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Fahreignungszweifel – akutes Koronarsyndrom – hausärztliches Attest

Das Verwaltungsgericht Bayreuth hat entschieden, dass einem Antragsteller mit Herzerkrankungen die Fahrerlaubnis entzogen bleibt. Da er trotz Aufforderung kein fristgerechtes verkehrsmedizinisches Gutachten vorlegte, durfte das Landratsamt auf seine Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen. Das öffentliche Interesse an der Verkehrssicherheit überwiegt in diesem Fall das private Interesse des Antragstellers an der Beibehaltung seiner Fahrerlaubnis.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: B 1 S 23.277

✔ Kurz und knapp


  • Das Gericht lehnte den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ab.
  • Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
  • Der Streitwert wurde auf 7.500 EUR festgesetzt.
  • Die Entziehung der Fahrerlaubnis war aufgrund der vorliegenden Herzerkrankungen gerechtfertigt.
  • Der Antragsteller legte kein fachärztliches Gutachten zur Klärung der Fahreignung vor.
  • Das hausärztliche Attest war für die Beurteilung nicht ausreichend.
  • Die Fristsetzung zur Vorlage des Gutachtens war angemessen.
  • Die Verkehrssicherheit hat Vorrang vor privaten Interessen des Antragstellers.
  • Die Anordnung der sofortigen Vollziehung war im öffentlichen Interesse geboten.

Koronarsyndrom und Fahreignung: Gericht entzieht Fahrerlaubnis aus Sicherheitsgründen

Die Fahreignung eines Kraftfahrers ist von zentraler Bedeutung für die Verkehrssicherheit. Gesundheitliche Einschränkungen, wie beispielsweise Herzerkrankungen, können sich erheblich auf die Fahrtüchtigkeit auswirken und in seltenen Fällen sogar zu gefährlichen Situationen führen. Aus diesem Grund überprüfen die zuständigen Behörden in regelmäßigen Abständen und bei Zweifeln an der Fahreignung, ob ein Fahrzeugführer den rechtlichen Anforderungen genügt.

Insbesondere bei Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, wie einem akuten Koronarsyndrom, sind sorgfältige Untersuchungen und Begutachtungen durch Fachärzte notwendig, um die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zuverlässig einschätzen zu können. Dabei kann ein einfaches hausärztliches Attest häufig nicht ausreichen, da komplexe medizinische Zusammenhänge zu berücksichtigen sind.

In einem konkreten Gerichtsfall, über den im Folgenden berichtet wird, musste das Gericht abschließend entscheiden, ob trotz einer solchen Erkrankung die Erteilung einer Fahrerlaubnis möglich ist oder ob aus Gründen der Verkehrssicherheit ein Entzug der Fahrerlaubnis rechtmäßig war.

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✔ Der Fall vor dem Verwaltungsgericht Bayreuth


Fahreignungszweifel nach akutem Koronarsyndrom: Der Fall im Detail

Im vorliegenden Fall geht es um die Entziehung der Fahrerlaubnis eines Antragstellers, der an verschiedenen Herzerkrankungen leidet. Der Antragsteller wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen A, A1, B, BE, C1, C1E, L, M sowie T und die Anordnung der Abgabe seines Führerscheins.

Ein Schreiben des Klinikums vom 25. Juni 2021 dokumentiert beim Antragsteller mehrere Nebendiagnosen, darunter eine dekompensierte Herzinsuffizienz mit beidseitigen Pleuraergüssen, ein akutes Koronarsyndrom mit einem subakuten ST-Hebungsinfarkt und eine arterielle Hypertonie. Das Landratsamt forderte daraufhin den Antragsteller auf, einen ausführlichen Krankheits- und Befundbericht bis zum 7. November 2022 vorzulegen. Es wurde betont, dass ärztliche Atteste nicht ausreichen würden, um die Fahreignung zu klären.

Ein Attest der Gemeinschaftspraxis vom 27. Oktober 2022 bestätigte, dass der Antragsteller seit seiner Entlassung aus dem Krankenhaus nie wieder kardial dekompensiert war und dass seine Krankheiten und Medikamente seine Fahreignung nicht beeinträchtigt hätten. Dennoch verlangte das Landratsamt am 16. November 2022 ein Gutachten eines Facharztes für Innere Medizin mit verkehrsmedizinischer Qualifikation.

Der Antragsteller konnte das Gutachten nicht fristgerecht vorlegen, da ihm sämtliche Fachärzte im Landkreis eine kurzfristige Erstellung des Gutachtens verweigerten. Eine Verlängerung der Frist bis zum 4. März 2023 wurde vom Landratsamt abgelehnt. Der Antragsteller informierte das Landratsamt am 7. März 2023, dass ein Facharzt das Gutachten erstellen würde, jedoch erst in etwa drei Monaten. Das Landratsamt ordnete daraufhin am 8. März 2023 die Entziehung der Fahrerlaubnis an.

Gerichtliche Entscheidung zur Entziehung der Fahrerlaubnis

Das Verwaltungsgericht Bayreuth hat entschieden, dass der Antragsteller die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Der Streitwert wurde auf 7.500,00 EUR festgesetzt. Das Gericht stellte fest, dass die Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers nicht ausgeräumt wurden, da das geforderte verkehrsmedizinische Gutachten nicht vorgelegt wurde.

Das Landratsamt begründete seine Entscheidung damit, dass aufgrund der vorliegenden Diagnosen erhebliche Zweifel an der Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen bestünden. Diese Zweifel konnten nur durch ein entsprechendes Gutachten ausgeräumt werden. Da der Antragsteller seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei, dürfe nach § 11 Abs. 8 FeV auf seine Nichteignung geschlossen werden.

Der Antragsteller argumentierte, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis unverhältnismäßig sei und dass seit der Diagnose im November 2019 keine weiteren kardialen Ereignisse aufgetreten seien. Er sei seither beschwerdefrei und die Medikamente würden seine Fahreignung nicht beeinträchtigen. Das Landratsamt hielt dagegen, dass die festgestellten Nebendiagnosen die Verkehrssicherheit gefährden könnten und daher eine Klärung der aktuellen Fahreignung erforderlich sei.

Konsequenzen für den Antragsteller

Mit dem Bescheid vom 8. März 2023 wurde dem Antragsteller die Fahrerlaubnis entzogen. Er wurde angewiesen, seinen Führerschein innerhalb einer Woche nach Zustellung des Bescheides bei der Führerscheinstelle abzugeben. Für den Fall der Nichtbefolgung wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 300,00 EUR festgesetzt. Die sofortige Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung wurde im öffentlichen Interesse zur Sicherheit des Straßenverkehrs angeordnet.

Das Verwaltungsgericht stützte seine Entscheidung auf die gesetzliche Verpflichtung nach § 3 Abs. 1 und 2 StVG und § 46 Abs. 1 FeV, wonach die Fahrerlaubnis zu entziehen ist, wenn jemand als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen gilt. Da der Antragsteller das geforderte Gutachten nicht fristgerecht vorlegte, konnte das Landratsamt rechtmäßig auf seine Nichteignung schließen.

Gerichtliche Abwägungen und Begründungen

Das Gericht musste abwägen, ob das öffentliche Interesse an der Verkehrssicherheit schwerer wiegt als das private Interesse des Antragstellers an der Beibehaltung seiner Fahrerlaubnis. Es wurde betont, dass die Fahreignung eines Kraftfahrers besonders strengen Anforderungen unterliegt, um die Sicherheit im Straßenverkehr zu gewährleisten. Der Antragsteller hatte ausreichend Gelegenheit, das geforderte Gutachten vorzulegen, und seine Mitwirkungspflicht missachtet.

Die Argumente des Antragstellers, dass seine gesundheitlichen Probleme seit 2019 unter Kontrolle seien und keine Gefahr für die Verkehrssicherheit bestünde, wurden nicht als ausreichend erachtet. Die Tatsache, dass der Antragsteller trotz seiner Erkrankungen und der verordneten Medikamente nicht nachweisen konnte, dass er fahrtauglich ist, führte zur Bestätigung der Entziehung der Fahrerlaubnis durch das Gericht.

Das Urteil verdeutlicht, dass bei gesundheitlichen Bedenken eine klare und zeitnahe Klärung der Fahreignung durch entsprechende medizinische Gutachten notwendig ist. Fehlt eine solche Klärung, kann die Fahrerlaubnis im Interesse der Verkehrssicherheit rechtmäßig entzogen werden.

✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall


Das Urteil verdeutlicht die hohe Bedeutung der Verkehrssicherheit. Bei begründeten Zweifeln an der Fahreignung aufgrund von Vorerkrankungen ist der Betroffene in der Pflicht, diese durch ein qualifiziertes Gutachten auszuräumen. Kommt er dem nicht fristgerecht nach, darf die Fahrerlaubnisbehörde auf die Nichteignung schließen und die Fahrerlaubnis entziehen. Das öffentliche Interesse an der Verkehrssicherheit überwiegt dabei regelmäßig das private Interesse des Einzelnen an der Nutzung des Führerscheins.

✔ FAQ – Häufige Fragen: Fahreignungsentzug


Unter welchen Voraussetzungen kann die Fahrerlaubnis aufgrund von Herzerkrankungen entzogen werden?

Die Fahrerlaubnis kann Betroffenen entzogen werden, wenn aufgrund von Herzerkrankungen Zweifel an der Fahreignung bestehen. Grundlage dafür sind die Regelungen in § 2 Abs. 4 Straßenverkehrsgesetz (StVG) und § 46 Abs. 1 Fahrerlaubnisverordnung (FeV). Danach muss die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis entziehen, wenn sich der Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist.

Zweifel an der Fahreignung können sich insbesondere aus den in Anlage 4 der FeV aufgeführten Erkrankungen ergeben. Für Herzerkrankungen sind dabei vor allem folgende Kriterien relevant

  • Herzrhythmusstörungen mit anfallsweiser Bewusstseinseintrübung oder Bewusstlosigkeit führen zum Verlust der Fahreignung, bis eine erfolgreiche Behandlung durch Medikamente oder einen Herzschrittmacher erfolgt ist [4.1.1, 4.1.2 FeV].
  • Nach einem akuten Koronarsyndrom (Herzinfarkt) mit einer Auswurffraktion (EF) über 35% kann die Fahreignung bei komplikationslosem Verlauf nach 4 Wochen wieder gegeben sein. Bei einer EF unter 35% oder einer akuten Herzschwäche im Rahmen des Infarkts besteht für mindestens 3 Monate keine Fahreignung [4.4.1, 4.4.2 FeV].
  • Eine Herzleistungsschwäche schließt die Fahreignung aus, wenn bereits in Ruhe Beschwerden wie Luftnot, Schwindel oder Bewusstseinstrübungen auftreten. Bei Beschwerden unter Belastung ist die Fahreignung nur gegeben, wenn die Leistungsfähigkeit in Belastungstests nachgewiesen wird [4.5 FeV].

Bestehen Anhaltspunkte für solche Erkrankungen, kann die Behörde ein ärztliches Gutachten anordnen. Darin muss ein Facharzt die Auswirkungen auf die Fahreignung beurteilen. Verweigert der Betroffene die Untersuchung oder legt er das Gutachten nicht fristgerecht vor, darf die Behörde auf die Nichteignung schließen und die Fahrerlaubnis entziehen [§ 11 Abs. 8 FeV].

Ein Attest des Hausarztes reicht in der Regel nicht aus, um die Fahreignung zu belegen. Vielmehr muss sich die Beurteilung auf eine eingehende Untersuchung stützen und für die Behörde nachvollziehbar sein. Andernfalls kann trotz Vorlage eines Attestes der Entzug der Fahrerlaubnis drohen.

Beispiel Peter erleidet einen Herzinfarkt. Sein behandelnder Kardiologe bescheinigt ihm 4 Wochen später eine uneingeschränkte Fahreignung. Das Straßenverkehrsamt hat jedoch Zweifel, da keine Angaben zur Herzleistung gemacht werden. Es ordnet daher ein Gutachten eines unabhängigen Facharztes an. Legt Peter dieses nicht fristgerecht vor, muss die Behörde von seiner Nichteignung ausgehen und ihm die Fahrerlaubnis entziehen.

Welche Rolle spielen ärztliche Atteste bei der Beurteilung der Fahreignung nach Herzerkrankungen?

Bei der Beurteilung der Fahreignung nach Herzerkrankungen spielen ärztliche Atteste und Gutachten eine entscheidende Rolle. Sie dienen als Nachweis dafür, dass der Betroffene trotz seiner Erkrankung in der Lage ist, ein Kraftfahrzeug sicher zu führen. Allerdings gibt es Unterschiede zwischen einfachen Attesten und fachärztlichen Gutachten hinsichtlich ihrer Aussagekraft und Akzeptanz bei den Behörden.

Ein einfaches hausärztliches Attest reicht in der Regel nicht aus, um die Fahreignung nach einer schwerwiegenden Herzerkrankung wie einem akuten Koronarsyndrom zweifelsfrei zu belegen. Denn der Hausarzt verfügt meist nicht über die erforderliche Expertise, um die komplexen Auswirkungen der Erkrankung auf die Fahrtüchtigkeit umfassend zu beurteilen. Zudem fehlen ihm häufig die notwendigen technischen Untersuchungsmöglichkeiten.

Deshalb verlangen die Behörden in solchen Fällen oft ein ausführliches fachärztliches Gutachten, das von einem Kardiologen oder Verkehrsmediziner erstellt wurde. Dieser muss anhand eingehender Untersuchungen feststellen, ob der Patient die gesundheitlichen Anforderungen zum Führen eines Kraftfahrzeugs erfüllt. Dabei sind insbesondere die Leistungsfähigkeit des Herzens, mögliche Rhythmusstörungen und das Risiko eines plötzlichen Kontrollverlusts zu berücksichtigen.

Das Gutachten muss eine klare Aussage zur Fahreignung treffen und darf keine Zweifel offen lassen. Es genügt nicht, wenn der Arzt lediglich bescheinigt, dass aus seiner Sicht „keine Bedenken“ gegen das Autofahren bestehen. Vielmehr muss er positiv feststellen, dass der Patient fahrtauglich ist und dies auch begründen. Andernfalls wird die Behörde das Gutachten nicht akzeptieren und gegebenenfalls ein weiteres Gutachten anfordern.

Für Betroffene bedeutet dies, dass sie sich nach einer schweren Herzerkrankung nicht auf eine formlose Bescheinigung ihres Hausarztes verlassen sollten. Stattdessen müssen sie damit rechnen, dass die Behörde ein fachärztliches Gutachten verlangt, um ihre Fahreignung zu überprüfen. Die Kosten dafür haben sie selbst zu tragen.

Ein Beispiel soll dies verdeutlichen. Angenommen, ein Berufskraftfahrer erleidet einen Herzinfarkt. Nach erfolgreicher Behandlung attestiert ihm sein Hausarzt, dass er wieder voll belastbar sei. Dennoch wird die Behörde seine Fahrerlaubnis zunächst nicht verlängern, sondern ein kardiologisches Gutachten anfordern. Darin muss der Kardiologe mittels Belastungs-EKG, Echokardiografie und anderen Methoden nachweisen, dass der Patient den Anforderungen des Straßenverkehrs gewachsen ist. Nur wenn das Gutachten die Fahreignung zweifelsfrei bejaht, darf der Betroffene seinen Beruf wieder ausüben.

Welche Fristen gelten für die Vorlage eines geforderten Fahreignungsgutachtens und was passiert bei Fristversäumnis?

Wenn die Fahrerlaubnisbehörde Zweifel an der Fahreignung eines Führerscheininhabers hat, kann sie die Vorlage eines ärztlichen oder medizinisch-psychologischen Gutachtens anordnen. Für die Beibringung des geforderten Gutachtens setzt die Behörde eine Frist, die sich nach den Umständen des Einzelfalls richtet. Grundsätzlich muss die Frist so bemessen sein, dass es dem Betroffenen möglich ist, der Aufforderung nachzukommen.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof geht in seiner Rechtsprechung davon aus, dass eine Frist von zwei Monaten in der Regel ausreichend ist, um ein Fahreignungsgutachten zu beschaffen. Dabei sind jedoch nicht die persönlichen Bedürfnisse des Fahrerlaubnisinhabers maßgeblich. Die Frist darf auch nicht so lang bemessen werden, dass das Gutachten den Zweck verfehlen würde, die gegenwärtige Fahreignung zu klären.

Kann der Betroffene die gesetzte Frist aus wichtigen Gründen nicht einhalten, sollte er rechtzeitig einen begründeten Antrag auf Fristverlängerung bei der Behörde stellen. Gründe für eine Fristverlängerung können beispielsweise eine Erkrankung oder lange Wartezeiten bei den Begutachtungsstellen sein. Wird die Frist ohne ausreichenden Grund versäumt, darf die Fahrerlaubnisbehörde auf die Nichteignung des Betroffenen schließen und ihm die Fahrerlaubnis entziehen.

Der Entzug der Fahrerlaubnis ist in diesem Fall zwingend vorgeschrieben. Zudem kann die Behörde ein Zwangsgeld festsetzen, wenn der Führerschein nicht fristgerecht abgegeben wird. Wirtschaftliche oder sonstige persönliche Nachteile durch den Führerscheinverlust haben gegenüber der Verkehrssicherheit keine Bedeutung.

Ein vom Betroffenen vorgelegtes hausärztliches Attest ist in der Regel nicht geeignet, die Zweifel an der Fahreignung auszuräumen. Denn der behandelnde Arzt soll kein Fahreignungsgutachten erstellen. Nur ein nachvollziehbares Gutachten einer anerkannten Begutachtungsstelle kann die Fahreignung bestätigen oder widerlegen. Dies gilt auch bei Eignungszweifeln aufgrund eines akuten Koronarsyndroms oder anderer Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Wie kann man gegen den Entzug der Fahrerlaubnis aufgrund von Fahreignungszweifeln vorgehen?

Wenn einem Betroffenen die Fahrerlaubnis aufgrund von Fahreignungszweifeln entzogen wurde oder werden soll, stehen ihm verschiedene rechtliche Möglichkeiten zur Verfügung, um dagegen vorzugehen.

Zunächst kann der Betroffene gegen den Bescheid über die Entziehung der Fahrerlaubnis Widerspruch einlegen. Der Widerspruch muss innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheids schriftlich oder zur Niederschrift bei der Behörde erhoben werden, die den Bescheid erlassen hat. Durch den Widerspruch wird die Behörde verpflichtet, die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Bescheids nochmals zu überprüfen.

Wird der Widerspruch von der Behörde zurückgewiesen, bleibt dem Betroffenen noch die Möglichkeit der Anfechtungsklage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht. Die Anfechtungsklage muss innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Mit der Anfechtungsklage kann der Betroffene geltend machen, dass der Bescheid über die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtswidrig ist, weil beispielsweise die Voraussetzungen für die Entziehung nicht vorliegen.

Sowohl der Widerspruch als auch die Anfechtungsklage haben grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Das bedeutet, dass der Bescheid über die Entziehung der Fahrerlaubnis bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf nicht vollzogen werden darf und der Betroffene weiterhin fahren darf. Die Behörde kann jedoch die sofortige Vollziehung des Bescheids anordnen, wenn das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung das Interesse des Betroffenen am Aufschub der Vollziehung überwiegt.

Gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung kann der Betroffene Eilrechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO beantragen. Dabei handelt es sich um einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs oder der Anfechtungsklage. Der Antrag ist beim zuständigen Verwaltungsgericht zu stellen. Das Gericht trifft dann eine Entscheidung aufgrund einer Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Vollzugsinteresse und dem privaten Aussetzungsinteresse des Betroffenen.

Die Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfs gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis hängen maßgeblich davon ab, ob die Voraussetzungen für die Entziehung tatsächlich vorliegen. Bestehen begründete Zweifel an der Fahreignung, etwa wegen einer Erkrankung wie dem akuten Koronarsyndrom, wird sich der Betroffene schwer tun, die Entziehung der Fahrerlaubnis abzuwenden. Ein pauschales hausärztliches Attest allein dürfte in der Regel nicht ausreichen, um die Fahreignung nachzuweisen. Vielmehr bedarf es einer eingehenden fachärztlichen Untersuchung und Begutachtung.

Der Vorteil eines Rechtsbehelfs liegt darin, dass der Betroffene die Möglichkeit erhält, die Entziehung der Fahrerlaubnis gerichtlich überprüfen zu lassen. Zudem kann er im Wege des Eilrechtsschutzes erreichen, dass er bis zur Entscheidung in der Hauptsache weiterhin fahren darf.

Der Nachteil ist, dass ein Rechtsbehelf Zeit und Geld kostet und der Ausgang oft ungewiss ist. Zudem besteht das Risiko, dass sich der Betroffene im Fall des Unterliegens die Kosten des Verfahrens aufbürden muss.

Wann ist eine Neuerteilung der Fahrerlaubnis nach einem krankheitsbedingten Entzug möglich?

Nach einem krankheitsbedingten Entzug der Fahrerlaubnis ist eine Neuerteilung grundsätzlich möglich, sobald die gesundheitliche Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen wieder gegeben ist. Der Zeitpunkt hängt von der Art und Schwere der Erkrankung ab. Bei einem Entzug aufgrund eines akuten Koronarsyndroms kann die Fahrerlaubnis in der Regel drei Monate nach dem Ereignis neu beantragt werden, sofern keine Komplikationen aufgetreten sind und die Behandlung erfolgreich war.

Für die Neuerteilung muss ein Antrag bei der zuständigen Fahrerlaubnisbehörde gestellt werden. Diesem sind aktuelle ärztliche Unterlagen beizufügen, die die Wiederherstellung der Fahreignung belegen. In den meisten Fällen genügt ein Attest des behandelnden Arztes, aus dem hervorgeht, dass die Erkrankung ausgeheilt ist oder sich soweit gebessert hat, dass sie der sicheren Teilnahme am Straßenverkehr nicht mehr entgegensteht. Bei bestimmten Krankheitsbildern wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes oder neurologischen Leiden können jedoch auch fachärztliche Gutachten erforderlich sein.

Ob zusätzlich eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) durchgeführt werden muss, entscheidet die Fahrerlaubnisbehörde im Einzelfall. Eine MPU wird insbesondere dann angeordnet, wenn Zweifel an der charakterlichen Eignung bestehen, etwa weil der Betroffene seine Erkrankung verschwiegen oder Auflagen missachtet hat. Auch bei einer Vorgeschichte mit Alkohol- oder Drogenmissbrauch ist eine MPU wahrscheinlich.

Wird die gesundheitliche Eignung durch die vorgelegten Unterlagen nachgewiesen und bestehen keine sonstigen Bedenken, erteilt die Behörde die Fahrerlaubnis in der Regel umgehend neu. Eine erneute theoretische oder praktische Prüfung ist nur erforderlich, wenn die Fahrerlaubnis länger als ein Jahr entzogen war. Die Gültigkeitsdauer kann jedoch befristet werden, wenn eine regelmäßige ärztliche Kontrolle notwendig erscheint. So wird die Fahrerlaubnis der Klasse C bei Diabetes zunächst nur für ein Jahr erteilt und muss dann jährlich verlängert werden.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils


  • § 3 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG): Dieser Paragraph regelt die grundsätzliche Pflicht der Fahrerlaubnisbehörde, die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich der Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Im konkreten Fall ist dies relevant, da dem Antragsteller die Fahrerlaubnis aufgrund seiner Herzerkrankung entzogen wurde, da Zweifel an seiner Eignung bestehen.
  • § 46 Abs. 1 Satz 1 Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV): Dieser Paragraph konkretisiert die Voraussetzungen für den Entzug der Fahrerlaubnis. Er regelt, dass die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis entziehen muss, wenn sich der Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies ist im vorliegenden Fall der zentrale Paragraph, da er die rechtliche Grundlage für den Entzug der Fahrerlaubnis bei fehlender Eignung bildet.
  • § 11 Abs. 8 FeV: Dieser Paragraph regelt die sogenannte „Nichteignungsvermutung“. Sie besagt, dass die Fahrerlaubnisbehörde auf die Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen darf, wenn ein Betroffener ein angeordnetes Fahreignungsgutachten nicht fristgerecht vorlegt. Im konkreten Fall konnte der Antragsteller das geforderte Gutachten nicht fristgerecht vorlegen, weswegen die Fahrerlaubnisbehörde den Entzug der Fahrerlaubnis anordnete.
  • Anlage 4 FeV: Diese Anlage listet die Erkrankungen und Mängel auf, die die Fahreignung in Frage stellen können. Die Nr. 4.4 der Anlage 4 FeV nennt explizit das akute Koronarsyndrom, welches im vorliegenden Fall diagnostiziert wurde, als Erkrankung, die die Fahreignung beeinträchtigen kann.
  • § 11 Abs. 2 Satz 3 FeV: Dieser Paragraph gibt der Fahrerlaubnisbehörde das Recht zu bestimmen, von wem das Fahreignungsgutachten erstellt werden soll. Im vorliegenden Fall forderte das Landratsamt ein Gutachten eines Facharztes für Innere Medizin mit verkehrsmedizinischer Qualifikation.
  • § 11 Abs. 6 FeV: Dieser Paragraph regelt die formellen Anforderungen an die Anordnung zur Beibringung eines Fahreignungsgutachtens. Die Fahrerlaubnisbehörde muss den Betroffenen über die Gründe für die Zweifel an seiner Fahreignung informieren, die Fragestellung des Gutachtens darlegen und auf die Folgen der Nichtvorlage hinweisen.
  • § 2 Abs. 8 StVG: Dieser Paragraph enthält eine allgemeine Regelung zu angemessenen Fristen im Straßenverkehrsrecht. Im konkreten Fall ist diese Regelung relevant für die Bemessung der Frist zur Vorlage des Fahreignungsgutachtens.
  • § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO: Dieser Paragraph regelt die Möglichkeit der Behörde, die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes anzuordnen, wenn dies im öffentlichen Interesse liegt. Im konkreten Fall wurde die sofortige Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung angeordnet, da das Landratsamt eine Gefährdung der Verkehrssicherheit sah.


⬇ Das vorliegende Urteil vom Verwaltungsgericht Bayreuth

VG Bayreuth – Az.: B 1 S 23.277 – Beschluss vom 16.05.2023

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

3. Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Fahrerlaubnisklassen A, A1, B, BE, C1, C1E, L, M sowie T und die Anordnung der Abgabe des Führerscheins.

Ein vorgelegtes Schreiben des Klinikums … vom 25. Juni 2021 (Gerichtsakte Az. …, Bl. 9) weist hinsichtlich des Antragstellers folgende Nebendiagnosen aus:

Z.n. dekompensierte Herzinsuffizienz mit Pleuraergüssen beidseitig und Stauungspneumonie rechts 12/2019

Z.n. akutes Koronarsyndrom mit subakutem ST-Hebungsinfarkt

– Hauptstamm 33 % verschlossen, RIVA proximal verschlossen

– Rekanalisation des RIVA mit PTCA und Implantation zweier DES

Leichtgradig reduzierte systolische LV-Funktion (EF 50 %)

Arterielle Hypertonie.

Mit Schreiben vom 30. September 2022 forderte das Landratsamt … (im Folgenden Landratsamt) den Antragsteller auf, zur Einordnung der Art und des Ausmaßes seiner Erkrankungen einen aktuellen ausführlichen Krankheits- und Befundbericht einschließlich Angaben zur Anamnese, zu dem(n) Befund(en), zur epikritischen Bewertung und ggf. zur Therapie der Herzinsuffizienz, des Koronarsyndroms und der arteriellen Hypertonie bis spätestens 7. November 2022 vorzulegen. Es werde darauf hingewiesen, dass mittels ärztlichen Attests eine Klärung der Fahreignung nicht erfolgen könne, weswegen ausführliche Befundberichte als zumutbare aussagekräftige ärztliche Belege gefordert würden. Sollten bis 7. November 2022 die geforderten Unterlagen nicht vorgelegt werden, müsse der Antragsteller damit rechnen, dass eine kostenpflichtige Begutachtung in einer Begutachtungsstelle oder durch einen entsprechend qualifizierten Facharzt zur Klärung der Fahreignung angeordnet werden müsse.

Vorgelegt wurde ein Attest der Gemeinschaftspraxis …, vom 27. Oktober 2022, wonach es beim Antragsteller im November 2019 zur kardialen Dekompensation mit Stauungspneumonie aufgrund der KHK und des akuten Koronarsyndroms gekommen sei, weswegen er sich vom 25. November bis 31. Dezember 2019 in stationärer Behandlung befunden habe. Seit seiner Entlassung unter medikamentöser Einstellung sei der Antragsteller nie kardial dekompensiert gewesen; die Blutdruckwerte seien im Normbereich. Seine Krankheiten nach der Entlassung sowie seine verordneten Medikamente hätten nie seine Fahreignung beeinflusst.

Mit Schreiben des Landratsamts vom 16. November 2022 wurde der Antragsteller zur Vorlage eines Gutachtens eines Facharztes für Innere Medizin mit verkehrsmedizinischer Qualifikation bis 4. Februar 2023 aufgefordert. Aufgrund der im Entlassungsbericht des Klinikums … vom 25. Juni 2021 genannten Diagnosen bestünden hinsichtlich des Antragstellers Zweifel an der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen. Diese könnten nur durch ein entsprechendes Gutachten ausgeräumt werden. Ein – wie angefordert – ausführlicher Befundbericht sei nicht vorgelegt worden. Die Begutachtungsanordnung erfolge auch hinsichtlich der Beurteilung der Notwendigkeit der weiteren Überwachung selbst bei noch bzw. wieder bestehender Fahreignung. Die Kosten der Begutachtung habe der Antragsteller zu tragen. Das Gutachten solle über folgende Fragen Auskunft geben:

1. Ist … trotz Vorliegen einer Erkrankung (hier: Koronare Herzerkrankung) (und der damit verbundenen Medikation) in der Lage, den Anforderungen zum Führen eines Kraftfahrzeuges der Gruppe 1 und Gruppe 2 gerecht zu werden?

2. Liegt eine ausreichende Compliance vor und wird diese auch umgesetzt (Adhärenz)?

3. Sind Beschränkungen und/oder Auflagen erforderlich, um den Anforderungen an das Führen eines Kraftfahrzeuges (je Fahrerlaubnisklassengruppe) gerecht zu werden?

4. Ist bzw. sind insbesondere (eine) fachlich einzelfallbegründete Auflage(n) nach Anlage 4 (z.B. ärztliche Kontrollen) erforderlich? In welchem zeitlichen Abstand und wie lange? Was soll regelmäßig kontrolliert und attestiert werden? Sind die Ergebnisse der Fahrerlaubnisbehörde vorzulegen; wenn ja, warum?

5. Ist eine fachlich einzelfallbegründete (je Fahrerlaubnisklassengruppe) Nachuntersuchung i.S. einer erneuten (Nach-)Begutachtung erforderlich? In welchem zeitlichen Abstand?

Nur bei möglichst umgehender Rückgabe der beigefügten Zustimmungserklärung sei die fristgerechte Erstellung des Gutachtens gewährleistet. Bei der Auswahl des Facharztes sei seitens des Antragstellers für die fristgerechte Gutachtenserstellung Sorge zu tragen. Vor Weiterleitung der Akte an den Arzt habe der Antragsteller die Möglichkeit, Einsicht in die zu übersendenden Unterlagen zu nehmen. Es erfolgte der Hinweis, dass bei nicht fristgerechter Vorlage des Gutachtens auf die Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen geschlossen werden dürfe, § 11 Abs. 8 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV). Die in der Anlage enthaltene Liste entsprechender Fachärzte in der Umgebung erhebe keinen Anspruch auf Aktualität und/oder Vollständigkeit.

Mit Schreiben vom 27. Januar 2023 teilte der Bevollmächtigte des Antragstellers dem Landratsamt mit, dass sich dieser an sämtliche Fachärzte im Landkreis … gewandt habe, welche jedoch eine kurzfristige Erstellung des Gutachtens abgelehnt hätten. Es werde daher um Fristverlängerung bis zum 4. März 2023 gebeten.

Jenes Ersuchen um Fristverlängerung wurde seitens des Landratsamts mit Schreiben vom 22. Februar 2023 abgelehnt (Behördenakte Bl. 33 f.). Die Festlegung der Frist sei allein danach auszurichten, wie lange die Erstellung des Gutachtens voraussichtlich in Anspruch nehmen werde. Die Klärung der Fahreignung bezwecke die Beurteilung der gegenwärtigen Eignung, womit strenge Anforderungen an die fristgerechte Gutachtensvorlage zu stellen seien. Hinderungsgründe seien nicht mitgeteilt bzw. nachgewiesen worden. Es sei dem Antragsteller bereits im November möglich gewesen, einen Termin zu vereinbaren. Ebenfalls wurde dem Antragsteller mitgeteilt, dass das Verfahren zur Entziehung der Fahrerlaubnis eingeleitet werde. Vor endgültigem Entzug der Fahrerlaubnis werde dem Antragsteller Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Auch ein freiwilliger Verzicht auf die Fahrerlaubnis sei möglich. Die entsprechende beiliegende Verzichtserklärung sei in diesem Fall bis 10. März 2023 abzugeben.

Der Bevollmächtigte des Antragstellers teilte dem Landratsamt mit Schreiben vom 7. März 2023 mit, dass sich Dr. … aus … bereit erklärt habe, die geforderte Untersuchung durchzuführen. Aufgrund deren gesundheitlicher Probleme könne mit einer Vorlage des Gutachtens jedoch erst in ca. drei Monaten gerechnet werden. Eine Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs bestehe nicht, da sich aus dem vorgelegten Attest vom 27. Oktober 2022 ergebe, dass die diagnostizierten Krankheiten aus dem Jahre 2019 nach der Entlassung aus dem Krankenhaus aufgrund der verordneten Medikamente niemals die Fahreignung des Antragstellers beeinflusst hätten. Es könne nicht auf dem Rücken des Antragstellers ausgetragen werden, dass ein verkehrsmedizinisches Gutachten wegen Arbeitsüberlastung und Personalmangels bei den in Betracht kommenden Ärzten nicht fristgerecht beigebracht werden könne. Die Entziehung der Fahrerlaubnis sei unverhältnismäßig und stütze sich auf Untersuchungen aus dem Jahre 2019, welche den derzeitigen Gesundheitszustand in keiner Weise widerspiegelten.

Mit Bescheid vom 8. März 2023, zugestellt am 10. März 2023, wurde dem Antragsteller die Fahrerlaubnis der Fahrerlaubnisklassen A, A1, B, BE, C1, C1E, L, M sowie T entzogen (Ziff. 1) und angeordnet, dass er den Führerschein innerhalb einer Woche nach Zustellung des Bescheides bei der Führerscheinstelle des Landratsamts … abzugeben hat (Ziff. 2). Für den Fall der Nichtbefolgung der Verpflichtung in Ziffer 2 des Bescheides innerhalb einer Woche nach Zustellung des Bescheides werde ein Zwangsgeld in Höhe von 300,00 EUR zur Zahlung fällig (Ziff. 3). Die sofortige Vollziehung der Ziffern 1 und 2 wurde angeordnet (Ziff. 4). Es wurde festgesetzt, dass der Antragsteller die Kosten des Verfahrens – eine Gebühr in Höhe von 250,00 EUR – zu tragen hat (Ziff. 5). Im Zuge der Ermittlungen wegen vorsätzlicher Körperverletzung gegen den Antragsteller (vgl. Behördenakte, Bl. 1 f.; Strafbefehl Bl. 8 ff.; Einstellung Bl. 17 f.) sei dem Landratsamt durch Vorlage des Entlassungsberichts des Klinikums … vom 25. Juni 2021 bekannt geworden, dass dieser an mehreren fahreignungsrelevanten Erkrankungen leide. Die Zustimmungserklärung im Rahmen der Anordnung eines verkehrsmedizinischen Gutachtens sei bis Fristende am 4. Februar 2023 nicht vorgelegt worden. Das geforderte Gutachten sei nicht erstellt worden. Die an der Fahreignung des Antragstellers bestehenden Zweifel seien nicht ausgeräumt worden. Daher sei mit Schreiben vom 7. Februar 2023 (Anm.: wohl 22. Februar 2023) die Entziehung der Fahrerlaubnis mit der Gelegenheit zur Äußerung bzw. freiwilligen Verzichtsmöglichkeit bis 23. März 2023 eingeleitet worden. Das Landratsamt sei nach § 3 Abs. 1 und 2 der Straßenverkehrsordnung (StVG) und § 46 Abs. 1 FeV verpflichtet, die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich jemand als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweise. Die erforderlichen Anforderungen seien insbesondere dann nicht erfüllt, wenn eine Erkrankung oder ein Mangel nach Anlage 4 zur FeV vorliege. Das angeforderte Gutachten sei nicht vorgelegt worden. Es sei Sache des Betroffenen, das Gutachten binnen angemessener Frist beizubringen. Die Frist sei vorliegend angemessen gewesen. Die Zustellung der Anordnung mit der Bitte um umgehende Zurücksendung der Zustimmungserklärung sei bereits am 24. November 2022 (Anm.: wohl 17. November 2022, vgl. Behördenakte, Bl. 31) erfolgt. Da der Antragsteller seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei, habe das Landratsamt auf dessen Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen können, § 11 Abs. 8 FeV. Der Sinn der Gutachtensaufforderung bestehe darin, zu klären, ob der Betroffenen gegenwärtig geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen sei. Von Seiten des Landratsamts seien daher strenge Anforderungen an die fristgerechte Gutachtensvorlage zu stellen, um eine im Interesse der Verkehrssicherheit gebotene Aufklärung der Fahreignung während angemessener Frist zu gewährleisten. Möglicherweise eintretende nachteilige Folgen für den Antragsteller im privaten oder beruflichen Bereich könnten im Verfahren nicht berücksichtigt werden, da diese dem Allgemeininteresse an der Sicherheit des Straßenverkehrs nachzustehen hätten. Es folgen Ausführungen zur Abgabe des Führerscheins nach § 47 Abs. 1 FeV. Die Anordnung des Zwangsgeldes beruhe auf Art. 29, 30, 31 und 36 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG). Die sofortige Vollziehung des Bescheids sei gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO im öffentlichen Interesse (Belange der Verkehrssicherheit) angeordnet worden.

Der Antragsteller ließ durch seinen Bevollmächtigten mit am 4. April 2023 bei Gericht eingegangenem Schreiben Klage erheben und beantragen:

Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Landratsamtes … vom 08.03.2023 wird wiederhergestellt.

Zur Begründung des Antrags wurde vorgebracht, das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage wiege schwerer als das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheids. Der vollständige Entzug der erteilten Fahrerlaubnis, insbesondere hinsichtlich sämtlicher Fahrerlaubnisklassen, sei rechtswidrig. Die Anordnung der Entziehung der Fahrerlaubnis sei unverhältnismäßig, ebenso wie die Aufforderung zur Beibringung des Gutachtens. Der Antragsteller sei zu keinem Zeitpunkt als ungeeignet oder unsicher im Straßenverkehr aufgefallen. Die 2019 festgestellten Nebendiagnosen hätten nichts mit einem Verdacht der Ungeeignetheit des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen zu tun. Seit der Entlassung sei der Antragsteller unter medikamentöser Einstellung beschwerdefrei. Er habe sich seit dem Herzinfarkt vor über drei Jahren komplikationslos erholt. Durch die Medikamente werde auch die Fahreignung des Antragstellers nicht negativ beeinflusst. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheids sei auch deshalb rechtswidrig, weil seit dem diagnostizierten Herzinfarkt im November 2019 über drei Jahre vergangen seien, so dass allein aufgrund des Zeitmoments nicht von einer akuten Gefährdung des Straßenverkehrs ausgegangen werden könne. Der Rückschluss des Landratsamts aufgrund der Nichtbeibringung des Gutachtens auf die Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen sei unzulässig. Der Antragsteller sei mit einer Begutachtung einverstanden und habe sämtliche Ärzte auf der Liste des Landratsamts kontaktiert. Diese hätten jedoch kein fristgerechtes Gutachten zusagen können. Dies habe der Antragsteller nicht zu vertreten. Im Übrigen werde auf die Klagebegründung Bezug genommen. Hierin lässt der Antragsteller ausführen, er befinde sich seit einem Herzinfarkt im November 2019 in ständiger ärztlicher Behandlung; die Folgen des Herzinfarkts seien ausgeheilt. Dies gehe aus dem vorgelegten ärztlichen Attest vom 27. Oktober 2022 hervor. Die Anforderung der ärztlichen Untersuchung zur Überprüfung der Fahreignung müsse sich auf solche Mängel beziehen, die bei vernünftiger lebensnaher Einschätzung die ernsthafte Besorgnis begründeten, dass der Betroffenen sich als Führer eines Kraftfahrzeuges nicht verkehrsgerecht und umsichtig verhalten werde. Wie ausgeführt habe sich der Antragsteller von dem Herzinfarkt vollständig erholt; es lägen keine erhöhten Blutdruckwerte oder eine Herzinsuffizienz vor. Daher sei die Eignung des Antragstellers als Führer eines Kraftfahrzeugs nicht eingeschränkt. Ca. 8 % sämtlicher krankheitsbedingter Verkehrsunfälle seien auf Herzkreislauferkrankungen zurückzuführen, während beispielsweise 18 % auf Diabetes Mellitus zurückzuführen seien. Die Kenntniserlangung des Landratsamts von den Vorerkrankungen des Antragstellers rechtfertigten es nicht, an seiner Fahreignung per se zu zweifeln. Er habe mitgewirkt, die Zweifel des Landratsamts zu beseitigen.

Das Landratsamt beantragt mit Schreiben vom 14. April 2023, den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung werde im Wesentlichen auf die Gründe des gegenständlichen Bescheids verwiesen. Ergänzend wird ausgeführt, die Anordnung vom 16. November 2022 sei rechtmäßig ergangen, da der Antragsteller nachgewiesenermaßen an einer Erkrankung leide, welche gemäß Nr. 4.4 der Anlage 4 zur FeV die Fahreignung in Frage stellen könne. Nicht nur, aber insbesondere auch aufgrund der Tatsache, dass der Antragsteller Kraftfahrzeuge der Gruppe 2 führen dürfe, sei eine weitere Abklärung durch einen Facharzt mit entsprechender verkehrsmedizinischer Qualifikation gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 FeV geboten, da diese Kraftfahrzeuge aufgrund ihrer Beschaffenheit erhöhte Anforderungen an die Eignung eines Kraftfahrzeugführers stellten. Das vorgelegte Attest vom 27. Oktober 2022 sei nicht ausreichend, die bestehenden Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers auszuräumen. Zum einen solle gemäß § 11 Abs. 2 Satz 5 FeV die Beurteilung der Fahreignung nicht durch den behandelnden Arzt erfolgen, zum anderen besitze die ausstellende Ärztin keine verkehrsmedizinische Qualifikation und sei wohl keine Fachärztin für Innere Medizin. Darüber hinaus sei die Anordnung deshalb erfolgt, weil selbst bei noch bzw. wieder bestehender Fahreignung der einzelfallbezogenen verkehrsmedizinischen Beurteilung der Notwendigkeit der weiteren Überwachung zum einen, aber auch der Art der Anforderungen mit Festlegung u.a. der zu erbringenden Nachweise, Intervalle und der Art der Kontrollen der weiteren Überwachung zum Erhalt der Fahreignung zum anderen eine entscheidende Bedeutung zukomme. Dies sei nur durch einen verkehrsmedizinisch geschulten Arzt möglich. Entscheidend sei das Vorliegen der fahreignungsrelevanten Erkrankung. Dem Antragsteller sei mit drei Monaten und drei Wochen von der Zustellung der Anordnung am 17. November 2023 (Zustellungsnachweis Behördenakte Bl. 30 f.) an einschließlich der mit Schreiben vom 22. Februar 2023 gesetzten Frist zum Verzicht mit gleichzeitiger Gelegenheit zur Nachreichung des Gutachtens eine ausreichende Frist zur Erstellung des Gutachtens gesetzt worden. Eine Fristverlängerung sei nicht erfolgt, da etwaige objektive Hinderungsgründe weder vorgebracht noch nachgewiesen worden seien. Das Vorbringen des Bevollmächtigten des Antragstellers, die Fachärzte auf der Liste des Landratsamts hätten die Gutachtenserstellung verweigert, sei kein Grund für eine Fristverlängerung. Auf jener Liste sei klar vermerkt, dass diese keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebe. Selbst bei längeren Wartezeiten auf einen Termin wäre es dem Antragsteller möglich gewesen, zumindest die Zustimmungserklärung zurückzusenden, um das Verfahren nicht zusätzlich zu verzögern.

Der Bevollmächtige des Antragstellers merkte mit Schreiben vom 21. April 2023 an, der Antragsteller wäre bereit gewesen, bis zur Vorlage des Gutachtens auf ein Führen der Kraftfahrzeuge der Gruppe 2 zu verzichten, das Landratsamt habe jedoch die Fahrerlaubnis für alle Klassen entzogen. Es sei unzutreffend, dass keine Zustimmungserklärung vorgelegt worden sei. Sowohl mit Schreiben vom 27. Januar 2023 als auch vom 7. März 2023 sei ausdrücklich klargestellt worden, dass der Antragsteller mit einer Untersuchung durch einen entsprechenden Facharzt einverstanden sei.

Hierauf erwiderte das Landratsamt mit Schreiben vom 14. April 2023 (Anm.: wohl 25. April), die Zustimmungserklärung sei erst mit Eingang am 24. April 2023 vorgelegt worden, obwohl mit Schreiben vom 16. November 2022 um möglichst umgehende Rücksendung derselben gebeten worden sei, da nur so die fristgerechte Gutachtenserstellung möglich sei. Die Vorlage der Zustimmungserklärung als solche sei notwendig, da die Verfahrensakte samt Fragestellung sonst nicht an einen Facharzt versendet werden und dieser das verkehrsmedizinische Gutachten nicht erstellen könne, § 11 Abs. 6 Satz 4 FeV. Der Antragsteller sei seiner Mitwirkungspflicht mithin nicht nachgekommen.

Mit Schreiben vom 4. Mai 2023 führte der Bevollmächtigte des Antragstellers im Rahmen des Klageverfahrens hierzu aus, dass lediglich das Formular „Zustimmungserklärung“ nicht zurückgesandt worden sei, da mangels untersuchungsbereiter Ärzte die Zusendung eines leeren Formulars nicht sinnvoll sei. Inzwischen habe der Antragsteller jedoch einen Facharzt für Innere Medizin gefunden, Dr. … aus …. Insoweit sei das Formular nun am 24. März 2023 ausgefüllt und unterzeichnet vorgelegt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gemäß § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO analog auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Behördenakte, auch zum Verfahren mit dem Az. …, Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg.

1. Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr.1 bis 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Bei der Entscheidung hat das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen, bei der das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung abzuwägen ist. Dabei sind auch die überschaubaren Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen. Das Gericht prüft im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO auch, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind.

Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat der vorliegende Antrag keinen Erfolg, da die Klage vom 4. April 2023 gegen den Bescheid des Antragsgegners bei summarischer Prüfung keine Aussicht auf Erfolg hat. Der Bescheid vom 8. März 2023 erweist sich als rechtmäßig.

a. Ziffer 1 des Bescheides hält einer Rechtmäßigkeitskontrolle bei summarischer Prüfung stand. Dem Antragsteller wurde zu Recht die Fahrerlaubnis für sämtliche Fahrerlaubnisklassen entzogen.

Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) und § 46 Abs. 1 Satz 1 Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV) hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV gilt dies insbesondere dann, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 der FeV vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeuges ungeeignet oder bedingt geeignet ist, so finden gemäß § 46 Abs. 3 FeV die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung.

Die Nichteignung des Antragstellers ergibt sich vorliegend aus § 11 Abs. 8 FeV. Bringt ein Fahrerlaubnisbewerber hiernach ein behördlich angeordnetes Fahreignungsgutachten nicht bzw. nicht fristgerecht bei, darf die Fahrerlaubnisbehörde zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt ihrer Entscheidung über die Erteilung der Fahrerlaubnis darauf schließen, dass dem Betroffenen die Fahreignung fehlt. Die Voraussetzungen des § 11 Abs. 8 FeV sind vorliegend gegeben.

aa. Nach summarischer Prüfung ist die Forderung zur Beibringung eines ärztlichen Gutachtens im maßgeblichen Zeitpunkt der Beibringungsaufforderung zu Recht erfolgt, denn es sind hinreichend gewichtige Tatsachen ersichtlich, die Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers belegen und die die Fahrerlaubnisbehörde veranlassen durften, eine Abklärung herbeizuführen.

Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 FeV müssen der Fahrerlaubnisbehörde Tatsachen bekannt werden, die im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der Beibringungsanordnung Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung des Fahrerlaubnisbewerbers begründen. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist der Zeitpunkt des Ergehens der zu überprüfenden Anordnung (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – juris Rn. 14; B.v. 21.5.2012 – 3 B 65.11 – juris Rn. 7; BayVGH, B.v. 27.5.2015 – 11 CS 15.645 – juris Rn. 11). Die Anordnung zur Beibringung eines ärztlichen Gutachtens muss sich dabei auf konkrete Tatsachen stützen und darf nicht auf einen bloßen Verdacht hin „ins Blaue hinein“ verlangt werden (BayVGH, U.v. 3.9.2015 – 11 CS 15.1505 – juris Rn. 13). Ob solche konkreten Tatsachen vorliegen, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung des Fahrerlaubniserwerbers begründen, ist nach den gesamten Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. § 11 Abs. 1 Satz 2 FeV hält fest, dass die Fahreignung insbesondere dann nicht vorliegt, wenn eine Erkrankung nach der Anlage 4 zur FeV vorliegt.

Das akute Koronarsyndrom (Herzinfarkt) wird in Nr. 4.4 der Anlage 4 zur FeV genannt. Aus dem Entlassungsbericht des Klinikums … vom 25. Juni 2021 ergibt sich, dass der Antragsteller ein akutes Koronarsyndrom mit subakutem ST- Hebungsinfarkt erlitten hat, wobei eine leichtgradig reduzierte systolische LV-Funktion (EF 50 %) sowie eine arterielle Hypertonie vorliegen. Auch aus dem vorgelegten ärztlichen Attest der Gemeinschaftspraxis Dr. …, vom 27. Oktober 2022 ergibt sich, dass es beim Antragsteller im November 2019 zur kardialen Dekompensation mit Stauungspneumonie aufgrund der KHK und akutem Koronarsyndrom kam. Da es sich bei der Erkrankung des Antragstellers um eine chronische Erkrankung handeln kann, deren Verlauf und Auswirkungen auf die Fahreignung (vgl. Schuber/Huetten/Reimann/Graw, Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, Kommentar, 3. Aufl. 2018, S. 127) vom Landratsamt nicht eingeschätzt werden können, bedurfte es im vorliegenden Fall einer Einschätzung eines Facharztes mit verkehrsmedizinischer Qualifikation. Bei chronischen, wenn auch nur bedingten Eignungsmängeln erlangt die Frage nach der Kompensation der Erkrankung zur Erhaltung der Fahreignung besondere Relevanz. Es ist insbesondere zu prüfen, ob unter Berücksichtigung des Ausmaßes und der zu erwartenden Verlaufsformen einer vorliegenden Krankheit die Selbstbeobachtung, Selbstkontrolle und Zuverlässigkeit (Compliance) des Fahrerlaubnisinhabers ausreichen, um die möglicherweise notwendigen therapeutischen Maßnahmen vor dem Benutzen eines Kraftfahrzeuges zu beachten (Schuber/Huetten/Reimann/Graw, Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, Kommentar, 3. Aufl. 2018, S. 83). Es ist auch die Vorbemerkung zur Anlage 4 der FeV zu berücksichtigen, in der in Nr. 2 das ärztliche Gutachten zur Grundlage der im Rahmen des § 11 FeV vorzunehmenden Beurteilung erklärt wird, ob im Einzelfall eine Eignung oder bedingte Eignung vorliegt.

Die bestehenden Zweifel entfielen entgegen den Ausführungen des Bevollmächtigten des Antragstellers nicht durch reinen Zeitablauf seit dem akuten Koronarsyndrom des Antragstellers im Jahre 2019. Vielmehr dient die angeordnete Begutachtung der Beurteilung des gegenwärtigen Zustands. Dass die Erkrankungen am Herzen nach den Angaben im hausärztlichen Attest vom 27. Oktober 2022 beim Antragsteller aktuell kompensiert seien, stand der weiteren Aufklärung durch eine ärztliche Begutachtung nach § 11 Abs. 2 Satz 3 FeV jedenfalls deswegen nicht entgegen, weil die Angaben im Entlassungsbericht des Klinikums … Anhaltspunkte dafür boten, dass die Erkrankungen nicht hinreichend unter Kontrolle sein könnten, womit Auswirkungen auf die Fahreignung nicht ohne nähere Begutachtung ausgeschlossen werden können (vgl. BayVGH, B.v. 7.2.2022 – 11 CS 21.2385 – juris Rn. 20). So war hierin u.a. angegeben, dass eine leichtgradig reduzierte systolische LV-Funktion (EF 50 %) vorliege. Ziel der gutachterlichen Abklärung ist auch die Notwendigkeit einer Dauerbehandlung, die bei einer koronaren Herzerkrankung im Raum steht, die insoweit gebotene Medikation und deren Nebenwirkungen sowie die Compliance und Krankheitseinsicht des Antragstellers (vgl. BayVGH, B.v. 23.2.2023 – 11 CS 22.2649 – juris Rn. 17 zur endogenen Depression). Zu berücksichtigen ist – auch wenn das fortgeschrittene Lebensalter fahreignungsrechtlich für die Eignung keine Bedeutung hat (Siegmund, in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl. Stand 3.5.2023, FeV, § 11 Rn. 22) – außerdem, dass die Manifestation der koronaren Herzkrankheit mit dem Alter zunimmt, womit auch die Wahrscheinlichkeit für einen plötzlichen Herztod am Steuer steigt. Hat ein älterer Patient bereits einen Herzinfarkt durchgemacht oder weist eine schlechte linksventrikuläre Funktion auf, hat er ein erhöhtes Risiko für einen plötzlichen Herztod am Steuer (vgl. Schubert/Huetten/Reimann/Graw, Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, Kommentar, 3. Aufl. 2018, S. 137 ff.).

Folglich durfte das Landratsamt bereits allein aufgrund des bekannt gewordenen akuten Koronarsyndroms bzw. der koronaren Herzerkrankung Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers haben.

bb. Das vorgelegte ärztliche Attest der behandelnden Gemeinschaftspraxis Dr. …, vom 27. Oktober 2022 war nicht geeignet, die Zweifel der Behörde an der körperlichen und geistigen Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen auszuräumen. Dergleichen wäre nur dann anzunehmen, wenn keinerlei Restzweifel hinsichtlich der Fahreignung mehr verblieben und die ursprünglichen Bedenken – auch für einen medizinisch geschulten Laien – eindeutig hätten widerlegt werden können (vgl. BayVGH, B.v. 24.3.2016 – 11 CS 16.260 – juris Rn. 13). Diese Voraussetzungen kann der Befund vorliegend nicht erfüllen. Betreffend eine Teilnahme des Antragstellers am Straßenverkehr wird hierin lediglich sehr pauschal angegeben, dass die Krankheiten des Antragstellers nach der Entlassung sowie seine verordneten Medikamente nie seine Fahreignung beeinflusst hätten. Näher erläutert wird dies nicht, ebensowenig erfolgt eine Angabe von Details, z.B. einzelner Messwerte. Eine solche detailliertere Auseinandersetzung (insbesondere zur attestierten Fahreignung) konnte auch gar nicht stattfinden, da der Gemeinschaftspraxis die behördliche Fahrerlaubnisakte des Antragstellers nicht vorlag. Der Befund geht auch nicht auf die aufgeworfenen Fragen hinsichtlich der Compliance und Adhärenz des Antragstellers im Hinblick auf seine Erkrankung ein. Diese stellen aber gerade in Kombination mit den bekannt gewordenen Erkrankungen des Antragstellers die zweifelverstärkenden Faktoren bezüglich der Frage der Fahreignung dar. Dementsprechend konnte der Untersuchungsbefund die aufgekommenen Zweifel nicht – erst recht nicht in gleichem Maße wie ein Fahreignungsgutachten (zu dessen Anforderungen vgl. Anlage 4a zur FeV) – beseitigen. Es ist außerdem nicht ersichtlich oder vorgetragen, dass die behandelnden (Haus-)Ärzte über eine verkehrsmedizinische Qualifikation i.S.v. § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 FeV verfügen würden. Daneben darf der ärztliche Gutachter auch nicht zugleich der behandelnde Arzt sein (§ 11 Abs. 2 Satz 5 FeV).

cc. Der Schluss auf die Nichteignung des Betroffenen im Falle grundloser Nichtbeibringung des Gutachtens ist gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV aber nur dann zulässig, wenn die Anordnung zur Gutachtensbeibringung rechtmäßig war, wenn also die rechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung erfüllt sind und die Anordnung auch im Übrigen den Anforderungen des § 11 FeV entspricht. Dies ist hier der Fall. Insbesondere ergeben sich für das Gericht keine Zweifel hinsichtlich der gewährten Frist bzw. erscheint die Ablehnung einer Fristverlängerung aus Sicht des Gerichts rechtmäßig.

Voraussetzung ist, dass die Anordnung zur Beibringung des Gutachtens formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig erfolgt ist (st Rspr., vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20/15 – juris Rn. 19). Die Gutachtensanordnung muss weiter hinreichend bestimmt und aus sich heraus verständlich sein. Der Betroffene muss der Gutachtensaufforderung entnehmen können, was konkret ihr Anlass ist und ob das Verlautbarte die behördlichen Zweifel an seiner Fahreignung zu rechtfertigen vermag. Weiterhin ist gemäß § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV erforderlich, dass der Betroffene nachweislich auf die Folgen der Nichteignungsvermutung des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV hingewiesen wurde. Die Frist muss so bemessen sein, dass dem Betroffenen die Gutachtensbeibringung möglich und zumutbar ist (BVerwG, U.v. 9.6.2005 – 3 C 25.04 – DAR 2005, 581; BayVGH, B.v. 17.4.2019 – 11 CS 19.24 – juris Rn. 18).

(1) Weder die Fragestellung in der Gutachtensanforderung (vgl. § 11 Abs. 6 Satz 1 FeV) noch die Auswahl des Gutachters ist zu beanstanden. Nach § 11 Abs. 2 Satz 3 FeV bestimmt die Fahrerlaubnisbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen, von wem das Fahreignungsgutachten zu erstellen ist. Das Landratsamt forderte vom Antragsteller die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens von einem für die Fragestellung zuständigen Facharzt für Innere Medizin mit verkehrsmedizinischer Qualifikation gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 FeV. Mit der Konkretisierung der Fragestellung auf die Abklärung des Vorliegens einer koronaren Herzerkrankung wird im Sinne des aus Art. 20 Abs 3 GG folgenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ausgeschlossen, dass die Gesamtheit der in Anlage 4 zur FeV genannten Krankheitsbilder zum Gegenstand der fachärztlichen Untersuchung gemacht wird. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es der Behörde nicht immer möglich sein wird, das genaue Krankheitsbild aus der Nr. 4.4 der Anlage 4 zu bestimmen. Deshalb genügt die Behörde den Anforderungen des § 11 Abs. 6 Satz 1 FeV auch, wenn sie die Fragestellung auf eine koronare Herzerkrankung beschränkt. Auch im Übrigen genügen die formulierten Fragen an den Begutachter den Bestimmtheits- und Verhältnismäßigkeitsanforderungen.

(2) Die Beibringungsaufforderung vom 16. November 2022 entspricht den formellen Anforderungen des § 11 Abs. 6 FeV. Das Landratsamt ist den sich aus § 11 Abs. 6 Satz 2 und Satz 4 FeV ergebenden Informationspflichten korrekt nachgekommen. So wurden dem Antragsteller ausführlich die Gründe dargelegt, welche die Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers stützen. Dabei bezieht sich das Landratsamt auf den Entlassungsbericht des Klinikums … vom 25. Juni 2021, wonach der Antragsteller an mehreren zumindest potentiell fahreignungsrelevanten Erkrankungen leide bzw. gelitten habe, sowie auf das vorgelegte ärztliche Attest vom 27. Oktober 2022, woraus hervorgeht, dass es beim Antragsteller 2019 zu einer kardialen Dekompensation aufgrund einer koronaren Herzerkrankung und akutem Koronarsyndrom kam. Es wird erläutert, weshalb aufgrund dieser bekannt gewordenen Tatsachen beim Antragsteller das Vorliegen einer koronaren Herzerkrankung vermutet wird, die Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers i.S.d. § 11 Abs. 1 Sätze 1 bis 2 FeV i.V.m. Nr. 4.4 der Anlage 4 zur FeV begründet. Ebenfalls wird erläutert, dass die Begutachtungsanordnung auch der Beurteilung der Notwendigkeit weiterer Überwachung zum Erhalt der Fahreignung dient. Auch Hinweise darauf, dass der Antragsteller die Kosten der Begutachtung zu tragen und das Recht hat, die zu übersendenden Unterlagen einzusehen (§ 11 Abs. 6 Satz 2 FeV) sowie ein Hinweis über die Rechtsfolge des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV (§ 11 Abs. 8 Satz 2 FeV) sind in der Beibringungsanordnung enthalten. Ebenfalls wird darauf hingewiesen, dass die Beurteilung der Fahreignung nach der FeV nicht durch den behandelnden Arzt erfolgen soll (§ 11 Abs. 2 Satz 5 FeV).

(3) Die Fristsetzung zur Beibringung des medizinischen Gutachtens war angemessen im Sinne von § 2 Abs. 8 StVG und § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV. Sie war insbesondere so bemessen, dass es dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner konkreten Umstände möglich und zumutbar war, das Gutachten fristgerecht vorzulegen. Die Frist muss lediglich so bemessen sein, dass eine Gutachterstelle zur Erstellung eines Gutachtens über die aktuelle Fahreignung tatsächlich in der Lage ist (vgl. VG Würzburg, B.v. 8.5.2017 – W 6 S 17.413 – juris Rn. 29). Die Bemessung der Frist für die Beibringung eines Fahreignungsgutachtens ist grundsätzlich an den Umständen des Einzelfalls zu orientieren. Dies bedeutet allerdings nicht, dass hierfür die besonderen persönlichen Bedürfnisse des Fahrerlaubnisinhabers maßgeblich sind. Dient die Vorlage des Gutachtens nicht dem Nachweis der Wiedererlangung der Fahreignung, sondern der Klärung der Frage, ob der Fahrerlaubnisinhaber seine Fahreignung verloren hat, ist die Beibringungsfrist nach der Zeitspanne zu bemessen, die von einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle zur Erstattung des Gutachtens voraussichtlich benötigt wird. Etwaigen Eignungszweifeln ist insoweit so zeitnah wie möglich nachzugehen, da insofern die Abwendung möglicher erheblicher Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer in Frage steht (vgl. BayVGH, B.v. 5.5.2022 – 11 CS 22.927 – juris Rn. 27; BayVGH, B.v. 11.2.2019 – 11 CS 18.1808 – juris Rn. 26; so auch VG Würzburg, a.a.O., juris Rn. 29).

Mit Schreiben vom 16. November 2022, zugestellt am 17. November 2022, wurde der Antragsteller aufgefordert, bis zum 4. Februar 2023 ein medizinisches Gutachten vorzulegen. Diesem standen folglich mehr als elf Wochen zur Vorlage des Gutachtens zur Verfügung.. Dieser Zeitraum ist unter Berücksichtigung der vorhandenen Kommunikationswege grundsätzlich ausreichend (vgl. BayVGH, B.v. 11.2.2019 – 11 CS 18.1808 – juris Rn. 27 bezüglich eines Zeitraums von „etwas mehr als acht Wochen“, wobei hier Feiertage und Jahreswechsel zu berücksichtigen waren). Weder aus der Rechtsprechung des Senats (vgl. BayVGH, B.v. 9.10.2017 – 11 CS 17.1483 – juris Rn. 5, 26; B.v. 21.10.2015 – 11 C 15.2036 – juris Rn. 18; B.v. 23.4.2013 – 11 CS 13.219 – juris Rn. 20: jeweils zwei Monate für ausreichend erachtet) noch aus der Verwaltungspraxis anderer Hoheitsträger lässt sich eine behördliche Verpflichtung ableiten, regelmäßig (z.B.) mindestens drei Monate zur Beibringung eines Gutachtens einzuräumen (vgl. BayVGH, B.v. 11.2.2019 – 11 CS 18.1808 – juris Rn. 28). Auf eine (zusätzliche) Frist zum freiwilligen Verzicht auf die Fahrerlaubnis, wie mit Schreiben des Landratsamts vom 22. Februar 2023 ausgeführt, kommt es damit nicht mehr an. Bereits in der Gutachtensaufforderung vom 16. November 2022 erfolgte der Hinweis, dass eine fristgerechte Erstellung des Gutachtens nur gewährleistet sei, wenn die ausgefüllte und unterschriebene Erklärung möglichst umgehend wieder zurückgesendet werde, was bedingt, dass sich der Betroffene umgehend auch um einen begutachtenden Arzt bemüht und nicht erst geraume Zeit ins Land gehen lässt.

Es begegnet auch keinen rechtlichen Bedenken, dass das Landratsamt die beantragte Fristverlängerung i.S.d. Art. 31 Abs. 7 Satz 1 BayVwVfG abgelehnt hat. Bei einer Verlängerung behördlicher Fristen handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die an Stelle der nur bei gesetzlichen Fristen möglichen Wiedereinsetzung tritt. Die Voraussetzungen, unter denen eine Fristverlängerung erfolgt, dürfen daher nicht strenger sein als bei einer Wiedereinsetzung. Bei der Ausübung des Ermessens ist insbesondere zu berücksichtigen, ob es unbillig wäre, die durch den Fristablauf eingetretene Rechtsfolge bestehen zu lassen (BayVGH, B.v. 5.5.2022 – 11 CS 22.927 – juris Rn. 29; BayVGH, B.v. 29.11.2019 – 11 CS 19.2096 – juris Rn. 23). Dies ist nicht der Fall. Der Zeitraum, der dem Antragsteller vom 17. November 2022 bis zum Fristende am 4. Februar 2023 zur Verfügung stand, war bereits ausreichend. Angesichts der konkreten Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers war im Interesse der Öffentlichkeit an der Sicherheit des Verkehrs kein weiteres Zuwarten angezeigt.

Objektive Hinderungsgründe am Einhalten der gesetzten Frist seitens des Antragstellers wurden nicht hervorgebracht. Der Antragsteller konnte nicht nachvollziehbar darlegen, dass es ihm nicht möglich gewesen wäre, bei einer geeigneten Begutachtungsstelle innerhalb von elf Wochen eine Begutachtung zu erwirken. Dass der Antragsteller zum Zeitpunkt des Fristendes noch nicht einmal die Zustimmungserklärung zur Auswahl einer Begutachtungsstelle – ggf. mit einer Terminvergabe nach Fristende am 4. Februar 2023 – vorgelegt hatte, spricht nicht dafür, dass der Antragsteller ernstlich bemüht war, frühzeitig einen entsprechenden Termin bei einem Gutachter zu vereinbaren. Sofern sich der Antragsteller zeitnah nach Zugang der Anordnung, wie darin nahegelegt, um eine Terminvergabe bemüht hätte, wäre einerseits bereits fraglich, ob in einem solchen Zeitrahmen Ablehnungen des Untersuchungsauftrags durch die Ärzte im beschriebenen Umfang erfolgt wären und andererseits hätten bei der Absage einer Begutachtungsstelle noch innerhalb des Fristlaufs weitere Stellen in größerer Zahl zur Begutachtung angefragt werden können. Dabei enthielt die Begutachtungsanordnung den ausdrücklichen Hinweis, dass die mitgesendete Liste keinen Anspruch auf Aktualität bzw. Vollständigkeit erhebe, womit der Einwand des Bevollmächtigten des Antragstellers, keiner der dort genannten Ärzte habe ein fristgerechtes Gutachten zusagen können, ins Leere geht.

Soweit der Bevollmächtigte des Antragstellers ausführt, der Antragsteller sei seiner Mitwirkungspflicht durch die Äußerung seines Einverständnisses mit einer entsprechenden Begutachtung sehr wohl nachgekommen und habe geeignete Stellen kontaktiert, hätte jedoch lediglich Absagen erhalten, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Nach § 11 Abs. 6 Satz 3 FeV obliegt es dem Antragsteller – in der Regel im Rahmen jener Zustimmungserklärung, welche der Begutachtungsaufforderung beigelegt war – die Fahrerlaubnisbehörde darüber zu unterrichten, welche Stelle er mit der Untersuchung beauftragt hat. Dann kann die Fahrerlaubnisbehörde, wie in § 11 Abs. 6 Satz 4 FeV dargestellt, der untersuchenden Stelle mitteilen, welche Fragen im Hinblick auf die Eignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen zu klären sind und ihr die vollständigen Unterlagen übersenden. Die reine Äußerung der Bereitschaft zur Begutachtung ohne Nennung einer konkreten Begutachtungsstelle ist mithin im Rahmen des Verfahrens irrelevant.

dd. Das Landratsamt hat weiterhin das ihm gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 FeV zustehende Ermessen im Hinblick auf die Aufforderung zur Beibringung eines medizinischen Gutachtens gemäß § 114 Satz 1 VwGO ordnungsgemäß ausgeübt. Das Landratsamt hat weder die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten noch sonst von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht. Insbesondere lässt das Schreiben des Landratsamts vom 16. November 2022 erkennen, dass die Interessen des Antragstellers mit dem öffentlichen Interesse an Verkehrssicherheit auf öffentlichen Straßen abgewogen wurden. Dies zeigt, dass das Landratsamt alle relevanten Interessen ermittelt und einander gegenübergestellt hat. Es ist auch keine Fehlgewichtung der abgewogenen Interessen erkennbar. Aufgrund der mit dem Entlassungsbericht des Klinikums … bekannt gewordenen Tatsachen hatte das Landratsamt Zweifel an der Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen, weshalb es dem öffentlichen Interesse an einem sicheren Straßenverkehr ordnungsgemäß Vorrang gegenüber den privaten Interessen des Antragstellers eingeräumt hat.

ee. Die Aufforderung zur Beibringung eines Gutachtens eines Facharztes für Innere Medizin mit verkehrsmedizinischer Qualifikation war auch verhältnismäßig. Zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes muss die Fahrerlaubnisbehörde grundsätzlich prüfen, ob der Sachverhalt zunächst noch durch andere, weniger einschneidende Maßnahmen weiter aufgeklärt werden kann. Die Anordnung zur Beibringung eines medizinischen Gutachtens gegenüber dem Antragsteller war im vorliegenden Fall insbesondere erforderlich, mithin das mildeste geeignete Mittel, um die Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers auszuräumen. Lassen die der Anforderung zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen einen Eignungsmangel als naheliegend erscheinen, so steht der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dieser Anordnung in der Regel nicht entgegen. Dies wurde gerichtlich vor allem für die Fälle festgestellt, in denen die Fahrerlaubnisbehörde im Entziehungsverfahren nicht nur ein einfaches medizinisches Gutachten, sondern ein medizinisch-psychologisches Gutachten gefordert hat (vgl. BVerfG, B.v. 24.6.1993 – 1 BvR 689/92 – BverfGE 89, 69 – juris Rn. 63; BayVGH, B.v. 25.4.2016 – 11 CS 16.227 – juris Rn. 11; VG Bayreuth, U.v. 29.10.2019 – B 1 K 19.219 – juris Rn. 30). Erst recht gilt dies für die Fälle der Aufforderung zur Beibringung eines verkehrsmedizinischen Gutachtens, das gegenüber dem medizinisch-psychologischen Gutachten im Hinblick auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen eine geringere Eingriffsintensität aufweist. Darüber hinaus ist zugunsten des Landratsamtes zu berücksichtigen, dass es zunächst mit Schreiben vom 30. September 2022 die Beibringung eines aktuellen ausführlichen Krankheits- und Befundbericht zur Einordnung der Art und des Ausmaßes der Erkrankungen des Antragstellers forderte und damit zunächst ein gegenüber der Aufforderung zur Beibringung eines fachärztlichen Gutachtens milderes Mittel wählte. Das vom Antragsteller fristgerecht vorgelegte ärztliche Attest erschöpfte sich jedoch in drei Absätzen ohne jegliche Detailangaben oder Befundbeilegungen, weshalb die Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers nicht ausgeräumt werden konnten. Zu Recht – unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Antragsteller auch die Fahrerlaubnis hinsichtlich der Gruppe 2, welche aufgrund der Beschaffenheit der Fahrzeuge erhöhte Anforderungen an die Eignung des Fahrers stellt, innehat – hat das Landratsamt deshalb mit Schreiben vom 16. November 2022 die Beibringung eines Gutachtens eines Facharztes für Innere Medizin mit verkehrsmedizinischer Qualifikation gefordert.

Sofern der Antragsteller einwendet, seit der Erstellung des Entlassungsbriefes des Klinikums … bis zur Entziehung der Fahrerlaubnis beanstandungsfrei am Straßenverkehr teilgenommen zu haben, was gegen das Fehlen der Kraftfahreignung spreche, so greift dieser Einwand nicht durch. Eine zwischenzeitliche, möglicherweise beanstandungsfreie Teilnahme am Straßenverkehr ist unbeachtlich. So kann das Ausbleiben spezifischer Auffälligkeiten ebenso gut auf einer lediglich zeitweiligen Anpassung oder auf bloßem Zufall beruhen.

ff. Nachdem der Antragsteller das ordnungsgemäß geforderte Gutachten nicht innerhalb der angemessenen Frist bis 4. Februar 2023 beigebracht hat und der Antrag auf Fristverlängerung mit Schreiben des Landratsamts vom 22. Februar 2023 zu Recht abgelehnt wurde, war die Fahrerlaubnisbehörde nach § 11 Abs. 8 FeV gehalten, aus der Nichtvorlage auf die Nichteignung zu schließen und hatte dem Antragsteller die Fahrerlaubnis zu entziehen. Ein Ermessen wird der Behörde bei dieser Entscheidung nicht eingeräumt. Soweit der Bevollmächtigte des Antragstellers anführt, das Landratsamt hätte im Rahmen der Entziehung der Fahrerlaubnis zwischen den verschiedenen Fahrerlaubnisklassen differenzieren müssen, ist daneben darauf zu verweisen, dass Nr. 4.4 der Anlage 4 zur FeV für Gruppe 1 und Gruppe 2 eine kardiologische Untersuchung fordert, um die weitere Fahreignung sicherzustellen.

b. Nachdem dem Antragsteller die Fahrerlaubnis zu Recht und sofort vollziehbar entzogen worden ist, ist die Abgabeverpflichtung hinsichtlich des Führerscheins (Ziffer 2) als begleitende Anordnung, die ebenfalls für sofort vollziehbar erklärt wurde, geboten, um die Ablieferungspflicht nach § 47 Abs. 1 FeV durchzusetzen. Die Anordnung zur Abgabe des Führerscheins würde sich insbesondere nicht durch eine zwischenzeitlich erfolgende Abgabe an das Landratsamt erledigen, sondern stellt eine Rechtsgrundlage für das Einbehalten des Dokuments dar (BayVGH, B.v. 6.10.2017 – 11 CS 17.953 – juris Rn. 9; B.v. 12.2.2014 – 11 CS 13.2281 – juris Rn. 22).

c. Die Androhung von Zwangsgeld in Höhe von 300,00 EUR für den Fall der Nichtabgabe des Führerscheins innerhalb einer Woche nach Zustellung des Bescheides (Ziffer 3) begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

d. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffern 1 und 2 des streitgegenständlichen Bescheides genügt auch den (formalen) Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs reicht es bei einer Fahrerlaubnisentziehung aus, die für den Fall typische Interessenlage aufzuzeigen; die Darlegung besonderer zusätzlicher Gründe für die Erforderlichkeit der sofortigen Vollziehung ist nicht geboten (so z.B…BayVGH, B.v. 24.8.2010 – 11 CS 10.1139 – juris Rn. 29; B.v. 25.5.2010 – 11 CS 10.227 – juris Rn. 12; VGH BW, B.v. 24.1.2012 – 10 S 3175/11 – juris Rn. 4). Die Behörde kann sich bei der Abwägung zwischen den Beteiligteninteressen im Wesentlichen auf die Prüfung beschränken, ob nicht ausnahmsweise in Ansehung der besonderen Umstände des Falles die sofortige Vollziehung weniger dringlich als im Normalfall ist (vgl. BayVGH, B.v. 5.9.2008 – 11 CS 08.1890 – juris Rn. 18). Dem werden die Ausführungen in der Begründung des Bescheides gerecht. So stellte der Antragsgegner zu Recht auf die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs ab. Aufgrund der nicht fristgerechten Vorlage des geforderten medizinischen Gutachtens musste das Landratsamt von der Ungeeignetheit des Antragstellers ausgehen, weshalb bei seiner weiteren Teilnahme am Straßenverkehr als Führer eines Kraftfahrzeuges eine nicht hinnehmbare Gefährdung der anderen Verkehrsteilnehmer zu besorgen ist. Am Vorliegen der typischen Interessenlage, die eine auf den konkreten Einzelfall bezogene Begründung des Sofortvollzuges entbehrlich macht, ändert im vorliegenden Fall auch nichts, dass der Antragsteller bisher im Straßenverkehr keinen Schaden verursacht hat, denn dieser Umstand ändert nichts an den Gefahren, die von einem ungeeigneten Fahrerlaubnisinhaber ausgehen. Ebensowenig ergibt sich eine andere Einschätzung durch den Zeitablauf seit dem akuten Koronarsyndrom im Jahr 2019, da das Landratsamt nach wie vor Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers hatte, die ohne das vorzulegende Gutachten nicht ausgeräumt werden konnten. Die privaten, finanziellen und beruflichen Interessen des Antragstellers…müssen vor den öffentlichen Interessen an der Sicherheit des Straßenverkehrs zurücktreten. Auch bei der vom Verwaltungsgericht vorzunehmenden eigenständigen Interessenabwägung überwiegt das öffentliche Interesse am Sofortvollzug der getroffenen Feststellung der Fahrerlaubnisbehörde. Dabei ist das Interesse der Allgemeinheit an der Sicherheit des Straßenverkehrs und der aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG abzuleitende Auftrag des Staates zum Schutz der Verkehrsteilnehmer vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben zu beachten (vgl. BayVGH B.v. 11.3.2015 – 11 CS 15.82 – juris Rn. 19).

Daneben überwiegt das öffentliche Interesse, den Rechtsschein des Besitzes einer in Deutschland gültigen Fahrerlaubnis zu beseitigen und damit zu gewährleisten, dass der Antragsteller nicht weiter am motorisierten Straßenverkehr im Bundesgebiet teilnimmt, das Interesse des Antragstellers, seinen Führerschein nicht abliefern zu müssen (VG Düsseldorf, B.v. – 6 L 1783/21). Dies wurde dem Antragsteller in der Begründung des Bescheids dargelegt.

2. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abgelehnt.

3. Die Höhe des Streitwertes richtet sich nach § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2 und § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Nrn. 1.5, 46.1, 46.3 und 46.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (s. NVwZ-Beilage 2013, 57).

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