VG Düsseldorf – Az.: 6 L 55/22 – Beschluss vom 05.05.2022
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe
Der am 12. Januar 2022 sinngemäß gestellte Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage (Az.: 6 K 239/22) gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 3. Januar 2022 hinsichtlich der Entziehung der Fahrerlaubnis und der Aufforderung zur Ablieferung des Führerscheins wiederherzustellen, hat keinen Erfolg. Er ist zulässig, aber unbegründet.
Der Antrag ist zulässig. Er ist insbesondere statthaft, weil der in der Hauptsache erhobenen Anfechtungsklage gegen die Ordnungsverfügung abweichend von § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO keine aufschiebende Wirkung zukommt. Denn der Antragsgegner hat gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO hinsichtlich der Entziehung der Fahrerlaubnis und der Aufforderung zur Ablieferung des Führerscheins die sofortige Vollziehung seiner Verfügung angeordnet.
Der Antrag ist jedoch unbegründet. Die Begründetheit eines auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gerichteten Antrags nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 2 VwGO beurteilt sich danach, ob die Anordnung der sofortigen Vollziehung formell ordnungsgemäß erfolgt ist und ob das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der angegriffenen Ordnungsverfügung das private Interesse des Antragstellers an einer Aussetzung überwiegt.
1. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung und der Aufforderung zur Ablieferung des Führerscheins ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Der Antragsgegner hat insbesondere das Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO beachtet. Nach dieser Vorschrift ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO schriftlich zu begründen. Das Begründungserfordernis dient dem Zweck, der Behörde den Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung vor Augen zu führen, den Betroffenen über die Gründe, die für die Anordnung der sofortigen Vollziehung maßgeblich gewesen sind, in Kenntnis zu setzen und schließlich das Gericht im Falle eines Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO über die behördlichen Erwägungen zu unterrichten. Die Begründung muss dementsprechend erkennen lassen, dass und warum die Behörde in dem konkreten Einzelfall dem sofortigen Vollziehbarkeitsinteresse Vorrang vor dem Aussetzungsinteresse des Betroffenen einräumt. Ob die aufgeführten Gründe den Sofortvollzug inhaltlich rechtfertigen, ist hingegen keine Frage der formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, sondern der Interessenabwägung.
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 18. November 2014 – 16 B 1282/14 -, juris Rn. 3 m.w.N, vom 8. November 2011 – 16 B 24/11 -, juris Rn. 3, und vom 11. Oktober 2010 – 6 B 1057/10 -, juris Rn. 18.
Dabei rechtfertigen die hohe Bedeutung der Sicherheit des Straßenverkehrs und das erhebliche Gefährdungspotenzial ungeeigneter Verkehrsteilnehmer in aller Regel nicht nur den Erlass gefahrenabwehrender Ordnungsverfügungen, sondern auch die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit. Denn die für den Sachbereich des Fahrerlaubnisrechts spezifischen Gefahren liegen nicht in unbestimmter Zukunft, sondern können sich jederzeit realisieren. Daraus folgt, dass sich die Begründung für die Ordnungsverfügung selbst (Erlassinteresse) und diejenige für die Anordnung der sofortigen Vollziehung (Vollzugsinteresse) typischerweise weitgehend decken. Begründet die Behörde die Vollziehungsanordnung mit gewissen Wiederholungen und möglicherweise formelhaft klingenden Wendungen, liegt darin kein Verstoß gegen § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Hinzu kommt, dass Fahreignungsmängel (lediglich) abstrakte Gefahren darstellen, die sich bei der Verkehrsteilnahme aufgrund allgemeiner Erfahrungswerte realisieren können, ohne bei jeder einzelnen Fahrt auftreten zu müssen. Entsprechend können auch die Ausführungen der Fahrerlaubnisbehörde nur auf diese abstrakte Gefahrenlage abstellen.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. November 2014 – 16 B 1282/14 -, juris Rn. 5.
Diesen Anforderungen werden die Ausführungen des Antragsgegners in der Ordnungsverfügung vom 3. Januar 2022 gerecht. Er hat darin zum Ausdruck gebracht, dass er sich des Ausnahmecharakters der Anordnung bewusst war und sich aus seiner Sicht die Gründe für die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung und der Aufforderung zur Führerscheinablieferung im Wesentlichen mit denen der Dringlichkeit der Vollziehung der Maßnahme decken. Indem er hinsichtlich der Fahrerlaubnisentziehung darauf hingewiesen hat, dass das gesetzgeberische Ziel im Zusammenhang mit der Fahrerlaubnis auf Probe, durch grundsätzlich sofort wirkende Maßnahmen erzieherisch auf die Betreffenden einzuwirken, am wirkungsvollsten durch einen sofortigen Ausschluss vom Straßenverkehr erreicht werde sowie die Verkehrssicherheit ein wesentliches Anliegen der Allgemeinheit sei, die ein Interesse daran habe, ungeeignete Kraftfahrer von der Teilnahme am Straßenverkehr auszuschließen, gibt er die Erwägungen wieder, die für ihn maßgeblich waren, um den Antragsteller sofort vom Straßenverkehr auszuschließen und somit einen wirksamen Schutz der Allgemeinheit zu gewährleisten. Das Gleiche gilt hinsichtlich der Aufforderung zur Abgabe des Führerscheins, hinsichtlich derer er die Anordnung der sofortigen Vollziehung auf den Ausschluss der missbräuchlichen Verwendung als Nachweis des Fahrerlaubnisbesitzes stützt.
2. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der angegriffenen Ordnungsverfügung überwiegt das private Interesse des Antragstellers an einer Aussetzung.
Im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist im Wege einer eigenen Abwägung des Gerichts das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung der Maßnahme mit dem Interesse der Allgemeinheit an ihrer Vollziehung abzuwägen. Maßgebliches Kriterium für die Abwägung sind die Erfolgsaussichten der Klage im Hauptsacheverfahren. Ergibt die im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes allein mögliche und gebotene summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, dass der Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist, überwiegt das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung. Denn an der Vollziehung rechtswidriger hoheitlicher Maßnahmen kann kein öffentliches Interesse bestehen. Ist der Verwaltungsakt hingegen offensichtlich rechtmäßig, überwiegt in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 und Abs. 2 Satz 2 VwGO das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit. Im Falle des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO muss darüber hinaus ein besonderes öffentliches Interesse am sofortigen Vollzug bestehen, das über jenes Interesse hinausgeht, das den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt.
Nach diesen Maßstäben fällt die Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers aus. Denn es ist nach summarischer Prüfung davon auszugehen, dass die mit der Ordnungsverfügung vom 3. Januar 2022 ergangenen, hier streitgegenständlichen Maßnahmen (Entziehung der Fahrerlaubnis, Aufforderung zur Führerscheinablieferung) offensichtlich rechtmäßig sind. Darüber hinaus besteht auch ein besonderes öffentliches Interesse am Sofortvollzug.
a) Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist nach summarischer Prüfung nach Aktenlage rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Ordnungsverfügung ist formell rechtmäßig ergangen. Der Antragsgegner war gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 FeV i.V.m. §§ 1 und 21 StrVGüBefZustVO NRW i.V.m. § 3 Abs. 1 OBG NRW zuständig, da der Antragsteller seinen Wohnsitz in X. und damit im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners hat. Ferner hat der Antragsgegner dem Antragsteller mit Schreiben vom 10. Dezember 2021 die Gelegenheit gegeben, sich zu der von ihm beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis zu äußern und ihn somit im Einklang mit § 28 Abs. 1 VwVfG NRW angehört.
Die Fahrerlaubnisentziehung ist voraussichtlich auch materiellrechtlich nicht zu beanstanden. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 FeV. Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich jemand als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Maßgeblich für die Beurteilung der Kraftfahreignung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung.
Vgl. BVerwG, Urteile vom 23. Oktober 2014 – 3 C 3/13 -, juris Rn. 13, und vom 9. Juni 2005 – 3 C 25.04 -, juris Rn. 16; OVG NRW, Beschlüsse vom 6. Juli 2012 – 16 A 1928/11 -, und vom 22. Oktober 2003 – 19 A 2549/99 -, juris Rn. 12.
Steht die Nichteignung nicht gemäß § 11 Abs. 7 FeV fest, darf die Fahrerlaubnisbehörde nach §§ 46 Abs. 1 und 3 i.V.m. 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn dieser ein von der Fahrerlaubnisbehörde gefordertes Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Der Schluss auf die Nichteignung ist jedoch nur zulässig, wenn die Gutachtenanordnung in formeller und materieller Hinsicht rechtmäßig erfolgt ist und das Gutachten ohne ausreichender Grund nicht (fristgemäß) vorgelegt wurde.
Vgl. BVerwG, Urteile vom 9. Juni 2005 – 3 C 21/04 -, juris Rn. 20 ff., und vom 9. Juni 2005 – 3 C 25.04 -, juris Rn. 19; OVG NRW, Beschluss vom 5. Januar 2011 – 16 B 1695/10 -.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Gutachtenanordnung ist der Zeitpunkt ihres Erlasses.
Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 1. August 2017 – 11 CS 17.1196 -, juris Rn. 19; VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 19. August 2013 – 10 S 1266/13 -, juris Rn. 15 m.w.N., und vom 2. Dezember 2012 – 10 S 1491/12 -, juris Rn. 13.
Nach diesen Maßgaben durfte der Antragsgegner nach Aktenlage gemäß § 46 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung des Antragstellers schließen und dessen Fahrerlaubnis entziehen. Der Antragsteller hat das vom Antragsgegner mit Anordnung vom 29. März 2021 geforderte Gutachten nicht beigebracht, obwohl die Gutachtenanordnung nach summarischer Prüfung voraussichtlich rechtmäßig erfolgt ist.
Dabei ist nach Aktenlage davon auszugehen, dass der Antragsteller die Gutachtenanordnung vom 29. März 2021 entgegen seinem Vortrag im Verwaltungsverfahren in dem unter dem 18. August 2021 gefertigtem Schreiben erhalten hat. Denn die Begutachtungsanordnung ist dem Antragsteller ausweislich der in den Verwaltungsvorgängen enthaltenen Zustellungsurkunde am 31. März 2021 im Wege der Ersatzzustellung durch Einlegen in den zur Wohnung des Antragstellers (T.——-weg 00, 00000 X. ) gehörenden Briefkasten zugestellt worden (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 1 LZG NRW i.V.m. § 180 Satz 1 ZPO). Eine Zustellungsurkunde ist eine öffentliche Urkunde im Sinne des § 418 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 98 VwGO, die den vollen Beweis für die darin bezeugten Tatsachen erbringt. Der zulässige volle Gegenbeweis nach § 418 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 98 VwGO kann nur durch den Beweis der Unrichtigkeit der in der Zustellungsurkunde angegebenen Tatsachen geführt werden. Ein bloßes Bestreiten genügt hierfür nicht. Auch wird der Gegenbeweis nicht bereits dadurch geführt, dass nur die Möglichkeit eines anderen, vielleicht sogar naheliegenden Geschehensablaufs dargetan wird. Vielmehr müssen Umstände dargelegt werden, die ein Fehlverhalten des Postzustellers bei der Zustellung und damit eine inhaltlich falsche Beurkundung in der Zustellungsurkunde zu belegen geeignet sind.
Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 5. März 1997 – 6 B 98/96 -, juris Rn. 5, vom 10. November 1993 – 2 B 153.93 -, juris Rn. 2 f., und vom 12. Dezember 1991 – 5 B 64.91 -, juris Rn. 1; OVG Schl.-Holst., Beschluss vom 9. August 2018 – 4 MB 79/18 -, juris Rn. 4.
Derartige substantiierte Darlegungen für den Antritt des Gegenbeweises sind dem Schreiben vom 18. August 2021 und auch dem weiteren Vortrag im Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren nicht zu entnehmen. Der Antragsteller hat lediglich pauschal behauptet, die Gutachtenanordnung vom 29. März 2021 nicht erhalten zu haben, und angegeben, dass dies für ihn selbst verwunderlich sei, zumal er in seinem Elternhaus lebe und dort die Post von seinen Eltern regelmäßig entgegengenommen und auch in seiner Abwesenheit verwaltet werde. Dieses pauschale Bestreiten ist nicht geeignet, Zweifel an der ordnungsgemäßen Zustellung der Begutachtungsanordnung zu begründen. Der Antragsteller hat ein etwaiges Fehlverhalten des Postzustellers bei der Beurkundung damit nicht hinreichend dargelegt.
Die Gutachtenanordnung genügt zudem nach Aktenlage voraussichtlich den formellen Anforderungen des § 11 Abs. 6 Satz 1 und 2, Abs. 8 Satz 2 FeV. § 11 Abs. 6 Satz 1 und 2 FeV verpflichtet die Fahrerlaubnisbehörde, dem Betroffenen die die Eignungsbedenken begründenden Tatsachen für die Beibringungsanordnung und die zu untersuchende Fragestellung so mitzuteilen, dass der Betroffene unter Einbeziehung der weiteren Darlegungen in der Beibringungsanordnung zweifelsfrei erkennen kann, welche Problematik in welcher Weise geklärt werden soll. Diese Verpflichtung der Behörde ist notwendig, damit der Betroffene in der Lage ist, zu beurteilen, ob die Aufforderung rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Februar 2015 – 3 B 16/14 -, juris Rn. 8; OVG NRW, Beschluss vom 13. April 2012 – 16 B 326/12 -, juris Rn. 3.
Ferner hat die Behörde dem Betroffenen gemäß § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV die für die Untersuchung in Betracht kommende(n) Stelle(n) und die Frist, innerhalb derer er das Gutachten beizubringen hat, mitzuteilen und ihn darauf hinzuweisen, dass er die zu übersendenden Unterlagen einsehen kann und die Kosten für das Gutachten zu tragen hat. Schließlich hat die Fahrerlaubnisbehörde den Betroffenen nach § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV darauf hinzuweisen, dass sie auf seine Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen darf, wenn er das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt (§ 11 Abs. 8 Satz 1 FeV).
Die Begutachtungsaufforderung vom 29. März 2021 genügt diesen Anforderungen. Sie führt in Gestalt des Verweises auf die erneute schwerwiegende Zuwiderhandlung vom 8. Oktober 2020 die Gründe auf, die die Behörde zum Anlass genommen hat, am Fortbestehen der Kraftfahreignung des Antragstellers zu zweifeln. In der Begutachtungsaufforderung wurde dem Antragsteller zudem die durch das Gutachten zu beantwortende Frage mitgeteilt sowie festgelegt, dass die erforderliche Untersuchung durch eine amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung durchzuführen ist, und eine Vorlagefrist bis zum 30. Juli 2021 gesetzt. Auf die Möglichkeit, Einsicht in die Fahrerlaubnisakte zu nehmen, wurde ebenso hingewiesen wie auf die Kostentragungspflicht des Antragstellers für die Gutachtenerstellung. Schließlich hat der Antragsgegner den Antragsteller in der Anordnung vom 29. März 2021 ausdrücklich auf die Rechtsfolge des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV für den Fall der Nichtvorlage des Gutachtens innerhalb der Frist hingewiesen.
Die Gutachtenanforderung ist nach Aktenlage voraussichtlich auch materiell rechtmäßig. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG. Danach hat die zuständige Behörde in der Regel die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung anzuordnen, sobald der Inhaber einer Fahrerlaubnis innerhalb der mit der Erteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung gemäß § 2a Abs. 1 Satz 7 StVG beginnenden neuen Probezeit erneut eine schwerwiegende oder zwei weniger schwerwiegende Zuwiderhandlungen begangen hat.
Die Norm greift auch bei einer vorherigen Entziehung der Fahrerlaubnis auf Probe wegen einer Straftat im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers gemäß § 69 StGB.
VG Trier, Beschluss vom 14. März 2019 – 1 L 545/19.TR -, juris Rn. 34; Trésoret, in: Freymann/Wellner/Trésoret, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, § 2a StVG Rn. 320 (Jan. 2022).
Sie ist nach summarischer Prüfung zudem auch dann anwendbar, wenn zuvor schon einmal eine Gutachtenanordnung auf der Grundlage von § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG erfolgt ist und der Inhaber der Fahrerlaubnis nach der Beibringung eines für ihn positiven Gutachtens wiederum erneut innerhalb der Probezeit eine schwerwiegende oder zwei weniger schwerwiegende Zuwiderhandlungen begangen hat.
Vgl. allgemein zur Möglichkeit der Gutachtenanordnung auf Grundlage der Norm trotz vorheriger MPU VG Trier, Beschluss vom 8. Dezember 2016 – 1 L 8043/16.TR -, juris Rn. 28; Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 2a StVG Rn. 53.
Dem steht der oben aufgezeigte Wortlaut von § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG nicht entgegen. Dieser fordert auf Tatbestandsebene lediglich die erneute Begehung der genannten Zuwiderhandlungen innerhalb der neuen Probezeit durch den Inhaber der Fahrerlaubnis und sieht sodann als Rechtsfolge in der Regel die Gutachtenanordnung vor, ohne eine Einschränkung dahingehend zu treffen, dass diese Anordnung nur einmalig in Betracht kommt. Vielmehr spricht die Wendung „sobald […] erneut“ sogar dafür, dass jede neue Zuwiderhandlung im Sinne der Vorschrift ihrerseits Grundlage für eine neue Gutachtenanordnung sein kann, auch wenn zuvor bereits eine solche erfolgt ist.
Diese Auslegung wird durch systematische und teleologische Erwägungen gestützt.
§ 2a StVG trifft Vorgaben für die Probezeit bei einem erstmaligen Fahrerlaubniserwerb (vgl. § 2a Abs. 1 Satz 1 StVG). Innerhalb der vorgesehenen Probezeit sollen sich Fahranfänger besonders bewähren. § 2a Abs. 2, 3 StVG sieht daher zunächst einen abgestuften Maßnahmenkatalog bei Nichtbewährung vor, der von der Anordnung der Teilnahme an einem Aufbauseminar bis zur Entziehung der Fahrerlaubnis reicht. § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG normiert darüber hinaus mit der dortigen Gutachtenanordnung die Maßnahme, die seitens der zuständigen Behörde zu ergreifen ist, wenn der Betroffene nach der Neuerteilung der zuvor entzogenen Fahrerlaubnis und der damit beginnenden neuen Probezeit Zuwiderhandlungen begeht und sich mithin erneut nicht bewährt. Hintergrund ist, dass sich in dieser Konstellation direkt die Eignungsfrage stellt und für die in § 2a Abs. 2 StVG normierten Hilfen kein Raum mehr ist.
Vgl. BT-Drucks. 10/4490, S. 20; Bay. VGH, Beschluss vom 27. Oktober 2011 – 11 CS 11.1192, 11 ZB 11.1335 -, juris Rn. 12; VG Düsseldorf, Urteil vom 1. Juli 2021 – 6 K 5836/20 -, juris Rn. 19; VG Trier, Beschluss vom 14. März 2019 – 1 L 545/19.TR -, juris Rn. 32; Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 2a StVG Rn. 20, 53.
Der Anordnung einer medizinischpsychologischen Untersuchung nach § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG liegt damit der Gedanke zugrunde, dass sich Fahrerlaubnisinhaber auf Probe, die trotz erfolgter Fahrerlaubnisentziehung, trotz absolviertem Aufbauseminar und trotz erneuter Bewährungszeit wieder verkehrsauffällig werden, unbelehrbar zeigen.
OVG NRW, Beschluss vom 13. Juli 2021 – 16 B 1944/20 -.
Mit der Gutachtenanordnung soll vor diesem Hintergrund insbesondere geklärt werden, ob dem Ausgangsverhalten eine fehlerhafte Einstellung des Betroffenen gegenüber verkehrsrechtlichen Bestimmungen zugrunde liegt (vgl. auch Nr. 1 Buchst. g Satz 1 der Anlage 4a zur FeV; vgl. allgemein zur fehlenden Kraftfahreignung bei einer insoweit rechtsfeindlichen Einstellung § 11 Abs. 1 Satz 3 FeV).
Diese Frage stellt sich aber nicht nur bei einer erstmaligen erneuten Begehung von Zuwiderhandlungen im Sinne des § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG in der neuen Probezeit. Vielmehr begründen auch innerhalb der neuen Probezeit erfolgte Zuwiderhandlungen, die nach einer vorherigen (positiven) Begutachtung begangen werden und damit neue Tatsachen darstellen, einen neuen Prüfungsanlass hinsichtlich der Kraftfahreignung. Denn in dieser Konstellation besteht im Hinblick auf die wiederholte Nichtbewährung trotz der laufenden Probezeit und der vorangegangenen intensiven Maßnahmen inklusive einer früheren Gutachtenanordnung nach der Neuerteilung der zuvor entzogenen Fahrerlaubnis erst Recht Anlass zu der Annahme, dass der Betroffene sich angesichts der erneuten Verkehrsauffälligkeiten unbelehrbar zeigt.
§ 2a StVG beinhaltet indes abseits des § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG keine anderweitigen ausdrücklich normierten Instrumente, um dem zu begegnen, so dass die zuständigen Behörde – beschränkte man den Anwendungsbereich des § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG auf eine einmalige Anwendung – über kein Instrument verfügte, um diesen erhöhten Eignungsbedenken zu begegnen. Dies liefe jedoch dem in § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG zum Ausdruck kommenden Zweck entgegen, frühzeitig mit spezifisch auf die Probezeitsituation zugeschnittenen Maßnahmen auf die Eignungsbedenken zu reagieren, allgemein zum spezifischen Zuschnitt von § 2a StVG auf die Anfängersituation VG Trier, Beschluss vom 14. März 2019 – 1 L 545/19.TR -, juris Rn. 32.
Vor diesem Hintergrund spricht nach summarischer Prüfung alles dafür, § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG auch dann anzuwenden, wenn nach einer positiven medizinischpsychologischen Untersuchung in der verlängerten Probezeit eine erneute schwerwiegende oder zwei weniger schwerwiegende Zuwiderhandlungen erfolgen.
Hiervon ausgehend waren die Voraussetzungen des § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG zum Zeitpunkt der Gutachtenanordnung in der Person des Antragstellers erfüllt. Ihm war die Fahrerlaubnis auf Probe bereits mit seit dem 20. November 2017 rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts E. vom 20. November 2017 nach § 69 StGB entzogen worden. Die mit der Erteilung der neuen Fahrerlaubnis am 12. Juli 2018 beginnende neue Probezeit lief bis zum 28. November 2021, nämlich im Umfang der Restdauer der vorherigen, um zwei Jahre verlängerten (vgl. § 2a Abs. 2a Satz 2 StVG) Probezeit (vgl. § 2a Abs. 1 Satz 6 und 7 StVG). Die zunächst zweijährige Probezeit des Klägers, die am 1. Juli 2016 mit der Ersterteilung der Fahrerlaubnis zu laufen begann, wurde durch die Sicherstellung am 12. Februar 2017 gehemmt (§ 2a Abs. 1 Satz 5 StVG). Durch die Entziehung der Fahrerlaubnis am 20. November 2017 wurde die Probezeit um zwei Jahre verlängert, also rechnerisch bis zum 1. Juli 2020. Zeitgleich endete die Probezeit vorzeitig. Die Restdauer der Probezeit (§ 2a Abs. 1 Satz 7 StVG; beim Antragsteller: 1235 Tage) lief ab der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis am 12. Juli 2018 und hätte damit rechnerisch am 28. November 2021 geendet.
Am 8. Oktober 2020 und damit während der noch laufenden Probezeit beging der Antragsteller (erneut) eine rechtskräftig geahndete schwerwiegende Zuwiderhandlung (Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit um 21 km/h). Bei dem Verkehrsverstoß handelt es sich um eine schwerwiegende Zuwiderhandlung im Sinne von § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG (vgl. § 34 Abs. 1 FeV i.V.m. Nr. 2.1 Abschnitt A der Anlage 12, wonach Verstöße gegen die Vorschriften der StVO über die Geschwindigkeit nach § 3 Abs. 1, 2a, 3 und 4, § 41 Abs. 2, Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 StVO erfasst sind, die nach § 28 Abs. 3 Nr. 3 i.V.m. § 24 StVG in das Verkehrszentralregister einzutragen sind, vgl. § 2a Abs. 2 Satz 1 StVG).
Der Antragsgegner musste dem Antragsteller danach gemäß § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG die Vorlage eines MPU-Gutachtens aufgeben („hat … anzuordnen“). Die Anwendung von § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG war dabei – wie oben ausgeführt – nicht von vornherein ausgeschlossen, weil bereits früher ein Gutachten nach dieser Vorschrift angeordnet worden war.
Der Antragsgegner ist ferner zu Recht davon ausgegangen, dass beim Antragsteller kein atypischer Fall gegeben ist, der ein Abweichen von dem Regelerfordernis der Gutachtenanforderung gebietet. Als besondere, atypische Umstände, die einen Ausnahmefall begründen können, kommen insbesondere solche in Betracht, die in der Persönlichkeit des Fahrerlaubnisinhabers auf Probe begründet liegen. Denn die Begutachtung, die diese Vorschrift „in der Regel“ fordert, dient der Vorbereitung einer Entscheidung der Fahrerlaubnisbehörde darüber, ob der Fahrerlaubnisinhaber auf Probe auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung seiner Gesamtpersönlichkeit nach dem Maßstab seiner Gefährlichkeit für den öffentlichen Straßenverkehr zum Führen von Kraftfahrzeugen noch geeignet ist.
VG Aachen, Beschluss vom 16. Mai 2012 – 3 L 164/12 -, juris Rn. 22; VG Augsburg, Beschluss vom 15. Februar 2012 – Au 7 S 13.52 -, juris Rn. 38; Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 2a StVG Rn. 53, jeweils m.w.N.
Hier sind nach summarischer Prüfung keine Umstände ersichtlich, die eine Ausnahme von der Regel des § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG rechtfertigen könnten. Ein solcher ergibt sich entgegen der vor allem im Verwaltungsverfahren mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2021 in der Sache geäußerten Auffassung des Antragstellers insbesondere nicht daraus, dass aufgrund des medizinischpsychologischen Gutachtens vom 4. Dezember 2019 trotz des erneuten Verstoßes die Fahreignung des Antragstellers feststünde und daher ein atypischer Fall anzunehmen wäre. Zwar kommt das Gutachten zu einem für den Antragsteller positiven Ergebnis. Dort heißt es, es sei nicht davon auszugehen, dass beim Antragsteller eine verminderte Anpassungsbereitschaft aufgrund von Fehleinstellungen gegenüber Regelbeachtung vorliege. Bei dem Delikt vom 9. Januar 2019 handele es sich um ein Augenblicksversagen, dem keine grundlegend problematischen Verhaltensgewohnheiten zugrunde lägen. Es lägen ausreichende Hinweise auf eine selbstkritische Bewertung des Fehlverhaltens vor und konkrete und angemessene Alternativen zum früheren Verhalten könnten beschrieben werden. Der Antragsteller habe davon überzeugen können, dass er sich mit den Hintergründen und Ursachen seines Fehlverhaltens auseinandergesetzt habe, und seine Einstellungen ließen erwarten, dass es ihm zukünftig gelingen werde, ein angepasstes Verkehrsverhalten zu zeigen (vgl. S. 10, 13 des Gutachtens). Die Aussagekraft des Gutachtens wird jedoch wird nach summarischer Prüfung durch die nach der Erstellung im Dezember 2019 begangene schwerwiegende Zuwiderhandlung vom 8. Oktober 2020 in der Sache erschüttert.
Vgl. allgemein auch OVG NRW, Beschluss vom 28. Oktober 2021 – 16 A 1874/20 -.
Denn entgegen der in dem Gutachten formulierten Annahme ist es dem Antragsteller trotz erheblicher früherer negativer Konsequenzen (Entziehung der Fahrerlaubnis auf Probe, frühere Gutachtenanordnung) in der weiterhin laufenden Probezeit nach Aktenlage nicht gelungen, sich zu bewähren und ein angepasstes Verkehrsverhalten zu zeigen. Insoweit ist insbesondere zu beachten, dass der Antragsteller mit der hier für die Gutachtenanordnung vom 29. März 2021 maßgeblichen Zuwiderhandlung vom 8. Oktober 2020 einen Verkehrsverstoß begangen hat, der demjenigen in der Art gleicht, der zur früheren Gutachtenanordnung geführt hat (Geschwindigkeitsübertretung), obwohl ihm angesichts der vorherigen Begutachtung und der seitens des Antragsgegners mit Schreiben vom 12. Dezember 2019 erfolgten eindringlichen Ermahnung, zukünftig entsprechende Handlungen zu unterlassen, in besonderem Maße bewusst sein musste, dass derartige Verhaltensweisen seine Fahreignung in Frage stellen. Vor diesem Hintergrund kann die frühere Begutachtung voraussichtlich nicht zu Gunsten des Antragstellers einen atypischen Fall begründen.
Nichts anderes folgt schließlich aus dem Vorbringen des Antragstellers zum Hintergrund der begangenen Zuwiderhandlung. Insoweit hat er im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren unter Hinweis auf eine eidesstattliche Versicherung seiner Lebensgefährtin, Frau F. I. , im Wesentlichen Folgendes vorgetragen: Er sei am Tattag der Zuwiderhandlung vom 00.00.2020 mit seiner Lebensgefährtin unterwegs gewesen. Sie habe ihre Adresse in einem Brennpunkt in E1. aufsuchen wollen, er sein Elternhaus in X. . Ursprünglich habe er sie nach Hause fahren wollen, dann aber diskutiert, ob sie mit dem Zug dorthin reisen könne, was darin geendet sei, dass sie das Fahrzeug verlassen und signalisiert habe, dass die Beziehung beendet sei. Er habe seine Fahrt fortgesetzt, sich aber auf die Wichtigkeit der Beziehung besonnen und an einen früheren Suizidversuch nach einem Streit erinnert. Er sei schnellstmöglich Richtung E1. gefahren, um sie abzuholen, habe unterwegs mit ihr telefoniert und die Lebensgefährtin habe ihn aufgefordert, nach X. zurückzukommen. Zugleich habe sie gedroht, dass sie den nächsten Zug nehmen werde und die Beziehung dann beendet sei. Er habe sofort seine Fahrtrichtung gewechselt und unter Zeitdruck versucht, nach X. zu kommen. Daher müsse er zugeben, dass er im Zeitpunkt der Geschwindigkeitsüberschreitung die gebotene Konzentration nicht aufgebracht und unter dem emotionalen Druck gestanden habe, möglichst schnell nach X. zu kommen.
Unabhängig davon, dass diese Umstände dem Antragsgegner zum Zeitpunkt der Gutachtenanordnung im März 2021 nicht bekannt waren, vermögen sie auch in der Sache keinen atypischen Fall im obigen Sinne zu begründen, aufgrund dessen ausnahmsweise von der Gutachtenanordnung abzusehen war. Im Gegenteil: Die Angaben des Antragstellers belegen ausdrücklich die vorsätzliche Begehung der schwerwiegenden Zuwiderhandlung, in deren Rahmen er seine eigenen Interessen über die Rechtsordnung gestellt hat, und begründen damit sogar in besonderem Maße Zweifel an seiner Kraftfahreignung.
Der Gutachtenanordnung lässt sich schließlich nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass der Antragsteller nicht über die finanziellen Mittel für die Begutachtung verfügt. Denn für die Frage der Zulässigkeit der Anordnung, ein Gutachten beizubringen, dessen Kosten der Betroffene nach § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV zu tragen hat, kommt es auf dessen wirtschaftliche Verhältnisse ebenso wenig an wie bei anderen Maßnahmen der Straßenverkehrsbehörde, die im Interesse der Verkehrssicherheit erforderlich sind. Das Gesetz mutet dem Betroffenen diese Kosten ebenso zu, wie es ihm zumutet, die zum verkehrssicheren Führen eines Kraftfahrzeugs notwendigen Kosten zu tragen. Demjenigen, der ein Kraftfahrzeug im öffentlichen Verkehr führt und sich dadurch von vornherein den Pflichten und Kosten dieser Verkehrsart unterwirft, kann vielmehr nur unter ganz besonderen Umständen zugebilligt werden, der Aufforderung entgegenzuhalten, ihm sei es unzumutbar, die von ihm zu tragenden Kosten der Untersuchung aus eigenen Mitteln oder mit fremder Hilfe aufzubringen.
Vgl. BVerwG, Urteile vom 13.11.1997 – 3 C 1/97 -, juris Rn. 23, und vom 12. März 1985 – 7 C 26/83 -, juris Rn. 18; OVG NRW, Beschluss vom 11. April 2017 – 16 E 132/16 -, juris Rn 24 m.w.N.; Bay. VGH, Beschluss vom 7. November 2006 – 11 ZB 05.3034 -, juris Rn. 20.
Da wirtschaftliches Unvermögen nach dem Vorgesagten nur ganz ausnahmsweise als ausreichender Grund dafür anerkannt werden kann, dass die in § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV bezeichnete Rechtsfolge nicht eintritt, und Vorsorge dagegen getroffen werden muss, dass Bedürftigkeit lediglich vorgeschoben wird, um eine im Interesse der Verkehrssicherheit gebotene Aufklärung der Fahreignung zu verhindern, sind an den Nachweis fehlender Geldmittel als Hinderungsgrund für die Beibringung eines Fahreignungsgutachtens strenge Anforderungen zu stellen. Neben der Offenlegung seiner finanziellen Verhältnisse ist vom Betroffenen daher zu verlangen, dass dieser alle nach der Sachlage ernsthaft in Betracht kommenden Möglichkeiten ausschöpft, um die einer Begutachtung entgegenstehenden finanziellen Hindernisse auszuräumen.
Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 7. November 2006 – 11 ZB 05.3034 -, juris Rn. 22.
Hierbei wird von dem Betroffenen in der Regel verlangt, sich um die Aufnahme eines Darlehens oder eine Finanzierung der Begutachtung durch Dritte zu bemühen sowie auf eine Ratenzahlungsvereinbarung mit der Begutachtungsstelle hinzuwirken.
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 1. Dezember 2014 – 16 B 1241/14 −, vom 11. Juni 2008 – 16 E 483/08 -, und vom 13. August 2008 – 16 E 890/08 -.
Nach diesen Maßstäben stand die fehlende finanzielle Leistungsfähigkeit der Gutachtenanordnung hier nicht entgegen. Der Antragsteller hat bereits nicht substantiiert dargelegt, nicht selbst über die finanziellen Mittel zur Gutachtenbeibringung zu verfügen. Sein Vortrag erschöpft sich letztlich in der bloß pauschalen Behauptung fehlender finanzieller Mittel unter Verweis auf seine nicht näher belegte Ausbildungsvergütung in Höhe von 480,00 Euro und die zu erwartenden Kosten in einer Größe von circa 500,00 Euro sowie einem allgemeinen Hinweis seinerseits darauf, dass er sich verschiedenen Gutachtern gegenüber bemüht habe, eine Ratenzahlung zu vereinbaren, aber kein Institut hierzu bereit gewesen sei. Derart pauschale Angaben genügen indes den vorgenannten Anforderungen nicht. Hinzu kommt, dass der Vortrag des Antragstellers sich im Vergleich zu seinen Angaben im Verwaltungsverfahren mit Schreiben vom 13. Oktober 2021 als widersprüchlich erweist. Dort hieß es noch, er könne „dem betreffenden Institut eine Ratenzahlung anbieten, wobei dort jedoch mitgeteilt wurde, dass sich dadurch die eigentliche Untersuchung verzögere“. Hieraus folgt jedoch, dass – anders als in der Klage- und Antragsbegründung dargestellt – zumindest prinzipiell die Bereitschaft bestand, eine Ratenzahlungsvereinbarung abzuschließen. Die Einzelheiten bleiben indes auch insoweit im Dunkeln. Ungeachtet dessen hat der Antragsteller jedenfalls auch nicht ausreichend dargelegt, sich rechtzeitig um eine Finanzierung durch Dritte bemüht zu haben.
Schließlich war auch die bis zum 30. Juli 2021 gesetzte Frist zur Gutachtenvorlage von circa vier Monaten nicht zu kurz bemessen. Es ist gerichtsbekannt, dass medizinischpsychologische Gutachten – auch während der COVID-19-Pandemie – innerhalb dieser Frist üblicherweise zu beschaffen sind. Zudem ist hier zu berücksichtigen, dass die Frist mit Schreiben vom 10. September 2021 bis zum 3. Dezember 2021 verlängert wurde. Dabei ist es nach summarischer Prüfung angesichts der obigen Ausführungen nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner mit Schreiben vom 19. Oktober 2021 den Fristverlängerungsantrag vom 13. Oktober 2021, der mit fehlenden finanziellen Mitteln begründet wurde, abgelehnt hat.
Da die Anordnung zur Gutachtenbeibringung gemäß § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG danach zu Recht erfolgte und der Antragsteller dieser ohne ausreichende Begründung nicht Folge geleistet hat, folgerte der Beklagte zu Recht dessen Nichteignung. Steht – wie damit beim Antragsteller – die Fahrungeeignetheit fest, muss die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis entziehen. Ein Ermessensspielraum ist ihr nicht eröffnet.
Nichts anderes gälte schließlich, wenn die Gutachtenanordnung gemäß § 11 Abs. 7 FeV entbehrlich und damit unverhältnismäßig gewesen wäre, weil bereits feststand, dass der Antragsteller fahrungeeignet war. Ob dies anzunehmen ist, kann daher offenbleiben. Denn in diesem Fall lägen die Entziehungsvoraussetzungen ebenfalls vor.
Bei dem Antragsteller bestehen nach Aktenlage auch nicht ausnahmsweise Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis. Angesichts der höchstwertigen Rechtsgüter, deren Schutz die Fahrerlaubnis dient, nämlich v.a. Leib und Leben der übrigen Verkehrsteilnehmer, der Verkehrssicherheit an sich sowie bedeutenden Sachwerten der Allgemeinheit, tritt das Interesse des Antragstellers zurück, sein Bedürfnis nach fahrerlaubnispflichtiger motorisierter Fortbewegung fortzusetzen. Dies gilt auch, wenn der Betroffene – wie hier im Hinblick auf die am 1. August 2020 begonnene Ausbildung zum Mechatroniker vorgetragen, deren Beendigung nach dem Vortrag des Antragstellers bei einer Entziehung der Fahrerlaubnis drohen soll – beruflich auf die Fahrerlaubnis angewiesen sein sollte.
Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 5. November 2019 − 6 L 2821/19 −, juris Rn. 14.
Der möglicherweise eintretende – ggfs. nicht mehr wiedergutzumachende – Schaden wiegt zu schwer, als dass dem Antragsteller trotz seines Verhaltens die Fahrerlaubnis belassen werden könnte, selbst wenn er hierdurch ernste private und/oder berufliche Nachteile in der beschriebenen Form hinnehmen müsste.
Neben der Rechtmäßigkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis ist auch ein besonderes öffentliches Interesse am sofortigen Vollzug dieser Verfügung gegeben. Die hohe Bedeutung der Sicherheit des Straßenverkehrs und das erhebliche Gefährdungspotenzial des Antragstellers als ungeeignetem Verkehrsteilnehmer rechtfertigen die Anordnung der sofortigen Vollziehung.
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 12. Oktober 2012 − 16 B 1106/12 −, vom 6. August 2012 − 16 B 856/12 −, und vom 2. April 2012 − 16 B 356/12 −.
Dies gilt hier umso mehr, als die vom Antragsteller dargelegten Umstände der Zuwiderhandlung vom 8. Oktober 2020 – wie oben dargelegt – sogar einen vorsätzlichen Verkehrsverstoß begründen.
b) Die Aufforderung zur Ablieferung des Führerscheins stellt sich bei summarischer Prüfung ebenfalls als offensichtlich rechtmäßig dar. Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG i.V.m. § 47 Abs. 1 Satz 1 FeV ist der Führerschein nach Entziehung der Fahrerlaubnis unverzüglich der Fahrerlaubnisbehörde vorzulegen.
Neben der Rechtmäßigkeit der Ablieferungsaufforderung ist auch ein besonderes öffentliches Interesse am Sofortvollzug gegeben. Die hohe Bedeutung der Sicherheit des Straßenverkehrs und das erhebliche Gefährdungspotenzial des Antragstellers als ungeeignetem Verkehrsteilnehmer rechtfertigen die Anordnung der sofortigen Vollziehung. Das öffentliche Interesse, den Rechtsschein des Besitzes einer gültigen Fahrerlaubnis zu beseitigen und damit zu gewährleisten, dass der Antragsteller nicht weiter am motorisierten Straßenverkehr im Bundesgebiet teilnimmt, überwiegt das Interesse des Antragstellers, seinen Führerschein nicht abliefern zu müssen. Die Unannehmlichkeiten, die für den Antragsteller mit der Ablieferung des Führerscheins verbunden sind, muss er angesichts des von fahrungeeigneten Verkehrsteilnehmern ausgehenden besonderen Risikos für die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs und des aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ableitbaren Auftrags zum Schutz vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben hinnehmen.
Vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 7. November 2005 – 10 S 1057/05 -, juris Rn. 22.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG. Die Bedeutung der Sache wird im Hauptsacheverfahren mit dem Auffangstreitwert des § 52 Abs. 2 GKG angesetzt, da der Antragsteller nicht in qualifizierter Weise, etwa als Berufskraftfahrer, auf die Fahrerlaubnis angewiesen ist. In Verfahren betreffend die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ermäßigt sich der danach zu berücksichtigende Betrag von 5.000,00 Euro aufgrund der Vorläufigkeit der Entscheidung um die Hälfte.