Skip to content
Menü

Fahrerlaubnisentziehung aufgrund eigener Angaben des Betroffenen zu Drogenkonsum

Oberverwaltungsgericht Bremen – Az.: 2 B 195/19 – Beschluss vom 16.10.2019

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Bremen – 5. Kammer – vom 19.6.2019 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der 22 Jahre alte Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen die sofortige Vollziehung der Entziehung seiner Fahrerlaubnis.

Der Antragsteller hat bei einer Verkehrskontrolle am 7.4.2018 in Bremen, nachdem er wegen überhöhter Geschwindigkeit und mehrmaligem Fahrstreifenwechsel sowie Abbiegens ohne Blinken aufgefallen war und mit dem Verdacht des Fahrens unter Btm-Einfluss angehalten wurde, gegenüber der Polizei angegeben, er habe vor zwei Wochen Kokain konsumiert. Das Bürgeramt der Antragsgegnerin entzog dem Antragsteller mit Verfügung vom 27.2.2019 die Fahrerlaubnis und ordnete deren sofortige Vollziehung an. Der Antragsteller sei wegen des von ihm selbst mitgeteilten Konsums von Kokain ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen.

Mit seinem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der gegen die Verfügung gerichteten Klage trägt der Antragsteller durch seinen Prozessbevollmächtigten vor, außer der Aussage des Antragstellers gebe es keinen objektiven ärztlichen oder tatsächlichen Befund für einen Kokainkonsum. Der Antragsteller habe sich lediglich wichtig machen wollen. Die Aussage sei unwahr gewesen. Der Antragsteller habe noch nie Kokain zu sich genommen.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag abgelehnt. Die Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen nach Nr. 9.1. der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung stehe trotz Fehlens eines ärztlichen Befundes über den Kokainkonsum fest. Der Antragsteller habe selbst auf Nachfrage nach seinem Drogenkonsum nach erfolgter Belehrung angegeben, zwei Wochen vor der Verkehrskontrolle am 7.4.2018 Kokain konsumiert zu haben. Sein Bestreiten im gerichtlichen Verfahren sei nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung als Schutzbehauptung zu bewerten. Ein Anlass für die angeblich wahrheitswidrigen Angaben gegenüber den Polizeibeamten sei nicht ersichtlich. Die Angabe, er habe sich nur wichtig machen wollen, sei nicht nachvollziehbar. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass Personen, die einer polizeilichen Kontrolle unterzogen würden, in der Regel gehemmt und zurückhaltend reagierten. Dies gelte umso mehr, als der Antragsteller zuvor über den Tatvorwurf einer Fahrt unter Btm-Einfluss belehrt worden sei. Lägen – wie hier – die Voraussetzungen der Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV und keine Umstände, die zur Annahme eines Ausnahmefalles führen könnten, vor, sei die Kraftfahreignung ausgeschlossen und die Fahrerlaubnis gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 FeV zu entziehen.

II.

Die dagegen erhobene Beschwerde des Antragstellers, bei deren Prüfung das Oberverwaltungsgericht auf die dargelegten Gründe beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), hat keinen Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Entziehung der Fahrerlaubnis das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung überwiegt. Die Abwägung zwischen Vollzugs- und Aussetzungsinteresse hängt zwar wesentlich von den Erfolgsaussichten des in der Hauptsache erhobenen Rechtsbehelfs ab. Sind diese jedoch offen, ist eine Folgenabwägung vorzunehmen.

Vorliegend hängt der Erfolg der gegen die Verfügung vom 27.2.2019 erhobenen Klage davon ab, ob der Antragsteller ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist. Dies wäre – was der Antragsteller nicht angreift – nach der Wertung in Nr. 9.1. der Anlage 4 zur FeV dann der Fall, wenn er Kokain konsumiert hat. Das Gericht wird sich deshalb in der Hauptsache davon überzeugen müssen, ob der Antragsteller (zwei Wochen vor der Verkehrskontrolle am 7.4.2018) Kokain konsumiert hat, oder nicht. Das Gericht ist dabei in seiner Beweiswürdigung grundsätzlich frei und nicht an bestimmte Beweismittel gebunden (§ 108 Abs. 1 VwGO). Ein Geständnis eines Verfahrensbeteiligten trägt als Bestandteil des Prozessstoffes zur Überzeugungsbildung bei, auch dann, wenn es widerrufen wurde (BVerwG, Urteil vom 03. Mai 2007 – 2 C 30/05 –, Rn. 15, juris). Entgegen der Auffassung des Antragstellers bedarf es für einen Nachweis des Kokainkonsums nicht zwingend eines medizinischen Befundes. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach Voraussetzung der Entziehung der Fahrerlaubnis ist, dass die Nichteignung positiv festgestellt wird (BVerwG, Urteil vom 09. Juni 2005 – 3 C 25/04 –, Rn. 17, juris). Das Bundesverwaltungsgericht hat sich in seiner vom Antragsteller zitierten Entscheidung nicht mit der Überzeugungsbildung des Gerichts hinsichtlich einzelner Tatsachen befasst, sondern eine Unterscheidung vorgenommen zwischen Tatsachen, deren Vorliegen bereits die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausschließen (§ 46 Abs. 1 Satz 2 FeV), und solchen Tatsachen, die (lediglich) Bedenken an der Eignung des Fahrerlaubnisinhabers zum Führen eines Kraftfahrzeuges begründen (§ 46 Abs. 3 FeV), mit der Folge, dass die Fahrerlaubnisbehörde die Eignungszweifel weiter aufklären muss.

Die gerichtliche Überzeugung von einem – einmaligen – Drogenkonsum kann sich deshalb auch allein auf die Angaben des Betroffenen stützen. (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 26. März 2019 – 11 CS 18.2333 –, Rn. 11, juris mwN). Hat der Betroffene – wie hier – die von ihm zugestandenen Tatsachenbehauptungen widerrufen, wird sich das Verwaltungsgericht im Wege weiterer Aufklärung (zu deren möglichen Umfang vgl. BVerwG, Urteil vom 03. Mai 2007 – 2 C 30/05 – Rn. 19, juris) eine Überzeugung von der Richtigkeit des – zunächst – zugestandenen Vorbringens bilden müssen.

Ob die vom Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss nur summarisch vorgenommene Würdigung der am 7.4.2018 abgegebenen Erklärung des Antragstellers zu einem Kokainkonsum und seiner Angaben hierzu im verwaltungsgerichtlichen Verfahren durch sein Beschwerdevorbringen hinreichend erschüttert wird, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden. Selbst wenn man im Hinblick auf die bei einem widerrufenen Geständnis dem Gericht obliegenden Ermittlungspflichten (s.o.) die Erfolgsaussichten der Hauptsache als offen ansieht, fällt die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotene Folgenabwägung gleichwohl zu Lasten des Antragstellers aus. Dies beruht auf den Gefahren, die von Personen, die „harte“ Drogen konsumieren, bei einer Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr ausgehen. Liegt – wie hier – ein erheblicher, durch die Angaben des Antragstellers veranlasster und derzeit nicht ausgeräumter Verdacht dafür vor, dass der Antragsteller harte Drogen konsumiert und sich deshalb als ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr erwiesen hat, besteht ein dringendes öffentliches Interesse daran, ihn sofort von einer weiteren Teilnahme am Straßenverkehr fernzuhalten. Demgegenüber hat der Antragsteller keine Angaben dazu gemacht, dass er dringend – etwa aus gesundheitlichen oder beruflichen Gründen – auf die Fahrerlaubnis angewiesen wäre. Die mit dem Sofortvollzug für den Antragsteller verbundenen Nachteile in Bezug auf seine private Lebensführung müssen von ihm im Hinblick auf den hohen Rang der gefährdeten Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer und das entsprechende öffentliche Interesse an der Verkehrssicherheit hingenommen werden. Dies gilt auch dann, falls sich im weiteren Verfahren herausstellen sollte, dass er keine Drogen nimmt, denn die Gründe, die zu dem Verdacht geführt haben, liegen allein in seinem Verantwortungsbereich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung erfolgt nach §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Haben Sie einen Bußgeldbescheid erhalten?

Mit unserer Hilfe teure Bußgelder und Fahrverbote vermeiden!

Wir überprüfen Ihren Bußgeldbescheid kostenlos und unverbindlich auf Fehler und die Möglichkeit eines Einspruchs.
Blitzer Bußgeld prüfen

Rechtstipps aus dem Verkehrsrecht

Urteile über Bußgeld und Ordnungswidrigkeiten

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!