Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Ein alltäglicher Albtraum: Der Führerschein ist weg – doch dann ändert sich das Gesetz
- Der Weg vor Gericht: Eine lange Vorgeschichte mit schwerwiegenden Diagnosen
- Die entscheidende Wende: Das neue Cannabisgesetz und die erste Gerichtsentscheidung
- Die Behörde wehrt sich: Warum die erste Entscheidung falsch sein soll
- Das Urteil des VGH München: Klarheit im Streit um altes und neues Recht
- Die Begründung des Gerichts Schritt für Schritt erklärt
- Kein Freifahrtschein durch Gesetzesänderung
- Der richtige Weg für die Betroffene: Der Antrag auf Neuerteilung
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was bedeutet eine Fahrerlaubnisentziehung überhaupt?
- Hat das neue Cannabisgesetz rückwirkenden Einfluss auf eine bereits vor dem 1. April 2024 entzogene Fahrerlaubnis?
- Warum ist der Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung für die Gültigkeit der Fahrerlaubnisentziehung wichtig?
- Welche Schritte muss ich unternehmen, um meine Fahrerlaubnis nach einer Entziehung wiederzuerlangen?
- Wann ist eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) nach einer Fahrerlaubnisentziehung wegen Cannabiskonsums erforderlich?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 11 CS 25.203 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: VGH München
- Datum: 23.04.2025
- Aktenzeichen: 11 CS 25.203
- Verfahrensart: Beschwerdeverfahren (vorläufiger Rechtsschutz)
- Rechtsbereiche: Fahrerlaubnisrecht, Straßenverkehrsgesetz (StVG), Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV), Cannabisgesetz (CanG)
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Eine Frau, der die Fahrerlaubnis entzogen wurde und die dies gerichtlich anfocht.
- Beklagte: Die Behörde, die die Fahrerlaubnis entzogen hat.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Die Antragstellerin wehrte sich gegen die Entziehung ihrer Fahrerlaubnis durch die Behörde. Hintergrund war der Konsum von Cannabis und die missbräuchliche Einnahme von psychoaktiv wirkenden Arzneimitteln, die zu einer ärztlich festgestellten Beeinträchtigung der Fahreignung führten.
- Kern des Rechtsstreits: Es ging darum, ob die erfolgte Entziehung der Fahrerlaubnis rechtmäßig war und aufrechterhalten bleiben konnte, insbesondere angesichts der zum 1. April 2024 geänderten Gesetzeslage zum Cannabiskonsum. Zudem wurde geprüft, ob die Behörde durch die Entziehung vor Inkrafttreten des neuen Cannabisgesetzes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstieß.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Der Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ab und änderte damit die gegenteilige Entscheidung des Verwaltungsgerichts.
- Begründung: Die Entziehung der Fahrerlaubnis war zum Zeitpunkt des behördlichen Bescheids rechtmäßig. Die zum 1. April 2024 in Kraft getretene, für Cannabiskonsumenten günstigere Rechtslage hat keine Rückwirkung auf bereits erfolgte Fahrerlaubnisentziehungen. Die Behörde war nicht verpflichtet, das Inkrafttreten des neuen Cannabisgesetzes abzuwarten und handelte nicht treuwidrig.
- Folgen: Die Fahrerlaubnisentziehung bleibt vorläufig wirksam. Die Antragstellerin muss, sofern sie wieder fahrgeeignet ist, ein neues Antragsverfahren zur Neuerteilung der Fahrerlaubnis nach den nun geltenden Regelungen durchlaufen.
Der Fall vor Gericht
Ein alltäglicher Albtraum: Der Führerschein ist weg – doch dann ändert sich das Gesetz
Jeder Autofahrer fürchtet den Moment, in dem die Fahrerlaubnis entzogen wird. Doch was passiert, wenn sich kurz nach der Entziehung die Rechtslage ändert? Wenn das, was gestern noch zum Verlust des Führerscheins führte, heute vielleicht gar kein Grund mehr dafür wäre? Genau diese komplexe Frage musste der Verwaltungsgerichtshof München klären. Es ging um eine Frau, deren Führerschein wegen Cannabiskonsums entzogen wurde, kurz bevor das neue, liberalere Cannabisgesetz in Kraft trat.
Der Weg vor Gericht: Eine lange Vorgeschichte mit schwerwiegenden Diagnosen

Die Geschichte begann lange vor der eigentlichen Gerichtsverhandlung. Im Februar 2022 wurde der zuständigen Fahrerlaubnisbehörde bekannt, dass eine Frau, wir nennen sie Frau S., im Rahmen eines Suizidversuchs psychoaktiv wirkende Arzneimittel eingenommen hatte. Ärztliche Berichte diagnostizierten daraufhin nicht nur eine schwere depressive Störung mit psychotischen Symptomen, sondern auch einen schädlichen Gebrauch von Cannabis. Frau S. gab selbst an, von 2018 bis Anfang 2022 täglich Cannabis konsumiert zu haben.
Was bedeutet das für den Führerschein? Wenn eine Behörde solche Informationen erhält, muss sie Zweifel an der sogenannten Fahreignung haben. Die Fahreignung ist die grundsätzliche körperliche und geistige Fähigkeit, ein Fahrzeug sicher im Straßenverkehr zu führen. Um diese Zweifel zu klären, forderte die Behörde zunächst ein ärztliches Gutachten an. Dieses Gutachten kam im September 2023 zu dem Schluss, dass Frau S. unter bestimmten Auflagen, nämlich regelmäßigen ärztlichen Kontrollen, wieder fahrtauglich sei.
Doch der Behörde reichte das nicht aus. Wegen der Vorgeschichte mit dem Cannabiskonsum ordnete sie zusätzlich eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) an. Die MPU, oft umgangssprachlich als „Idiotentest“ bezeichnet, ist eine tiefgehende Überprüfung, bei der Ärzte und Psychologen die Fahreignung einer Person umfassend bewerten. Das Ergebnis dieser MPU im Januar 2024 war für Frau S. niederschmetternd: Das Gutachten fiel negativ aus. Die Gutachter kamen zu dem Schluss, dass die Gefahr eines Rückfalls in den Drogenkonsum zu hoch sei, vor allem, weil Frau S. keine einjährige Drogenabstinenz nachweisen konnte.
Die entscheidende Wende: Das neue Cannabisgesetz und die erste Gerichtsentscheidung
Auf Grundlage dieses negativen MPU-Gutachtens handelte die Behörde konsequent. Mit einem Bescheid vom 8. März 2024 entzog sie Frau S. die Fahrerlaubnis und forderte sie auf, ihren Führerschein sofort abzugeben. Zu diesem Zeitpunkt war die Rechtslage eindeutig: Regelmäßiger Cannabiskonsum führte nach der damals geltenden Fahrerlaubnis-Verordnung zum automatischen Verlust der Fahreignung. Die Behörde hatte also gar keine andere Wahl, als den Führerschein zu entziehen. Man spricht hier von einer gebundenen Entscheidung, was bedeutet, dass das Gesetz der Behörde keinen Spielraum für eine eigene Abwägung lässt.
Doch dann geschah etwas Entscheidendes: Zum 1. April 2024 trat das neue Cannabisgesetz (CanG) in Kraft. Dieses Gesetz änderte auch die Regeln für die Fahreignung. Nach der neuen Rechtslage führt regelmäßiger Cannabiskonsum nicht mehr automatisch zur Annahme der Fahrunfähigkeit. Frau S. zog gegen die Entziehung ihrer Fahrerlaubnis vor Gericht. Das Verwaltungsgericht Ansbach, die erste Instanz, gab ihr in einem Eilverfahren vorläufig Recht.
Aber warum, wenn die Entscheidung der Behörde im März doch rechtmäßig war? Das Gericht argumentierte mit einem fundamentalen Rechtsgrundsatz: dem Prinzip von Treu und Glauben. Dieser Grundsatz, der aus dem Zivilrecht stammt (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch), besagt vereinfacht, dass niemand seine Rechte in einer grob unfairen oder widersprüchlichen Weise ausüben darf. Das Gericht meinte, es sei treuwidrig, die Entziehung der Fahrerlaubnis weiter aufrechtzuerhalten, obwohl die rechtliche Grundlage dafür nur wenige Wochen später weggefallen war. Die Interessen von Frau S. würden in diesem speziellen Fall schwerer wiegen als das Interesse der Öffentlichkeit an der sofortigen Vollziehung des Bescheids.
Die Behörde wehrt sich: Warum die erste Entscheidung falsch sein soll
Die Fahrerlaubnisbehörde war mit diesem Ergebnis nicht einverstanden und legte Beschwerde beim nächsthöheren Gericht, dem Verwaltungsgerichtshof (VGH) München, ein. Ihre Argumente waren klar und juristisch fundiert.
Erstens rügte die Behörde einen Formfehler. Frau S. hatte in ihrem Antrag nur die Aufhebung der Fahrerlaubnisentziehung beantragt, nicht aber die Rückgabe des physischen Führerscheindokuments. Das erste Gericht hatte ihr aber beides zugesprochen und sei damit über den Antrag hinausgegangen. Ein Gericht darf aber nie mehr zusprechen, als beantragt wurde.
Zweitens, und das war der Kernpunkt, argumentierte die Behörde, dass für die rechtliche Beurteilung einer behördlichen Maßnahme immer der Zeitpunkt entscheidend ist, an dem die Behörde ihre letzte Entscheidung trifft. Man nennt dies den maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt. Im Fall von Frau S. war dies der 8. März 2024. An diesem Tag galt das alte, strenge Recht, und danach war die Entziehung zwingend. Eine spätere Gesetzesänderung könne eine ursprünglich rechtmäßige Entscheidung nicht im Nachhinein rechtswidrig machen. Den Grundsatz von Treu und Glauben hier anzuwenden, würde im Ergebnis eine Rückwirkung des neuen Gesetzes bedeuten, die der Gesetzgeber selbst gar nicht vorgesehen hat.
Das Urteil des VGH München: Klarheit im Streit um altes und neues Recht
Der VGH München folgte der Argumentation der Behörde und änderte die Entscheidung der Vorinstanz. Der Antrag von Frau S. auf vorläufigen Rechtsschutz wurde abgelehnt. Das bedeutet: Ihr Führerschein bleibt vorerst entzogen. Das Gericht erklärte detailliert, warum diese Entscheidung unumgänglich war.
Die Begründung des Gerichts Schritt für Schritt erklärt
Um die Logik des Gerichts nachzuvollziehen, müssen wir uns seine Argumente genauer ansehen.
Punkt 1: Ein Formfehler des ersten Gerichts
Zunächst bestätigte der VGH den von der Behörde gerügten Formfehler. Der Antrag von Frau S., die von einem Anwalt vertreten wurde, war klar formuliert und bezog sich nur auf die Entziehung der Fahrerlaubnis. Das erste Gericht hätte die aufschiebende Wirkung daher nicht auch auf die Pflicht zur Abgabe des Führerscheins ausdehnen dürfen. Stellen Sie sich vor, Sie verklagen Ihren Nachbarn auf die Rückzahlung von 100 Euro. Der Richter kann ihn dann nicht zusätzlich verurteilen, auch noch Ihren Gartenzaun zu streichen. Er ist an Ihren Antrag gebunden.
Punkt 2: Der entscheidende Zeitpunkt und der Grundsatz von Treu und Glauben
Dies war der wichtigste Teil der Begründung. Der VGH stellte klar: Die Entziehung der Fahrerlaubnis war am 8. März 2024, dem Tag der Entscheidung, vollkommen rechtmäßig. Zu diesem Zeitpunkt war die Behörde gesetzlich verpflichtet, so zu handeln. Die entscheidende Frage war nun: Kann der Grundsatz von Treu und Glauben diese rechtmäßige Entscheidung im Nachhinein „heilen“ oder unwirksam machen?
Die Antwort des Gerichts war ein klares Nein. Der Grundsatz von Treu und Glauben soll zwar unfaire Ergebnisse korrigieren, aber er kann nicht dazu benutzt werden, geltendes Recht auszuhebeln. Die Behörde handelte nicht widersprüchlich oder unfair. Sie hat einfach nur das damals gültige Gesetz angewendet. Man kann ihr nicht vorwerfen, nicht auf eine zukünftige, noch gar nicht in Kraft getretene Gesetzesänderung gewartet zu haben. Das würde die gesetzliche Bindung der Verwaltung untergraben.
Kein Freifahrtschein durch Gesetzesänderung
Das Gericht machte deutlich, dass eine Gesetzesänderung nicht automatisch wie ein Rabatt wirkt, den man rückwirkend auf alte Käufe anwenden kann. Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass das neue Cannabisgesetz auch für bereits abgeschlossene Fälle wie den von Frau S. gilt, hätte er eine entsprechende Übergangsregelung schaffen müssen. Das hat er aber nicht getan.
Der VGH argumentierte, dass die Anwendung von Treu und Glauben hier zu einer „faktischen Rückwirkung“ des neuen Gesetzes führen würde, die der Gesetzgeber nicht wollte. Das Gericht darf sich nicht über den Willen des Gesetzgebers hinwegsetzen. Die Situation ist vergleichbar mit einer Geschwindigkeitsüberschreitung: Wer heute auf einer 80er-Strecke mit 120 km/h geblitzt wird, kann sich morgen nicht darauf berufen, dass das Tempolimit auf 120 km/h angehoben wurde. Entscheidend ist der Moment des Verstoßes.
Der richtige Weg für die Betroffene: Der Antrag auf Neuerteilung
Das Gericht betonte aber auch, dass Frau S. nicht ohne Perspektive ist. Die Entscheidung bedeutet nicht, dass sie nie wieder Auto fahren darf. Ihr steht der vom Gesetz vorgesehene Weg offen: Sie kann einen Antrag auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis stellen.
Was ist der Unterschied? Ihre alte Fahrerlaubnis ist mit der Entziehung am 8. März 2024 erloschen. Sie ist rechtlich nicht mehr existent. Wenn sie nun einen neuen Antrag stellt, wird dieser nach der heute gültigen, für sie günstigeren Rechtslage beurteilt. Die Hürden für eine Neuerteilung sind durch das Cannabisgesetz niedriger geworden. Das Gericht kann aber nicht einfach so tun, als wäre die alte Fahrerlaubnis nie erloschen. Dieser vom Gesetzgeber vorgesehene Weg der Neuerteilung muss eingehalten werden.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil zeigt, dass eine Gesetzesänderung bestehende behördliche Entscheidungen nicht automatisch rückwirkend unwirksam macht. Obwohl das neue, liberalere Cannabisgesetz nur wenige Wochen nach der Führerscheinentziehung in Kraft trat, blieb die ursprüngliche Entscheidung rechtmäßig, weil sie zum damaligen Zeitpunkt gesetzlich vorgeschrieben war. Betroffene können jedoch einen neuen Antrag auf Fahrerlaubnis stellen, der dann nach den aktuell gültigeren Regelungen beurteilt wird. Die Entscheidung verdeutlicht, dass Rechtssicherheit und die Bindung von Behörden an geltendes Recht Vorrang vor individuellen Härtefällen haben, selbst wenn sich die Rechtslage kurz danach ändert.
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was bedeutet eine Fahrerlaubnisentziehung überhaupt?
Eine Fahrerlaubnisentziehung bedeutet, dass Ihnen das grundsätzliche Recht, ein Kraftfahrzeug zu führen, vollständig entzogen wird. Es handelt sich hierbei nicht nur um den vorübergehenden Einzug Ihres Führerscheins, sondern um den Verlust der Berechtigung selbst. Stellen Sie sich vor, Sie haben ein Recht zu einer bestimmten Aktivität, und dieses Recht wird Ihnen genommen. Genau das passiert bei einer Fahrerlaubnisentziehung mit Ihrer Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen.
Der Unterschied zum Fahrverbot
Es ist wichtig, die Fahrerlaubnisentziehung von einem Fahrverbot abzugrenzen, da die beiden Begriffe oft verwechselt werden:
- Fahrverbot: Dies ist eine zeitlich begrenzte Maßnahme, bei der Sie für einen bestimmten Zeitraum (oft 1 bis 3 Monate) kein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr führen dürfen. Ihr Führerschein wird für diese Zeit verwahrt, danach erhalten Sie ihn automatisch zurück. Ihre grundsätzliche Fahrerlaubnis bleibt dabei bestehen.
- Fahrerlaubnisentziehung: Hier wird Ihnen, wie beschrieben, das Recht, ein Fahrzeug zu führen, ganz entzogen. Der Führerschein, also das Dokument, das diese Erlaubnis bestätigt, wird in der Regel eingezogen oder für ungültig erklärt. Das bedeutet, Sie dürfen nach dem Entzug der Fahrerlaubnis überhaupt keine Kraftfahrzeuge mehr im öffentlichen Straßenverkehr führen, auch nicht, wenn Sie noch im Besitz des physischen Führerscheindokuments wären.
Konsequenzen und Wiedererlangung
Wird Ihnen die Fahrerlaubnis entzogen, müssen Sie im Regelfall eine sogenannte Sperrfrist abwarten. Dies ist ein Zeitraum, der meist mehrere Monate bis Jahre dauert, in dem Sie keine neue Fahrerlaubnis beantragen dürfen. Die genaue Dauer dieser Sperrfrist hängt von den Umständen ab, die zum Entzug geführt haben.
Nach Ablauf dieser Sperrfrist müssen Sie die Fahrerlaubnis komplett neu beantragen. Dies ist kein einfacher „Rückgabe“-Prozess, sondern eine neue Beantragung, als ob Sie noch nie eine Fahrerlaubnis besessen hätten. Die Behörde prüft dann erneut Ihre Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen. Je nach Einzelfall können hierfür verschiedene Nachweise gefordert werden, etwa die Teilnahme an bestimmten Kursen, ärztliche Gutachten oder auch eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU).
Zusammenfassend bedeutet eine Fahrerlaubnisentziehung also den vollständigen, rechtlichen Verlust der Berechtigung zum Führen eines Kraftfahrzeugs, verbunden mit der Notwendigkeit, diese Berechtigung nach einer Wartezeit und einer erneuten Prüfung komplett neu zu erwerben.
Hat das neue Cannabisgesetz rückwirkenden Einfluss auf eine bereits vor dem 1. April 2024 entzogene Fahrerlaubnis?
Nein, das neue Cannabisgesetz vom 1. April 2024 hat grundsätzlich keinen rückwirkenden Einfluss auf eine bereits vor diesem Datum rechtskräftig entzogene Fahrerlaubnis.
Prinzip der Rechtskraft und fehlende Rückwirkung
Im deutschen Recht gilt ein wichtiges Prinzip: Einmal getroffene, rechtskräftige Entscheidungen bleiben auch bei einer späteren Gesetzesänderung in der Regel bestehen. Das bedeutet, wenn Ihre Fahrerlaubnis vor dem 1. April 2024 aufgrund der damals geltenden Gesetze entzogen wurde und diese Entscheidung rechtskräftig geworden ist – also nicht mehr durch Einspruch, Widerspruch oder Klage angefochten werden kann oder die Fristen dafür abgelaufen sind – dann bleibt diese Entziehung wirksam.
Stellen Sie sich vor, eine Entscheidung ist wie ein abgeschlossenes Buch. Auch wenn sich die Regeln für neue Bücher ändern, bleiben die Geschichten in den bereits geschriebenen und abgeschlossenen Büchern gleich. Das neue Cannabisgesetz betrifft in erster Linie Fälle, die nach dem 1. April 2024 auftreten oder noch nicht abschließend entschieden wurden. Es ändert die rechtliche Grundlage für zukünftige Bewertungen des Cannabisbesitzes und -konsums im Straßenverkehr, aber es hebt keine alten Entscheidungen automatisch auf.
Auswirkungen auf alte Fälle und neue Anträge
Das Gesetz sieht keine automatische Wiedererteilung der Fahrerlaubnis oder eine Annullierung früherer Entziehungen vor, nur weil sich die Rechtslage geändert hat. Die Entziehung der Fahrerlaubnis war zu dem Zeitpunkt der Entscheidung rechtmäßig und beruhte auf den damals gültigen Vorschriften.
Für Sie bedeutet das, dass eine einmal entzogene Fahrerlaubnis nicht durch das neue Gesetz wieder auflebt. Wenn Sie eine neue Fahrerlaubnis erhalten möchten, müssen Sie in der Regel einen neuen Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis stellen. Bei einem solchen neuen Antrag wird die zuständige Behörde dann die Kriterien und Grenzwerte, die mit dem neuen Cannabisgesetz eingeführt wurden, anwenden. Allerdings ist es wichtig zu verstehen, dass ein solcher Antrag ein neues Verfahren ist und nicht dazu dient, eine alte, rechtskräftige Entziehung rückgängig zu machen. Dabei werden dann Ihre aktuelle Fahreignung und die Voraussetzungen für eine Neuerteilung nach den neuen Regeln beurteilt. Dies kann unter Umständen auch eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) oder andere Auflagen umfassen, die sich wiederum an den aktuellen Bestimmungen orientieren.
Warum ist der Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung für die Gültigkeit der Fahrerlaubnisentziehung wichtig?
Wenn eine Behörde über die Entziehung Ihrer Fahrerlaubnis entscheidet, ist der Zeitpunkt dieser Entscheidung von größter Bedeutung. Der Grund dafür liegt in einem grundlegenden Prinzip des Verwaltungsrechts, dem sogenannten „maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt“.
Der maßgebliche Beurteilungszeitpunkt
Stellen Sie sich vor, eine Behörde wie das Straßenverkehrsamt prüft, ob Sie zum Führen eines Fahrzeugs geeignet sind und ob Ihnen die Fahrerlaubnis entzogen werden muss. Die Behörde muss ihre Entscheidung auf der Grundlage der Tatsachen und der Gesetze treffen, die genau in dem Moment existieren, in dem die Entscheidung gefällt wird. Dies ist wie ein Schnappschuss der rechtlichen und tatsächlichen Lage.
Für Sie bedeutet das: Die Behörde kann nur das berücksichtigen, was zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung bekannt und rechtlich gültig ist. Spätere Entwicklungen oder Änderungen spielen für die Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Entscheidung keine Rolle mehr. Eine behördliche Entscheidung muss nicht im Nachhinein an neue Gesetze oder Umstände angepasst werden, die erst später eintreten.
Warum spätere Änderungen nicht zählen
Dieses Prinzip ist wichtig für die Rechtssicherheit. Wenn jede behördliche Entscheidung immer wieder neu überprüft werden müsste, sobald sich ein Gesetz ändert oder neue Umstände eintreten, wäre das Rechtssystem sehr instabil. Nehmen wir an, das Gesetz, auf dessen Grundlage Ihre Fahrerlaubnis entzogen wurde, wird später geändert oder sogar aufgehoben. Die damalige Entscheidung war aber zum Zeitpunkt ihrer Fällung rechtmäßig und gültig, weil sie nach den damals geltenden Regeln getroffen wurde.
Ein anschauliches Beispiel: Wenn eine neue Geschwindigkeitsbegrenzung eingeführt wird, macht das Ihre alte Geschwindigkeitsüberschreitung, die vor der Änderung stattfand, nicht ungeschehen oder die damalige Strafe ungültig. Es zählt der Moment des Verstoßes und die damals geltende Regel. Genauso verhält es sich bei der Entziehung der Fahrerlaubnis: Die Gültigkeit der Entziehung hängt davon ab, ob die Behörde die Entscheidung korrekt nach den Gesetzen und Fakten zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung getroffen hat.
Der Grundsatz von „Treu und Glauben“
Der Grundsatz von „Treu und Glauben“ bezieht sich meist auf Fairness und Vertrauen in einem persönlichen oder vertraglichen Verhältnis zwischen zwei Parteien. Er ist zum Beispiel wichtig, wenn es um das Verhalten bei Verträgen geht. Bei behördlichen Entscheidungen, die auf objektiven Gesetzeslagen beruhen, spielt dieser Grundsatz in Bezug auf den maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt keine direkte Rolle.
Die Behörde muss objektiv und nach den geltenden Gesetzen entscheiden. Sie kann nicht warten oder zukünftige Gesetzesänderungen antizipieren, nur weil jemand hofft, dass sich die Rechtslage zu seinen Gunsten ändern könnte. Das übergeordnete Interesse ist hier die öffentliche Sicherheit, insbesondere im Straßenverkehr. Daher muss die Behörde schnell und auf Basis der aktuellen Rechtslage handeln können, ohne auf mögliche zukünftige Entwicklungen Rücksicht zu nehmen. Das sorgt für klare Verhältnisse und Verlässlichkeit in der Rechtsanwendung.
Welche Schritte muss ich unternehmen, um meine Fahrerlaubnis nach einer Entziehung wiederzuerlangen?
Wenn Ihnen die Fahrerlaubnis entzogen wurde, bedeutet das, dass Ihre Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen komplett erloschen ist. Es handelt sich hierbei nicht um eine bloße vorübergehende Abnahme, sondern um eine dauerhafte Aufhebung der Fahrerlaubnis. Deshalb ist nach einer Entziehung auch nicht von einer „Wiedererteilung“ die Rede, sondern stets von einer „Neuerteilung“. Für die Neuerteilung müssen Sie einen vollständigen neuen Antrag stellen und die Voraussetzungen für das Führen eines Fahrzeugs erneut erfüllen.
Die Entziehung: Das Erlöschen der Fahrerlaubnis
Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist die schwerwiegendste Maßnahme im Fahrerlaubnisrecht. Sie erfolgt in der Regel, wenn eine Person als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen angesehen wird, beispielsweise aufgrund schwerwiegender Verkehrsverstöße, Fahrten unter Alkohol- oder Drogeneinfluss oder aus gesundheitlichen Gründen. Mit der Entziehung verlieren Sie Ihre Fahrerlaubnis vollständig. Gleichzeitig wird fast immer eine Sperrfrist festgesetzt. Dies ist ein Zeitraum, in dem Ihnen keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf.
Der Weg zur Neuerteilung: Ein neuer Anfang
Um Ihre Fahrerlaubnis nach einer Entziehung wiederzuerlangen, sind bestimmte Schritte und Voraussetzungen zu erfüllen:
- Ablauf der Sperrfrist: Der erste und unverzichtbare Schritt ist das vollständige Ablaufen der gerichtlich oder behördlich festgesetzten Sperrfrist. Vor Ablauf dieser Frist ist die Stellung eines Antrags auf Neuerteilung grundsätzlich nicht möglich. Oft können Sie den Antrag aber bereits einige Monate vor Ablauf der Frist stellen, damit die Bearbeitung rechtzeitig abgeschlossen ist.
- Antrag bei der Führerscheinstelle: Sobald die Sperrfrist absehbar ist oder abgelaufen ist, müssen Sie einen Antrag auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis bei der zuständigen Führerscheinstelle stellen. Dies ist der gleiche Antrag, den Sie auch bei einem Ersterwerb des Führerscheins stellen würden.
- Nachweis der Fahreignung: Der Kern des Neuerteilungsverfahrens ist der Nachweis Ihrer Fahreignung. Die Behörde muss sich davon überzeugen, dass Sie zukünftig in der Lage sein werden, sicher und verantwortungsbewusst am Straßenverkehr teilzunehmen. Dies kann je nach Einzelfall unterschiedliche Nachweise erfordern:
- Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU): In vielen Fällen, insbesondere nach schwerwiegenden Verkehrsdelikten, Fahrten unter Alkohol- oder Drogeneinfluss oder bei einer hohen Anzahl von Punkten im Fahreignungsregister, wird eine MPU angeordnet. Die MPU dient dazu, zu beurteilen, ob Sie die Ursachen für Ihr Fehlverhalten erkannt und geändert haben und künftig nicht mehr gegen die Verkehrsregeln verstoßen werden. Sie besteht aus einem medizinischen Teil, einem psychologischen Gespräch und manchmal auch einem Leistungstest.
- Weitere Nachweise: Je nach Vorgeschichte können auch andere Nachweise erforderlich sein, wie zum Beispiel ärztliche Gutachten zur körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit, Nachweise über Abstinenz von Alkohol oder Drogen (Haar- oder Urinproben über einen längeren Zeitraum), oder der Nachweis, dass Sie an einer verkehrspsychologischen Schulung teilgenommen haben.
Berücksichtigung aktueller rechtlicher Entwicklungen
Die Bedingungen für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis können sich im Laufe der Zeit ändern, da die Gesetzgebung und die Rechtsprechung sich weiterentwickeln. Es ist wichtig zu wissen, dass rechtliche Entwicklungen unter Umständen veränderte Voraussetzungen für eine Neuerteilung schaffen können. Dies kann beispielsweise die Anforderungen an bestimmte Gutachten oder die Anerkennung von Maßnahmen zur Wiederherstellung der Fahreignung betreffen. Die genauen Anforderungen an die Fahreignung werden jedoch stets individuell von der zuständigen Führerscheinstelle geprüft und hängen von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab, wie etwa dem Grund für die Entziehung und der Länge der Sperrfrist.
Letztlich ist die Neuerteilung Ihrer Fahrerlaubnis ein mehrstufiger Prozess, der die Erfüllung verschiedener Voraussetzungen erfordert und darauf abzielt, Ihre uneingeschränkte Fahreignung neu festzustellen.
Wann ist eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) nach einer Fahrerlaubnisentziehung wegen Cannabiskonsums erforderlich?
Eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) wird nach einer Fahrerlaubnisentziehung wegen Cannabiskonsums immer dann angeordnet, wenn bei der Fahrerlaubnisbehörde Zweifel an Ihrer Fahreignung bestehen und diese Zweifel nur durch ein solches Gutachten ausgeräumt werden können. Die MPU dient dazu festzustellen, ob Sie trotz früherer Vorfälle wieder in der Lage sind, ein Fahrzeug sicher und verantwortungsbewusst im Straßenverkehr zu führen.
Gründe für die Anordnung einer MPU bei Cannabiskonsum
Die Anordnung einer MPU erfolgt in der Regel bei:
- Nachgewiesenem Cannabismissbrauch oder Cannabisabhängigkeit: Wenn Tatsachen vorliegen, die darauf hindeuten, dass Sie Cannabis missbraucht haben oder davon abhängig waren. Dies kann sich aus den Umständen der Fahrerlaubnisentziehung ergeben, beispielsweise durch hohe THC-Werte im Blut, wiederholte Auffälligkeiten im Straßenverkehr unter Cannabiseinfluss oder bei Bekanntwerden von regelmäßigem Cannabiskonsum.
- Fehlender Trennung von Konsum und Fahren: Auch wenn keine Abhängigkeit vorliegt, kann eine MPU gefordert werden, wenn Sie nicht ausreichend zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Führen eines Kraftfahrzeugs trennen konnten. Dies ist oft der Fall, wenn Sie unter dem Einfluss von Cannabis aktiv am Straßenverkehr teilgenommen haben und die Behörde annimmt, dass Sie zukünftig erneut unter Einfluss fahren könnten.
- Regelmäßigem Cannabiskonsum: Wenn die Fahrerlaubnisbehörde Kenntnis von einem regelmäßigen Cannabiskonsum erlangt, auch wenn dieser nicht direkt mit einer Fahrt unter Einfluss verbunden war, können erhebliche Zweifel an der Fahreignung entstehen. Ein regelmäßiger Konsum kann darauf hindeuten, dass die nötige Distanz zum Rauschmittel fehlt, um ein Fahrzeug sicher zu steuern.
Bedeutung von Abstinenznachweisen und der MPU
Für eine positive Beurteilung bei der MPU ist es in vielen Fällen, insbesondere bei regelmäßigem Cannabiskonsum oder Missbrauch, essenziell, dass Sie eine Phase der Drogenabstinenz nachweisen können. Die Dauer dieser Abstinenz kann je nach Einzelfall und Einschätzung der Behörde variieren, liegt aber häufig bei sechs oder zwölf Monaten. Dieser Nachweis erfolgt durch regelmäßige Haaranalysen oder Urinscreenings bei einer akkreditierten Stelle.
Die MPU selbst umfasst mehrere Teile: eine medizinische Untersuchung, Leistungstests und ein psychologisches Gespräch. Im psychologischen Gespräch geht es darum, dass Sie Ihre früheren Konsumgewohnheiten kritisch reflektieren, Einsicht zeigen und darlegen, wie Sie zukünftig eine sichere Teilnahme am Straßenverkehr gewährleisten werden. Das Ziel ist es, der Fahrerlaubnisbehörde zu beweisen, dass Sie die notwendigen Verhaltensänderungen vorgenommen haben und somit wieder fahrgeeignet sind.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Fahreignung
Fahreignung bezeichnet die körperliche und geistige Fähigkeit einer Person, ein Fahrzeug sicher im Straßenverkehr zu führen. Sie ist Voraussetzung für den Erhalt und den Erhalt einer Fahrerlaubnis (§ 2 Abs. 4 Straßenverkehrsgesetz, StVG). Kommen Zweifel an der Fahreignung auf – etwa wegen Drogenkonsums oder psychischer Erkrankungen – kann die Behörde Maßnahmen wie Gutachten oder eine medizinisch-psychologische Untersuchung anordnen, um die Fahreignung zu überprüfen. Fahreignung ist damit ein zentrales Kriterium für die Entscheidung über den Entzug oder die Neuerteilung der Fahrerlaubnis.
Beispiel: Wenn jemand wegen wiederholtem Alkohol- oder Drogenkonsum auffällig geworden ist, prüft die Behörde, ob die Person noch geeignet ist, sicher Auto zu fahren.
Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU)
Die Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) ist ein begutachtendes Verfahren, das Fahreignung bei Personen mit Zweifeln – etwa durch Drogenmissbrauch oder Verkehrsstraftaten – beurteilt. Sie umfasst medizinische Tests, psychologische Gespräche und oft Leistungstests, um festzustellen, ob die betroffene Person zukünftig sicher und verantwortungsvoll am Straßenverkehr teilnehmen kann. Die MPU ist keine Strafe, sondern eine Voraussetzung für die Wiedererlangung oder den Erhalt der Fahrerlaubnis (§ 70 Fahrerlaubnis-Verordnung, FeV). Ein negatives MPU-Gutachten führt meist zum Entzug oder zur Verweigerung der Fahrerlaubnis.
Beispiel: Wer erwiesenermaßen unter Cannabiseinfluss gefahren ist, muss oft eine MPU bestehen, bevor er wieder fahren darf.
Gebundene Entscheidung
Eine gebundene Entscheidung ist eine behördliche Entscheidung, bei der die Behörde keinen eigenen Ermessensspielraum hat, sondern nach klaren gesetzlichen Vorgaben handeln muss. Das heißt: Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen vor, muss die Behörde die Entscheidung so treffen, andernfalls darf sie sie nicht fällen. Im Fall von Frau S. führte der damalige Gesetzesstand zu einem automatischen Entzug der Fahrerlaubnis bei regelmäßigem Cannabiskonsum, sodass die Behörde keine andere Wahl hatte. Gebundene Entscheidungen sichern die Einheitlichkeit und Vorhersehbarkeit des Verwaltungshandelns.
Beispiel: Wenn im Gesetz steht, dass bei einem bestimmten Verstoß automatisch eine Strafe verhängt werden muss, kann die Behörde nicht mildernde Umstände berücksichtigen.
Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt
Der maßgebliche Beurteilungszeitpunkt ist der genaue Zeitpunkt, zu dem eine behördliche Entscheidung getroffen wird und aufgrund dessen die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung zu beurteilen ist. Die Behörde darf bei ihrer Entscheidung nur die Tatsachen und die Rechtslage berücksichtigen, die zu diesem Zeitpunkt gelten. Spätere Gesetzesänderungen oder neue Erkenntnisse bleiben dabei unberücksichtigt. Dieses Prinzip gewährleistet Rechtssicherheit und Verlässlichkeit im Verwaltungsverfahren und verhindert Rückwirkungen neuer Gesetze auf abgeschlossene Entscheidungen.
Beispiel: Wurde der Führerschein vor einer Gesetzesänderung entzogen, bleibt die Entscheidung gültig, auch wenn das neue Gesetz die Regeln geändert hat.
Grundsatz von Treu und Glauben
Der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch, BGB) verpflichtet dazu, Rechte und Pflichten fair und vertrauenswürdig auszuüben. Niemand darf seine Rechte in widersprüchlicher oder unfairer Weise geltend machen. Im Verwaltungsrecht wird dieser Grundsatz für die Beurteilung von behördlichen Entscheidungen herangezogen, um grob unfaire oder widersprüchliche Verfahrensweisen zu verhindern. Allerdings darf Treu und Glauben nicht dazu führen, geltendes Recht außer Kraft zu setzen oder nachträglich geltende Gesetze rückwirkend anzuwenden.
Beispiel: Es wäre treuwidrig, wenn eine Behörde eine Entziehung der Fahrerlaubnis aufrechterhält, obwohl kurz darauf ein neues Gesetz solche Entziehungen grundsätzlich ausschließt, wenn die Entziehung noch offen ist; hingegen darf dies nicht dazu führen, bereits rechtskräftige Entscheidungen zu ändern.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 3 Absatz 1 Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV): Regelt die Voraussetzungen zur Fahreignung, insbesondere die körperliche und geistige Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen. Ein regelmäßiger Cannabiskonsum kann hier als Ausschlussgrund für die Fahrerlaubnis gelten. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Entziehung der Fahrerlaubnis von Frau S. stützte sich auf diese Vorschrift, da zu dem Zeitpunkt der Entscheidung ihr regelmäßiger Konsum als Fahruntüchtigkeit bewertet wurde.
- Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) nach § 14 FeV: Dient der Begutachtung der Fahreignung bei Zweifeln, insbesondere bei Drogenkonsum. Das negative MPU-Gutachten führte zur Ablehnung der Fahreignung von Frau S. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die MPU war entscheidend für die behördliche Entziehung der Fahrerlaubnis, da sie ein erhöhtes Rückfallrisiko im Cannabiskonsum feststellte.
- Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB): Verbietet eine rechtsmissbräuchliche und widersprüchliche Rechtsausübung. Er schützt vor unfairen Nachteilen bei Rechtsänderungen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Verwaltungsgericht Ansbach stützte sein vorläufiges Urteil auf diesen Grundsatz, um die Entziehung trotz der nun geänderten Rechtslage zunächst zurückzunehmen.
- Grundsatz des maßgeblichen Beurteilungszeitpunkts: Nach ständiger Rechtsprechung gilt für die Beurteilung von Verwaltungsentscheidungen der Zeitpunkt, an dem die Behörde ihre letzte Entscheidung trifft. Gesetzesänderungen danach haben grundsätzlich keine rückwirkende Wirkung. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Verwaltungsgerichtshof München entschied, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis am 8. März 2024 rechtmäßig war, weil zu diesem Zeitpunkt die alte, strengere Rechtslage galt.
- Verwaltungsverfahrensgesetz (insbesondere Bindung an den Antragsumfang): Ein Gericht darf nur über das entscheiden, was beantragt wurde; darüber hinausgehende Leistungen können nicht zugesprochen werden. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der VGH kritisierte, dass das erste Gericht die Rückgabe des physischen Führerscheins zugesprochen hatte, obwohl Frau S. nur die Aufhebung der Entziehung beantragt hatte.
- Grundsatz der Gesetzesklarheit und keine uneingeschränkte Rückwirkung von Gesetzen (Artikel 103 Abs. 2 Grundgesetz i.V.m. Rechtsstaatsprinzip): Gesetze gelten grundsätzlich nur für die Zukunft und wirken nicht zum Nachteil von Betroffenen rückwirkend, es sei denn, der Gesetzgeber regelt ausdrücklich eine Rückwirkung. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das neue Cannabisgesetz tritt nur für zukünftige Fälle ein; eine Rückwirkung auf bereits getroffene Entscheidungen wie die Entziehung von Frau S. ist nicht vorgesehen und daher unzulässig.
Das vorliegende Urteil
VGH München – Az.: 11 CS 25.203 – Beschluss vom 23.04.2025
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