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Fahreignungsgutachten bei Lungen- und Bronchialerkrankung

Bayerischer Verwaltungsgericht – Az.: 11 CS 19.2518 – Beschluss vom 17.02.2020

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsgegner wendet sich gegen die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Entziehung ihrer Fahrerlaubnis der Klasse 3 (alt).

Am 1. Oktober 2018 teilte das Polizei-Autobahn- und Bezirksrevier Nord in Schuby dem Landratsamt Forchheim (im Folgenden: Landratsamt) mit, die Antragstellerin sei in desorientiertem Zustand auf einem Parkplatz angetroffen worden. Das Landratsamt lud die Antragstellerin daraufhin zu einer Vorsprache ein und verlangte die Vorlage ärztlicher Unterlagen. Dem kam die Antragstellerin nach.

Mit Schreiben vom 27. Februar 2019 forderte das Landratsamt die Antragstellerin auf, bis 3. Mai 2019 ein Gutachten eines Facharztes für Innere Medizin vorzulegen. Es sei u.a. zu klären, ob sie trotz des Vorliegens von Erkrankungen (hier: chronisch-obstruktive Bronchitis, Diabetes Mellitus) und der damit verbundenen Medikation in der Lage sei, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 und 2 gerecht zu werden, ob eine ausreichende Compliance vorliege und ob Auflagen oder Beschränkungen gemäß Anlage 4 oder Nachuntersuchungen erforderlich seien.

Nach Fristverlängerung legte die Antragstellerin ein Fahreignungsgutachten der Fachärztin für Innere Medizin Frau Dr. B… vom 9. August 2019 vor. Dr. B… kam zu dem Ergebnis, die Antragstellerin sei trotz der vorliegenden Erkrankungen in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 und 2 gerecht zu werden. Bezüglich des Diabetes liege eine ausreichende Compliance vor. Es sollten der Antragstellerin diesbezüglich regelmäßige ärztliche Kontrollen auferlegt werden, deren Ergebnisse sie der Fahrerlaubnisbehörde vorlegen müsse. Nachuntersuchungen seien erforderlich, wenn die Medikation geändert werde. Hinsichtlich der obstruktiven Lungenerkrankung sei eine Vorstellung/Kontrolle beim Lungenfacharzt erforderlich. Dabei solle geprüft werden, ob die derzeitige Bedarfsmedikation ausreichend sei oder umgestellt werden müsse. Eine neue Medikation wäre dann neu zu beurteilen. Zudem müsse untersucht und attestiert werden, dass die Lungenerkrankung derzeit keinen negativen Einfluss auf das kardiovaskuläre System habe. Weitere regelmäßige Kontrollen der chronischen Lungenerkrankungen sollten beim Hausarzt stattfinden. Zusammenfassend sei festzustellen, dass die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht eingeschränkt sei, sofern insbesondere das lungenfachärztliche Attest keine abweichende Aussage beinhalte.

Daraufhin fordert das Landratsamt die Antragstellerin mit Schreiben vom 3. September auf, bis 4. Oktober 2019 das im Gutachten erwähnte fachärztliche Attest vorzulegen. Ansonsten dürfe nach § 11 Abs. 8 FeV auf ihre Nichteignung geschlossen und die Fahrerlaubnis entzogen werden. Eine Vorlage der Akten an den Facharzt sah das Landratsamt nicht vor.

Die Antragstellerin legte daraufhin ein Attest des Facharztes für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. S… vom 7. Oktober 2019 vor. Damit wird festgestellt, es liege kein obstruktives Schlafapnoesyndrom bei ihr vor. Dr. S… diagnostizierte eine COPD (Chronic obstructive pulmonal disease) (ICD-10 J44.99, G, Gold2) mit einer mittelgradigen Obstruktion und einer leichten Lungenüberblähung, stellte ein normales Atemgeräusch und keine Rasselgeräusche in der Lunge (Pulmo: VA, kein RG) fest und empfahl eine Kontrolle in einem Jahr.

Mit Schreiben vom 11. Oktober 2019 hörte das Landratsamt die Antragstellerin zur Entziehung ihrer Fahrerlaubnis an. Mit dem Attest vom 7. Oktober 2019 seien die Fragen aus dem Gutachten vom 9. August 2019 nicht hinreichend beantwortet worden. Es werde Gelegenheit gegeben, ein entsprechendes Attest nachzureichen.

Die Antragstellerin legte noch ein Attest des hausärztlich tätigen Internisten Dr. S… vom 24. Oktober 2019 vor, mit dem bestätigt wird, dass eine COPD im Gold-Stadium 3 bestehe, die unter laufender inhalativer Therapie ohne relevante Exazerbationen stabil sei.

Mit Bescheid vom 6. November 2019 entzog das Landratsamt der Antragstellerin die Fahrerlaubnis und ordnete unter Androhung eines Zwangsgelds die Abgabe des Führerscheins sowie die sofortige Vollziehung an. Die Antragstellerin habe die angeordnete fachärztliche Stellungnahme nicht beigebracht. Deshalb könne nach § 11 Abs. 8 FeV auf ihre Ungeeignetheit geschlossen werden. Wer die berechtigten Zweifel an seiner Fahreignung nicht ausräume, könne als ungeeignet angesehen werden.

Über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 6. November 2019 hat die Regierung von Oberfranken nach Aktenlage noch nicht entschieden. Die Antragstellerin legte noch ein Attest des Dr. S… vom 11. November 2019 vor, mit dem bestätigt wird, dass bei ihr ein Schlafapnoesyndrom ausgeschlossen werde.

Dem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des gegen den Bescheid eingelegten Widerspruchs hat das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Beschluss vom 10. Dezember 2019 stattgegeben. Der Widerspruch sei voraussichtlich erfolgreich, da die Gutachtensaufforderung vom 3. September 2019 aus verschiedenen Gründen nicht den Anforderungen des § 11 FeV entsprochen habe. Es fehle an einer konkreten Fragestellung, der Hinweis auf die Einsichtsmöglichkeit der Unterlagen sei nicht enthalten und der Hinweis auf § 11 Abs. 8 FeV gehe fehl, da diese Vorschrift sich nur auf die Vorlage von Gutachten beziehe. Eine Lungenerkrankung, die die Fahreignung ausschließe, stehe nicht fest.

Dagegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner Beschwerde, der die Antragstellerin entgegentritt. Mit dem Schreiben vom 3. September 2019 sei hinreichend bestimmt, was die Antragstellerin noch hätte vorlegen müssen. Es sei damit die Attestierung durch einen Lungenfacharzt gefordert worden, ob die derzeit bestehende Bedarfsmedikation so ausreichend sei und ob die Lungenerkrankung derzeit keinen negativen Einfluss auf das kardiovaskuläre System habe. § 11 Abs. 8 FeV sei auch auf eine solche Attestierung anzuwenden. Die Anforderungen des § 11 Abs. 6 FeV würden aber nicht gelten, denn es sei kein Gutachten, sondern nur ein Attest gefordert worden. Schon mit Schreiben vom 27. Februar 2019 sei die Antragstellerin auf die Möglichkeit der Einsichtnahme in die Unterlagen hingewiesen worden. Die Atteste des Dr. S… und des Dr. S… seien nicht ausreichend. Es wäre nicht verhältnismäßig, ein weiteres ärztliches Gutachten anzufordern, da die Fahreignung grundsätzlich schon im Gutachten vom 9. August 2019 beurteilt worden sei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern oder aufzuheben wäre.

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. Dezember 2019 (BGBl I S. 2008), und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), zuletzt geändert durch Verordnung vom 23. Dezember 2019 (BGBl I S. 2937), hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 3 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 FeV).

Nach § 11 Abs. 2 Satz 2 FeV sind die Anforderungen an die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen insbesondere dann nicht erfüllt, wenn eine Erkrankung oder ein Mangel nach Anlage 4 oder 5 vorliegt, wodurch die Eignung oder die bedingte Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Nach Nr. 11.2.3 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV ist dies bei einem obstruktiven Schlafapnoe Syndrom (OSAS) ohne geeignete Therapie und nach Nr. 11.3 der Anlage 4 zur FeV bei einer schweren Lungen- und Bronchialerkrankung mit schweren Rückwirkungen auf die Herz-Kreislauf-Dynamik der Fall. Dabei sieht Anlage 4 zur FeV bei einem OSAS, aber nicht bei einer schweren Lungen- und Bronchialerkrankung, die Möglichkeit vor, als Beschränkung/Auflage eine ärztliche Begutachtung oder regelmäßige ärztliche Kontrollen vorzusehen. Nach Nr. 3.8 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung (Begutachtungsleitlinien – Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Stand 31.12.2019, veröffentlicht unter www.bast.de) sind durch schwere Erkrankungen der Bronchien und der Lungen Rückwirkungen auf die Herz-Kreislauf-Dynamik zu erwarten, die in fortgeschrittenen Stadien infolge einer Gasaustauschstörung (respiratorische Globalinsuffizienz) sowie durch plötzliche „Hustensynkopen“ die Fähigkeit, den gestellten Anforderungen bei Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr gerecht zu werden, aufheben oder doch erheblich einschränken können.

Nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV darf die Fahrerlaubnisbehörde in ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn dieser sich weigert, sich untersuchen zu lassen, oder wenn er das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Der Schluss aus der Nichtvorlage eines angeforderten Fahreignungsgutachtens auf die fehlende Fahreignung ist gerechtfertigt, wenn die Anordnung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – NJW 2017, 1765 = juris Rn. 19 m.w.N.).

Gemessen an diesen Maßstäben ist die Entziehung der Fahrerlaubnis voraussichtlich rechtswidrig und der Bescheid vom 6. November 2019 im Widerspruchsverfahren aufzuheben. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine Entziehung der Fahrerlaubnis der Antragstellerin nicht auf § 11 Abs. 8 FeV gestützt werden kann, denn die Anforderung eines ärztlichen Attests kann nicht mit der Rechtsfolge des § 11 Abs. 8 FeV verknüpft werden. Die Antragstellerin hat darüber hinaus auch mitgewirkt und das geforderte Attest vorgelegt. Ihre Ungeeignetheit steht in Anbetracht des positiven Gutachtens und der vorgelegten Atteste, die nichts Gegenteiliges besagen, nicht fest.

Zuallererst erscheint schon nicht eindeutig, was Frau Dr. B… im Gutachten vom 9. August 2019 überhaupt festgestellt hat und was sie vorschlagen wollte. Einerseits hat sie bei der Beantwortung der Frage 1 eine uneingeschränkte Fahreignung der Antragstellerin angenommen. Dazu im Widerspruch hat sie bei der Beantwortung der Fragen 3 und 4 hinsichtlich der Lungenerkrankung eine Kontrolle beim Lungenfacharzt als Auflage genannt, die jedoch in Nr. 11.3 der Anlage 4 zur FeV nicht vorgesehen ist. Zusammenfassend hat sie dann ausgeführt, es läge Fahreignung vor, wenn sich aus dem lungenfachärztlichen Attest nichts anderes ergäbe. Es hätte von Seiten des Landratsamts deshalb wohl zuerst einer Nachfrage bei Frau Dr. B… bedurft, ob hier bedingte oder unbedingte Eignung anzunehmen ist, ob Auflagen vorgeschlagen werden sollten, obwohl diese in Nr. 11.3 der Anlage 4 zur FeV für den Regelfall nicht vorgesehen sind, oder ob es sich nur um unverbindliche Empfehlungen („soll“) handeln sollte.

Selbst wenn man davon ausgehen würde, mit dem Gutachten der Frau Dr. B… sei hinsichtlich der Lungenerkrankung abweichend von Nr. 11.3 der Anlage 4 zur FeV nur bedingte Eignung festgestellt und als Auflage zulässigerweise eine lungenfachärztliche Untersuchung vorgeschlagen worden (vgl. zur Zulässigkeit einer Auflage, wenn diese in Anlage 4 nicht vorgesehen ist VGH BW, U.v. 11.12.2017 – 10 S 2262/16 – NZV 2018, 149 Rn. 29 ff.), so hat die Antragstellerin mitgewirkt und ein Attest des Lungenfacharztes Dr. S… beigebracht. Mit diesem Attest wurde eine COPD diagnostiziert, aber keine vom Ergebnis des Gutachtens abweichende Aussage hinsichtlich der Fahreignung getroffen. Damit sind die Eignungsvoraussetzungen nach dem Gutachten vom 9. August 2019 grundsätzlich erfüllt. Dass in dem lungenfachärztlichen Attest ausdrücklich ausgeführt werden müsste, dass eine Umstellung der Medikation nicht erforderlich ist und dass kein negativer Einfluss der Lungenerkrankung auf das kardiovaskuläre System besteht, kann dem Gutachten der Dr. B… so nicht entnommen werden. Würde durch die diagnostizierte COPD ein negativer Einfluss auf das kardiovaskuläre System hervorgerufen, so hätte der Lungenfacharzt dies wohl positiv festgestellt. Bei der großen Lungenfunktionsprüfung (Bodyplethysmographie) hat er demgegenüber regelgerechte Atemgeräusche und kein Rasselgeräusch, sowie eine mittelgradige Obstruktion und eine leichte Lungenüberblähung festgestellt. Hinweise auf eine schwere Erkrankung der Bronchien i.S.d. Nr. 11.3 der Anlage 4 zur FeV und Nr. 3.8 der Begutachtungsleitlinien lassen sich daraus nicht ableiten. Bei Zweifeln daran, ob die Atteste des Dr. S… und des Dr. S… ausreichend sind, hätte daher auf jeden Fall Rücksprache mit der Gutachterin Dr. B… und den attestierenden Ärzten gehalten werden müssen.

Des Weiteren ist auch zu berücksichtigen, dass es im Rahmen eines Entziehungsverfahrens Sache der Fahrerlaubnisbehörde ist, die Tatsachen zu ermitteln, die Zweifel an der Fahreignung rechtfertigen. Der Betroffene ist grundsätzlich nur verpflichtet, an der Aufklärung von aus bekannten Tatsachen resultierenden Eignungszweifeln mitzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 26.7.2019 – 11 CS 19.1093 – ZfSch 2019, 596 Rn. 13; B.v. 25.4.2016 – 11 CS 16.227 – juris Rn. 17; B.v. 20.7.2016 – 11 CS 16.1157 – juris Rn. 16). Steht trotz ausreichender Mitwirkung, aus welchen Gründen auch immer, nicht fest, ob der Betreffende geeignet oder ungeeignet ist, so kann die Fahrerlaubnis nicht entzogen werden (vgl. BayVGH, B.v. 26.7.2019 a.a.O. Rn. 13; OVG RhPf, B.v. 21.7.2009 – 10 B 10508/09 – Blutalkohol 46, 436 = juris Rn. 10). Entgegen der Ansicht des Landratsamts ist es im Fahrerlaubnisentziehungsverfahren nicht Sache des Fahrerlaubnisinhabers, Zweifel an seiner Fahreignung auszuräumen, sondern Sache der Behörde, aufzuklären, ob tatsächlich Ungeeignetheit besteht. Hier ist mit dem Gutachten vom 9. August 2019 festgestellt worden, dass die Antragstellerin geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist, soweit sich aus einem nach Ansicht der Gutachterin vorzulegenden Attest nichts anderes ergibt. Da sich aus den von der Antragstellerin vorgelegten Attesten ihre Ungeeignetheit nicht ergibt, kann die Fahrerlaubnisbehörde auch nicht ihre Einschätzung an die Stelle des ärztlichen Gutachters setzen (vgl. BayVGH, B.v. 26.7.2019 a.a.O. Rn. 14), sondern muss ggf. bei den Ärzten nachfragen, wie die Ausführungen gemeint sind, wenn Zweifel daran bestehen, ob der Arzt die Frage richtig verstanden und die Begutachtungsleitlinien richtig angewendet hat.

Im Übrigen trifft auch die Auffassung des Verwaltungsgerichts zu, dass eine Aufforderung, Atteste vorzulegen, nicht von § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV erfasst wird. Unabhängig davon, dass im vorliegenden Fall unstreitig die formellen Anforderungen des § 11 Abs. 6 FeV im Schreiben des Landratsamts vom 3. September 2019 nicht erfüllt worden sind, kann die Aufforderung, ein ärztliches Attest vorzulegen, nicht mit der Rechtsfolge des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV verbunden werden. § 11 Abs. 8 FeV knüpft schon nach seinem Wortlaut an die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens nach § 11 Abs. 2 bis 4 FeV an und nicht an die Vorlage anderer Unterlagen. Sinn und Zweck der Regelung ist es, die Betroffenen zur Mitwirkung an den in der Fahrerlaubnis-Verordnung vorgesehenen Aufklärungsmaßnahmen anzuhalten und die Entziehung der Fahrerlaubnis zu ermöglichen, wenn es an einer solchen Mitwirkung fehlt und deshalb vermutet werden kann, der Betroffene wolle einen ihm bekannten Eignungsmangel verbergen (vgl. Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 11 FeV Rn. 51). Angesichts der möglichen gravierenden Rechtsfolgen müssen aber die Voraussetzungen, unter denen nach § 11 Abs. 8 FeV auf Ungeeignetheit geschlossen werden darf, für den Betroffenen nachvollziehbar und überprüfbar sein. Bei der Aufforderung zur Beibringung eines Gutachtens ist dies dadurch sichergestellt, dass in §§ 11 bis 14 FeV umfassend und abschließend geregelt ist, in welchen Fällen die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung von Gutachten verlangen darf und welche formellen Voraussetzungen dafür eingehalten werden müssen. Darüber hinaus sind in Anlage 4a zur FeV die Grundsätze für die Durchführung der Untersuchungen und die Erstellung der Gutachten festgelegt. Anhand dieser Vorgaben kann der betroffene Fahrerlaubnisinhaber überprüfen, ob er verpflichtet ist, an den Aufklärungsmaßnahmen mitzuwirken. Hinsichtlich der Vorlage von ärztlichen Attesten existieren keine entsprechenden Regelungen. Für den Fahrerlaubnisinhaber besteht daher keine Möglichkeit, zu beurteilen, ob die Vorlage von solchen Unterlagen rechtmäßig gefordert worden ist. Es ist daher nicht gerechtfertigt, daran die Rechtsfolgen des § 11 Abs. 8 FeV zu knüpfen.

Soweit der Antragsgegner meint, aus der Entscheidung des Senats vom 25. Mai 2010 (11 CS 10.291 – VerkMitt 2010, Nr. 75) ergäbe sich, dass § 11 Abs. 8 FeV auch auf die Vorlage von Attesten angewendet werden könne, kann dem nicht gefolgt werden. Dort wurde einer unter paranoider Schizophrenie leidenden Person eine Fahrerlaubnis unter Beifügung einer nach Nr. 7.6.3 der Anlage 4 zur FeV zulässigen Auflage erteilt. Nachdem die Auflage nicht erfüllt wurde, wurde die Fahrerlaubnis unter Berufung auf § 11 Abs. 8 FeV wieder entzogen. Diese Fallkonstellation ist nicht vergleichbar mit der hier gegebenen Situation, denn die Antragstellerin ist Inhaberin einer unbeschränkten Fahrerlaubnis. Es muss hier deshalb nicht entschieden werden, ob im Falle der Nichterfüllung einer rechtmäßigen Auflage zur Fahrerlaubnis § 11 Abs. 7 oder Abs. 8 FeV die richtige Rechtsgrundlage für die Entziehung ist.

Im Übrigen ist es auch verfehlt, die Rechtsfolge des § 11 Abs. 8 FeV daran zu knüpfen, dass ein gefordertes Attest nicht den von der Fahrerlaubnisbehörde für notwendig gehaltenen Inhalt hat. § 11 Abs. 8 FeV bezieht sich darauf, dass der Betroffene sich nicht untersuchen lässt oder ein gefordertes Gutachten nicht beibringt. Lässt sich der Betreffende untersuchen und bringt die geforderten Unterlagen bei – so wie hier die Antragstellerin das verlangte lungenärztliche Attest – findet § 11 Abs. 8 FeV schon vom Grundsatz her keine Anwendung, selbst wenn die vorgelegten Unterlagen vielleicht mangelhaft sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1, 46.3 und 46.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, Anh. § 164 Rn. 14).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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