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Fahreignungswiedererlangung – verfahrensrechtliche Einjahresfrist bei Cannabiskonsum

VG Augsburg – Az.: Au 7 S 10.1838 – Beschluss vom 05.01.2011

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um die Rechtmäßigkeit der Entziehung einer Fahrerlaubnis.

1. Die Verkehrspolizeiinspektion … teilte der Fahrerlaubnisbehörde der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 13. Juli 2009 mit, dass der Antragsteller am 19. Juni 2009 einer Kontrolle unterzogen worden sei, als er ein Kraftfahrzeug geführt habe. Ein durchgeführter Drogenschnelltest sei positiv auf THC verlaufen. Beigefügt war ein Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums … vom 26. Juni 2009, wonach eine am 19. Juni 2009 entnommene Blutprobe positiv auf Cannabinoide getestet worden sei (THC: 7,5 ng/ml; THC-COOH: 29,7 ng/ml).

Mit Schreiben vom 21. Dezember 2009 teilte die zentrale Bußgeldstelle im Bayerischen Polizeiverwaltungsamt der Führerscheinstelle der Antragsgegnerin mit, dass gegen den Antragsteller ein Bußgeldbescheid wegen eines Verstoßes nach § 24a StVG erlassen worden sei. Der Antragsteller habe am 19. Juni 2009 ein Kraftfahrzeug unter der Wirkung eines berauschenden Mittels geführt. Mit Schreiben des Kraftfahrt-Bundesamts vom 23. Dezember 2009 wurde der Fahrerlaubnisbehörde der Antragsgegnerin mitgeteilt, dass für den Antragsteller wegen der Fahrt am 19. Juni 2009 vier Punkte im Verkehrszentralregister eingetragen sind (Datum der Rechtskraft: 9.12.2009).

Mit Schreiben vom 7. Januar 2010 forderte die Fahrerlaubnisbehörde der Antragsgegnerin den Antragsteller auf, bis spätestens 8. März 2010 ein ärztliches Gutachten eines Facharztes vorzulegen. Das Gutachten habe die Frage zu beantworten, ob bei dem Antragsteller nur dieser einmalige Konsum vorliege oder ob er gelegentlich, wenn nicht gar regelmäßig Cannabisprodukte konsumiere. Es sei zu klären, ob Hinweise auf die Einnahme weiterer illegaler Drogen oder auch den Missbrauch legaler Drogen vorlägen.

Mit Schreiben vom 9. Januar 2010 teilte das Kraftfahrt-Bundesamt der Antragsgegnerin mit, dass für den Antragsteller vier Punkte wegen des Führens eines Kraftfahrzeuges unter der Wirkung berauschender Mittel (Datum der Tat: 19.6.2009; Datum der Rechtskraft: 9.12.2009) sowie drei Punkte wegen des Missachtens des Rotlichts einer Lichtzeichenanlage (Datum der Tat: 6.9.2009; Datum der Rechtskraft: 25.11.2009) eingetragen seien.

Mit Schreiben vom 15. Januar 2010 ordnete die Fahrerlaubnisbehörde der Antragsgegnerin für den Antragsteller ein besonderes Aufbauseminar für alkoholauffällige/drogenauffällige Kraftfahrer gemäß § 2b Abs. 2 StVG an.

Die Fahrerlaubnisbehörde der Antragsgegnerin teilte dem Antragsteller mit Schreiben vom 8. Februar 2010 mit, dass dieser bislang den für die Durchführung der Eignungsbegutachtung notwendigen Untersuchungsauftrag nicht erteilt habe. Er wurde darauf aufmerksam gemacht, dass er mit der Entziehung der Fahrerlaubnis zu rechnen hätte, wenn das geforderte Eignungsgutachten nicht fristgerecht vorgelegt würde. Mit Schreiben vom 18. Februar 2010 verlängerte die Fahrerlaubnisbehörde der Antragsgegnerin auf Antrag des Antragstellers die Frist zur Vorlage des Gutachtens bis zum 10. Mai 2010.

Mit Schreiben vom 30. März 2010 hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller zu der beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis an, da der Antragsteller die Bescheinigung über die Teilnahme an einem besonderen Aufbauseminar nicht vorgelegt habe.

Mit Schreiben vom 7. Mai 2010 übersandte der Antragsteller ein Teilnahmezertifikat über ein besonderes Aufbauseminar vom 19. März 2010.

Mit Schreiben vom 21. Juni 2010 hörte die Fahrerlaubnisbehörde der Antragsgegnerin den Antragsteller zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis an, nachdem das geforderte Eignungsgutachten nicht vorgelegt worden sei.

Per E-Mail vom 28. Juni 2010 teilte der Antragsteller mit, dass er die Begutachtung am 10. Juni 2010 habe durchführen lassen. Er habe seit dem einmaligen Vorfall vor einem Jahr keinerlei Drogen und auch andere legale Rauschmittel mehr zu sich genommen. Es habe sich um einen einmaligen Fehler gehandelt.

Mit Schreiben vom 5. August 2010 teilte die Fahrerlaubnisbehörde der Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass sie auf seine Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen werde, wenn er das Gutachten nicht bis spätestens 23. August 2010 vorlegen werde.

Mit einer E-Mail vom 28. August 2010 übersandte der Antragsteller ein Gutachten eines Arztes für Neurologie und Psychiatrie vom 14. Juni 2010.

Mit Schreiben vom 6. September 2010 räumte die Fahrerlaubnisbehörde der Antragsgegnerin dem Antragsteller letztmalig die Gelegenheit ein, das Originalgutachten bis zum 15. September 2010 vorzulegen.

Mit einer E-Mail vom 19. September 2010 teilte der Antragsteller mit, dass er zwei Sätze aus dem Gutachten gestrichen habe. Die Sätze seien nicht klar und unmissverständlich ausgeführt.

Mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 24. September 2010 wurde dem Antragsteller die Fahrerlaubnis der Klassen B, M, L und S entzogen (Ziffer 1. des Bescheides). In Ziffer 2. des Bescheides wurde angeordnet, dass der Antragsteller seinen Führerschein unverzüglich, spätestens jedoch binnen drei Tagen nach Zustellung dieser Verfügung, abzuliefern habe. Die sofortige Vollziehung der Nrn. 1. und 2. des Bescheides wurde angeordnet (Ziffer 3. des Bescheides). Für den Fall der Nichtablieferung des unter Nr. 2. genannten Führerscheins innerhalb der festgesetzten Frist wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 250,00 EUR angedroht (Ziffer 6. des Bescheides).

Der Antragsteller habe das geforderte Gutachten nicht innerhalb der gesetzten Frist bei der Fahrerlaubnisbehörde vorgelegt.

Am 1. Oktober 2010 ging bei der Fahrerlaubnisbehörde der Antragsgegnerin das Originalgutachten vom 14. Juni 2010 ein. Beigefügt war eine Bescheinigung über eine Laboruntersuchung vom 11. Juni 2010, wonach eine Urinuntersuchung auf Haschisch und Cannabinoide negativ verlaufen sei. In dem Gutachten ist ausgeführt, dass bei dem Antragsteller eine gelegentliche Cannabiseinnahme vorliege, wobei derzeit auf weitere Einnahme von Cannabis verzichtet werde beziehungsweise eine entsprechende Trennung von Konsum und Fahren gegeben sei. Aus ärztlicher Sicht sei das Führen eines Kraftfahrzeuges bei der bestehenden Symptomatik möglich.

Mit Schreiben vom 15. Oktober 2010 teilte die Fahrerlaubnisbehörde der Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass das Zwangsgeld zur Zahlung fällig geworden sei. Gleichzeitig drohte sie dem Antragsteller ein Zwangsgeld in Höhe von 300,00 EUR an.

Mit Schreiben vom 18. Oktober 2010 hat der Antragsteller Widerspruch gegen den Bescheid vom 24. September 2010 erhoben. Er habe dem Gutachter ausdrücklich erklärt, dass er seit der Polizeikontrolle am 19. Juni 2009 keinerlei Marihuana- oder Cannabisprodukte mehr zu sich genommen habe. Auch legale Drogen wie Alkohol seien für ihn nicht in Frage gekommen.

Mit Schreiben vom 27. Oktober 2010 teilte die Fahrerlaubnisbehörde der Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass er die Gelegenheit erhalte, bis zum 12. November 2010 mitzuteilen, ob er zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens bereit sei.

Mit Schreiben vom 4. November 2010 teilte die Fahrerlaubnisbehörde der Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass das Zwangsgeld zur Zahlung fällig geworden sei und drohte dem Antragsteller gleichzeitig unmittelbaren Zwang an.

Mit Schreiben vom 11. November 2010 ließ der Antragsteller durch seinen Prozessbevollmächtigten beantragen, die sofortige Vollziehung des Bescheides auszusetzen. Die Fahrerlaubnisbehörde der Antragsgegnerin teilte dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers mit Schreiben vom 12. November 2010 mit, dass die Aufhebung der sofortigen Vollziehung nicht in Betracht komme.

Nach einer Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 30. November 2010 sind für den Antragsteller zwischenzeitlich unverbindlich insgesamt acht Punkte im Verkehrszentralregister eingetragen. Zusätzlich zu den bereits oben angegebenen Eintragungen ist nun ein weiterer Punkt wegen des Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 25 km/h (zulässige Geschwindigkeit: 80 km/h) eingetragen (Datum der Tat: 6.8.2010; Datum der Rechtskraft: 15.10.2010).

2. Der Antragsteller hat einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt und beantragt:

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 24. September 2010 wird wiederhergestellt.

Bei dem Antragsteller liege ein Verzicht auf den Konsum von Cannabis vor. Könne der Antragsteller das Kraftfahrzeug auch weiterhin nicht nutzen, drohe ihm der Verlust seines Ausbildungsplatzes.

3. Die Antragsgegnerin hat beantragt, den Antrag abzulehnen.

Die Entziehung der Fahrerlaubnis müsse Bestand haben, auch wenn der Antragsteller nach Erlass des Entziehungsbescheides das Originalgutachten vorgelegt habe. Darin habe der Arzt ausgeführt, der Antragsteller habe 3 Tage vor der Untersuchung Haschisch zu sich genommen und „bei der Untersuchung hier“ geglaubt, dass das Haschisch in den zurückliegenden Tagen bereits ausgeschieden sei. Dies spreche bereits dafür, dass die Einlassungen des Antragstellers, er lebe seit dem 19. Juni 2009 drogenfrei, nicht zuträfen.

Mit Schreiben vom 13. Dezember 2010 bot die Antragsgegnerin dem Antragsteller an, den Sofortvollzug der Entziehungsverfügung aufzuheben und die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachtens anzuordnen. Diesen Lösungsvorschlag lehnte der Antragsteller mit Schreiben vom 16. Dezember 2010 ab.

4. In Bezug auf den weiteren Sach- und Streitstand wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II.

Der Antrag war nach § 88 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) dahingehend auszulegen, dass die aufschiebende Wirkung gegen die Ziffer 1. des Bescheides wiederhergestellt und gegen die kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Ziffer 2. (§ 47 Abs. 1 Satz 2 FeV) und Ziffer 6. (Art. 21 a BayVwVZG) angeordnet werden sollte.

Der zulässige Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist nicht begründet.

1. Die Antragsgegnerin hat bei der Anordnung des Sofortvollzugs den in § 80 Abs. 3 VwGO normierten Begründungsanforderungen in ausreichender Weise Rechnung getragen. Sie hat insbesondere auf eine Gefahr wegen der zu erwartenden Folgen von Fahrten unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln, wie zum Beispiel schweren Verkehrsunfällen mit Verletzen hingewiesen. Da somit eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit anderer Menschen bestünde, überwiege das öffentliche Interesse das Individualinteresse des Betroffenen. Im Bereich des Sicherheitsrechts, zu dem auch das Fahrerlaubnisrecht gehört, kann sich die Behörde zur Rechtfertigung der sofortigen Vollziehung darauf beschränken, die für diese Fallgruppen typische Interessenlage aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass diese Interessenlage auch im konkreten Fall vorliegt; der Umstand, dass die im streitgegenständlichen Bescheid angesprochenen Gesichtspunkte auch in einer Vielzahl anderer Verfahren zur Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit verwendet werden können, führt deshalb nicht dazu, dass ein Verstoß gegen § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO vorliegt (BayVGH vom 10.3.2008, 11 CS 07.3453 m.w.N.).

In Bezug auf die bereits kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Anordnungen ist eine Begründung nach § 80 Abs. 3 VwGO nicht erforderlich.

2. Bei der Entscheidung über den vorliegenden Antrag hat das Gericht eine eigenständige Abwägung der widerstreitenden Interessen vorzunehmen. Hierbei ist insbesondere auf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache abzustellen. Ist das Rechtsmittel in der Hauptsache im Rahmen einer summarischen Prüfung offensichtlich erfolgreich, kann kein überwiegendes öffentliches Interesse am Vollzug eines rechtwidrigen Bescheides bestehen. Andererseits kann der Bürger kein schutzwürdiges privates Interesse daran haben, von der Vollziehung eines offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsaktes verschont zu bleiben. Insoweit ist eine summarische Prüfung der Rechtslage geboten, aber auch ausreichend.

Im Rahmen einer summarischen Prüfung spricht schon einiges dafür, dass der Widerspruch keinen Erfolg haben wird, da die Entziehung der Fahrerlaubnis, die Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins und die Androhung des Zwangsgeldes im streitgegenständlichen Bescheid wohl rechtmäßig sind und den Antragsteller nicht in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Jedenfalls führt aber eine umfassende Abwägung der widerstreitenden Interessen zu einem Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Vollziehung des Verwaltungsaktes.

Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) in Verbindung mit § 46 Abs. 1 der Fahrerlaubnis-Verordnung sowie Anlage 4 Nr. 9.2.2 zur Fahrerlaubnis-Verordnung. Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde demjenigen, der sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist, die Fahrerlaubnis zu entziehen. Dies gilt nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere dann, wenn Erkrankungen oder Mängel nach Anlage 4, 5 oder 6 vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist.

An der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen fehlt es nach der Ziffer 9.2.2 der 4. Anlage zur FeV, wenn bei einer gelegentlichen Einnahme von Cannabis keine Trennung von Konsum und Fahren gegeben ist.

Nach summarischer Prüfung ist der Antragsteller jedenfalls gelegentlicher Konsument von Cannabisprodukten (dazu a) und besitzt das erforderliche Trennvermögen zwischen dem Konsum dieser Droge und der Teilnahme am Straßenverkehr nicht (dazu b), so dass er zu Recht als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen angesehen wurde. Er hat zwischenzeitlich seine Fahreignung auch nicht wieder erlangt (dazu c). Jedenfalls aber führt eine umfassende Abwägung der widerstreitenden Interessen zu einem Überwiegen des Interesses der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes (dazu 3.).

a) Es spricht eine in einem summarischen Verfahren ausreichende überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Antragsteller jedenfalls gelegentlicher Konsument von Cannabisprodukten ist. Die Gelegentlichkeit im Sinne der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung liegt immer dann vor, wenn tatsächlich mindestens zweimal Cannabis in voneinander unabhängigen Konsumakten eingenommen wurde (BayVGH vom 13.6.2008 – 11 CS 08.633; VG Augsburg vom 28.7.2008 – Au 3 S 08.882).

In dem ärztlichen Gutachten vom 14. Juni 2010 ist ausgeführt, dass bei dem Antragsteller eine gelegentliche Einnahme von Cannabis vorliegt. Er habe in den zurückliegenden Jahren gelegentlich auf Partys Cannabis in geringen Mengen eingenommen. Drei Tage vor der Untersuchung habe er Haschisch zu sich genommen. Auch bei der Fahrt am 19. Juni 2009 stand der Antragsteller unter dem rechtserheblichen Einfluss von THC.

b) Der Antragsteller verfügt nicht über das erforderliche Trennvermögen. Die Fahrt des Antragstellers unter dem Einfluss von Cannabis vom 19. Juni 2009 belegt mangelndes Trennvermögen zwischen Cannabiskonsum und dem Führen eines Kraftfahrzeuges. Der derzeitige medizinisch-naturwissenschaftliche Erkenntnisstand rechtfertigt es, ab einer THC-Konzentration von über 2,0 ng/ml im Blut eines Kraftfahrzeugführers eine Erhöhung des Risikos für die Verkehrssicherheit als derart gesichert im Sinne des § 11 Abs. 7 FeV anzusehen, dass dem Betroffenen ohne weitere Sachverhaltsaufklärung die Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen ist (BayVGH vom 07.01.2009 – Az. 11 CS 08.1545; VG Augsburg vom 8.9.2009 – Au 7 S 09.1224). Die laut Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums … vom 26. Juni 2009 im Blut des Antragstellers gemessene THC-Konzentration von 7,5 ng/ml rechtfertigt somit die Annahme fehlender Fahreignung. Es kommt auch nicht darauf an, ob sich der Antragsteller subjektiv fahrtüchtig fühlte und er mit einer Fahrt mit dem Kraftfahrzeug nach seinem Cannabiskonsum rechnen musste. Maßgeblich ist, ob der Fahrerlaubnisinhaber objektiv im Zeitpunkt der motorisierten Teilnahme am Straßenverkehr unter einem rechtserheblichen Einfluss von THC stand, das Führen eines Kraftfahrzeuges durch ihn mit einem drogenkonsumbedingten erhöhten Gefahrenpotential einherging (BayVGH vom 17.11.2008 – Az. 11 CS 08.2157).

Besondere Umstände, aus denen sich ergibt, dass im Fall des Antragstellers der Betäubungsmittelkonsum entgegen der in § 46 Abs. 1 FeV in Verbindung mit der Anlage 4 zur FeV zum Ausdruck gebrachten Regel ausnahmsweise nicht zum Verlust der Fahreignung geführt hat, sind weder substantiiert vorgetragen noch sonst erkennbar. Solche Umstände sind insbesondere nicht in dem ärztlichen Gutachten vom 14. Juni 2010 zu sehen. Zwar ist darin ausgeführt, dass eine Trennung zwischen Konsum und Fahren gegeben wäre. Dabei handelt es sich jedoch nicht um ein medizinisch-psychologisches Gutachten, sondern um ein ärztliches Gutachten, in dem zu klären ist, ob eine gelegentliche Einnahe von Cannabis vorliegt oder ob sich Anzeichen für eine Einnahme weiterer Drogen finden. Die Frage, ob ein gelegentlicher Konsument von Cannabisprodukten zwischen dem Konsum dieser Droge und der Teilnahme am Straßenverkehr ausreichend zuverlässig trennen kann, ist jedoch eine psychologische Frage, die im psychologischen Teil der medizinisch-psychologischen Untersuchung zu überprüfen ist, und demnach im Rahmen eines ärztlichen Gutachtens nicht hinreichend sicher beantwortet werden kann.

c) Im Rahmen einer summarischen Prüfung ist davon auszugehen, dass der Antragsteller seine Fahreignung zwischenzeitlich nicht wiedererlangt hat.

Es spricht viel dafür, dass die sogenannte verfahrensrechtliche Einjahresfrist noch nicht abgelaufen ist und deshalb ungeprüft davon ausgegangen werden durfte, die Fahrungeeignetheit des Antragstellers stehe im Sinne von § 11 Abs. 7 FeV weiterhin fest (vgl. BayVGH vom 29.3.2007 – 11 CS 06.2913). Die verfahrensrechtliche Einjahresfrist beginnt mit dem Tag, den der Betroffene als den Beginn der Betäubungsmittelabstinenz genannt hat oder von dem an unabhängig von einem solchen Vorbringen Anhaltspunkte für eine solche Entwicklung vorliegen (BayVGH vom 29.3.2007 – a.a.O.). Bei lediglich gelegentlicher Einnahme von Cannabis ist ein Übergang zu einem straßenverkehrsrechtlich zulässigen Gebrauch dieses Betäubungsmittels für die Dauer mindestens eines Jahres erforderlich (BayVGH vom 9.5.2005 – 11 CS 04.2526). Der Antragsteller behauptet zwar, seit der polizeilichen Kontrolle am 19. Juni 2009 keine Drogen mehr konsumiert zu haben. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit ist der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, so dass dieser Einwand im vorliegenden Entziehungsverfahren auch beachtlich ist, da über den vom Antragsteller erhobenen Widerspruch bislang nicht entschieden wurde. Im Rahmen des ärztlichen Gutachtens ist jedoch ausgeführt, der Antragsteller habe angegeben, drei Tage vor der Untersuchung Haschisch zu sich genommen zu haben. Weiter habe er „bei der Untersuchung hier“ geglaubt, dass das Haschisch in den zurückliegenden Tagen bereits ausgeschieden sei.

Es ist demnach im Rahmen einer summarischen Prüfung davon auszugehen, dass der Antragsteller jedenfalls mit überwiegender Wahrscheinlichkeit wenige Tage vor der Untersuchung im Juni 2010 Haschisch konsumiert hat, so dass bereits die verfahrensrechtliche Einjahresfrist nicht abgelaufen ist. Die Behauptung des Antragstellers, er habe diese Äußerung dem Gutachter gegenüber nicht getroffen, ist nicht belegt. Insbesondere ist die in dem Schreiben des Antragstellers an den Gutachter aufgestellte Behauptung, es müsse drei Tage vor der „Polizeikontrolle oder Überprüfung durch die Polizei“ heißen, nicht glaubhaft. Der am 19. Juni 2009 beim Antragsteller festgestellte THC-Wert von 7,5 ng/ml belegt einen Konsum von Cannabis im Zeitraum von 4 bis 6 Stunden vor der Verkehrskontrolle. Der festgestellte Wert für THC kann daher nicht auf einem Cannabiskonsum drei Tage vor der Verkehrskontrolle beruhen. Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen sinkt der THC-Wert auch nach Konsum höherer Dosierungen (bis zu ca. 35 mg pro Cannabiszigarette) bei Gelegenheitskonsumenten innerhalb von sechs Stunden nach Rauchende auf einen Wert von ca. 1 ng/ml (BayVGH vom 04.11.2008 – 11 CS 08.2576). Es ist daher davon auszugehen, dass ein „normaler“ – d.h. ein auf die Aufnahme einer wirksamen, ca. 15 mg THC umfassenden Einzeldosis beschränkter – Konsum von Cannabis nur bis zu sechs Stunden im Blut nachgewiesen werden kann (hierzu BayVGH vom 5.4.2006 – 11 CS 05.2853). Unter diesen Voraussetzungen erscheint es unwahrscheinlich, dass der Antragsteller dem Arzt gegenüber angegeben hatte, er habe drei Tage vor der Verkehrskontrolle Haschisch konsumiert, zumal der Wortlaut des ärztlichen Gutachtens auf Seite 2 („Bei der Untersuchung hier […]“ – Hervorhebung nicht im Original) dafür spricht, dass ein Konsum wenige Tage vor der ärztlichen Untersuchung im Juni 2010 gemeint war.

Hinzu kommt, dass der Antragsteller auch im gerichtlichen Verfahren keine Klärung des behaupteten Missverständnisses ermöglicht hat, da er den Gutachter mit Schreiben vom 23. Dezember 2010 ausdrücklich nicht von der Schweigepflicht entbunden hat. Es kann daher unter Berücksichtigung des Verhaltens des Antragstellers nicht davon ausgegangen werden, dass die in dem Gutachten enthaltenen Textpassagen missverständlich wiedergegeben wurden.

3. Selbst wenn das Vorbringen des Antragstellers als glaubhaft angesehen würde und demnach die verfahrensrechtliche Einjahresfrist abgelaufen wäre, wäre die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs nicht anzuordnen. Stellt die Behörde die Entziehung der Fahrerlaubnis bei gelegentlichem Cannabisgebrauch wegen Missachtung der Anforderungen der Nummer 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung oder den Erlass eines abschlägigen Widerspruchsbescheids gegen einen derartigen Verwaltungsakt trotz etwaigen Verhaltenswandels des Betroffenen bis über den Ablauf der verfahrensrechtlichen Einjahresfrist hinaus zurück, ohne dass die Frage einer Wiedergewinnung der Fahreignung geklärt wurde, obwohl nach dem Vorgesagten hierzu Veranlassung bestanden hätte, so sind in einem Rechtsstreit nach § 80 Abs. 5 VwGO die Erfolgsaussichten der Hauptsache als offen anzusehen (BayVGH vom 9.5.2005 – a.a.O.). Zwar leidet der Bescheid unter dieser Voraussetzung wegen unterbliebener Sachverhaltsermittlung an einem Verfahrensmangel; da der Entzug einer Fahrerlaubnis eine gebundene Entscheidung darstellt, rechtfertigt dieser Umstand nach Art. 46 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) indes nicht ohne weiteres die Aufhebung der behördlichen Entscheidung (BayVGH vom 9.5.2005 – a.a.O.). Der Ausgang des Widerspruchverfahrens hängt vielmehr grundsätzlich davon ab, zu welchem Ergebnis eine Nachholung der ausstehenden Ermittlungsmaßnahmen führen wird. Das einstweilige Rechtschutzverfahren wäre deshalb in diesem Fall anhand einer reinen Interessenabwägung zu entscheiden (BayVGH vom 19.10.2009 – 11 CS 09.1878), die jedoch ebenfalls nicht zur Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung führen würde.

Eine von den Erfolgsaussichten der Hauptsache unabhängige umfassende Abwägung der widerstreitenden Interessen führt zu einem Überwiegen der Interessen der Allgemeinheit an dem Vollzug des Verwaltungsaktes. Dem öffentlichen Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs steht das private Interesse eines Bürgers am Erwerb und Bestand einer Fahrerlaubnis gegenüber (BVerfG vom 20.6.2002 – 1 BvR 2062/96). Ihr Wegfall kann die persönliche Lebensführung und damit die Wahrnehmung grundrechtlicher Freiheiten des Erlaubnisinhabers und seiner Familie nachhaltig beeinflussen; die Fahrerlaubnis hat für den Bürger nicht selten existenzsichernde Bedeutung (BVerfG vom 20.6.2002 – a.a.O.). Ihre Entziehung kann insbesondere dazu führen, dass die Ausübung des Berufs eingeschränkt oder ganz aufgegeben werden muss (BVerfG vom 20.6.2002 – a.a.O.). Diese absehbaren Folgen einer Fahrerlaubnisentziehung muss der Betroffene hinnehmen, wenn hinreichender Anlass zu der Annahme besteht, dass aus seiner aktiven Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr eine Gefahr für dessen Sicherheit resultiert (BVerfG vom 20.6.2002 – a.a.O.). Das Sicherheitsrisiko muss deutlich über demjenigen liegen, das allgemein mit der Zulassung von Personen zum Führen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr verbunden ist (BVerfG vom 20.6.2002 – a.a.O.). Eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung von Anfechtungsrechtsbehelfen gegen den für sofort vollziehbar erklärten Entzug einer Fahrerlaubnis wird deshalb in der Regel nur dann in Betracht kommen, wenn hinreichend gewichtige Gründe dafür sprechen, dass das von dem Betroffenen ausgehende Gefahrpotential nicht nennenswert über dem des Durchschnitts aller motorisierten Verkehrsteilnehmer liegt (BayVGH vom 19.10.2009 – 11 CS 09.1878).

Zu Gunsten des Antragstellers ist in dieser Abwägung zu berücksichtigen, dass er aus beruflichen Gründen auf seine Fahrerlaubnis angewiesen ist.

Zu Lasten des Antragstellers fällt jedoch ins Gewicht, dass er nach eigenen Angaben in der Vergangenheit gelegentlich Cannabis konsumiert und bereits unter dem rechtserheblichen Einfluss von Cannabis am Straßenverkehr teilgenommen hat. Auch ist zu Lasten des Antragstellers zu werten, dass er bereits anderweitig verkehrsauffällig wurde und im September 2009 – demnach im engen zeitlichen Zusammenhang zu dem streitgegenständlichen Vorfall – das Rotlicht einer Ampel missachtet hatte. Im August 2010 wurde der Antragsteller erneut verkehrsauffällig, als er außerhalb geschlossener Ortschaften die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h erheblich um 25 km/h überschritt. Daraus kann abgeleitet werden, dass der Antragsteller generell eine nachlässige Einstellung gegenüber den Regelungen des öffentlichen Straßenverkehrs hat. Zusätzlich fällt ins Gewicht, dass der Antragsteller keine weitere Klärung der offenen Fragen ermöglicht und den Gutachter nicht von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden hat.

Es ist demnach im Rahmen einer summarischen Prüfung davon auszugehen, dass eine weitere Teilnahme des Antragstellers am öffentlichen Straßenverkehr eine Gefahrenquelle für die übrigen Verkehrsteilnehmer darstellen würde. Dahinter haben die beruflichen Interessen des Antragstellers zurückzutreten. Von der Teilnahme möglicherweise nicht geeigneter Personen am Straßenverkehr gehen erhebliche Gefahren für das Leben, die Gesundheit und für bedeutende Sachwerte Dritter aus. Das Interesse der Allgemeinheit an der Sicherheit des Straßenverkehrs und der aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) ableitbare Auftrag zum Schutz vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben gebieten es, hohe Anforderungen an die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu stellen (BayVGH vom 19.10.2009 – Az. 11 CS 09.1878). Diesen Anforderungen wird der Antragsteller auf Grund obiger Erwägungen derzeit nicht gerecht.

Nach alledem war der Antrag abzulehnen.

4. Die Kostenentscheidung ergeht nach § 154 Abs. 1 VwGO.

5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) in Verbindung mit den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, NVwZ 2004, 1327 ff. Abschnitt II Nr. 46.3; im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes wurde die Hälfte des Streitwertes angesetzt (Abschnitt II Nr. 1.5 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, NVwZ 2004, 1327 ff.).

 

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