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Fahrerlaubnis auf Probe – Entziehung bei Nichtteilnahme an Aufbauseminar

VG Lüneburg – Az.: 1 A 129/18 – Urteil vom 16.10.2019

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis.

Ihm wurde im Jahr 2016 eine Fahrerlaubnis auf Probe erteilt, deren Probezeit am 19. Oktober 2018 ablaufen sollte. Am 20. Februar 2018 verhängte die Bußgeldstelle der Freien und Hansestadt A. gegen den Kläger ein Bußgeld in Höhe von 100 EUR, weil er am 21. Dezember 2017 als Führer eines Kraftfahrzeuges ein elektronisches Gerät, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist, in vorschriftswidriger Weise benutzt hatte. Diese Entscheidung ist seit dem 9. März 2018 rechtskräftig. Der Beklagte ordnete daraufhin mit dem am 10. April 2018 zugestellten Schreiben vom 6. April 2018 gegenüber dem Kläger die Teilnahme an einem Aufbauseminar an und forderte ihn zur Vorlage einer Teilnahmebescheinigung binnen zwei Monaten ab Zustellung auf. Im Nachgang zu der Erinnerung des Beklagten vom 2. Mai 2018 meldete sich der Kläger beim Beklagten und teilte mit, dass er die Ordnungswidrigkeit nicht begangen habe. Eine Teilnahmebescheinigung legte der Kläger dem Beklagen nicht vor.

Nach vorheriger Anhörung entzog der Beklagte mit Bescheid vom 6. Juli 2018 dem Kläger dessen Fahrerlaubnis auf Probe und forderte ihn unter Androhung der „zwangsweisen Einziehung des Führerscheins (Sicherstellung)“ zu dessen unverzüglicher Abgabe bis spätestens 17. Juli 2018 auf. Er führte zur Begründung aus, dass die Fahrerlaubnis zu entziehen sei, weil der Kläger der vollziehbaren Anordnung vom 6. April 2019 nicht fristgerecht nachgekommen sei.

Dagegen hat der Kläger am 7. August 2018 Klage.

Nachdem der Beklagte den angefochtenen Bescheid hinsichtlich der Abgabe des Führerscheins und der Androhung einer zwangsweisen Einziehung des Führerscheins durch Bescheid vom 10. Dezember 2018 aufgehoben hatte und daraufhin die Beteiligten insoweit den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, verfolgt der Kläger sein Begehren im Übrigen weiter. Zur Begründung trägt im Wesentlichen vor: Die Entziehung der Fahrerlaubnis sei rechtswidrig. So habe der Beklagte seine Entscheidung nicht vollständig begründet worden. Erst nach Erhebung der Klage sei ihm der angefochtene Bescheid vollständig bekanntgegeben worden. Außerdem habe er den zugrunde liegenden Verkehrsverstoß nicht begangen. Er sei nie mit einem Mobiltelefon am Ohr gefahren. Insoweit verweise er auf die eidesstattliche Erklärung seines Vaters, in der dieser erklärt habe, dass er – der Kläger – den angeführten Verkehrsverstoß nicht begangen habe.

Der Kläger beantragt, die Entziehung der Fahrerlaubnis auf Probe durch den Bescheid des Beklagten vom 6. Juli 2018 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, die Klage, soweit sie noch anhängig ist, abzuweisen.

Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus: Die Entziehung der Fahrerlaubnis sei rechtmäßig. Der Kläger habe die Bescheinigung über seine Teilnahme an einem Aufbauseminar nicht fristgerecht vorgelegt, so dass die Fahrerlaubnis zu entziehen gewesen sei.

Der Kläger hat einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt, den die Kammer hinsichtlich der Entziehung der Fahrerlaubnis durch Beschluss vom 5. November 2018 (Az. 1 B 42/18) abgelehnt hat.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

Das Verfahren ist in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Im Übrigen ist die zulässige Klage abzuweisen

Die Entziehung der Fahrerlaubnis auf Probe ist rechtmäßig, so dass der Kläger die Aufhebung des angefochtenen Bescheids nicht beanspruchen kann (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die angefochtene Verfügung des Beklagtes kann sich § 2a Abs. 3 StVG stützen.

Zunächst unterliegt diese Verfügung in formeller Hinsicht keinen Bedenken. So hörte der Beklagte den Kläger vor Erlass des angefochtenen Bescheids an (§§ 1 Abs. 1 NVwVfG, 28 Abs. 1 Satz 1 VwVfG). Soweit der Kläger geltend macht, der Beklagte habe den angefochtenen Bescheid zunächst nicht begründet, ergeben sich hieraus keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit. Das Vorbringen des Klägers zur unvollständigen Übersendung des Bescheids ist schon nicht glaubhaft. Insoweit verweist das Gericht auf die Ausführungen in dem o.a. Beschluss der Kammer in dem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, denen der Einzelrichter weiterhin folgt und deshalb hierauf verweist. Aber selbst das Vorbringen des Klägers hierzu als wahr unterstellt, wäre ein etwaiger Begründungsmangel durch die nachträgliche Übersendung des vollständigen Bescheides geheilt (§§ 1 Abs. 1 NVwVfG, 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VwVfG).

Auch in materiell-rechtlicher Hinsichtlich erweist sich die Verfügung des Beklagten, soweit sie noch Gegenstand der Entscheidung ist, als rechtmäßig. Nach § 2a Abs. 3 StVG ist die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn der Inhaber einer Fahrerlaubnis (auf Probe) einer vollziehbaren Anordnung der zuständigen Behörde nach § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StVG in der festgesetzten Frist nicht nachgekommen ist. Gemäß § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StVG (vgl. zur Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift in der Fassung vom 2.12.2010: Nds. OVG, Beschl. v. 23.7.2012 – 12 LA 186/11 -, juris Rn. 6f.) hat die Fahrerlaubnisbehörde, in dem Fall, dass gegen den Inhaber einer Fahrerlaubnis wegen einer innerhalb der Probezeit begangenen Straftat oder Ordnungswidrigkeit eine rechtskräftige Entscheidung ergangen ist, die nach § 28 Abs. 3 Nr. 1 oder 3 Buchst. a oder c StVG in das Fahreignungsregister einzutragen ist, seine Teilnahme an einem Aufbauseminar anzuordnen und hierfür eine Frist zu setzen, wenn er eine schwerwiegende Zuwiderhandlung oder zwei weniger schwerwiegende Zuwiderhandlungen begangen hat.

Diese Voraussetzungen für die Entziehung der Fahrerlaubnis auf Probe des Klägers sind hier erfüllt. Der Beklagte ordnete noch vor Ablauf der Probezeit mit seiner Verfügung vom 6. April 2018 die Teilnahme des Klägers an einem Aufbauseminar an und setzte hierfür eine Frist, indem er ihm aufgab, die Teilnahme an dem Aufbauseminar durch die Vorlage einer Teilnahmebescheinigung innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt der Verfügung nachzuweisen, verbunden mit dem Hinweis, dass eine Anmeldebestätigung nicht von der Verpflichtung „einer fristgerechten Seminarteilnahme (innerhalb von zwei Monaten ab Zustellung)“ entbindet. Die Anordnung war gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO in Verbindung mit § 2a Abs. 6 Alt. 1 StVG sofort vollziehbar. Der Kläger legte eine Teilnahmebescheinigung nicht vor, so dass das Gericht davon ausgeht, dass er nicht binnen der in der Verfügung vom 6. April 2018 festgelegten Frist an einem Aufbauseminar teilgenommen hatte.

Zwar stellt der Kläger nunmehr in Abrede, den der Anordnung zur Teilnahme an einem Aufbauseminar zugrunde liegenden Verkehrsverstoß begangen zu haben. Unabhängig davon, dass der Beklagte bei der Anordnung eines Aufbauseminars gemäß § 2a Abs. 2 Satz 2 StVG an die rechtskräftige Entscheidung über die Ordnungswidrigkeit gebunden ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 27.7.2016 – OVG 1 S 50.16 -, juris Rn. 4 ff.; Bayerischer VGH, Beschl. v. 18.1.2016 – 11 C 15.2808 -, juris Rn. 5), kommt es für die Rechtmäßigkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis jedoch hierauf nicht an, da § 2a Abs. 3 StVG lediglich die Nichtteilnahme an einem vollziehbar angeordneten Aufbauseminar binnen einer hierzu gesetzten Frist voraussetzt. Ob die Anordnung zur Teilnahme an einem Aufbauseminar rechtmäßig ergangen ist, ist für die Rechtmäßigkeit der nachfolgenden Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 2 Abs. 3 StVG hingegen nicht maßgebend (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 8.7.1998 – B 1 S 477/98 -, juris Rn. 3 f.; VG Saarland, Beschl. v. 18.9.2014 – 6 L 1080/14 -, juris Rn. 10). Im Übrigen hat der Kläger gegen die Anordnung zur Teilnahme an einem Aufbauseminar eine statthafte Klage nicht erhoben, so dass aufgrund der durch Ablauf der Klagefrist (§ 74 Abs. 1 VwGO) am 11. Mai 2018 eingetretenen Bestandskraft die Verfügung gegen sich gelten lassen muss. Auch aus diesem Grunde kommt es für die Rechtmäßigkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis nicht darauf an, ob der Kläger tatsächlich den zugrunde liegenden Verkehrsverstoß begangen hatte.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 Satz 3, 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Soweit der Beklagte dem Begehren des Klägers hinsichtlich der Abgabe des Führerscheins und der Androhung der Verwaltungsvollstreckung durch teilweise Aufhebung des angefochtenen Bescheids abgeholfen und dadurch eine teilweise Erledigung des Verfahrens bewirkt hat, entspricht dies einem geringfügigen Unterliegen des Beklagten im Sinne des § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Diesen Nebenentscheidungen kommt im Klageverfahren neben der Entziehung der Fahrerlaubnis ein erhebliches Gewicht nicht zu, wie dies auch in einer fehlenden Erhöhung des Streitwertes für diese Nebenentscheidungen zum Ausdruck kommt.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß § 124a Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO durch das Verwaltungsgericht liegen nicht vor.

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