Im Kontext des europäischen Fahrerlaubnisrechts stellt sich die Frage nach der Gültigkeit und Anerkennung von Fahrberechtigungen, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union erworben wurden, insbesondere wenn diese nicht dem standardisierten EU-Führerschein entsprechen. Ein zentrales Thema dabei ist die Unterscheidung zwischen der formalen Fahrerlaubnis und dem physischen Nachweis darüber, wie beispielsweise durch den EU-Führerschein oder andere Bescheinigungen wie das CEPC (Certificat d’Examen du Permis de Conduire) aus Frankreich. Dabei geht es nicht nur um das „Fahren ohne Fahrerlaubnis“, sondern auch um die Interpretation und Anwendung der Fahrerlaubnisrichtlinie und die daraus resultierenden rechtlichen Implikationen für Fahrzeugführer in verschiedenen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Das Kernthema dreht sich um die Anerkennung und Validität solcher Fahrberechtigungen und die damit verbundenen rechtlichen Herausforderungen im grenzüberschreitenden Verkehr innerhalb der EU.
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✔ Das Wichtigste in Kürze
Das AG Kehl hat entschieden, dass eine französische Bescheinigung über das Bestehen der praktischen Fahrprüfung (CEPC) in Deutschland als Nachweis für eine Fahrerlaubnis anerkannt werden kann, auch wenn sie nicht direkt als EU-Führerschein gilt.
Die zentralen Punkte aus dem Urteil:
- Der Angeklagte wurde vom AG Kehl freigesprochen, obwohl er in Deutschland ohne offizielle Fahrerlaubnis, aber mit einer französischen Bescheinigung fuhr.
- Die Dritte Führerscheinrichtlinie der EU verlangt die Anerkennung einer Fahrerlaubnis in anderen EU-Mitgliedstaaten nur, wenn sie dem EU-Führerscheinmuster entspricht.
- Die französische Bescheinigung (CEPC) entspricht nicht direkt dem EU-Führerscheinmuster, wird aber als Nachweis für das Bestehen der praktischen Fahrprüfung in Frankreich anerkannt.
- Das deutsche Recht trennt zwischen der Fahrberechtigung und dem Nachweis darüber (Führerschein).
- Ein Fahren ohne Führerschein begründet nicht automatisch eine Strafbarkeit, wenn nachgewiesen werden kann, dass der Fahrer eine gültige ausländische Fahrerlaubnis besitzt.
- Der Angeklagte hat nach französischem Recht die Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen der Klasse B erworben, auch wenn er keinen formalen EU-Führerschein besitzt.
- Die Entscheidung des Gerichts basiert auf einer Analyse der französischen Rechtslage und der Tatsache, dass der Angeklagte die praktische Fahrprüfung in Frankreich bestanden hat.
- Das Urteil betont, dass Personen, die ihre Fahreignung nachgewiesen haben, keine größere Gefahr darstellen als andere Fahrer mit einem offiziellen EU-Führerschein.
Der Fall dreht sich um einen Angeklagten, der ohne eine offizielle deutsche Fahrerlaubnis gefahren ist, aber im Besitz einer französischen Bescheinigung über das Bestehen der praktischen Fahrprüfung, bekannt als CEPC (Certificat d’Examen du Permis de Conduire), war. Dieser Fall wirft die Frage auf, ob eine solche französische Bescheinigung in Deutschland als gültige Fahrerlaubnis anerkannt werden kann.
Rechtliche Auseinandersetzung und EU-Richtlinien

Die rechtliche Auseinandersetzung entstand, weil der Angeklagte in Deutschland ohne eine offizielle Fahrerlaubnis, aber mit der genannten französischen Bescheinigung gefahren ist. Das Kernproblem liegt in der Interpretation und Anwendung des § 29 FeV, insbesondere im Hinblick auf die Anerkennung ausländischer Fahrerlaubnisse und die Anforderungen der Dritten Führerscheinrichtlinie der Europäischen Union.
Es gibteine Herausforderung in diesem Fall, da die Dritte Führerscheinrichtlinie der Europäischen Union die Anerkennung der Fahrerlaubnis in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union erst dann verlangt, wenn das Legitimationspapier den Anforderungen des in der Richtlinie vorgesehenen Führerscheinmusters, dem EU-Führerschein, entspricht. Das bedeutet, dass Fahrberechtigungen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die nicht dem EU-Führerscheinmuster entsprechen, nicht automatisch in anderen Mitgliedstaaten anerkannt werden müssen.
Entscheidung des AG Kehl
Das Gericht, das AG Kehl, hat in seinem Urteil vom 14.12.2022 entschieden, den Angeklagten freizusprechen. Dies basiert auf der Analyse der französischen Rechtslage und der Tatsache, dass der Angeklagte am 21.05.2019 die praktische Fahrprüfung in Frankreich bestanden hat und somit die Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen der Fahrzeugklasse B in Frankreich erworben hat.
Die Entscheidung des Gerichts beruhte auf mehreren Faktoren. Erstens, obwohl die französische Bescheinigung nicht direkt als EU-Führerschein gilt, hat der Angeklagte nachweislich die praktische Fahrprüfung in Frankreich bestanden. Zweitens, die Analyse der französischen Rechtslage durch den Richter, der über ein tiefes Verständnis des französischen Rechtssystems verfügt, bestätigte die Gültigkeit der französischen Bescheinigung. Drittens, die Tatsache, dass der Angeklagte keine größere abstrakte Gefahr auf den Straßen darstellte als andere Fahrer mit einem offiziellen EU-Führerschein.
Bedeutung und Auswirkungen des Urteils
Zusätzlich zu diesen Punkten wurde betont, dass die Dritte Führerscheinrichtlinie der EU nicht explizit verlangt, dass ein Führerschein in einem Mitgliedstaat in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt werden muss, solange der Fahrer die Anforderungen für das Führen eines Fahrzeugs in seinem Heimatland erfüllt.
Das Fazit dieses Urteils ist, dass, obwohl es Unterschiede in der Interpretation und Anwendung von Fahrerlaubnisregelungen zwischen den EU-Mitgliedstaaten gibt, die Anerkennung von Fahrerlaubnissen und -bescheinigungen flexibel gehandhabt werden sollte, insbesondere wenn nachgewiesen werden kann, dass der Fahrer die notwendigen Prüfungen und Anforderungen in seinem Heimatland erfüllt hat. Dieses Urteil könnte weitreichende Auswirkungen auf ähnliche Fälle in der Zukunft haben und die Art und Weise beeinflussen, wie ausländische Fahrerlaubnisse und Bescheinigungen in anderen EU-Mitgliedstaaten behandelt werden.
✔ Wichtige Begriffe kurz erklärt
CEPC (certificat d’examen du permis de conduire)
Das CEPC (Certificat d’Examen du Permis de Conduire) ist ein offizielles Dokument, das in Frankreich am Tag der praktischen Fahrprüfung vom Prüfer ausgefüllt wird. Es enthält wichtige Informationen wie den Namen und die NEPH-Nummer des Prüflings, das Datum der Prüfung, die Fahrerlaubniskategorie, die Bewertung der Fahrprüfung und die abschließende Bewertung des Prüfers. Bei einem erfolgreichen Ergebnis dient das CEPC als vorläufiger Führerschein und berechtigt den Inhaber, bis zur Ausstellung des endgültigen Führerscheins in Frankreich ein Fahrzeug zu führen.
In Bezug auf die deutsche Rechtsprechung und den EU-Führerschein hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass das CEPC nicht als Führerschein im Sinne der EU-Führerscheinrichtlinie angesehen wird. Das bedeutet, dass das CEPC in anderen EU-Mitgliedstaaten, einschließlich Deutschland, nicht als Führerschein anerkannt wird. Inhaber eines CEPC, die in einem anderen EU-Mitgliedstaat ein Fahrzeug führen möchten, müssen daher ihren endgültigen Führerschein abwarten. Zusammenfassend ist das CEPC ein offizielles Dokument, das in Frankreich als vorläufiger Führerschein gilt, jedoch in anderen EU-Mitgliedstaaten, einschließlich Deutschland, nicht als Führerschein anerkannt wird.
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Das vorliegende Urteil
AG Kehl – Az.: 2 Cs 504 Js 14645/21 – Urteil vom 14.12.2022
Der Angeklagte A aus D wird freigesprochen.
Die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Staatskasse.
Gründe
I.
Dem Angeklagten wird vorgeworfen, als Halter des Pkws Renault Clio, amtliches Kennzeichen XX-XXX-XX (Frankreich), am 22.07.2021 zugelassen zu haben, dass der gesondert verfolgte F am selben Tag gegen 0:10 Uhr mit diesem Pkw auf der Straßburger Straße in 77694 Kehl fuhr, obwohl er (F), die erforderliche Fahrerlaubnis nicht gehabt habe, was der Angeklagte habe erkennen können und müssen.
II.
Zwar konnte festgestellt werden, dass F – entsprechend des Vorwurfs – mit dem Pkw des Angeklagten gefahren ist. Festzustellen war jedoch auch, dass F, der jedenfalls noch am Tattag in Straßburg (Frankreich) lebte, am 21.05.2019 in Frankreich erfolgreich die praktische Fahrprüfung zum Erwerb der Fahrerlaubnisklasse B bestanden hatte und ihm darüber eine Bescheinigung nach dem Muster der Anlage 4 zur französischen Fahrerlaubnisverordnung (certificat d’examen du permis de conduire, nachfolgend CEPC) ausgestellt wurde. Den sogenannten EU-Führerschein nach dem Muster der Anlage 3 der französischen Fahrerlaubnisverordnung besaß F am Tattag noch nicht; dieser wurde ihm erst am 20.08.2021 ausgestellt.
III.
Die Feststellungen unter II. beruhen auf den Feststellungen der Polizei, die das von F geführte Fahrzeug gestoppt und kontrolliert hatte, sowie den über das Gemeinsame Zentrum der deutsch-französischen Polizei- und Zollzusammenarbeit Kehl (nachfolgend: GZ Kehl) eingeholten Auskünften aus dem französischen Fahrerlaubnisregister, wonach F „am 21.05.2019 die praktischen Prüfung abgelegt habe“ (Auskunft vom 28.07.2021) bzw. ihm „am 21.05.2019 [die FE-Klassen B und B1 erteilt worden seien]“ und „das Dokument… am 20.08.2021 [erteilt] worden sei“ (Auskunft vom 06.07.2022). Zwar ergibt sich aus diesen Erkenntnissen des GZ Kehl nicht unmittelbar, dass F das CEPC ausgestellt wurde. Dies ist jedoch aus der mit dem 21.05.2019 datierten und die Ausstellung des CEPC voraussetzende Eintragung über den Erwerb der Fahrerlaubnis im französischen Fahrerlaubnisregister zu schließen (siehe dazu die Ausführungen zur französischen Rechtslage unter IV.1.b.).
IV.
Auf Grundlage der Feststellungen unter II. hat sich der Angeklagte nicht nach § 21 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 StVG – oder sonst – strafbar gemacht.
1. Nach § 21 Abs. 1 Nr. 2 StVG macht sich strafbar, wer als Halter eines Kraftfahrzeugs anordnet oder zulässt, dass jemand das Kraftfahrzeug führt, der – unter anderem – die dazu erforderliche Fahrerlaubnis nicht hat (Alt. 1). Ob und welche Fahrerlaubnis für eine bestimmte Art von Kraftfahrzeugen (hier für Pkw die Fahrerlaubnisklasse B) erforderlich ist, ergibt sich aus § 2 StVG in Verbindung mit der Fahrerlaubnisverordnung (FeV). Für Inhaber einer ausländischen Fahrerlaubnis, die – wie hier F – keinen ordentlichen Wohnsitz im Inland haben, bestimmt § 29 FeV, dass sie im Umfang ihrer Berechtigung im Inland Kraftfahrzeuge führen dürfen (Abs. 1), wobei die Fahrerlaubnis durch einen gültigen nationalen oder internationalen Führerschein nachgewiesen werden muss (Abs. 2) und keine Ausnahme von der Geltung der ausländischen Berechtigung vorliegen darf (Abs. 3).
Die Berechtigung von einer in Frankreich erteilten Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, entfällt dabei nicht schon deshalb nach § 29 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2 FeV, weil ein Fahrzeugführer (noch) nicht im Besitz eines (endgültigen) EU-Führerscheins ist, sondern nur über ein CEPC verfügt. Vielmehr kommt es allein darauf an, ob die Fahrberechtigung selbst nach dem ausländischen Recht endgültig und vorbehaltlos erteilt wurde (a.), was bei F mit dem Erhalt des CEPC der Fall war (b.).
a. Soweit vertreten wird, dass es sich bei einem CEPC um einen „anderen vorläufig ausgestellten Führerschein“ im Sinne des § 29 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2 FeV handele und damit die grundsätzlich nach § 29 Abs. 1 FeV geltende Berechtigung – trotz endgültig und vorbehaltlos nach ausländischem Recht erteilter Fahrerlaubnis – nicht gelte (so OLG Karlsruhe, Urteil vom 18. Juli 2019 – 3 Rv 10 Ss 892/18 – VRS 137, 89; LG Offenburg, Beschluss vom 27. März 2019 – 3 Qs 29/18 – NZV 2019, 589; Dauer/König DAR 2018, 459; so wohl auch Ternig, NZV 2018, 578, unklar Lenk, NZV 2019, 589, der offenbar keine Unterscheidung zwischen Recht und Legitimationspapier vornimmt) vermag das Gericht, das diese Frage bislang ausdrücklich offengelassen hat (vgl. Beschluss vom 08. Februar 2018 – 2 Cs 206 Js 10658/15 –, DAR 2018, 457, und Urteil vom 01. April 2019 – 2 Cs 504 Js 9359/18 –, juris), diesem – allein auf die Formulierung „vorläufig ausgestellter Führerschein“ gestützten und nicht weiter begründeten – Verständnis von § 29 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2 FeV mit Blick auf die Systematik dieser Vorschrift, ihrer Entstehungsgeschichte sowie gesetzgeberischer Wertentscheidungen zur Sanktionierung von Verstößen gegen das Fahrerlaubnisrecht nicht zu folgen:
(1.) Zunächst ist daran zu erinnern, dass es für den Anwendungsbereich und damit der Auslegung des § 29 FeV unerheblich ist, ob im Falle eines ausländischen Fahrzeugführers, der sich – wie hier – auf eine in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union erteilten Fahrerlaubnis beruft, diese Fahrerlaubnis nicht schon aufgrund der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.12.2006 über den Führerschein (Dritte Führerscheinrichtlinie) in den anderen Mitgliedstaaten anzuerkennen ist (so wohl – jedenfalls im Ergebnis – aber Dauer/König a.a.O., Ternig a.a.O. und Lenk a.a.O.). Denn auch wenn diese Richtlinie die Anerkennung der Fahrerlaubnis in den anderen Mitgliedstaaten erst dann verlangt, wenn das Legitimationspapier den Anforderungen des in der Richtlinie vorgesehenen Führerscheinmusters (EU-Führerschein) entspricht (EuGH, Urteil vom 26. Oktober 2017 – C-195/16 –, DAR 2018, 435), bedeutet dies nicht, dass ein Mitgliedstaat in einem solchen Fall die Anerkennung auch zu versagen hat; vielmehr bleibt es ihm – unabhängig vom EU-Recht – unbenommen eine Anerkennung vorzusehen; insoweit ist allein auf die nationale – hier deutsche – Rechtslage abzustellen, wobei in concreto § 29 FeV gleichermaßen für alle ausländischen Fahrberechtigungen zur Anwendung kommt (jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl. 2022, § 4 FeV, Rn. 1; Henschel/König/Dauer, a.a.O., Rn. 8; NK-GVR/Felix Koehl, 3. Aufl. 2021, FeV § 29 Rn. 1 ff.). Damit gilt § 29 FeV grundsätzlich auch für Fahrberechtigungen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, selbst wenn sie – wie hier – (noch) nicht in den Anwendungsbereich der Führerscheinrichtlinie fallen, weil der EU-Führerschein (noch) nicht ausgestellt ist; eine Schlechterstellung von Inhabern einer Fahrberechtigung aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union gegenüber solchen aus einem Drittstaat wäre im Übrigen unter keinem Gesichtspunkt vertretbar und vor dem Hintergrund der Harmonisierung des Fahrerlaubnisrechts in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit vergleichsweise hohen Anforderungen an die Erteilung einer Fahrerlaubnis widersinnig.
Ebenfalls ohne Belang für die Auslegung des § 29 FeV ist, ob der ausländische Staat, dessen Fahrerlaubnis sich der Fahrzeugführer rühmt, umgekehrt die Berechtigung des Inhabers einer nicht durch die Aushändigung des Führerscheins, sondern durch eine Prüfungsbescheinigung (§ 22 Abs. 4 Satz 6 Alt. 2 FeV) erteilten deutschen Fahrerlaubnis anerkennt (a.A. offenbar Dauer/König a.a.O. und Ternig a.a.O.), weil § 29 FeV – ebenso wenig wie die für den internationalen Kraftfahrzeugverkehr abgeschlossenen Abkommen (Pariser Übereinkommen vom 24.04.1926 – RGBl. II, S. 1233; Genfer Konvention vom 19.09.1949 – UN-Treaty Series, Volume 125, No. 1671; Wiener Übereinkommen vom 08.11.1968, BGBl. II, S. 809) – keine unmittelbare wirkende Bedingung der gegenseitigen Anerkennung in der Weise vorsieht, dass eine ausländische Fahrberechtigung nur dann in Deutschland gilt, wenn eine deutsche Fahrberechtigung – unter denselben Bedingungen – auch im betreffenden Ausland anerkannt würde.
(2.) Nach einhelliger Ansicht in Rechtsprechung und Literatur unterscheidet § 29 FeV – in Wortlaut und Aufbau übereinstimmend mit den für Inhaber einer deutschen Fahrerlaubnis geltenden Regelungen in § 2 StVG und § 4 FeV – zwischen der Berechtigung zum Führen eines Kraftfahrzeugs nach ausländischem Recht (Abs. 1) und dem Nachweis darüber durch einen Führerschein (Abs. 2) mit der Folge, dass sich ein – im Übrigen die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 FeV erfüllende – Fahrzeugführer nur dann wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis strafbar macht, wenn er (auch) nicht im Ausland über eine Fahrberechtigung für das von ihm gelenkte Kraftfahrzeug verfügt; der fehlende Führerschein als Nachweis darüber begründet lediglich eine Ordnungswidrigkeit nach § 75 Nr. 4 FeV (vgl. jurisPK-Straßenverkehrsrecht, a.a.O., § 4 FeV, Rn. 163; Henschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 29 FeV Rn. 12; NK-GVR/Felix Koehl a.a.O., Rn. 10; sowie BGH, Beschluss vom 26. Juli 2001 – 4 StR 170/00 –, NJW 2001, 3347, bereits zur insoweit inhaltsgleichen Vorgängervorschrift § 4 IntKfzVO). Prozessual hat dies zur Folge, dass sich ein Schuldspruch wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis nicht schon darauf stützen lässt, dass der Fahrer keinen Führerschein besitzt; vielmehr obliegt es dem Tatrichter festzustellen, dass der Fahrer, der sich auf eine ausländische Fahrerlaubnis beruft, über diese tatsächlich nicht verfügt, auch wenn die erforderlichen Ermittlungen einen nicht unerheblichen Aufwand erfordern mögen und in dem betreffenden Staat auf unüberwindbare Schwierigkeiten stoßen könnten (BGH a.a.O.).
Ausnahmen von der Berechtigung nach § 29 Abs. 1 FeV sieht § 29 Abs. 3 FeV vor, darunter die hier in Rede stehende zweite Alternative der Nr. 1 für „Inhaber ausländischer Fahrererlaubnisse, die lediglich im Besitz […] eines […] vorläufig ausgestellten Führerscheins sind“. Die allein auf die Vorläufigkeit des Führerscheins abstellende und die tatsächliche im Ausland bestehende Fahrerlaubnis außerachtlassende Auslegung von § 29 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2 FeV wäre nicht nur eine unerträgliche Schlechterstellung von Fahrern mit einem solchen „vorläufig ausgestellten Führerschein“ gegenüber Fahrern, die überhaupt keinen besitzen, sondern auch eine systemwidrige Durchbrechung des seit jeher im deutschen Straßenverkehrsrecht geltenden Prinzips der Trennung von Fahrberechtigung und dem Nachweis darüber (vgl. bereits § 2 des Gesetzes über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen vom 03.05.1909, RGBl. S. 437), weil es die Berechtigung schon wegen des Fehlens eines (endgültigen) Nachweises darüber entfallen ließe. Insoweit würde § 29 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2 FeV eine Sonderstellung gegenüber den anderen Ausschlusstatbeständen einnehmen, die auf materielle Gründe wie den Abschluss der Fahrausbildung (Nr. 1 Alt. 1), das Mindestalter (Nr. 1a), das Wohnsitzerfordernis (Nr. 2 und 2a) oder führerscheinrechtliche Maßnahmen im Inland (Nr. 3 bis 5) abstellen.
(3.) Eine solche systemwidrige Sonderstellung des Ausnahmetatbestandes des § 29 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2 FeV war vom Verordnungsgeber nicht beabsichtigt:
(a.) Die in § 29 Abs. 3 Nr. 1 FeV verwendete Formulierung hat ihren Ursprung im zweiten Satz des ersten Absatzes der zum 01.01.1983 in Kraft getretenen Neufassung des § 4 IntKfzV durch die Dritte Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 23.11.1982 (BGBl. I, S. 1533), der bis zur inhaltsgleichen Übernahme (BRDrs. 302/08, S. 65) dieser Vorschrift als § 29 FeV durch die Vierte Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung und anderen straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften vom 18.07.2008 (BGBl. I, S. 1338) die Berechtigung ausländischer Fahrerlaubnisinhaber zum Führen eines Kraftfahrzeugs im Inland regelte. Bis zum 01.01.1983 lautete § 4 IntKfzV seit seiner Einführung mit der Verordnung vom 12.11.1934 (RGBl I S. 1137):
„(1) Außerdeutsche Kraftfahrzeugführer dürfen vorübergehend im Reichsgebiet ein Kraftfahrzeug führen, wenn sie
a) einen von zuständiger Stelle ausgestellten Internationalen Führerschein ([…]) haben oder
b) eine ausländische Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen nachweisen (Fahrausweis).
(2) Für ausländische Fahrausweise, die nicht in deutscher Sprache abgefaßt sind, gilt § 1 Abs. 3 sinngemäß.
(3) Die Führer haben die deutschen Verkehrsvorschriften zu befolgen; das Öffnen am Kraftfahrzeug etwa vorhandener Auspuffklappen ist verboten.“
Mit der Neufassung aus Anlass der Umsetzung der Ersten Richtlinie des Rates vom 04.12.1980 zur Einführung eines EG-Führerscheins (80/1262/EWG, Erste Führerscheinrichtlinie) erhielt § 4 IntKfzV folgenden Inhalt:
„(1) Außerdeutsche Fahrzeugführer, die
a) einen von zuständiger Stelle ausgestellten gültigen Internationalen Führerschein ([…]) oder
b) einen gültigen Führerschein nach dem Modell der Europäischen Gemeinschaften ([…]) oder einen anderen gültigen Führerschein eines der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften oder
c) eine andere gültige ausländische Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen (Fahrausweis)
nachweisen, dürfen im Umfang der dadurch nachgewiesenen Berechtigung Kraftfahrzeuge auch im Geltungsbereich dieser Verordnung führen, wenn sie dort keinen ständigen Aufenthalt haben oder wenn seit der Begründung eines ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich dieser Verordnung nicht mehr als 12 Monate verstrichen sind. Satz 1 gilt nicht für Lernführerscheine oder andere vorläufig ausgestellte Führerscheine oder Fahrausweise. Für ausländische Fahrausweise nach Satz 1 Buchstabe c, die nicht dem Anhang 6 des Übereinkommens über den Straßenverkehr vom 8. November 1968 entsprechend oder die nicht in deutscher Sprache abgefaßt sind, gilt § 1 Abs. 3 sinngemäß.
(2) Die Berechtigung nach Absatz 1 gilt nicht für Inhaber ausländischer Führerscheine oder Fahrausweise,
a) wenn sie zum Zeitpunkt der Erteilung der ausländischen Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen ihren ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich dieser Verordnung hatten oder
b) solange ihnen im Geltungsbereich dieser Verordnung die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen worden ist oder ihnen auf Grund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung keine Fahrerlaubnis erteilt werden darf.“
Satz 2 des ersten Absatzes geht dabei auf den letzten Satz von Art. 41 Abs. 1 des Wiener Übereinkommens vom 08.11.1968 zurück, wonach die Pflicht der Vertragsparteien zur Anerkennung von internationalen oder ausländischen Führerscheinen nicht für „Lernführerscheine“ gilt. Der Verordnungsgeber beschränkte sich jedoch nicht auf die bloße Übernahme dieser Formulierung des Übereinkommens, sondern erweiterte in diesem Zusammenhang den Ausschluss der Fahrberechtigung auf „andere vorläufig ausgestellte Führerscheine und Fahrausweise“, was der „Klarstellung, um Missbrauchsversuchen von vornherein entgegenzutreten“ diente (BRDrs. 379/82, S. 42). Der unmittelbare Bezug auf „Lernführerscheine“ belegt, dass der Verordnungsgeber nicht beabsichtigte, einen – einzig an ein rein formales, die tatsächlichen Fähigkeiten des Betroffenen unberücksichtigt lassendes Kriterium anknüpfenden – Ausschlusstatbestand eigener Art zu schaffen, sondern lediglich sicherstellen wollte, dass Personen mit Fahrberechtigung im Ausland erst dann am deutschen Straßenverkehr teilnehmen dürfen, wenn sie ihre Fahrausbildung endgültig erfolgreich abgeschlossen („Lernführerschein“) oder sonst die Fahreignung abschließend von der ausländischen zuständigen Stelle festgestellt („anderer vorläufig ausgestellter Führerschein“) wurde. Der Verhinderung von Missbrauchsfällen bezweckte im Übrigen in gleicher Weise die Einführung der Ausschlusstatbestände des zweiten Absatzes unter Bezug auf Art. 41 Abs. 6 lit. a und Art. 42 Abs. 3 des Wiener Übereinkommens (BRDrs. 379/82, S. 44).
(b.) Dafür, dass der Verordnungsgeber trotz allem – ohne Rücksicht auf den tatsächlichen unbedingten und endgültigen Erwerb der Fahrberechtigung – allein auf die „Vorläufigkeit“ des Führerscheins abstellen wollte, spricht auch nicht die Neufassung des § 4 IntKfzV durch die Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr und zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 18.08.1998 (BGBl. I, S. 2214), mit der § 4 IntKfzV die heutige Struktur des § 29 FeV hinsichtlich der Trennung von Fahrberechtigung (Abs. 1) und des Nachweises darüber (Abs. 2) erhielt, wobei Satz 2 des ersten Absatzes der bis dahin geltenden Fassung zur Nr. 1 des die Ausschlusstatbestände aufzählenden dritten Absatzes wurde und dieser Absatz gleichzeitig nicht mehr von Inhabern ausländischer „Führerscheine oder Fahrausweise“, sondern nunmehr von Inhabern ausländischer „Fahrerlaubnisse“ sprach. Eine solche Intention ist der Begründung der Verordnung vom 18.08.1998 nicht zu entnehmen; im Gegenteil heißt es dort, dass Nr. 1 § 4 Abs. 1 Satz 2 der alten Fassung entspreche (BRDrs. 443/98, S. 327). Insoweit hat sich lediglich der bereits für die alte Fassung aufgrund der Gleichstellung von „Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen“ und „Fahrausweis“ konstatierte unpräzise Sprachgebrauch des Verordnungsgebers (BGH a.a.O.) fortgesetzt.
(c.) Schließlich erscheint die Beschränkung der „Vorläufigkeit“ auf ein Legitimationspapier ohne inhaltlichen Bezug auf die „Vorläufigkeit“ des mit diesem Legitimationspapier zu bescheinigenden Rechts denklogisch unmöglich, da das Legitimationspapier nicht weniger bescheinigen kann als das Recht selbst umfasst, um nicht die Qualität als Legitimationspapier im Hinblick auf dieses konkrete Recht zu verlieren. Sinn macht insoweit lediglich eine zeitliche Beschränkung der Gültigkeit eines Legitimationspapiers, wie sie etwa von § 24a Abs. 1 FeV für unbefristet erteilte Fahrerlaubnisse (§ 23 Abs. 1 Satz 1 FeV) vorgesehen ist. Daran ändert sich auch nichts, dass von vornherein beabsichtigt ist, das in Rede stehende Legitimationspapier durch ein anderes – hier den EU-Führerschein – zu ersetzen.
(4.) Die ohne Rücksicht auf den tatsächlichen endgültigen Erwerb der Fahrberechtigung allein auf die Formulierung „vorläufig ausgestellter Führerschein“ abstellende Auslegung von § 29 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2 FeV widerspricht zudem der Intention des Gesetzgebers, weil sie im Ergebnis die Strafbarkeit eines Verhaltens begründet, nämlich das Fahren ohne Führerschein (trotz bestehenden Rechts), dessen Ahndung als Straftat dem deutschen Straßenverkehrsrecht zwar nicht fremd ist (vgl. § 24 Abs. 1 Nr. 1 StVG in der bis 1964 geltenden Fassung; BGH Beschluss vom 20. Oktober 1954 – 4 StR 490/54 –, NJW 1954, 1942), aber nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers seit dem Zweiten Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs vom 26.11.1964 (BGBl. I, S. 921), nicht mehr mit Strafe bedroht sein sollte, weil kein „ausreichendes kriminalpolitisches Bedürfnis besteht, solche Taten mit Vergehensstrafe zu ahnden“ (BTDrs. IV/651, S. 38 f.). Zwar ließe sich argumentieren, dass der Gesetzgeber bei der Neufassung des § 24 StVG a.F. lediglich Inhaber einer deutschen Fahrerlaubnis im Auge gehabt habe und das kriminalpolitische Bedürfnis ein anderes sei, wenn es sich um eine ausländische Fahrerlaubnis handele, weil der Führerschein den Nachweis über das Bestehen dieser Fahrerlaubnis erleichtere. Diesem Argument hat der Bundesgerichtshof aber mit seiner Entscheidung vom 26.07.2001 (a.a.O.) eine klare Absage erteilt; eine Umkehr der Beweislast finde nicht statt. Eine Benachteiligung der Inhaber einer ausländischen Fahrerlaubnis gegenüber Kraftfahrern, die sich – ohne einen Führerschein zu besitzen – auf eine deutsche Fahrerlaubnis berufen, sei in der Sache nicht gerechtfertigt. Die Anwendung des § 29 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2 FeV mit der Folge der Aberkennung der Fahrberechtigung nach § 29 Abs. 1 FeV auf einen Fall, wie er hier zu beurteilen ist, wäre somit de facto die Wiedereinführung der Strafbarkeit des Fahrens ohne Führerschein durch eine Rechtsverordnung entgegen dem Willen des Gesetzgebers. Dies hätte zur Folge, dass § 29 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2 FeV in der hier verworfenen Auslegung nicht mehr von der – insoweit auch im Lichte der seinerzeitigen Neufassung des § 24 StVG und heute im Wesentlichen fortgeltenden § 21 StVG auszulegenden (vgl. Sachs, Grundgesetz, 9. Aufl. 2021, Art. 80, Rn. 30; BeckOK GG/Uhle, 51. Ed. 15.5.2022, GG Art. 80, Rn. 24a) – Ermächtigungsgrundlage (§ 6 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 Alt. 3 StVG) gedeckt wäre, wie sie bereits § 6 Nr. 1 Alt. 2 des Gesetzes über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen vom 03.05.1909 (a.a.O.) vorsah und – jedenfalls nach der gesetzgeberischen Wertentscheidung, solche Sachverhalte nicht mehr zu kriminalisieren – bis heute inhaltlich unverändert geblieben ist (vgl. BRDrs. 821/96, S. 74, zum Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze vom 24.04.1998, BGBl. I S. 747, und BTDrs. 19/28684, S. 41, zum Vierten Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 12.07.2021, BGBl. I S. 3091).
Nach alldem ist § 29 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2 FeV dahin auszulegen, dass eine ausländische Fahrberechtigung im Sinne des § 29 Abs. 1 FeV im Inland nicht schon bei „Vorläufigkeit“ des Führerscheins als Legitimationspapier, sondern (erst) bei „Vorläufigkeit“ der damit zu bescheinigenden Fahrberechtigung keine Gültigkeit entfaltet.
b. F hatte am 21.05.2019 mit der bestehenden der praktischen Fahrprüfung und der Erteilung des CEPC endgültig und vorbehaltlos die Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen der Klasse B in Frankreich erworben.
Dies ergibt sich aus der Analyse der französischen Rechtslage, zu der der erkennende Richter aufgrund seines dem Ersten Juristischen Staatsexamen französischen Abschlusses des Studiums der Rechtswissenschaften auch ohne sachverständige Hilfe befähigt ist und dessen Ergebnis durch das GZ Kehl, insbesondere nach Konsultation der dort tätigen französischen Beamten, als uneingeschränkt zutreffend bestätigt wurde:
(1.) Gemäß Art. R221-1-1 I. des französischen Straßenverkehrsgesetzbuchs (Code de la route, nachfolgend: CdR, abrufbar im Internet auf der Seite www.legifrance.gouv.fr) ist vorbehaltlich einer sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebenden Berechtigung – wie in Deutschland – für das Führen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr grundsätzlich eine Erlaubnis erforderlich, die auf Antrag und Nachweis der entsprechenden Voraussetzungen durch den örtlich zuständigen Präfekten erteilt wird (Art. R221-1-1 II. CdR). Die Einzelheiten der Beantragung und des Erwerbs der Fahrberechtigung und die Ausstellung des entsprechenden Führerscheins regelt der Erlass des Ministers des Innern der französischen Republik vom 20.04.2012 (Arrêté du 20 avril 2012 fixant les conditions d’établissement, de délivrance et de validité du permis de conduire, NOR des Gesetz- und Verkündungsblatts der französischen Republik [Journal Officiel]: IOCS1221841, abrufbar im Internet auf der Seite www.legifrance.gouv.fr, nachfolgend: FeVF), wobei die Voraussetzungen für den Erwerb der Fahrerlaubnis grundsätzlich den Anforderungen der Dritten Führerscheinrichtlinie entspricht.
(2.) Zunächst ist zu bemerken, dass die französische (Rechts-)Sprache – anders als die deutsche (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 bzw. 3 StVG) – sowohl für die Fahrerlaubnis als Recht als auch den gegenständlichen Führerschein regelmäßig ein und denselben Begriff, nämlich permis de conduire (wörtlich zu übersetzen mit „Erlaubnis zum Fahren“), verwendet (vgl. larousse.fr und de.pons.com). Zwar wird in Bezug auf den gegenständlichen Führerschein als Legitimationspapier präzisierend gelegentlich der Begriff titre (Titel) gebraucht; so bestimmt etwa Art. R221-1-1 I bis. CdR eine – nach Fahrzeugklassen differenzierte – „Dauer der Gültigkeit der Titel (titres), die die Inhaberschaft einer permis de conduire bescheinigen“. Diese Präzisierung wird jedoch nicht konsequent durchgehalten. So ist bereits im selben Artikel unter III. die Ahndung als Ordnungswidrigkeit eines Fahrens „unter Missachtung der Bedingungen der Gültigkeit […] einer permis de conduire“ vorgesehen (III.), wobei es sich dabei aber um den Titel im Sinne von I bis. handeln muss, weil nämlich gleichzeitig Art. L221-2 CdR das Fahren eines Fahrzeugs, ohne Inhaber der permis de conduire für die entsprechende catégorie du véhicule (Fahrzeugklasse) zu sein, unter Androhung von Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu 15.000 € als Vergehen (délit) kriminalisiert. Die begriffliche Gleichsetzung geht sogar so weit, dass Artikel R221-1-1 I bis. 1° CdR besagt, dass „die permis de conduire, die die Fahrzeugklassen […] der permis de conduire“ bescheinigen, fünfzehn Jahre gültig sind.
(3.) Auch wenn eine – jedenfalls stringente – begriffliche Unterscheidung zwischen Fahrerlaubnis und Führerschein im französischen Recht nicht festzustellen ist, wird sie de jure aber sehr wohl vollzogen, wie bereits die Differenzierung zwischen der Straftat nach Art. L221-2 CdR im Hinblick auf das Recht und der Ordnungswidrigkeit nach Art. R221-1-1 III. CdR im Hinblick auf das Legitimationspapier belegt. Konsequenterweise bestimmt Art. 8. VI. FeVF dann auch für die Erneuerung des Titels, insbesondere bei Ablauf der zeitlichen Gültigkeit des bisherigen, dass die „erhaltenen Fahrzeugklassen und ihr Gültigkeitsdatum [auf den neuen Titel zu übertragen sind]“, was bedeutet, dass – wie in Deutschland – mit dem Ablauf der Gültigkeit des Titels das einmal erworbene Recht zum Führen einer bestimmten Fahrzeugklasse – vorbehaltlich einer Einschränkung der Gültigkeit des Rechts selbst – nicht ohne Weiteres erlischt, sondern die Erneuerung des Titels eine bloße Formalität darstellt (so auch ausdrücklich für die Fahrzeugklassen A1 und B die Informationen der französischen Verwaltung, https://www.service-public.fr/particuliers/vosdroits/F2832; https://www.service-public.fr/particuliers/vosdroits/F2828, abgerufen am 07.07.2022).
(4.) Erworben wird die französische permis de conduire gemäß Art. 1 ff. FeVF – abgesehen von der Umschreibung eines bereits bestehenden (Militär, Ausland, berufliche Ausbildung) – nach einer theoretischen und praktischen Ausbildung mit abschließender Prüfung, wobei zur praktischen Prüfung nur die Führerscheinbewerber zugelassen sind, die zuvor erfolgreich die theoretische Prüfung bestanden haben (Art. 1 I B. Abs. 4 FeVF).
(5.) Das Verfahren in Art. 4 FeVF für die Erteilung der Fahrberechtigung nach Bestehen der praktischen Prüfung entspricht der Erteilung einer deutschen Fahrerlaubnis durch Aushändigung einer Prüfungsbescheinigung gemäß § 22 Abs. 4 Satz 6 Alt. 2 FeV für den Fall, dass dem Prüfauftrag nach § 22 Abs. 4 Satz 1 FeV kein vorbereiteter Führerschein beigefügt war; die Erteilung der Fahrberechtigung durch Aushändigung des endgültigen Führerscheins, wie es nach § 22 Abs. 4 Satz 6 Alt. 1 FeV in Deutschland der Regelfall ist, kennt das französische Fahrerlaubnisrecht nicht.
(6.) Gemäß Art. 4 I. 1° Satz 1 FeVF erteilt der Prüfer mit dem in der FeVF vorgesehenen Formular (Annex 4) ein „certificat d’examen du permis de conduire (CEPC)“ über das erfolgreiche Bestehen der Prüfung entsprechend der angestrebten Fahrzeugklasse. Art. 4 I. 1° Satz 3 FeVF bestimmt, dass die Erteilung des CEPC „das Fahren eines Fahrzeugs der angestrebten Klasse [erlaubt]“, und hat damit – wie § 22 Abs. 4 Satz 6 FeV – die Wirkung der Erteilung der Fahrberechtigung. Besteht für den Bewerber noch eine zeitlich befristete Sperre für die Erteilung einer Fahrberechtigung, wird auf dem CEPC vermerkt, ab wann die Erteilung wirksam wird (Art. 4 I. 2° FeVF). Das CEPC wird trotz bestandener Prüfung nur dann nicht erteilt, wenn zuvor noch eine medizinische Untersuchung des Fahrschülers erfolgen muss (Art. 4 I. 3° FeVF) oder der Erwerb der Fahrberechtigung an ein Mindestalter geknüpft ist (Art. 4 I. 4°bis 6° FeVF).
(7.) Soweit Art. 4 I. 1° Satz 4 FeVF vorsieht, dass das CEPC in Verbindung mit einem Ausweisdokument „gegenüber den Sicherheitskräften für die Dauer von vier Monaten in Erwartung der Aushändigung des endgültigen Titels [als permis de conduire gilt]“, betrifft dies – wie die Prüfungsbescheinigung nach § 22 Abs. 4 Satz 6 Alt. 2 FeV (MüKoStVR/Hahn/Kalus, 1. Aufl. 2016, FeV § 22 Rn. 22) – lediglich die Nachweisfunktion im Inland, nicht aber die erworbene Fahrberechtigung selbst, womit das CEPC rechtlich die Stellung eines befristet ausgestellten Führerscheins mit der Einschränkung einnimmt, dass es nicht von der Pflicht zur Anerkennung in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach der Dritten Führerscheinrichtlinie erfasst wird (EuGH a.a.O.) und als Legitimationspapier nur in Frankreich Geltung entfaltet. Das wird zum einen dadurch belegt, dass – wie dem Gericht beispielsweise auch aus den Verfahren 3 Cs 206 Js 5604/15, 2 Cs 506 Js 11002/21, 2 Cs 504 Js 14645/21 und 2 Cs 507 Js 4519/22 bekannt ist – unter Ziffer 10 der Seite 2 (Datum der ersten Fahrerlaubniserteilung, vgl. Anhang I zur Dritten Führerscheinrichtlinie) des letztendlich auszustellenden EU-Führerscheins der Zeitpunkt der erstmaligen Gültigkeit des CEPC, also regelmäßig der Tag der praktischen Prüfung, eingetragen wird, und das selbst dann, wenn das CEPC – wie auch hier – bereits älter als vier Monate datierte und damit seine Gültigkeit abgelaufen war. Zum anderen wird – vorausgesetzt, die zuständige Präfektur erlangt Kenntnis vom erfolgreichen Bestehen der praktischen Prüfung – noch vor Ausstellung des endgültigen Führerscheins dieser Zeitpunkt gemäß Art. R225-2 I. 2° CdR in Verbindung mit einem ministeriellen Ausführungserlass (Arrêté du 29 juin 1992 portant création du Système national des permis de conduire, NOR des Gesetz- und Verkündungsblatts der französischen Republik [Journal Officiel]: INTD9200278A, abrufbar im Internet auf der Seite www.legifrance.gouv.fr) im automatisierten Système national des permis de conduire (automatisiertes nationales Fahrerlaubnisregister) als Tag des „Erhalts der Fahrzeugklasse durch Prüfung“ vermerkt, mit der Folge, dass (erst) dann bei einer Abfrage des Registers durch die Polizei zwecks Überprüfung des Bestehens einer Fahrerlaubnis die entsprechende Information geliefert werden kann, wie es beispielsweise im bereits zitierten Verfahren 2 Cs 507 Js 4519/22 und – ausweislich der Mitteilung des GZ Kehl vom 28.07.2021, wonach F am 21.05.2019 die Fahrprüfung bestanden habe – offenbar auch vorliegend der Fall war; vor diesem Hintergrund kann die durch Polizei und Strafverfolgungsbehörden regelmäßig über das GZ Kehl eingeholte Auskunft aus dem französischen Fahrerlaubnisregister nur eingeschränkte Aussagekraft haben, solange die tatsächlich bereits erfolgreich abgelegte Prüfung nicht im System erfasst ist.
2. Sollte man nach alledem dennoch annehmen wollen, dass ein CEPC ein „anderer vorläufig ausgestellten Führerschein“ im Sinne des § 29 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2 FeV sei und damit der ausländische Fahrzeugführer sich nicht auf die Fahrberechtigung nach § 29 Abs. 1 FeV nicht berufen könne, widerspräche die Annahme der Strafbarkeit dem Strafzweck des § 21 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 StVG; trotz Tatbestandsverwirklichung hätte das Führen eines Kraftfahrzeugs unter diesen Umständen keine Tatbestandserheblichkeit, was einer Bestrafung nach dieser Vorschrift entgegensteht (vgl. BGH, Beschluss vom 29. März 2022 – 2 StR 426/21 –, NStZ 2022, 540). Schutzzweck des § 21 Abs. 1 StVG ist nämlich die Verkehrssicherheit und die Individualinteressen einzelner Verkehrsteilnehmer (Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Hühnermann, 27. Aufl. 2022, StVG § 21 Rn. 1; vgl. auch BVerfG, Beschlüsse vom 27. März 1979 – 2 BvL 7/78 –, BVerfGE 51, 60-77, und vom 16. September 2004 – 2 BvR1603/04 –, BVerfGK 4, 69-72); § 21 Abs. 1 StVG dient der Abwehr abstrakter Gefahren für Leben, Gesundheit und Eigentum anderer durch Personen, die entweder nach positiver Feststellung der Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen die Fahrerlaubnis entzogen oder deren Eignung mangels Prüfung noch nicht (behördlich) festgestellt wurde (Mitsch NZV 2007, 66). Weder das eine noch das andere ist in der hier zu beurteilenden Fallgestaltung gegeben. F hatte seine Fahreignung – vorliegend sogar nach Maßgabe der durch die Dritte Führerscheinrichtlinie harmonisierten Anforderungen – in dem dafür vorgeschriebenen behördlichen Verfahren nachgewiesen; es fehlte lediglich der – auch in Deutschland anzuerkennende – formale Nachweis darüber. Er stellte damit keine größere abstrakte Gefahr als andere Fahrzeugführer dar, denen der EU-Führerschein tatsächlich ausgestellt wurde; der Schutzbereich des § 21 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 StVG ist folglich nicht tangiert.
V.
Nach alldem war der Angeklagte mit der Kostenfolge des § 467 Abs. 1 StPO aus rechtlichen Gründen freizusprechen.