsvorschriften ohne Ermessen handelt, nicht aufgehoben werden, weil er sofort wieder erlassen werden müsste. Maßgeblicher Zeitpunkt ist vorliegend der Zeitpunkt des Erlasses der letzten Behördenentscheidung, hier also mangels Widerspruchsverfahrens der Erlass des Bescheides, in dem der Entzug der Fahrerlaubnis der Antragstellerin verfügt wurde (vgl. BayVGH, ebd., juris Rn. 27).

Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass die Antragstellerin zu diesem Zeitpunkt fahrungeeignet war, es steht aber auf der Grundlage der bisher vorliegenden Informationen auch nicht zweifelslos fest. Es liegen insofern keine ausreichenden Anhaltspunkte vor, um ohne weitere Tatsachen von einer zum maßgeblichen Zeitpunkt fehlenden Fahreignung auszugehen. Das Risiko, dass sich diese auch im Hauptsacheverfahren nicht ermitteln lassen, trägt die Antragsgegnerin.

c. Eine Interessenabwägung unter Würdigung des voraussichtlichen Ausgangs des Hauptverfahrens sowie der derzeitigen Erkenntnislage und der Interessen der Beteiligten führt dazu, dass die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen ist. Es ist nach derzeitigem Erkenntnisstand mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Antragstellerin im Hauptsacheverfahren obsiegen wird. Zwar verbleiben gewisse Unsicherheiten, jedoch können diese bei einer Gesamtschau der Interessenlage nicht genügen, ihr die von Gesetzes wegen grundsätzlich vorgesehene aufschiebende Wirkung zu verwehren. Dabei ist bei der Abwägung auch die aktuelle Aussage ihrer behandelnden Psychologin zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin bisher nicht negativ im Verkehr aufgefallen ist und dass sich aus den vorliegenden Erkenntnisse bis auf den mittlerweile über anderthalb Jahre zurückliegenden Hinweis des Sozialgerichts keine Hinweise darauf ergeben, dass von ihr eine akute Gefahr ausgeht.

2. Für den Antrag zu 2. fehlt es (derzeit) an einem Rechtsschutzbedürfnis. Nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO kann das Gericht, wenn der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung über die Regelung der Vollziehung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO schon vollzogen ist, die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Anordnung erfolgt auf Antrag, der ein entsprechendes rechtlich schutzwürdiges Interesse an der begehrten Aufhebung der Vollziehung voraussetzt. Daran fehlt es regelmäßig, wenn Art und Weise der vom Rechtsschutzsuchenden begehrten Rückabwicklung unproblematisch sind und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, die Antragsgegnerin werde sie nicht nach Gesetz und Praxis durchführen (OVG NRW, Beschl. v. 29.05.2001 – 1 B 46/01 –, juris Rn. 40 ff.; Bostedt, in: Fehling/Kastner/Störmer, VerwR, 4. Auflage 2016, § 80 VwGO Rn. 172; vgl. auch Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 113 Rn. 201; Külpmann, in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz, 7. Auflage 2017, Rn. 1017).

So verhält es sich hier. Es ist offensichtlich, dass eine Rückabwicklung in Form einer Aushändigung des Führerscheins an die Antragstellerin zu erfolgen hat. Zudem ist nichts dafür ersichtlich oder dem Gericht aus früheren Fällen ähnlicher Art bekannt, dass die Antragsgegnerin in der Folge eines Unterliegens im Eilverfahren die Herausgabe des Führerscheins an die Antragstellerin verweigern wird. Auch dafür, dass dieser entwertet worden wäre und daher eine Neuausstellung notwendig würde, ist nichts ersichtlich, abgesehen davon, dass selbst dann nicht ersichtlich wäre, dass die Antragsgegnerin eine Neuausstellung nicht von sich aus zur Umsetzung des Beschlusses im Eilverfahren ausführen würde.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Soweit die Antragstellerin mit ihrem Antrag zu 2. unterlegen ist, wirkte sich dies nicht auf die Kostenentscheidung aus, da diesem nur eine untergeordnete Bedeutung zukommt und er nicht streitwerterhöhend wirkte.

Der Streitwert ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Dabei war zwar zu berücksichtigen, dass die Fahrerlaubnis der Antragstellerin der Klasse 3, die am 10.01.1991 erworben wurde, die aktuellen Klassen A, A1, AM, B, BE, C1, C1E, CE, L einschließt (vgl. Anlage 3 lfd. Nr. 19 zur FeV). Bei einem Streit um die Entziehung einer Fahrerlaubnis der Klassen C1E ist in Anlehnung an Nr. 46.5 des Streitwertkatalogs 2013 der Auffangwert von 5.000,00 Euro anzusetzen. Für die Klasse B bzw. BE war keine Erhöhung des Streitwertes vorzunehmen (OVG Bremen, Beschl. v. 30.11.2011 – 2 S 243/11 –, juris Rn. 14 f., a.A.: BayVGH, Beschl. v. 30.01.2014 – 11 CS 13.2342 –, juris Rn. 21 f.). Da die Klasse B wiederum die Klassen AM und L einschließt, wirken auch diese nicht streitwerterhöhend. Bezüglich der Klassen A und A1 war zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin aufgrund des Zeitpunkts ihres Führerscheinerwerbs dort nur Fahrzeuge führen darf, die den Schlüsselzahlen 79.03 und 79.04 unterfallen. Dabei handelt es sich im dreirädrige Fahrzeuge (siehe Anlage 9 lfd. Nr. 126 und 127 zur FeV). Das Gericht misst einer solchermaßen eigeschränkten Fahrerlaubnis dieser Klassen keinen eigenständigen Wert für die Antragstellerin zu, zumal diese zum Teil (für Fahrzeuge mit einer Motorleistung bis 15 kW) auch schon in der Klasse B umfasst sind (§ 6 Abs. 3a FeV; ebenso: BayVGH, Beschl. v. 30.01.2014 – 11 CS 13.2342 –, juris Rn. 21 f.).

Insgesamt ergibt sich damit ein Streitwert in der Hauptsache von 5.000,00 Euro, der für das Eilverfahren entsprechend Zif. 1.5 des Streitwertkatalogs zu halbieren war.

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