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Fahrerlaubnisentziehung – Anforderungen an Fragestellung nach Betäubungsmittelkonsum

Beschwerde erfolgreich: Gutachtenanordnung für Entzug der Fahrerlaubnis rechtswidrig.

Das Verwaltungsgericht Halle hat die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis aufgrund eines Sofortvollzugs wiederhergestellt. Die Aufforderung zur Vorlage eines fachärztlichen Gutachtens vom 21. Januar 2022 begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, da die erste Fragestellung zu weit gefasst ist. Diese Frage bezieht sich nicht nur auf Fahreignungszweifel aufgrund eines im Zeitraum von fünf Monaten erfolgten Erwerbs von Cannabis im Eigenbedarfsumfang, sondern auch auf den Konsum anderer Betäubungsmittel nach dem BtMG oder anderer psychoaktiv wirkender Stoffe. Die Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV. Wenn sich jemand als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist, muss ihm die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis entziehen. Zur Vorbereitung von Entscheidungen über den Entzug der Fahrerlaubnis wegen Eignungszweifeln muss ein ärztliches Gutachten beizubringen sein. Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen. Der Schluss auf die Nichteignung ist jedoch nur zulässig, wenn die Anordnung der Begutachtung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist. […]

Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt – Az.: 3 M 83/22 – Beschluss vom 14.09.2022

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Halle – 1. Kammer – vom 2. August 2022 mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 3. Juni 2022 gegen die Ziffern 1 und 2 des Bescheides des Antragsgegners vom 2. Mai 2022 wird wiederhergestellt und hinsichtlich Ziffer 5 des Bescheides des Antragsgegners vom 2. Mai 2022 angeordnet.

Der Antragsgegner trägt die Kosten beider Rechtszüge.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,00 € festgesetzt.

Gründe

I. Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Halle – 1. Kammer – vom 2. August 2022, deren Prüfung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die dargelegten Gründe beschränkt ist, hat in der Sache Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat den sinngemäßen Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 3. Juni 2022 gegen den Bescheid des Antragsgegners wiederherzustellen bzw. anzuordnen, zu Unrecht abgelehnt. Denn der Bescheid des Antragsgegners, mit dem der Antragstellerin unter Anordnung des Sofortvollzugs (Ziffer 3 und 4) die Fahrerlaubnis aller Klassen (AM, B und L) entzogen (Ziffer 1) und die unverzügliche Abgabe des Führerscheins spätestens innerhalb von drei Tagen nach Zustellung des Bescheids aufgegeben (Ziffer 2) bzw. ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 € für den Fall der nicht fristgerechten Abgabe des Führerscheins angedroht worden ist, erweist sich bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein veranlassten überschlägigen Prüfung als voraussichtlich rechtswidrig, weil – wie die Beschwerde zutreffend geltend macht – die Aufforderung zur Vorlage eines fachärztlichen Gutachtens vom 21. Januar 2022 durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet, mithin die Nichtvorlage des Gutachtens der Antragstellerin nicht entgegengehalten werden kann.

Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV. Erweist sich danach jemand als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, so hat ihm die Fahrerlaubnisbehörde nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG die Fahrerlaubnis zu entziehen, ohne dass ihr insoweit ein Ermessen eingeräumt ist. Diese Regelung wird in § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV wiederholt. Zur Vorbereitung von Entscheidungen über den Entzug der Fahrerlaubnis wegen Eignungszweifeln im Hinblick auf Betäubungsmittel muss, § 14 Abs. 1 Satz 1 FeV, oder kann, § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV, die Fahrerlaubnisbehörde anordnen, dass ein ärztliches Gutachten (§ 11 Absatz 2 Satz 3) oder aber im Fall des § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist. Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf sie bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV. Der Schluss auf die Nichteignung ist allerdings nur zulässig, wenn die Anordnung der Begutachtung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 7. April 2022 – 3 C 9.21 – juris Rn. 17 m.w.N.).

Keiner abschließenden Beantwortung bedarf die Frage, ob – wie das Verwaltungsgericht meint – Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Antragstellerin (wohl regelmäßig) Cannabis konsumiert habe, mithin ein Fall des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV – von dem die Gutachtensanordnung ausgeht – vorliegt oder aber (lediglich) ein widerrechtlicher Besitz des Betäubungsmittels Cannabis nach § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV gegeben war, bei dem – wie hier aufgrund des Erwerbszeitraums und der Anzahl der Erwerbsvorgänge – zusätzliche konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ständig fahreignungsrelevante körperlich-geistige Fahreignungsdefizite vorhanden sind. Fest steht, dass keine Anhaltpunkte dafür vorliegen, dass die Antragstellerin andere Betäubungsmittels nach dem BtMG als Cannabis oder andere psychoaktiv wirkender Stoffe erworben/konsumiert hat.

Die Beschwerde wendet zu Recht ein, dass die Gutachtensanordnung des Antragsgegners vom 21. Januar 2022 durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet, weil die erste Fragestellung zu weit gefasst ist.

Gemäß § 11 Abs. 6 FeV legt die Fahrerlaubnisbehörde unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls und unter Beachtung der Anlagen 4 und 5 in der Anordnung fest, welche Fragen im Hinblick auf die Eignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen zu klären sind (Satz 1). Die Behörde teilt dem Betroffenen unter Darlegung der Gründe für die Zweifel an seiner Eignung und unter Angabe der für die Untersuchung in Betracht kommenden Stelle oder Stellen mit, dass er sich innerhalb einer von ihr festgelegten Frist auf seine Kosten der Untersuchung zu unterziehen und das Gutachten beizubringen hat; sie teilt ihm außerdem mit, dass er die zu übersendenden Unterlagen einsehen kann (Satz 2). Mit den in § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV geregelten Unterrichtungs- und Informationspflichten (in Verbindung mit der der Behörde in Satz 1 der Vorschrift auferlegten Verpflichtung, die Fragestellung für die Begutachtung konkret festzulegen) soll der betroffene Fahrerlaubnisinhaber in die Lage versetzt werden, sich frühzeitig Klarheit darüber zu verschaffen, ob die an ihn gerichtete Gutachtensanordnung rechtmäßig oder rechtswidrig ist. In letzterem Fall hätte dies die Folge, dass er sich der Gutachtensanordnung verweigern kann, ohne die negativen Folgen des § 11 Abs. 8 FeV befürchten zu müssen. Vor diesem Hintergrund und im Hinblick darauf, dass eine Gutachtensanordnung nicht isoliert mit Rechtsmitteln angegriffen werden kann, sind strenge Anforderungen an die Rechtmäßigkeit einer solchen Anordnung zu stellen (vgl. Beschluss des Senats vom 12. April 2017 – 3 O 35/17 – n.v.: unter Verweis auf NdsOVG, Urteil vom 8. Juli 2014 – 12 LC 224/13 – juris Rn. 47 m.w.N.).

Die Gutachtensanordnung muss dabei im Wesentlichen aus sich heraus verständlich sein. Für den Betroffenen muss ausgehend von der für die jeweilige Fallgestaltung in Betracht kommenden Befugnisnorm erkennbar sein, was der Anlass für die angeordnete Untersuchung ist und ob die in ihr verlautbarten Gründe die behördlichen Bedenken an der Kraftfahreignung zu rechtfertigen vermögen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Februar 2015 – 3 B 16.14 – juris; SaarlOVG, Beschluss vom 14. Juni 2016 – 1 B 133/16 -,juris; VGH BW, Urteil vom 11. August 2015 – 10 S 444/14 – juris; BayVGH, Beschluss vom 24. Juli 2015 – 11 CS 15.1203 – juris; OVG NRW, Beschluss vom 7. Februar 2013 – 16 E 1257/12 – juris).

Die erste Frage der Gutachtensanordnung des Antragsgegners vom 21. Januar 2022, „Nimmt bzw. nahm Frau A. Betäubungsmittel im Sinne des BtMG oder andere psychoaktiv wirkende Stoffe ein, die die Fahrsicherheit in Frage stellen?“, ist zu weit gefasst, weil sie teilweise eine Fragestellung aufwirft, für die kein Anlass besteht. Die Fragestellung ist insoweit unverhältnismäßig, als sie sich nicht auf einen hinreichend tatsächlichen und in der Anordnung vom 21. Januar 2022 genannten Anlass zurückführen lässt. Sie betrifft nicht nur Fahreignungszweifel aufgrund eines im Zeitraum von fünf Monaten erfolgten Erwerbs von Cannabis im Eigenbedarfsumfang (19 Mal), sondern nimmt auch den Konsum anderer Betäubungsmittels nach dem BtMG oder anderer psychoaktiv wirkender Stoffe in den Blick, obgleich jedwede Anhaltspunkte für dahingehende Konsumvorgänge fehlen.

Zwar lässt sich allgemein nicht ausschließen, dass sich die vom Gutachter zu klärende Frage, selbst wenn sie nicht konkret ausformuliert ist, dennoch mit hinreichender Deutlichkeit den Gründen entnehmen lassen kann, mit denen die Behörde ihre Eignungsbedenken dargelegt hat. Unter welchen Voraussetzungen das anzunehmen ist, bestimmt sich nach den jeweiligen tatsächlichen Gegebenheiten (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4. Juni 2020 – 16 B 672/20 – juris Rn. 13 f. m.w.N.; BVerwG, Beschluss vom 5. Februar 2015, a.a.O., Rn. 8 f.).

Der Begründung der Gutachtensanordnung vom 21. Januar 2022 ist nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass die erste Frage nur darauf abzielt, ob die Antragstellerin in der Vergangenheit und gegenwärtig Cannabis konsumiert hat und nicht zusätzlich auch auf die mögliche Einnahme sonstiger Betäubungsmittel nach dem BtMG oder anderer psychoaktiver Stoffe abzielt. Die Anordnung thematisiert zwar zunächst nur, dass der Antragsgegner durch die Mitteilung der Polizeidienststelle Weißenfels darüber informiert worden sei, dass die Antragstellerin in 19 Fällen jeweils mindestens ein Gramm Marihuana/Betäubungsmittel erworben habe und die Staatsanwaltschaft das Verfahren wegen unerlaubten Besitzes eingestellt habe, weil sie von Eigenbedarf ausgegangen sei (vgl. Absätze 1 bis 5). Sodann führt der Antragsgegner allerdings aus, die Eignung der Antragstellerin zum Führen von Kraftfahrzeugen insbesondere nach der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV zu prüfen und verweist hierzu darauf, dass die Einnahme von Betäubungsmitteln nach Ziffer 9.1 der Anlage 4 die Kraftfahreignung ausschließe (vgl. Absatz 6), obgleich die in Bezug genommene Ziffer 9.1 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV alle Betäubungsmittel im Sinne des BtMG ausgenommen Cannabis umfasst, mithin den vorliegenden Fall nicht betrifft. In der Folge beschreibt der Antragsgegner dies auch und gibt wieder, dass die Fahreignung noch gegeben sein kann, wenn kein regelmäßiger Konsum von Cannabis vorliege und der gelegentliche Konsum von Cannabis und das Führen eines Kraftfahrzeugs getrennt werden könnten. Schlussendlich werden die aus Sicht des Antragsgegners einschlägige Rechtsgrundlage des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV für die Anordnung eines fachärztlichen Gutachtens genannt und die zwei daraus resultierenden Fragestellungen formuliert.

Der Senat folgt der rechtlichen Bewertung des Verwaltungsgerichts nicht, wonach (auch) die erste Fragestellung allein auf die Gewinnung von Erkenntnissen über einen möglichen Cannabiskonsum der Antragstellerin abziele. Zur Begründung verweist das Gericht im Wesentlichen auf die in der Gutachtensanordnung erfolgte Benennung der Rechtsgrundlage des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV, die allerdings auch andere Betäubungsmittel nach dem BtMG als Cannabis umfasst, und das vorangegangene Verwaltungsverfahren. Letzteres hatte zwar allein den vermuteten Cannabiskonsum zum Gegenstand und mündete zunächst in der Anordnung vom 17. August 2021, mit der der Antragsgegner von der Antragstellerin die Beibringung eines fachärztlichen Gutachtens mit der alleinigen Fragestellung, „Ist das Konsumverhalten von Frau A. als einmalige oder gelegentliche oder regelmäßige oder gewohnheitsmäßige Einnahme von Cannabis zu bezeichnen?“, gefordert hatte. An dieser Anordnung hat der Antragsgegner allerdings nicht festgehalten und die streitbefangene Gutachtensanordnung erlassen. Hierbei ist er ausweislich seines an den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin gerichteten Schreibens vom 21. Januar 2022 davon ausgegangen, dass die vormalige Fragestellung fehlerhaft gewesen sei und nunmehr korrigiert werde. Konkrete Gründe, weshalb der Antragsgegner die vormalige Fragestellung für fehlerhaft gehalten hat, werden indes nicht benannt. Es ist zwar möglich, dass der Antragsgegner vor der Ermittlung der Cannabiskonsumgewohnheiten allein hat abklären wollen, ob die Antragstellerin Cannabiskonsumentin ist. Dies hat er jedoch gerade nicht getan, sondern mit der streitbefangenen Gutachtensanordnung vom 21. Januar 2022 erstmals und weitreichender, als es der Anlass gebietet, die Frage zu Konsumvorgängen hinsichtlich aller Betäubungsmittel des BtMG und anderer psychoaktiv wirkender Stoffe gestellt. Auch die nachfolgende Anhörung zum Entzug der Fahrerlaubnis vom 31. März 2022 erlaubt nicht den Schluss, dass die Gutachtensanordnung vom 21. Januar 2022 ausschließlich den etwaigen Cannabiskonsum der Antragstellerin in den Blick nehmen wollte, da auch hier keine Differenzierung nach der Art des Betäubungsmittels nach dem BtMG vorgenommen wird (vgl. Absätze 6 und 7). Für die anwaltlich vertretene Antragstellerin, für die die Gründe der neuerlichen Anordnung zur Beibringung eines fachärztlichen Gutachtens vom 21. Januar 2022 nicht erkennbar waren, war es mithin nicht fernliegend, dass der Antragsgegner auch Erkenntnisse, die über einen etwaigen Cannabiskonsum hinausgehen, zu gewinnen beabsichtigt.

Dies folgt auch daraus, dass der Antragsgegner in der Gutachtenanordnung zunächst den Sachverhalt beschreibt und nachfolgend die Fragestellung formuliert. Hierdurch wird der Eindruck erweckt bzw. verstärkt, dass aus Sicht des Antragsgegners aus den von ihm genannten Tatsachen die anschließende Fragestellung folgt, also in Ansehung der aufgezeigten Anzahl der Vorgänge zum Erwerb von Cannabis zum Eigenbedarf zu prüfen ist, ob Konsumvorgänge auch hinsichtlich anderer Betäubungsmittel nach dem BtMG oder anderer psychoaktiv wirkender Stoff vorliegen, die die Fahrsicherheit in Frage stellen (so auch: OVG NRW, Beschluss vom 4. Juni 2020 -16 B 672/20 – juris Rn. 16).

Dass die zweite Fragestellung, „Sollte ein Konsum von Cannabis bestätigt werden, handelt es sich dabei um eine einmalige, gelegentliche oder regelmäßige Einnahme?“, allein den Cannabiskonsum in den Blick nimmt, führt zu keiner anderen Betrachtung und rechtfertigt nicht die Annahme, der Antragsgegner habe auch hinsichtlich der ersten Fragenstellung nur auf den (etwaigen) Cannabiskonsum abstellen wollen. Hinsichtlich sonstiger Betäubungsmittel stellt sich die Frage nach Konsumgewohnheiten schon nicht (vgl. Ziffer 9.1 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV). Zwar spielt für die Kraftfahreignung das Konsumverhalten bei anderen psychoaktiven Stoffen eine Rolle (vgl. Ziffer 9.4 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV „regelmäßiger übermäßiger Gebrauch“) und ist hier nicht abgefragt worden. Es genügt jedoch auch ein zusätzlicher Gebrauch von „anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen“ bei einem gelegentlichen Cannabiskonsum, um die Fahreignung auszuschließen (vgl. Ziffer 9.2.2 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV), so dass eine (noch) nicht veranlasste Ermittlung in unzulässiger Weise vorweggenommen werden würde.

Die dargestellte fehlende Anlassbezogenheit eines Teils der Fragestellung zu 1. bedingt die Rechtswidrigkeit der Gutachtensanordnung im Ganzen. Besteht eine Gutachtensanordnung – wie hier – aus mehreren Teilen, infiziert die Fehlerhaftigkeit eines Teils regelmäßig auch den anderen Teil. Es ist nicht Aufgabe des Betroffenen, insoweit zu differenzieren und den Gutachter zu einer entsprechend abschichtenden Untersuchung zu veranlassen. Die Sanktion des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV setzt deshalb grundsätzlich eine vollständige rechtmäßige Gutachtensanordnung voraus (vgl. ThürOVG, Beschluss vom 27. Oktober 2021 – 2 EO 64/21 – juris Rn. 24; BayVGH, Beschluss vom 4. Februar 2013 – 11 CS 13.22 – juris Rn. 19; VGH BW, Beschluss vom 30. Juni 2011 – 10 S 2785/10 – juris Rn. 12). Zwar gilt etwas Anderes dann, wenn der Betroffene sich klar unterscheidbaren getrennten Fragestellungen gegenübersieht. In einer solchen Konstellation kann von dem Betroffenen eine differenzierte Entschließung erwartet werden, ob und ggf. welchen Untersuchungen bzw. Fragestellungen er sich stellen oder im Verweigerungsfall die Sanktion des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV riskieren will (vgl. VGH BW, Beschluss vom 30. Juni 2011, a.a.O.). Eine solche Fallgestaltung liegt hier jedoch nicht vor, da es sich um zwei aufeinander aufbauende Fragestellungen handelt.

Ist die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtswidrig, so gilt dies auch für die getroffenen Nebenentscheidungen über die Führerscheinabgabe und die Androhung von Zwangsgeld, so dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs auch hinsichtlich Ziffer 2 (Führerscheinabgabe) wiederherzustellen und hinsichtlich Ziffer 5 (Zwangsgeldandrohung) anzuordnen war.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

III. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Nrn. 46.3, 1.5 und 1.7.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und entspricht der verwaltungsgerichtlichen Festsetzung.

IV. Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG.

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